• August Wilhelm von Schlegel to Joseph von Görres

  • Place of Dispatch: Bonn · Place of Destination: Unknown · Date: 26.08.1826
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
    Metadata Concerning Header
  • Sender: August Wilhelm von Schlegel
  • Recipient: Joseph von Görres
  • Place of Dispatch: Bonn
  • Place of Destination: Unknown
  • Date: 26.08.1826
    Printed Text
  • Provider: Dresden, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek
  • OAI Id: 362743886
  • Bibliography: Joseph von Görres. Gesammelte Briefe. Hg. v. Franz Binder. Bd. 3. München 1874, S. 264‒266.
  • Incipit: „Bonn 26. August 1826.
    Ich kann Ihren Sohn nicht von hier abreisen lassen, mein hochgeehrtester Herr, ohne ihm wenigstens in einigen [...]“
    Language
  • German
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Bonn 26. August 1826.
Ich kann Ihren Sohn nicht von hier abreisen lassen, mein hochgeehrtester Herr, ohne ihm wenigstens in einigen Zeilen den Ausdruck meiner lebhaftesten Theilnahme an allem was Ihnen widerfährt, und meiner aufrichtigen Wünsche für Ihr Wohlbefinden mitzugeben. Ich will es nicht versuchen, mein langes Stillschweigen auf Ihre mir sehr willkommenen und erfreulichen Zuschriften zu entschuldigen: die Versäumniß des Briefwechsels ist bei mir ein eingewurzeltes Laster, wogegen die guten Vorsätze nichts fruchten. Indessen haben Sie von Anfang an die Ueberzeugung hegen können, daß ich mir den Inhalt Ihres ersten Schreibens zu einer wahren Angelegenheit machte. Ich habe mich nach besten Kräften bemüht, Ihren Sohn in seinen Studien zu fördern, so weit sie meinen Wirkungskreis berührten. Hiemit erfüllte ich eine mir sehr angenehme Pflicht. Das drei Semester hindurch fortgesetzte Privatissimum im Sanskrit, wo ich die Schüler, so bald es thunlich, selbst Hand anlegen ließ, gab mir Gelegenheit seinen regen Eifer und seine schnelle Fassungskraft näher kennen zu lernen. Man darf Ihnen auf alle Weise zu einem Sohne Glück wünschen, der nicht nur so ausgezeichnete Fähigkeiten, sondern auch so liebenswürdige Eigenschaften besitzt. Im Sanskrit hat er sehr beträchtliche Fortschritte gemacht: an jedem Orte, wo er nur die nothwendigen Hülfsmittel hat ‒ und diese mehren sich jetzt mit jedem Jahre, und werden auch leichter anzuschaffen sein ‒ kann er es ohne Lehrer weiter darin bringen. Sollte er hieher zurückkehren, so wird ihm mein ganzer Vorrath gern zu Dienste stehen. Gesetzt aber auch, andre Zwecke und Beschäftigungen ließen ihn nicht dazu kommen, so bin ich doch überzeugt, die darauf verwendete Mühe und Zeit ist nicht verloren. Eine so einzige und so kunstreiche Sprache, und durch sie die Denkart der alten Weisen und Dichter Indiens kennen gelernt zu haben, ist gewiß eine Erweiterung des geistigen Gesichtskreises.
Ihr Sohn hat auch darüber das näherliegende Studium des classischen Alterthums nicht versäumt. Er hat den Preis bei einer eigentlich philologischen Aufgabe gewonnen, mit einem Lobe, wie es selten ertheilt wird. Ich bedaure, daß wir hier nicht dieselbe Einrichtung haben wie in Göttingen, wo die Preisschriften der Studirenden auf Kosten der Universität gedruckt werden, so hätte Ihr Sohn, nach Anlegung der letzten Hand, besonders in Absicht auf die Latinität, schon Gelegenheit gehabt, sich der gelehrten Welt auf eine vortheilhafte Weise bekannt zu machen.
Unter solchen Umständen ist nicht an fernerem Gedeihen zu zweifeln, wozu die Vorsehung ihren Segen verleihen möge. Ich habe Ihren Sohn verschiedentlich ermahnt, auf seine Gesundheit die nöthige Rücksicht zu nehmen. Vorigen Winter schien sich der wackre junge Mann etwas überarbeitet zu haben, und seine Gesichtsfarbe gefiel mir nicht. Jetzt ist er aber wieder wohl auf.
