• August Wilhelm von Schlegel to Anne Louise Germaine de Staël-Holstein

  • Place of Dispatch: Bern · Place of Destination: Unknown · Date: 26.09.1811
Edition Status: Single collated printed full text without registry labelling not including a registry
    Metadata Concerning Header
  • Sender: August Wilhelm von Schlegel
  • Recipient: Anne Louise Germaine de Staël-Holstein
  • Place of Dispatch: Bern
  • Place of Destination: Unknown
  • Date: 26.09.1811
  • Notations: Aus rechtlichen Gründen wird vorerst die deutsche Übersetzung angezeigt.
    Printed Text
  • Bibliography: Pange, Pauline de: August Wilhelm Schlegel und Frau von Staël. Eine schicksalhafte Begegnung. Nach unveröffentlichten Briefen erzählt von Pauline Gräfin de Pange. Dt. Ausg. von Willy Grabert. Hamburg 1940, S. 253–254.
  • Incipit: „[Bern] den 26. September
    Aug[usts] Vorschlag ist wirklich verführerisch. Aber vielleicht sollte man nicht so sehr auf die Dinge drängen, die [...]“
    Language
  • German
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[Bern] den 26. September
Aug[usts] Vorschlag ist wirklich verführerisch. Aber vielleicht sollte man nicht so sehr auf die Dinge drängen, die meine Person betreffen; ich könnte die Pakete, mit denen es doch unbequem wäre sich zu belasten, selbst mitbringen und würde dann schnell zu meiner Stiefschwester reisen. Aber ich fürchte, daß auch die übrigen Erleichterungen nicht zu erlangen sein werden.
Den gestrigen Abend habe ich bei dem Bruder von Louis zugebracht; er hatte noch keinen Brief von Ihnen, aber ich habe ihm alles, was Sie mir aufgetragen haben, so gut wie möglich auseinandergesetzt. Er meinte, er nähme den Vorschlag meiner Stiefschwester besser nicht an. Das könnte wieder einen Zeitungsartikel zur Folge haben, wie er ihn schon einmal erlebt hat, und wäre unangenehm für sie, für ihn und selbst für sein Vaterland. Er glaubt, es sei weniger schwierig, sich am dritten Ort zu sehen. Nach meiner Meinung verliert meine Stiefschwester nichts dabei. Es gibt prächtige Ge- fühle, und man freut sich immer wieder, ihnen zu begegnen. Aber man darf nicht vergessen, ihm zu schreiben; gestern hatte er noch keinen Brief von meiner Stiefschwester. Ich habe viele Einzelheiten erfahren und glaube, ich kann ihn einigermaßen ersetzen. Ich habe ihn gestern nicht schlecht ausgefragt und sehe ihn heute bei seiner Rückkehr aus Hofwyl wieder; morgen will er in Ermangelung von etwas Besserem im Gebirge herumstreifen, obwohl die Jahreszeit schon viel zu weit vorgeschritten ist, als daß man noch eine richtige Tour machen könnte. Augenscheinlich hat ihn die Aussicht auf eine Zusammenkunft mit der schönen Juliette [Récamier] hierher gelockt; er kannte den Grund ihrer plötzlichen Abfahrt nicht, wußte auch nichts von dem, was ihr zugestoßen war, und schien daher von allem sehr enttäuscht. Sie ist also nicht allein meiner Stiefschwester wegen gekommen, diese treuergebene Freundin. Das hat mich zu seltsamen Betrachtungen über die Vorwürfe geführt, die der arme Aug[ust] wegen der Gefühle hat über sich ergehen lassen müssen, die ihn so überwältigt haben. Es ist aber die richtige Lebensphilosophie für eine reizende Frau, immer mehrere Anker zum Auswerfen bereit zu halten, um niemals der Möglichkeit ausgesetzt zu sein, bei einem Abenteuer allein zu bleiben. Sie werden mich ein Ungeheuer nennen, – schön! aber ich bin der Cerberus der Treue.
Ich möchte nicht die Post versäumen und schreibe lieber morgen das wenige, was ich habe erkunden können. Denken Sie nicht allein an meine Gesundheit, ich bin von meinem kleinen Leiden schon dadurch geheilt, daß ich Koreff gesehen habe, und überdies habe ich eins seiner typischen Rezepte in der Tasche.
