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Juni 1809 [Mittwoch].<br>Liebe Freundin!<br>Ich schreibe Ihnen, obwohl ich Ihnen eigentlich nichts mitzuteilen habe, außer daß ich tief unglücklich bin, Sie nicht begleiten zu können, daß meine Gedanken und Wünsche für einen glücklichen Erfolg ihrer Reise Sie immer umschweben und daß ich mit größter Ungeduld Ihre ersten Nachrichten erwarte. Alb[ert] und ich haben hier unser Einsiedlerleben begonnen. Bis jetzt bin ich sehr zufrieden mit ihm. Gestern hatten wir schlechtes Wetter, so daß wir nicht ausgehen konnten, was uns noch trauriger stimmte.<br>Wir hatten noch einige Besuche, die Ihnen galten; Lullin [de Châteauvieux] sprach ein paar Stunden nach Ihrer Abfahrt vor; ich begegnete ihm, als er vom Schloß zurückkam. Er war sehr vergnügt und hoffnungsvoll gestimmt, denn die Dame, für die er sich, wie Sie wissen, interessiert, scheint wieder auf dem Wege der Besserung zu sein, und so war er wohl nur deshalb gekommen, um sich mit uns gemeinsam darüber zu freuen. Gestern kam Herr Louis de St. Priest auf dem Wege nach Lausanne hier durch und frühstückte mit uns. Er sagte mir, Billy [von Berchem] habe einen Brief von seinem Bruder, dem es sehr gut gehe, der aber darüber klage, eine große Zahl seiner Kameraden verloren zu haben. Auch Herr Seymour wollte Ihnen einen Besuch machen, ging dann aber gleich wieder fort, als er von Alb[ert] erfuhr, daß Sie verreist seien. Gerade eben haben mich Herr und Frau de Noailles verlassen; sie sind auf dem Wege nach Genf und blieben nur einen Augenblick. Sie haben sich sehr nach Ihnen erkundigt.<br>Ich lege zwei Briefe bei, die die Schweizer Post heute brachte. Einer von den beiden scheint lange unterwegs gewesen zu sein. In Genf hat man mir die beiliegende Vermählungsanzeige von Fräulein Saladin übergeben. Ich wußte garnicht, daß die Vermählung so bald stattfinden sollte – ein harter Schlag für Aug[ust], der sich so für sie interessierte.<br>Das Schloß ist verlassen und ohne Leben. In Ermangelung von etwas Besserem arbeite ich den ganzen Tag. Noch habe ich kein Pferd, um reiten und unsere Nachbarn besuchen zu können. So war es mir auch nicht möglich, der Parade des Landsturms in Nyon beizuwohnen, auf der, wie man sagt, Herr de Prangins als General erschien. Er war von zwei Adjutanten begleitet und ritt ein lebhaftes, herrlich aufgeschirrtes Pferd, das er an der Front seines Bataillons entlangtänzeln ließ. In den heutigen Schweizer Zeitungen steht fast nichts. Herr von Wattenwyl hat Herrn von Affry einen Kurier geschickt, das läßt vermuten, daß die Bataillone des zweiten Aufgebots, denen zuerst Gegenbefehl zugegangen war, sich nun doch in Marsch setzen werden, um den Kordon zu verstärken. Leute, die aus Freiburg kommen, wo die Tagsatzung stattfindet, behaupten auf ähnlich unbestimmte Vermutungen hin, daß Herr von Wrede auf einen anderen Posten berufen worden ist. Sie erzählen, es habe am 29. eine neue Schlacht an der Donau stattgefunden. Es scheint mir das allein schon durch das Datum widerlegt. Übrigens verlautet nichts über den Ausgang.<br>Man wundert sich darüber, daß der Wiener Wechselkurs in die Höhe gegangen ist. Am 25. wurde er mit 275 Auszahlung Augsburg notiert; man schreibt diese Veränderung günstigen Aussichten für den Kredit der Bankbillets zu, die der französische Kaiser zur Verfügung gestellt hätte. <br>Für den Augenblick kommt mir nichts anderes in den Sinn. Alb[ert] ist mit Cachet nach Satigny und Genf gegangen. Sie werden zweifellos Briefe mitbringen; ich selber erwarte keinen, aber im Augenblick kann ich sie leichter entbehren.