• August Wilhelm von Schlegel to Anne Louise Germaine de Staël-Holstein

  • Place of Dispatch: Genf · Place of Destination: Unknown · Date: 16.06.1809
Edition Status: Single collated printed full text without registry labelling not including a registry
    Metadata Concerning Header
  • Sender: August Wilhelm von Schlegel
  • Recipient: Anne Louise Germaine de Staël-Holstein
  • Place of Dispatch: Genf
  • Place of Destination: Unknown
  • Date: 16.06.1809
  • Notations: Aus rechtlichen Gründen wird vorerst die deutsche Übersetzung angezeigt.
    Printed Text
  • Bibliography: Pange, Pauline de: August Wilhelm Schlegel und Frau von Staël. Eine schicksalhafte Begegnung. Nach unveröffentlichten Briefen erzählt von Pauline Gräfin de Pange. Dt. Ausg. von Willy Grabert. Hamburg 1940, S. 186–187.
  • Incipit: „G[enf], den 16. Juni 1809
    Liebe Freundin!
    Gestern war ich in Satigny, Châtelaine, Cologny und Chancy. Ich habe eine Menge Menschen gesehen und [...]“
    Language
  • German
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G[enf], den 16. Juni 1809
Liebe Freundin!
Gestern war ich in Satigny, Châtelaine, Cologny und Chancy. Ich habe eine Menge Menschen gesehen und mich fast den ganzen Tag unterhalten, was wirklich für mich eine Anstrengung bedeutet. Bei Ihrer Cousine [Frau Necker von Saussure] habe ich zuMittag gegessen; wir haben – wie Sie sich denken können – viel und interessiert von Ihnen gesprochen. Aber was wir beiderseits wußten, ließ uns doch völlig im Dunkeln über das, was sich in den ersten Tagen nach Ihrer Ankunft in Lyon abgespielt hat. Nach dem Essen habe ich mich sehr freundschaftlich mit Herrn Gautier über die Ideen, die ihn augenblicklich so ganz erfüllen, aber auch über Sie und was Sie augenblicklich erleben, unterhalten. Er wußte von der Zusammenkunft in Morges durch einen Brief von Herrn de Lang[allerie] und redete mir sehr zu, meine Verbindungen mit diesem enger zu gestalten. Ich werde das auch tun. Aber dazu muß ich einmal mehrere Tage in Lausanne sein. Herr Gautier bezeigte mir großes Wohlwollen. Seitdem er mich ein wenig näher kennt, betrachtet er mich schon als zu ihrem Kreise gehörig. Ich glaube, die Unterhaltung mit diesen beiden Herren würde viel zu Ihrer Beruhigung beitragen, während die Besuche Frau Réc[amiers] und Herrn von V[oghts] doch nur auf Äußerlichkeiten hinauslaufen können.
Ich war auch bei Frau Rilliet, die nichts zu ahnen scheint. Jeder hat mich sehr freundlich aufgenommen; von allen Seiten wurde ich zum Essen und zum Übernachten eingeladen. Diesmal hatte ich mich nun so eingerichtet, daß ich im Gasthof blieb, aber, wenn ich wieder nach Genf komme, könnte ich von den Einladungen Gebrauch machen. Die Châteauvieux haben mich auch dringend gebeten, an einem Tage, wenn Alb[ert] seine Stunden nimmt, schon den Abend vorher zu ihnen zu kommen und für die Nacht bei ihnen zu bleiben. Ich habe Fréd[éric] Rilliet nur einen Augenblick gesehen, weil er auf dem Sprunge stand, mit seiner Frau nach Genf zu fahren. Sie bleiben ein paar Tage bei Frau Rilliet, um an den Festlichkeiten teilzunehmen. Frédéric hätte große Lust nach Lyon zu kommen, aber ich weiß nicht, ob er seine Verwandten schon so bald wieder längere Zeit verlassen kann.