Ich wundere mich garnicht darüber, daß der Kerkermeister sein Amt versieht, aber ich tadele die Menschen, die sich von ihm erschrecken lassen. Mag das noch für den Baron hingehen – er ist dick und alt – aber La Béd[oyère] ist jung, gewandt und freimütig – solche Vorsicht paßt nicht zu Menschen dieser Art; im übrigen war er in jeder Weise meiner Stiefschwester freundschaftlich verpflichtet.
Leben Sie wohl, liebe Freundin, tausendmal liebe Freundin!
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[Bern] den 26. September
Aug[usts] Vorschlag ist wirklich verführerisch. Aber vielleicht sollte man nicht so sehr auf die Dinge drängen, die meine Person betreffen; ich könnte die Pakete, mit denen es doch unbequem wäre sich zu belasten, selbst mitbringen und würde dann schnell zu meiner Stiefschwester reisen. Aber ich fürchte, daß auch die übrigen Erleichterungen nicht zu erlangen sein werden.
Den gestrigen Abend habe ich bei dem Bruder von Louis zugebracht; er hatte noch keinen Brief von Ihnen, aber ich habe ihm alles, was Sie mir aufgetragen haben, so gut wie möglich auseinandergesetzt. Er meinte, er nähme den Vorschlag meiner Stiefschwester besser nicht an. Das könnte wieder einen Zeitungsartikel zur Folge haben, wie er ihn schon einmal erlebt hat, und wäre unangenehm für sie, für ihn und selbst für sein Vaterland. Er glaubt, es sei weniger schwierig, sich am dritten Ort zu sehen. Nach meiner Meinung verliert meine Stiefschwester nichts dabei. Es gibt prächtige Ge- fühle, und man freut sich immer wieder, ihnen zu begegnen. Aber man darf nicht vergessen, ihm zu schreiben; gestern hatte er noch keinen Brief von meiner Stiefschwester. Ich habe viele Einzelheiten erfahren und glaube, ich kann ihn einigermaßen ersetzen. Ich habe ihn gestern nicht schlecht ausgefragt und sehe ihn heute bei seiner Rückkehr aus Hofwyl wieder; morgen will er in Ermangelung von etwas Besserem im Gebirge herumstreifen, obwohl die Jahreszeit schon viel zu weit vorgeschritten ist, als daß man noch eine richtige Tour machen könnte. Augenscheinlich hat ihn die Aussicht auf eine Zusammenkunft mit der schönen Juliette [Récamier] hierher gelockt; er kannte den Grund ihrer plötzlichen Abfahrt nicht, wußte auch nichts von dem, was ihr zugestoßen war, und schien daher von allem sehr enttäuscht. Sie ist also nicht allein meiner Stiefschwester wegen gekommen, diese treuergebene Freundin. Das hat mich zu seltsamen Betrachtungen über die Vorwürfe geführt, die der arme Aug[ust] wegen der Gefühle hat über sich ergehen lassen müssen, die ihn so überwältigt haben. Es ist aber die richtige Lebensphilosophie für eine reizende Frau, immer mehrere Anker zum Auswerfen bereit zu halten, um niemals der Möglichkeit ausgesetzt zu sein, bei einem Abenteuer allein zu bleiben. Sie werden mich ein Ungeheuer nennen, – schön! aber ich bin der Cerberus der Treue.
Ich möchte nicht die Post versäumen und schreibe lieber morgen das wenige, was ich habe erkunden können. Denken Sie nicht allein an meine Gesundheit, ich bin von meinem kleinen Leiden schon dadurch geheilt, daß ich Koreff gesehen habe, und überdies habe ich eins seiner typischen Rezepte in der Tasche.
Ich wundere mich garnicht darüber, daß der Kerkermeister sein Amt versieht, aber ich tadele die Menschen, die sich von ihm erschrecken lassen. Mag das noch für den Baron hingehen – er ist dick und alt – aber La Béd[oyère] ist jung, gewandt und freimütig – solche Vorsicht paßt nicht zu Menschen dieser Art; im übrigen war er in jeder Weise meiner Stiefschwester freundschaftlich verpflichtet.
Leben Sie wohl, liebe Freundin, tausendmal liebe Freundin!
· Original , 26.09.1811
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