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August [1808]<br>Liebe Freundin!<br>Ich danke Ihnen sehr für Ihren Brief und Ihre Mitteilungen über Wien. Was Herr de Carro schreibt, hat mir viel Vergnügen gemacht.<br>Jetzt sind auch Ihre Hüte da. Das Porto kostet mehr als zwei neue Taler, aber da es sich um Putz handelt und Ihre Befehle sehr bestimmt sind, habe ich ohne Zögern bezahlt.<br>Die Kiste aus Wien ist ebenfalls angekommen. Sie enthielt für Sie nur wenige Bücher und Noten. Mit großer Freude aber habe ich ihr meine Vorräte an altdeutschen Schriften entnommen. Damit könnte ich eine lange Blockade aushalten, ohne Hunger befürchten zu müssen.<br>Endlich habe ich jetzt einen zweiten Brief von meinem Bruder erhalten. Zu seiner Verwunderung besteht Albert darauf, daß er [Friedrich Schlegel] für den Lateinunterricht ihn in der Kadettenanstalt aufsucht, die mindestens eine Stunde von ihm entfernt liegt, und mein Bruder sieht den Nutzen nicht ein. Er schreibt mir, er habe Albert ein für allemal für die Sonntage eingeladen; er glaube aber Alberts eigenen Worten entnehmen zu können, daß er den Tag über in Baden gewesen ist; er habe die Einladung nicht wiederholt, weil die Kinder von Frau B[ernhardi] ansteckende Krankheiten hatten. Nun bittet er Sie aber, Albert einzuschärfen, er solle Sonntags zu ihm kommen; er werde dafür sorgen, ihn nützlicher zu beschäftigen als anderswo. Er habe vor, am nächsten Tage Alb[ert] in der Kadettenschule aufzusuchen. Im übrigen werde ich mit nächster Post meinem Bruder schreiben, er möchte wöchentlich einmal Alb[ert] besuchen, nicht etwa, um dessen Ehrgefühl zu befriedigen, sondern um besser beobachten zu können, was er treibt und was sich alles um ihn abspielt.<br>Felix bekam die Masern, nachdem sein Bruder kaum eine schwere Krankheit überstanden hatte. Seine Mutter wurde bei der Pflege ebenfalls krank, so daß das Haus die ganze Zeit über immer Kranke beherbergt hat.<br>Mein Bruder hat sich sehr mit Hormayer angefreundet; er geht jeden Tag auf das Archiv, das ihm für seine Arbeiten über österreichische Geschichte offen steht.<br>Ich finde, es bedeutet eine ungeheure Zeitersparnis, wenn man die Lippen nur zu öffnen braucht, um zu atmen und die wenige Nahrung, die man nötig hat, zu verschlingen. Mein Mittagsmahl dauert eine Viertelstunde und mein Abendessen zehn Minuten. Machen Sie sich aber wegen meiner Einsamkeit keine Sorgen. Glauben Sie mir: ich bin dafür geboren. Für mich gibt es kein besseres Mittel, um in meiner Arbeit vorwärtszukommen, als völlige Einsamkeit oder drängende Notwendigkeit. Ich habe schon beinahe meine sämtlichen Vorlesungen durchgesehen. Eigentlich fürchtete ich mich sehr, sie vorzunehmen, weil ich glaubte, ich würde wenig Gefallen an ihnen haben, da sie doch in solcher Eile niedergeschrieben sind. Aber ich finde ganz im Gegenteil fast nichts an ihnen zu ändern und habe nur einiges hinzuzufügen. Allerdings könnten die auszufüllenden Lücken mich veranlassen, noch einige hundert Werke dramatischer Dichter zu lesen oder wieder durchzulesen, aber ich kann damit auch an einem bestimmten Punkt aufhören, und mein Manuskript wird immer zum Druck bereit sein. So weit bin ich jedoch leider noch nicht. Der Wiener Verleger zieht sich zurück; er behauptet, er habe sein Angebot in Papiergeld berechnet. Ich bin doch nicht so verrückt, mein Manuskript für ein Drittel seines Wertes zu verkaufen. Ich werde also bei andern Verlegern Schritte unternehmen, aber all das kostet Zeit, und mein Bruder glaubt, es wäre von großem Vorteil, wenn bei meiner Ankunft in Wien meine Vorlesungen schon gedruckt und verbreitet wären.