• August Wilhelm von Schlegel to Anne Louise Germaine de Staël-Holstein

  • Place of Dispatch: Bern · Place of Destination: Unknown · Date: 27.12.1811
Edition Status: Single collated printed full text without registry labelling not including a registry
    Metadata Concerning Header
  • Sender: August Wilhelm von Schlegel
  • Recipient: Anne Louise Germaine de Staël-Holstein
  • Place of Dispatch: Bern
  • Place of Destination: Unknown
  • Date: 27.12.1811
  • Notations: Aus rechtlichen Gründen wird vorerst die deutsche Übersetzung angezeigt.
    Printed Text
  • Bibliography: Pange, Pauline de: August Wilhelm Schlegel und Frau von Staël. Eine schicksalhafte Begegnung. Nach unveröffentlichten Briefen erzählt von Pauline Gräfin de Pange. Dt. Ausg. von Willy Grabert. Hamburg 1940, S. 264–265.
  • Incipit: „An Madame OIive Uginet,
    Coppet (Waadtland)
    Bern, den 27. Dezember 1811.
    Liebe Freundin I
    Ich schrieb Ihnen gestern aus Lausanne. Ungeduldig warte ich auf Nachrichten, [...]“
    Language
  • German
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An Madame OIive Uginet,
Coppet (Waadtland)
Bern, den 27. Dezember 1811.
Liebe Freundin I
Ich schrieb Ihnen gestern aus Lausanne. Ungeduldig warte ich auf Nachrichten, wie es Ihnen geht und wie Sie sich befinden. Ich habe vergessen, wohin Sie Ihre Briefe richten wollten. Schicken Sie sie mir postlagernd, bis ich eine Wohnung habe. Ich werde die Herren Guyot besuchen, damit Sie wissen, daß ich angekommen bin, falls Sie zufällig deren Adresse benutzt haben.
Die Poliers haben mich genau so wie immer empfangen, aber Herr de Langallerie ist kühl und empfindlich mir gegenüber. Er fühlt sich beleidigt, weil ich nicht sofort zu ihm kam, nachdem ich aus der Post gestiegen war, und besonders, weil ich Herrn von Polier, der gegenüber wohnt, meine Ankunft früher wissen ließ als ihn, der eine halbe Stunde entfernt seine Wohnung hat. Am nächsten Morgen ging er aus, nur damit ich ihn nicht anträfe, und um mir zu zeigen, daß ich zu spät käme. Ich redete dann mit seiner Frau; ihn traf ich erst mittags bei Herrn von Polier, wo er sich an gehässigen Bemerkungen nicht genugtun konnte. Wie kann man sich so kleinlich zeigen, wenn man behauptet, ein Vorbild völliger Resignation zu sein? Sagen Sie Herrn Gautier nichts davon, aber sein Rat, ich sollte in Lausanne bleiben, wäre schlecht ausgeschlagen. Ich bin kein Mensch, der sich so ohne weiteres beherrschen läßt, und Herr de Lang[allerie] verträgt keinen Widerspruch. Übrigens habe ich ihm ja auch nichts zu sagen, was eilig wäre. Seine Theorie ist leicht zu verstehen, aber schwer in die Praxis umzusetzen. Die Dinge, über die ich mit ihm einer Meinung sein kann, hat er mir alle gesagt, und über tausend andere: über moralisches Handeln, Kult, Kirche, Kontemplation, über Poesie u. s. w. könnten wir jahrelang reden, ohne zu einer Verständigung zu kommen.
Gestern war ich zu gliederlahm, um Besuche machen zu können. Ich habe auf dieser Reise die findige Beobachtung gemacht, daß man, wenn man nach Norden fährt, dem Winter entgegengeht; auf dieser Seite ist der Weg voll Schnee, und es herrscht hier strenge Kälte.
Ich werde den Auftrag von August so schnell wie möglich erledigen. In Lausanne denkt man ganz allgemein, daß Herr von der Lahr den Prozeß fallen lassen wird.
Leben Sie wohl bis zum Sonntag, liebe Freundin. Überall, wohin ich gehe, habe ich ein unbändiges Verlangen nach Ihrer Gesellschaft. Pflegen Sie sich gut – bitte, und seien Sie nicht so niedergeschlagen.
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An Madame OIive Uginet,
Coppet (Waadtland)
Bern, den 27. Dezember 1811.
Liebe Freundin I
Ich schrieb Ihnen gestern aus Lausanne. Ungeduldig warte ich auf Nachrichten, wie es Ihnen geht und wie Sie sich befinden. Ich habe vergessen, wohin Sie Ihre Briefe richten wollten. Schicken Sie sie mir postlagernd, bis ich eine Wohnung habe. Ich werde die Herren Guyot besuchen, damit Sie wissen, daß ich angekommen bin, falls Sie zufällig deren Adresse benutzt haben.
Die Poliers haben mich genau so wie immer empfangen, aber Herr de Langallerie ist kühl und empfindlich mir gegenüber. Er fühlt sich beleidigt, weil ich nicht sofort zu ihm kam, nachdem ich aus der Post gestiegen war, und besonders, weil ich Herrn von Polier, der gegenüber wohnt, meine Ankunft früher wissen ließ als ihn, der eine halbe Stunde entfernt seine Wohnung hat. Am nächsten Morgen ging er aus, nur damit ich ihn nicht anträfe, und um mir zu zeigen, daß ich zu spät käme. Ich redete dann mit seiner Frau; ihn traf ich erst mittags bei Herrn von Polier, wo er sich an gehässigen Bemerkungen nicht genugtun konnte. Wie kann man sich so kleinlich zeigen, wenn man behauptet, ein Vorbild völliger Resignation zu sein? Sagen Sie Herrn Gautier nichts davon, aber sein Rat, ich sollte in Lausanne bleiben, wäre schlecht ausgeschlagen. Ich bin kein Mensch, der sich so ohne weiteres beherrschen läßt, und Herr de Lang[allerie] verträgt keinen Widerspruch. Übrigens habe ich ihm ja auch nichts zu sagen, was eilig wäre. Seine Theorie ist leicht zu verstehen, aber schwer in die Praxis umzusetzen. Die Dinge, über die ich mit ihm einer Meinung sein kann, hat er mir alle gesagt, und über tausend andere: über moralisches Handeln, Kult, Kirche, Kontemplation, über Poesie u. s. w. könnten wir jahrelang reden, ohne zu einer Verständigung zu kommen.
Gestern war ich zu gliederlahm, um Besuche machen zu können. Ich habe auf dieser Reise die findige Beobachtung gemacht, daß man, wenn man nach Norden fährt, dem Winter entgegengeht; auf dieser Seite ist der Weg voll Schnee, und es herrscht hier strenge Kälte.
Ich werde den Auftrag von August so schnell wie möglich erledigen. In Lausanne denkt man ganz allgemein, daß Herr von der Lahr den Prozeß fallen lassen wird.
Leben Sie wohl bis zum Sonntag, liebe Freundin. Überall, wohin ich gehe, habe ich ein unbändiges Verlangen nach Ihrer Gesellschaft. Pflegen Sie sich gut – bitte, und seien Sie nicht so niedergeschlagen.
· Original , 27.12.1811
· Pange, Pauline de: Auguste-Guillaume Schlegel et Madame de Staël d’apres des documents inédits. Paris 1938, S. 335‒336.
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