Man spricht von Verhandlungen Talmas mit den Genfer Schauspielern; er will dort spielen. Auch von einer entzückenden Abendunterhaltung wird viel geredet, die Sie gegeben haben sollen, auf der Talma verschiedene Sachen vortrug, u. s. w. Alle sprechen lobend von Ihrer Heiterkeit und Ihrer glänzenden Unterhaltungsgabe. Die Feinheit der Beobachtungen dieser Menschen bewundere ich nicht, aber ich bin froh, daß sie sich so täuschen lassen.
In Genf besuchte ich auch Bonstetten, der, ohne krank zu sein, seit Ihrer Abreise das Bett hütet. Zu seinem einen lahmen Bein hat er sich jetzt auch noch in das andere Knie geschnitten, aber in einigen Tagen wird es geheilt sein. Er hat gesehen, wie erregt Sie an dem Tage Ihrer Abreise waren, und Sie haben ihm auch noch darüber geschrieben, ohne den Grund anzugeben. Soweit es in seiner Art liegt, nimmt er lebhaften Anteil an Ihrem Schicksal. Übrigens hat ihn auch der Tod [Johannes von] Müllers sehr erschüttert.
Charles de la Bédoyère ist in der Schlacht bei Eßling gefallen – gerade, wo sein Vater gestorben ist und seinem älteren Sohne, der nun der einzige ist, ein Vermögen hinterläßt, das 100000 Frcs Zinsen abwirft.
Herrn de St.-Priest scheint es mit seiner Familie auf dem Lande gut zu gefallen; er sagte mir, der Präfekt [Baron de Barante] sei sehr traurig; verschiedene Besuche habe er garnicht angenommen. Andere behaupten, er wolle nur nicht von dem Verlust seines Sohnes reden, unterhalte sich aber über andere Dinge. Seit drei Monaten hat er keine Nachricht von seinem anderen Sohn in Spanien, außer einem Brief von dem jungen Rocca ohne Datum, der besagt, er befände sich wohl. Von den Meinigen höre ich nichts. Ich möchte beinahe glauben, daß meine Schwägerin Wien verlassen hat, wo die Teuerung ungemein groß sein muß.
In der Angelegenheit, die mich hauptsächlich angeht, habe ich große Hoffnung; ich kann Ihnen aber alle meine Gründe dafür nicht auseinandersetzen. Vielleicht wird das im Laufe eines Jahres schon einen Wechsel in unseren Plänen zur Folge haben.
Leben Sie wohl, liebe Freundin. Wenn ich einen Segen zu vergeben hätte, wäre er Ihnen gewiß.
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G[enf], den 16. Juni 1809
Liebe Freundin!
Gestern war ich in Satigny, Châtelaine, Cologny und Chancy. Ich habe eine Menge Menschen gesehen und mich fast den ganzen Tag unterhalten, was wirklich für mich eine Anstrengung bedeutet. Bei Ihrer Cousine [Frau Necker von Saussure] habe ich zuMittag gegessen; wir haben – wie Sie sich denken können – viel und interessiert von Ihnen gesprochen. Aber was wir beiderseits wußten, ließ uns doch völlig im Dunkeln über das, was sich in den ersten Tagen nach Ihrer Ankunft in Lyon abgespielt hat. Nach dem Essen habe ich mich sehr freundschaftlich mit Herrn Gautier über die Ideen, die ihn augenblicklich so ganz erfüllen, aber auch über Sie und was Sie augenblicklich erleben, unterhalten. Er wußte von der Zusammenkunft in Morges durch einen Brief von Herrn de Lang[allerie] und redete mir sehr zu, meine Verbindungen mit diesem enger zu gestalten. Ich werde das auch tun. Aber dazu muß ich einmal mehrere Tage in Lausanne sein. Herr Gautier bezeigte mir großes Wohlwollen. Seitdem er mich ein wenig näher kennt, betrachtet er mich schon als zu ihrem Kreise gehörig. Ich glaube, die Unterhaltung mit diesen beiden Herren würde viel zu Ihrer Beruhigung beitragen, während die Besuche Frau Réc[amiers] und Herrn von V[oghts] doch nur auf Äußerlichkeiten hinauslaufen können.