<br>Ich glaube wirklich, daß sie eine anregende Lektüre sein werden; aber das befriedigt mich wenig. Ich möchte mir auf ganz anderen Gebieten einen Namen machen.<br>Ein Gelehrter aus St. Gallen schreibt mir, er habe meinen Bruder in Wien gesprochen; er ist ganz begeistert, ihn kennen gelernt zu haben. <br>Friedrich quält mich sehr, Sie zu veranlassen, Sie möchten doch seinen Auszug aus Stolberg lesen. Soll ich ihm mitteilen, wie ungerecht und mit welchem Mißfallen Sie diese ausgezeichnete Arbeit aufgenommen haben? <br>Sobald Sie zurückgekehrt sind, muß ich Ihnen doch einige Aufklärungen über den Zeitungsartikel geben, den Sie meinem Bruder selber zuschreiben. Da das, was er und seine Frau mir darüber schreiben, genau übereinstimmt, so besteht kein Zweifel darüber.<br>Ich schicke Ihnen einen Artikel aus dem<span class="slant-italic "> Moniteur</span> von gestern, den die beiden gestrigen Zeitungen brachten; er ist sehr bemerkenswert, und Sie finden vielleicht in Bern nicht sofort französische Zeitungen. Was muß man aus diesem Artikel schließen? Daß die Kriegsgefahr wirklich vorbei ist, weil man unmöglich in diesem Augenblick Krieg führen kann, oder daß diese Gerüchte in Frankreich eine ungünstige Wirkung haben, wo man doch den spanischen Krieg zu führen hat? Oder will man nur Österreich einschläfern und es davon abbringen, sich für den Krieg vorzubereiten? Es scheint, die Rheinbundfürsten sind in Aufregung geraten. Wenn jetzt das Großherzogtum Berg mit Frankreich vereinigt wird, dann haben sie wenigstens einen Grund mehr, dasselbe Schicksal für sich vorauszusehen, sofern sie nicht blind sind.<br>Die Friedensartikel zwischen England und den Spaniern werden Sie in den Schweizer Zeitungen gelesen haben. Ich war entzückt davon; dieser Mister Canning scheint wirklich ein Mann zu sein, dem man seine Bewunderung zollen muß. Sollten Sie Fräulein Mendelssohn sehen, so sagen Sie ihr doch, sie könnte mir einen großen Dienst erweisen, wenn sie in Bern bei einem Antiquar die <span class="slant-italic ">Stretlinger Chronik</span> für mich suchte, die viele wunderbare Erzählungen enthalten muß. Auf der Kiste mit den Hüten habe ich eine Adresse mit Ihrem Namen angebracht. Sie müssen sie auf der Post abholen lassen. 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Sie heiratete 1786 den schwedischen Diplomaten Erik Magnus von Staël-Holstein in Paris. Die Eheleute lebten von Anfang an getrennt. Zu ihren ersten Veröffentlichungen zählten die „Lettres sur les ecrits et le charactère de J.