<br>Mittwoch abend. – Es ist nur ein Brief für uns eingetroffen, einer für Herrn de S[abran] und zwei für August. Unter Kreuzband sind zwei Druckbogen für Herrn Simonde angekommen: ich schicke sie wie die anderen Postsachen unter der Adresse Herrn Couderc fort, um dieses Paket nicht noch weiter zu beschweren. Sollte Herr Couderc zufällig noch nicht wissen, daß er bei Ihnen ist, so müßten Sie die Druckbogen bei ihm abholen lassen. Auch ein Manuskript für Herrn Simonde ist eingetroffen – ohne Marke – wie mir scheint, von Gessner aus Zürich. Ich glaubte es am besten bis zu seiner demnächstigen Rückkehr hierbehalten zu sollen. Tausend Grüße an Aug[ust]. Wenn er auch in Lyon ist, hoffe ich, daß er mit Ihnen hierher zurückkehrt. Sollten Sie auf Ihrer Reise erreichen, was Sie sich vorgenommen haben, so fürchte ich sehr, daß dann die Zerstreuungen Ihnen wenig Zeit lassen werden, an mich zu denken, und daß Sie meine Abwesenheit garnicht bemerken. Es ist wirklich ein Unglück, daß Sie sich meinetwegen nicht zu beunruhigen brauchen; selbst wenn Sie mich völlig vergessen, bin ich wie eine Sache, die man an einem abgelegenen Orte verloren hat, wo man aber immer sicher ist, sie wieder zu finden, so wenig man sich auch darum bemüht.<br>Wann werde ich wohl einen Brief von Ihnen bekommen? 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Sie heiratete 1786 den schwedischen Diplomaten Erik Magnus von Staël-Holstein in Paris. Die Eheleute lebten von Anfang an getrennt. Zu ihren ersten Veröffentlichungen zählten die „Lettres sur les ecrits et le charactère de J.-J. Rousseau“, die 1788 erschienen. Neben der Tätigkeit als Schriftstellerin wurde Germaine de Staël-Holstein als einflussreiche Salonnière berühmt. Unter ihrem politischen Einfluss stand u.a. Benjamin Constant, mit dem sie eine langjährige Beziehung führte und der der Vater ihrer Tochter Albertine war. Ihr politischer Liberalismus und die Befürwortung einer konstitutionellen Monarchie führten 1792 zu ihrer Verbannung ins schweizerische Exil. Gemeinsam mit ihren Kindern bezog sie Schloss Coppet am Genfer See, das nun zum Treffpunkt Intellektueller und Künstler ganz Europas avancierte. Nur selten war der Schriftstellerin der Aufenthalt in Frankreich gestattet. Während ausgedehnter Reisen in den Folgejahren nach Deutschland (1803/04 und 1808) und Italien (1805) war sie zumeist in Begleitung ihres Freundes und Hauslehrers AWS sowie Benjamin Constants. Großen Erfolg hatte sie mit ihrem Werk „De LʼAllemagne“ (1810) sowie mit ihrem Roman „Corinne ou LʼItalie“ (1807) und politischen Schriften. Die Verfolgung durch die französische Regierung veranlasste Germaine de Staël-Holstein am 23. Mai 1812 zur Flucht über die Schweiz nach Österreich, Russland und schließlich Schweden. Anschließend hielten sie sich von 1813 bis 1814 in London auf. Nach der Rückkehr in die Schweiz heiratete de Staël-Holstein 1816 den Vater ihres jüngsten Kindes, John Rocca.', '39_quellen' => 'WBIS@http://db.saur.de/WBIS/basicSearch.jsf@D834-624-6@ extern@Roger Paulin: August Wilhelm Schlegel. Cosmopolitan of Art and Poetry. Cambridge 2016.@ extern@Briefe von und an August Wilhelm Schlegel. Ges. u. erl. d. Josef Körner. 2. Bd. Die Erläuterungen. 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Sie heiratete 1786 den schwedischen Diplomaten Erik Magnus von Staël-Holstein in Paris. Die Eheleute lebten von Anfang an getrennt. Zu ihren ersten Veröffentlichungen zählten die „Lettres sur les ecrits et le charactère de J.-J. Rousseau“, die 1788 erschienen. Neben der Tätigkeit als Schriftstellerin wurde Germaine de Staël-Holstein als einflussreiche Salonnière berühmt. Unter ihrem politischen Einfluss stand u.a. Benjamin Constant, mit dem sie eine langjährige Beziehung führte und der der Vater ihrer Tochter Albertine war. Ihr politischer Liberalismus und die Befürwortung einer konstitutionellen Monarchie führten 1792 zu ihrer Verbannung ins schweizerische Exil. Gemeinsam mit ihren Kindern bezog sie Schloss Coppet am Genfer See, das nun zum Treffpunkt Intellektueller und Künstler ganz Europas avancierte. Nur selten war der Schriftstellerin der Aufenthalt in Frankreich gestattet. Während ausgedehnter Reisen in den Folgejahren nach Deutschland (1803/04 und 1808) und Italien (1805) war sie