Ich war auch bei Frau Rilliet, die nichts zu ahnen scheint. Jeder hat mich sehr freundlich aufgenommen; von allen Seiten wurde ich zum Essen und zum Übernachten eingeladen. Diesmal hatte ich mich nun so eingerichtet, daß ich im Gasthof blieb, aber, wenn ich wieder nach Genf komme, könnte ich von den Einladungen Gebrauch machen. Die Châteauvieux haben mich auch dringend gebeten, an einem Tage, wenn Alb[ert] seine Stunden nimmt, schon den Abend vorher zu ihnen zu kommen und für die Nacht bei ihnen zu bleiben. Ich habe Fréd[éric] Rilliet nur einen Augenblick gesehen, weil er auf dem Sprunge stand, mit seiner Frau nach Genf zu fahren. Sie bleiben ein paar Tage bei Frau Rilliet, um an den Festlichkeiten teilzunehmen. Frédéric hätte große Lust nach Lyon zu kommen, aber ich weiß nicht, ob er seine Verwandten schon so bald wieder längere Zeit verlassen kann.
Man spricht von Verhandlungen Talmas mit den Genfer Schauspielern; er will dort spielen. Auch von einer entzückenden Abendunterhaltung wird viel geredet, die Sie gegeben haben sollen, auf der Talma verschiedene Sachen vortrug, u. s. w. Alle sprechen lobend von Ihrer Heiterkeit und Ihrer glänzenden Unterhaltungsgabe. Die Feinheit der Beobachtungen dieser Menschen bewundere ich nicht, aber ich bin froh, daß sie sich so täuschen lassen.
In Genf besuchte ich auch Bonstetten, der, ohne krank zu sein, seit Ihrer Abreise das Bett hütet. Zu seinem einen lahmen Bein hat er sich jetzt auch noch in das andere Knie geschnitten, aber in einigen Tagen wird es geheilt sein. Er hat gesehen, wie erregt Sie an dem Tage Ihrer Abreise waren, und Sie haben ihm auch noch darüber geschrieben, ohne den Grund anzugeben. Soweit es in seiner Art liegt, nimmt er lebhaften Anteil an Ihrem Schicksal. Übrigens hat ihn auch der Tod [Johannes von] Müllers sehr erschüttert.
Charles de la Bédoyère ist in der Schlacht bei Eßling gefallen – gerade, wo sein Vater gestorben ist und seinem älteren Sohne, der nun der einzige ist, ein Vermögen hinterläßt, das 100000 Frcs Zinsen abwirft.
Herrn de St.-Priest scheint es mit seiner Familie auf dem Lande gut zu gefallen; er sagte mir, der Präfekt [Baron de Barante] sei sehr traurig; verschiedene Besuche habe er garnicht angenommen. Andere behaupten, er wolle nur nicht von dem Verlust seines Sohnes reden, unterhalte sich aber über andere Dinge. Seit drei Monaten hat er keine Nachricht von seinem anderen Sohn in Spanien, außer einem Brief von dem jungen Rocca ohne Datum, der besagt, er befände sich wohl. Von den Meinigen höre ich nichts. Ich möchte beinahe glauben, daß meine Schwägerin Wien verlassen hat, wo die Teuerung ungemein groß sein muß.
In der Angelegenheit, die mich hauptsächlich angeht, habe ich große Hoffnung; ich kann Ihnen aber alle meine Gründe dafür nicht auseinandersetzen. Vielleicht wird das im Laufe eines Jahres schon einen Wechsel in unseren Plänen zur Folge haben.
Leben Sie wohl, liebe Freundin. Wenn ich einen Segen zu vergeben hätte, wäre er Ihnen gewiß.
· Original , 16.06.1809
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