-J. Rousseau“, die 1788 erschienen. Neben der Tätigkeit als Schriftstellerin wurde Germaine de Staël-Holstein als einflussreiche Salonnière berühmt. Unter ihrem politischen Einfluss stand u.a. Benjamin Constant, mit dem sie eine langjährige Beziehung führte und der der Vater ihrer Tochter Albertine war. Ihr politischer Liberalismus und die Befürwortung einer konstitutionellen Monarchie führten 1792 zu ihrer Verbannung ins schweizerische Exil. Gemeinsam mit ihren Kindern bezog sie Schloss Coppet am Genfer See, das nun zum Treffpunkt Intellektueller und Künstler ganz Europas avancierte. Nur selten war der Schriftstellerin der Aufenthalt in Frankreich gestattet. 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Machen Sie sich aber wegen meiner Einsamkeit keine Sorgen. Glauben Sie mir: ich bin dafür geboren. Für mich gibt es kein besseres Mittel, um in meiner Arbeit vorwärtszukommen, als völlige Einsamkeit oder drängende Notwendigkeit. Ich habe schon beinahe meine sämtlichen Vorlesungen durchgesehen. Eigentlich fürchtete ich mich sehr, sie vorzunehmen, weil ich glaubte, ich würde wenig Gefallen an ihnen haben, da sie doch in solcher Eile niedergeschrieben sind. Aber ich finde ganz im Gegenteil fast nichts an ihnen zu ändern und habe nur einiges hinzuzufügen. Allerdings könnten die auszufüllenden Lücken mich veranlassen, noch einige hundert Werke dramatischer Dichter zu lesen oder wieder durchzulesen, aber ich kann damit auch an einem bestimmten Punkt aufhören, und mein Manuskript wird immer zum Druck bereit sein. So weit bin ich jedoch leider noch nicht. Der Wiener Verleger zieht sich zurück; er behauptet, er habe sein Angebot in Papiergeld berechnet. Ich bin doch nicht so verrückt, mein Manuskript für ein Drittel seines Wertes zu verkaufen. Ich werde also bei andern Verlegern Schritte unternehmen, aber all das kostet Zeit, und mein Bruder glaubt, es wäre von großem Vorteil, wenn bei meiner Ankunft in Wien meine Vorlesungen schon gedruckt und verbreitet wären.<br>Ich glaube wirklich, daß sie eine anregende Lektüre sein werden; aber das befriedigt mich wenig. Ich möchte mir auf ganz anderen Gebieten einen Namen machen.<br>Ein Gelehrter aus St. Gallen schreibt mir, er habe meinen Bruder in Wien gesprochen; er ist ganz begeistert, ihn kennen gelernt zu haben. <br>Friedrich quält mich sehr, Sie zu veranlassen, Sie möchten doch seinen Auszug aus Stolberg lesen. Soll ich ihm mitteilen, wie ungerecht und mit welchem Mißfallen Sie diese ausgezeichnete Arbeit aufgenommen haben? <br>Sobald Sie zurückgekehrt sind, muß ich Ihnen doch einige Aufklärungen über den Zeitungsartikel geben, den Sie meinem Bruder selber zuschreiben. 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Die Eheleute lebten von Anfang an getrennt. Zu ihren ersten Veröffentlichungen zählten die „Lettres sur les ecrits et le charactère de J.-J. Rousseau“, die 1788 erschienen. Neben der Tätigkeit als Schriftstellerin wurde Germaine de Staël-Holstein als einflussreiche Salonnière berühmt. Unter ihrem politischen Einfluss stand u.a. Benjamin Constant, mit dem sie eine langjährige Beziehung führte und der der Vater ihrer Tochter Albertine war. Ihr politischer Liberalismus und die Befürwortung einer konstitutionellen Monarchie führten 1792 zu ihrer Verbannung ins schweizerische Exil. Gemeinsam mit ihren Kindern bezog sie Schloss Coppet am Genfer See, das nun zum Treffpunkt Intellektueller und Künstler ganz Europas avancierte. Nur selten war der Schriftstellerin der Aufenthalt in Frankreich gestattet. Während ausgedehnter Reisen in den Folgejahren nach Deutschland (1803/04 und 1808) und Italien (1805) war sie zumeist in Begleitung ihres Freundes und Hauslehrers AWS sowie Benjamin Constants. 