zumeist in Begleitung ihres Freundes und Hauslehrers AWS sowie Benjamin Constants. Großen Erfolg hatte sie mit ihrem Werk „De LʼAllemagne“ (1810) sowie mit ihrem Roman „Corinne ou LʼItalie“ (1807) und politischen Schriften. Die Verfolgung durch die französische Regierung veranlasste Germaine de Staël-Holstein am 23. Mai 1812 zur Flucht über die Schweiz nach Österreich, Russland und schließlich Schweden. Anschließend hielten sie sich von 1813 bis 1814 in London auf. Nach der Rückkehr in die Schweiz heiratete de Staël-Holstein 1816 den Vater ihres jüngsten Kindes, John Rocca.', '39_quellen' => 'WBIS@http://db.saur.de/WBIS/basicSearch.jsf@D834-624-6@ extern@Roger Paulin: August Wilhelm Schlegel. Cosmopolitan of Art and Poetry. Cambridge 2016.@ extern@Briefe von und an August Wilhelm Schlegel. Ges. u. erl. d. Josef Körner. 2. Bd. Die Erläuterungen. 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[Coppet] den 7. Juni 1809 [Mittwoch].
Liebe Freundin!
Ich schreibe Ihnen, obwohl ich Ihnen eigentlich nichts mitzuteilen habe, außer daß ich tief unglücklich bin, Sie nicht begleiten zu können, daß meine Gedanken und Wünsche für einen glücklichen Erfolg ihrer Reise Sie immer umschweben und daß ich mit größter Ungeduld Ihre ersten Nachrichten erwarte. Alb[ert] und ich haben hier unser Einsiedlerleben begonnen. Bis jetzt bin ich sehr zufrieden mit ihm. Gestern hatten wir schlechtes Wetter, so daß wir nicht ausgehen konnten, was uns noch trauriger stimmte.
Wir hatten noch einige Besuche, die Ihnen galten; Lullin [de Châteauvieux] sprach ein paar Stunden nach Ihrer Abfahrt vor; ich begegnete ihm, als er vom Schloß zurückkam. Er war sehr vergnügt und hoffnungsvoll gestimmt, denn die Dame, für die er sich, wie Sie wissen, interessiert, scheint wieder auf dem Wege der Besserung zu sein, und so war er wohl nur deshalb gekommen, um sich mit uns gemeinsam darüber zu freuen. Gestern kam Herr Louis de St. Priest auf dem Wege nach Lausanne hier durch und frühstückte mit uns. Er sagte mir, Billy [von Berchem] habe einen Brief von seinem Bruder, dem es sehr gut gehe, der aber darüber klage, eine große Zahl seiner Kameraden verloren zu haben. Auch Herr Seymour wollte Ihnen einen Besuch machen, ging dann aber gleich wieder fort, als er von Alb[ert] erfuhr, daß Sie verreist seien. Gerade eben haben mich Herr und Frau de Noailles verlassen; sie sind auf dem Wege nach Genf und blieben nur einen Augenblick. Sie haben sich sehr nach Ihnen erkundigt.
Ich lege zwei Briefe bei, die die Schweizer Post heute brachte. Einer von den beiden scheint lange unterwegs gewesen zu sein. In Genf hat man mir die beiliegende Vermählungsanzeige von Fräulein Saladin übergeben. Ich wußte garnicht, daß die Vermählung so bald stattfinden sollte – ein harter Schlag für Aug[ust], der sich so für sie interessierte.
Das Schloß ist verlassen und ohne Leben. In Ermangelung von etwas Besserem arbeite ich den ganzen Tag. Noch habe ich kein Pferd, um reiten und unsere Nachbarn besuchen zu können. So war es mir auch nicht möglich, der Parade des Landsturms in Nyon beizuwohnen, auf der, wie man sagt, Herr de Prangins als General erschien. Er war von zwei Adjutanten begleitet und ritt ein lebhaftes, herrlich aufgeschirrtes Pferd, das er an der Front seines Bataillons entlangtänzeln ließ. In den heutigen Schweizer Zeitungen steht fast nichts. Herr von Wattenwyl hat Herrn von Affry einen Kurier geschickt, das läßt vermuten, daß die Bataillone des zweiten Aufgebots, denen zuerst Gegenbefehl zugegangen war, sich nun doch in Marsch setzen werden, um den Kordon zu verstärken. Leute, die aus Freiburg kommen, wo die Tagsatzung stattfindet, behaupten auf ähnlich unbestimmte Vermutungen hin, daß Herr von Wrede auf einen anderen Posten berufen worden ist. Sie erzählen, es habe am 29. eine neue Schlacht an der Donau stattgefunden. Es scheint mir das allein schon durch das Datum widerlegt. Übrigens verlautet nichts über den Ausgang.