Die Stunden, wo ich vor acht Jahren mich Ihrer gastfreien Aufnahme und der Unterhaltung Ihres geistreichen Gesprächs zu erfreuen hatte, sind mir eine werthe und unvergeßliche Erinnerung. Leben Sie recht wohl, mein hochgeehrtester Herr, und empfangen Sie die Versicherung meiner ausgezeichnetsten Hochachtung und meiner unveränderlichen Gesinnungen.
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Bonn 26. August 1826.
Ich kann Ihren Sohn nicht von hier abreisen lassen, mein hochgeehrtester Herr, ohne ihm wenigstens in einigen Zeilen den Ausdruck meiner lebhaftesten Theilnahme an allem was Ihnen widerfährt, und meiner aufrichtigen Wünsche für Ihr Wohlbefinden mitzugeben. Ich will es nicht versuchen, mein langes Stillschweigen auf Ihre mir sehr willkommenen und erfreulichen Zuschriften zu entschuldigen: die Versäumniß des Briefwechsels ist bei mir ein eingewurzeltes Laster, wogegen die guten Vorsätze nichts fruchten. Indessen haben Sie von Anfang an die Ueberzeugung hegen können, daß ich mir den Inhalt Ihres ersten Schreibens zu einer wahren Angelegenheit machte. Ich habe mich nach besten Kräften bemüht, Ihren Sohn in seinen Studien zu fördern, so weit sie meinen Wirkungskreis berührten. Hiemit erfüllte ich eine mir sehr angenehme Pflicht. Das drei Semester hindurch fortgesetzte Privatissimum im Sanskrit, wo ich die Schüler, so bald es thunlich, selbst Hand anlegen ließ, gab mir Gelegenheit seinen regen Eifer und seine schnelle Fassungskraft näher kennen zu lernen. Man darf Ihnen auf alle Weise zu einem Sohne Glück wünschen, der nicht nur so ausgezeichnete Fähigkeiten, sondern auch so liebenswürdige Eigenschaften besitzt. Im Sanskrit hat er sehr beträchtliche Fortschritte gemacht: an jedem Orte, wo er nur die nothwendigen Hülfsmittel hat ‒ und diese mehren sich jetzt mit jedem Jahre, und werden auch leichter anzuschaffen sein ‒ kann er es ohne Lehrer weiter darin bringen. Sollte er hieher zurückkehren, so wird ihm mein ganzer Vorrath gern zu Dienste stehen. Gesetzt aber auch, andre Zwecke und Beschäftigungen ließen ihn nicht dazu kommen, so bin ich doch überzeugt, die darauf verwendete Mühe und Zeit ist nicht verloren. Eine so einzige und so kunstreiche Sprache, und durch sie die Denkart der alten Weisen und Dichter Indiens kennen gelernt zu haben, ist gewiß eine Erweiterung des geistigen Gesichtskreises.
Ihr Sohn hat auch darüber das näherliegende Studium des classischen Alterthums nicht versäumt. Er hat den Preis bei einer eigentlich philologischen Aufgabe gewonnen, mit einem Lobe, wie es selten ertheilt wird. Ich bedaure, daß wir hier nicht dieselbe Einrichtung haben wie in Göttingen, wo die Preisschriften der Studirenden auf Kosten der Universität gedruckt werden, so hätte Ihr Sohn, nach Anlegung der letzten Hand, besonders in Absicht auf die Latinität, schon Gelegenheit gehabt, sich der gelehrten Welt auf eine vortheilhafte Weise bekannt zu machen.
Unter solchen Umständen ist nicht an fernerem Gedeihen zu zweifeln, wozu die Vorsehung ihren Segen verleihen möge. Ich habe Ihren Sohn verschiedentlich ermahnt, auf seine Gesundheit die nöthige Rücksicht zu nehmen. Vorigen Winter schien sich der wackre junge Mann etwas überarbeitet zu haben, und seine Gesichtsfarbe gefiel mir nicht. Jetzt ist er aber wieder wohl auf.
Die Stunden, wo ich vor acht Jahren mich Ihrer gastfreien Aufnahme und der Unterhaltung Ihres geistreichen Gesprächs zu erfreuen hatte, sind mir eine werthe und unvergeßliche Erinnerung. Leben Sie recht wohl, mein hochgeehrtester Herr, und empfangen Sie die Versicherung meiner ausgezeichnetsten Hochachtung und meiner unveränderlichen Gesinnungen.
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