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Zürich u.a. 1930, S. 121, 138. 138-139.@ extern@Hofmann, Etienne „Staël, Germaine de“, URL: http://www.hls-dhs-dss.ch/textes/f/F16051.php@ Wikipedia@http://de.wikipedia.org/wiki/Anne_Louise_Germaine_de_Sta%C3%ABl@', '39_beziehung' => 'AWS machte gegen Ende des Jahres 1804 in Berlin die persönliche Bekanntschaft mit Germaine de Staël-Holstein. Als Hauslehrer ihrer Kinder gehörte er zum Coppeter Zirkel. Er begleitete Mme de Staël-Holstein auf ihren zahlreichen Reisen und war auch als ihr Berater im Hinblick auf die deutsche Literatur tätig; sein wichtiger Anteil an ihrem bedeutendsten Werk „De LʼAllemagne“ (1810) ist heute unbestritten. Auch Friedrich von Schlegel gehörte zu den zahlreichen Gästen auf Schloss Coppet. In Zeiten des politischen Umbruches begleitete AWS die Familie de Staël-Holstein durch Europa. Den Kindern Mme de Staël-Holsteins blieb AWS auch nach ihrem Tod verbunden. 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Coppet, den 12. August [1808]
Liebe Freundin!
Ich danke Ihnen sehr für Ihren Brief und Ihre Mitteilungen über Wien. Was Herr de Carro schreibt, hat mir viel Vergnügen gemacht.
Jetzt sind auch Ihre Hüte da. Das Porto kostet mehr als zwei neue Taler, aber da es sich um Putz handelt und Ihre Befehle sehr bestimmt sind, habe ich ohne Zögern bezahlt.
Die Kiste aus Wien ist ebenfalls angekommen. Sie enthielt für Sie nur wenige Bücher und Noten. Mit großer Freude aber habe ich ihr meine Vorräte an altdeutschen Schriften entnommen. Damit könnte ich eine lange Blockade aushalten, ohne Hunger befürchten zu müssen.
Endlich habe ich jetzt einen zweiten Brief von meinem Bruder erhalten. Zu seiner Verwunderung besteht Albert darauf, daß er [Friedrich Schlegel] für den Lateinunterricht ihn in der Kadettenanstalt aufsucht, die mindestens eine Stunde von ihm entfernt liegt, und mein Bruder sieht den Nutzen nicht ein. Er schreibt mir, er habe Albert ein für allemal für die Sonntage eingeladen; er glaube aber Alberts eigenen Worten entnehmen zu können, daß er den Tag über in Baden gewesen ist; er habe die Einladung nicht wiederholt, weil die Kinder von Frau B[ernhardi] ansteckende Krankheiten hatten. Nun bittet er Sie aber, Albert einzuschärfen, er solle Sonntags zu ihm kommen; er werde dafür sorgen, ihn nützlicher zu beschäftigen als anderswo. Er habe vor, am nächsten Tage Alb[ert] in der Kadettenschule aufzusuchen. Im übrigen werde ich mit nächster Post meinem Bruder schreiben, er möchte wöchentlich einmal Alb[ert] besuchen, nicht etwa, um dessen Ehrgefühl zu befriedigen, sondern um besser beobachten zu können, was er treibt und was sich alles um ihn abspielt.
Felix bekam die Masern, nachdem sein Bruder kaum eine schwere Krankheit überstanden hatte. Seine Mutter wurde bei der Pflege ebenfalls krank, so daß das Haus die ganze Zeit über immer Kranke beherbergt hat.
Mein Bruder hat sich sehr mit Hormayer angefreundet; er geht jeden Tag auf das Archiv, das ihm für seine Arbeiten über österreichische Geschichte offen steht.