Man wundert sich darüber, daß der Wiener Wechselkurs in die Höhe gegangen ist. Am 25. wurde er mit 275 Auszahlung Augsburg notiert; man schreibt diese Veränderung günstigen Aussichten für den Kredit der Bankbillets zu, die der französische Kaiser zur Verfügung gestellt hätte.
Für den Augenblick kommt mir nichts anderes in den Sinn. Alb[ert] ist mit Cachet nach Satigny und Genf gegangen. Sie werden zweifellos Briefe mitbringen; ich selber erwarte keinen, aber im Augenblick kann ich sie leichter entbehren.
Mittwoch abend. – Es ist nur ein Brief für uns eingetroffen, einer für Herrn de S[abran] und zwei für August. Unter Kreuzband sind zwei Druckbogen für Herrn Simonde angekommen: ich schicke sie wie die anderen Postsachen unter der Adresse Herrn Couderc fort, um dieses Paket nicht noch weiter zu beschweren. Sollte Herr Couderc zufällig noch nicht wissen, daß er bei Ihnen ist, so müßten Sie die Druckbogen bei ihm abholen lassen. Auch ein Manuskript für Herrn Simonde ist eingetroffen – ohne Marke – wie mir scheint, von Gessner aus Zürich. Ich glaubte es am besten bis zu seiner demnächstigen Rückkehr hierbehalten zu sollen. Tausend Grüße an Aug[ust]. Wenn er auch in Lyon ist, hoffe ich, daß er mit Ihnen hierher zurückkehrt. Sollten Sie auf Ihrer Reise erreichen, was Sie sich vorgenommen haben, so fürchte ich sehr, daß dann die Zerstreuungen Ihnen wenig Zeit lassen werden, an mich zu denken, und daß Sie meine Abwesenheit garnicht bemerken. Es ist wirklich ein Unglück, daß Sie sich meinetwegen nicht zu beunruhigen brauchen; selbst wenn Sie mich völlig vergessen, bin ich wie eine Sache, die man an einem abgelegenen Orte verloren hat, wo man aber immer sicher ist, sie wieder zu finden, so wenig man sich auch darum bemüht.
Wann werde ich wohl einen Brief von Ihnen bekommen? Hoffentlich morgen. Dieser Brief ist sehr nichtssagend; es steht leider so ganz außer meiner Macht, Ihnen etwas Gutes zu tun. Freitag schreibe ich Ihnen wieder. Der Himmel beschütze Sie!
Liebe Freundin!
Ich schreibe Ihnen, obwohl ich Ihnen eigentlich nichts mitzuteilen habe, außer daß ich tief unglücklich bin, Sie nicht begleiten zu können, daß meine Gedanken und Wünsche für einen glücklichen Erfolg ihrer Reise Sie immer umschweben und daß ich mit größter Ungeduld Ihre ersten Nachrichten erwarte. Alb[ert] und ich haben hier unser Einsiedlerleben begonnen. Bis jetzt bin ich sehr zufrieden mit ihm. Gestern hatten wir schlechtes Wetter, so daß wir nicht ausgehen konnten, was uns noch trauriger stimmte.
Wir hatten noch einige Besuche, die Ihnen galten; Lullin [de Châteauvieux] sprach ein paar Stunden nach Ihrer Abfahrt vor; ich begegnete ihm, als er vom Schloß zurückkam. Er war sehr vergnügt und hoffnungsvoll gestimmt, denn die Dame, für die er sich, wie Sie wissen, interessiert, scheint wieder auf dem Wege der Besserung zu sein, und so war er wohl nur deshalb gekommen, um sich mit uns gemeinsam darüber zu freuen. Gestern kam Herr Louis de St. Priest auf dem Wege nach Lausanne hier durch und frühstückte mit uns. Er sagte mir, Billy [von Berchem] habe einen Brief von seinem Bruder, dem es sehr gut gehe, der aber darüber klage, eine große Zahl seiner Kameraden verloren zu haben. Auch Herr Seymour wollte Ihnen einen Besuch machen, ging dann aber gleich wieder fort, als er von Alb[ert] erfuhr, daß Sie verreist seien. Gerade eben haben mich Herr und Frau de Noailles verlassen; sie sind auf dem Wege nach Genf und blieben nur einen Augenblick. Sie haben sich sehr nach Ihnen erkundigt.