Ich finde, es bedeutet eine ungeheure Zeitersparnis, wenn man die Lippen nur zu öffnen braucht, um zu atmen und die wenige Nahrung, die man nötig hat, zu verschlingen. Mein Mittagsmahl dauert eine Viertelstunde und mein Abendessen zehn Minuten. Machen Sie sich aber wegen meiner Einsamkeit keine Sorgen. Glauben Sie mir: ich bin dafür geboren. Für mich gibt es kein besseres Mittel, um in meiner Arbeit vorwärtszukommen, als völlige Einsamkeit oder drängende Notwendigkeit. Ich habe schon beinahe meine sämtlichen Vorlesungen durchgesehen. Eigentlich fürchtete ich mich sehr, sie vorzunehmen, weil ich glaubte, ich würde wenig Gefallen an ihnen haben, da sie doch in solcher Eile niedergeschrieben sind. Aber ich finde ganz im Gegenteil fast nichts an ihnen zu ändern und habe nur einiges hinzuzufügen. Allerdings könnten die auszufüllenden Lücken mich veranlassen, noch einige hundert Werke dramatischer Dichter zu lesen oder wieder durchzulesen, aber ich kann damit auch an einem bestimmten Punkt aufhören, und mein Manuskript wird immer zum Druck bereit sein. So weit bin ich jedoch leider noch nicht. Der Wiener Verleger zieht sich zurück; er behauptet, er habe sein Angebot in Papiergeld berechnet. Ich bin doch nicht so verrückt, mein Manuskript für ein Drittel seines Wertes zu verkaufen. Ich werde also bei andern Verlegern Schritte unternehmen, aber all das kostet Zeit, und mein Bruder glaubt, es wäre von großem Vorteil, wenn bei meiner Ankunft in Wien meine Vorlesungen schon gedruckt und verbreitet wären.
Ich glaube wirklich, daß sie eine anregende Lektüre sein werden; aber das befriedigt mich wenig. Ich möchte mir auf ganz anderen Gebieten einen Namen machen.
Ein Gelehrter aus St. Gallen schreibt mir, er habe meinen Bruder in Wien gesprochen; er ist ganz begeistert, ihn kennen gelernt zu haben.
Friedrich quält mich sehr, Sie zu veranlassen, Sie möchten doch seinen Auszug aus Stolberg lesen. Soll ich ihm mitteilen, wie ungerecht und mit welchem Mißfallen Sie diese ausgezeichnete Arbeit aufgenommen haben?
Sobald Sie zurückgekehrt sind, muß ich Ihnen doch einige Aufklärungen über den Zeitungsartikel geben, den Sie meinem Bruder selber zuschreiben. Da das, was er und seine Frau mir darüber schreiben, genau übereinstimmt, so besteht kein Zweifel darüber.
Ich schicke Ihnen einen Artikel aus dem Moniteur von gestern, den die beiden gestrigen Zeitungen brachten; er ist sehr bemerkenswert, und Sie finden vielleicht in Bern nicht sofort französische Zeitungen. Was muß man aus diesem Artikel schließen? Daß die Kriegsgefahr wirklich vorbei ist, weil man unmöglich in diesem Augenblick Krieg führen kann, oder daß diese Gerüchte in Frankreich eine ungünstige Wirkung haben, wo man doch den spanischen Krieg zu führen hat? Oder will man nur Österreich einschläfern und es davon abbringen, sich für den Krieg vorzubereiten? Es scheint, die Rheinbundfürsten sind in Aufregung geraten. Wenn jetzt das Großherzogtum Berg mit Frankreich vereinigt wird, dann haben sie wenigstens einen Grund mehr, dasselbe Schicksal für sich vorauszusehen, sofern sie nicht blind sind.
Die Friedensartikel zwischen England und den Spaniern werden Sie in den Schweizer Zeitungen gelesen haben. Ich war entzückt davon; dieser Mister Canning scheint wirklich ein Mann zu sein, dem man seine Bewunderung zollen muß. Sollten Sie Fräulein Mendelssohn sehen, so sagen Sie ihr doch, sie könnte mir einen großen Dienst erweisen, wenn sie in Bern bei einem Antiquar die Stretlinger Chronik für mich suchte, die viele wunderbare Erzählungen enthalten muß. Auf der Kiste mit den Hüten habe ich eine Adresse mit Ihrem Namen angebracht. Sie müssen sie auf der Post abholen lassen. Leben Sie wohl, liebe Freundin!
Viele Empfehlungen an Ihre ganze Gesellschaft.
Liebe Freundin!
Ich danke Ihnen sehr für Ihren Brief und Ihre Mitteilungen über Wien. Was Herr de Carro schreibt, hat mir viel Vergnügen gemacht.
Jetzt sind auch Ihre Hüte da. Das Porto kostet mehr als zwei neue Taler, aber da es sich um Putz handelt und Ihre Befehle sehr bestimmt sind, habe ich ohne Zögern bezahlt.
Die Kiste aus Wien ist ebenfalls angekommen. Sie enthielt für Sie nur wenige Bücher und Noten. Mit großer Freude aber habe ich ihr meine Vorräte an altdeutschen Schriften entnommen. Damit könnte ich eine lange Blockade aushalten, ohne Hunger befürchten zu müssen.
Endlich habe ich jetzt einen zweiten Brief von meinem Bruder erhalten. Zu seiner Verwunderung besteht Albert darauf, daß er [Friedrich Schlegel] für den Lateinunterricht ihn in der Kadettenanstalt aufsucht, die mindestens eine Stunde von ihm entfernt liegt, und mein Bruder sieht den Nutzen nicht ein. Er schreibt mir, er habe Albert ein für allemal für die Sonntage eingeladen; er glaube aber Alberts eigenen Worten entnehmen zu können, daß er den Tag über in Baden gewesen ist; er habe die Einladung nicht wiederholt, weil die Kinder von Frau B[ernhardi] ansteckende Krankheiten hatten. Nun bittet er Sie aber, Albert einzuschärfen, er solle Sonntags zu ihm kommen; er werde dafür sorgen, ihn nützlicher zu beschäftigen als anderswo. Er habe vor, am nächsten Tage Alb[ert] in der Kadettenschule aufzusuchen. Im übrigen werde ich mit nächster Post meinem Bruder schreiben, er möchte wöchentlich einmal Alb[ert] besuchen, nicht etwa, um dessen Ehrgefühl zu befriedigen, sondern um besser beobachten zu können, was er treibt und was sich alles um ihn abspielt.
Felix bekam die Masern, nachdem sein Bruder kaum eine schwere Krankheit überstanden hatte. Seine Mutter wurde bei der Pflege ebenfalls krank, so daß das Haus die ganze Zeit über immer Kranke beherbergt hat.
Mein Bruder hat sich sehr mit Hormayer angefreundet; er geht jeden Tag auf das Archiv, das ihm für seine Arbeiten über österreichische Geschichte offen steht.
Ich finde, es bedeutet eine ungeheure Zeitersparnis, wenn man die Lippen nur zu öffnen braucht, um zu atmen und die wenige Nahrung, die man nötig hat, zu verschlingen. Mein Mittagsmahl dauert eine Viertelstunde und mein Abendessen zehn Minuten. Machen Sie sich aber wegen meiner Einsamkeit keine Sorgen. Glauben Sie mir: ich bin dafür geboren. Für mich gibt es kein besseres Mittel, um in meiner Arbeit vorwärtszukommen, als völlige Einsamkeit oder drängende Notwendigkeit. Ich habe schon beinahe meine sämtlichen Vorlesungen durchgesehen. Eigentlich fürchtete ich mich sehr, sie vorzunehmen, weil ich glaubte, ich würde wenig Gefallen an ihnen haben, da sie doch in solcher Eile niedergeschrieben sind. Aber ich finde ganz im Gegenteil fast nichts an ihnen zu ändern und habe nur einiges hinzuzufügen. Allerdings könnten die auszufüllenden Lücken mich veranlassen, noch einige hundert Werke dramatischer Dichter zu lesen oder wieder durchzulesen, aber ich kann damit auch an einem bestimmten Punkt aufhören, und mein Manuskript wird immer zum Druck bereit sein. So weit bin ich jedoch leider noch nicht. Der Wiener Verleger zieht sich zurück; er behauptet, er habe sein Angebot in Papiergeld berechnet. Ich bin doch nicht so verrückt, mein Manuskript für ein Drittel seines Wertes zu verkaufen. Ich werde also bei andern Verlegern Schritte unternehmen, aber all das kostet Zeit, und mein Bruder glaubt, es wäre von großem Vorteil, wenn bei meiner Ankunft in Wien meine Vorlesungen schon gedruckt und verbreitet wären.