Ich lege zwei Briefe bei, die die Schweizer Post heute brachte. Einer von den beiden scheint lange unterwegs gewesen zu sein. In Genf hat man mir die beiliegende Vermählungsanzeige von Fräulein Saladin übergeben. Ich wußte garnicht, daß die Vermählung so bald stattfinden sollte – ein harter Schlag für Aug[ust], der sich so für sie interessierte.
Das Schloß ist verlassen und ohne Leben. In Ermangelung von etwas Besserem arbeite ich den ganzen Tag. Noch habe ich kein Pferd, um reiten und unsere Nachbarn besuchen zu können. So war es mir auch nicht möglich, der Parade des Landsturms in Nyon beizuwohnen, auf der, wie man sagt, Herr de Prangins als General erschien. Er war von zwei Adjutanten begleitet und ritt ein lebhaftes, herrlich aufgeschirrtes Pferd, das er an der Front seines Bataillons entlangtänzeln ließ. In den heutigen Schweizer Zeitungen steht fast nichts. Herr von Wattenwyl hat Herrn von Affry einen Kurier geschickt, das läßt vermuten, daß die Bataillone des zweiten Aufgebots, denen zuerst Gegenbefehl zugegangen war, sich nun doch in Marsch setzen werden, um den Kordon zu verstärken. Leute, die aus Freiburg kommen, wo die Tagsatzung stattfindet, behaupten auf ähnlich unbestimmte Vermutungen hin, daß Herr von Wrede auf einen anderen Posten berufen worden ist. Sie erzählen, es habe am 29. eine neue Schlacht an der Donau stattgefunden. Es scheint mir das allein schon durch das Datum widerlegt. Übrigens verlautet nichts über den Ausgang.
Man wundert sich darüber, daß der Wiener Wechselkurs in die Höhe gegangen ist. Am 25. wurde er mit 275 Auszahlung Augsburg notiert; man schreibt diese Veränderung günstigen Aussichten für den Kredit der Bankbillets zu, die der französische Kaiser zur Verfügung gestellt hätte.
Für den Augenblick kommt mir nichts anderes in den Sinn. Alb[ert] ist mit Cachet nach Satigny und Genf gegangen. Sie werden zweifellos Briefe mitbringen; ich selber erwarte keinen, aber im Augenblick kann ich sie leichter entbehren.
Mittwoch abend. – Es ist nur ein Brief für uns eingetroffen, einer für Herrn de S[abran] und zwei für August. Unter Kreuzband sind zwei Druckbogen für Herrn Simonde angekommen: ich schicke sie wie die anderen Postsachen unter der Adresse Herrn Couderc fort, um dieses Paket nicht noch weiter zu beschweren. Sollte Herr Couderc zufällig noch nicht wissen, daß er bei Ihnen ist, so müßten Sie die Druckbogen bei ihm abholen lassen. Auch ein Manuskript für Herrn Simonde ist eingetroffen – ohne Marke – wie mir scheint, von Gessner aus Zürich. Ich glaubte es am besten bis zu seiner demnächstigen Rückkehr hierbehalten zu sollen. Tausend Grüße an Aug[ust]. Wenn er auch in Lyon ist, hoffe ich, daß er mit Ihnen hierher zurückkehrt. Sollten Sie auf Ihrer Reise erreichen, was Sie sich vorgenommen haben, so fürchte ich sehr, daß dann die Zerstreuungen Ihnen wenig Zeit lassen werden, an mich zu denken, und daß Sie meine Abwesenheit garnicht bemerken. Es ist wirklich ein Unglück, daß Sie sich meinetwegen nicht zu beunruhigen brauchen; selbst wenn Sie mich völlig vergessen, bin ich wie eine Sache, die man an einem abgelegenen Orte verloren hat, wo man aber immer sicher ist, sie wieder zu finden, so wenig man sich auch darum bemüht.
Wann werde ich wohl einen Brief von Ihnen bekommen? Hoffentlich morgen. Dieser Brief ist sehr nichtssagend; es steht leider so ganz außer meiner Macht, Ihnen etwas Gutes zu tun. Freitag schreibe ich Ihnen wieder. Der Himmel beschütze Sie!
· Original , 07.06.1809