Ich glaube wirklich, daß sie eine anregende Lektüre sein werden; aber das befriedigt mich wenig. Ich möchte mir auf ganz anderen Gebieten einen Namen machen.
Ein Gelehrter aus St. Gallen schreibt mir, er habe meinen Bruder in Wien gesprochen; er ist ganz begeistert, ihn kennen gelernt zu haben.
Friedrich quält mich sehr, Sie zu veranlassen, Sie möchten doch seinen Auszug aus Stolberg lesen. Soll ich ihm mitteilen, wie ungerecht und mit welchem Mißfallen Sie diese ausgezeichnete Arbeit aufgenommen haben?
Sobald Sie zurückgekehrt sind, muß ich Ihnen doch einige Aufklärungen über den Zeitungsartikel geben, den Sie meinem Bruder selber zuschreiben. Da das, was er und seine Frau mir darüber schreiben, genau übereinstimmt, so besteht kein Zweifel darüber.
Ich schicke Ihnen einen Artikel aus dem Moniteur von gestern, den die beiden gestrigen Zeitungen brachten; er ist sehr bemerkenswert, und Sie finden vielleicht in Bern nicht sofort französische Zeitungen. Was muß man aus diesem Artikel schließen? Daß die Kriegsgefahr wirklich vorbei ist, weil man unmöglich in diesem Augenblick Krieg führen kann, oder daß diese Gerüchte in Frankreich eine ungünstige Wirkung haben, wo man doch den spanischen Krieg zu führen hat? Oder will man nur Österreich einschläfern und es davon abbringen, sich für den Krieg vorzubereiten? Es scheint, die Rheinbundfürsten sind in Aufregung geraten. Wenn jetzt das Großherzogtum Berg mit Frankreich vereinigt wird, dann haben sie wenigstens einen Grund mehr, dasselbe Schicksal für sich vorauszusehen, sofern sie nicht blind sind.
Die Friedensartikel zwischen England und den Spaniern werden Sie in den Schweizer Zeitungen gelesen haben. Ich war entzückt davon; dieser Mister Canning scheint wirklich ein Mann zu sein, dem man seine Bewunderung zollen muß. Sollten Sie Fräulein Mendelssohn sehen, so sagen Sie ihr doch, sie könnte mir einen großen Dienst erweisen, wenn sie in Bern bei einem Antiquar die Stretlinger Chronik für mich suchte, die viele wunderbare Erzählungen enthalten muß. Auf der Kiste mit den Hüten habe ich eine Adresse mit Ihrem Namen angebracht. Sie müssen sie auf der Post abholen lassen. Leben Sie wohl, liebe Freundin!
Viele Empfehlungen an Ihre ganze Gesellschaft.
· Original , 12.08.1808
· Pange, Pauline de: Auguste-Guillaume Schlegel et Madame de Staël d’apres des documents inédits. Paris 1938, S. 231‒233.
· Pange, Pauline de: Auguste-Guillaume Schlegel et Madame de Staël d’apres des documents inédits. Paris 1938, S. 231‒233.