• Friedrich von Schlegel to August Wilhelm von Schlegel

  • Place of Dispatch: Köln · Place of Destination: Coppet · Date: 26.10.1805
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
    Metadata Concerning Header
  • Sender: Friedrich von Schlegel
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel
  • Place of Dispatch: Köln
  • Place of Destination: Coppet
  • Date: 26.10.1805
  • Notations: Empfangsort erschlossen.
    Printed Text
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: 335976727
  • Bibliography: Krisenjahre der Frühromantik. Briefe aus dem Schlegelkreis. Hg. v. Josef Körner. Bd. 1. Der Texte erste Hälfte. 1791‒1808. Bern u.a. ²1969, S. 238‒241.
  • Weitere Drucke: Kritische Friedrich-Schlegel-Ausgabe. Bd. 26. Dritte Abteilung: Briefe von und an Friedrich und Dorothea Schlegel. Pariser und Kölner Lebensjahre (1802‒1808). Erster Teil Juni 1802 ‒ Dezember 1805). Mit Einleitung und Kommentar hg. v. Hans Dierkes. Paderborn 2018, S. 376‒379.
  • Incipit: „[1] Kölln. Den 26ten Oktober 1805.
    Ich danke Dir herzlich für Deinen Brief, so wenig angenehme Nachrichten derselbe auch enthält. Ich beklage [...]“
    Manuscript
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: APP2712-Bd-8
  • Classification Number: Mscr.Dresd.App.2712,B,I,23
  • Number of Pages: 8 S. auf Doppelbl., hs. m. U.
  • Format: 20,9 x 12,6 cm
[1] Kölln. Den 26ten Oktober 1805.
Ich danke Dir herzlich für Deinen Brief, so wenig angenehme Nachrichten derselbe auch enthält. Ich beklage Dich von ganzem Herzen, in dem unangenehmen Genf den Winter zubringen zu müssen; wie viel besser wäre es, wir wären alle zusammen in Berlin! – Ich schreibe Dir zuerst von den litterarischen Dingen, denn da ich noch von andren zu reden habe die mich für jezt näher angehen, so fürchte ich sonst jene darüber zu vergessen. – Es kann mir nicht anders als sehr angenehm seyn, wenn das Gedicht von Dir an mich gedruckt wird; wie kannst Du deshalb nur fragen? Gut wäre es wohl die Jahrszahl darüber zu setzen. Von der Unger habʼ ich seit einiger Zeit keinen Brief, also auch von Deiner Elegie nichts. – Vom Allmanach hatte ich 2 Exemplare an Dich zu senden bestellt, wovon ich Dich bitten wollte eins an T.[ieck] in Rom zu senden, wenn Du Gelegenheit fändest; aber nun ist wohl gar nicht daran zu denken, daß sie zu Dir gelangen werden. Es wird so nichts übrigbleiben, als Dir von hier 1 Exemplar mit der Diligence zu schicken sobald ich die meinigen haben werde, wenn dieß anders das Porto lohnt. – Die Scene aus Guarini von Dir habʼ ich; in den Allmanach [2] aber hab ich sie nicht genommen, weil ich nichts eignes von Dir hatte; wie gern hättʼ ich die Elegie gehabt! – Neues wüßte ich nichts; Schillers lyrisches Drama auf die Princessin ist sehr kurz unbedeutend und ungrazios steif wie sich denken läßt. – Richter hat eine Vorschule der Aesthetik geschrieben, worin er uns nach seiner Weise lobt und sich zur neuen Schule förmlich bekennt. – Sei ja versichert, daß solche persönliche Verhältnisse als Du von den Berliner Freunden berührst nie auf mein Urtheil über Kunst Einfluß haben werden; (ich glaube daß wir beide darin uns gleich sind; möchten es die andern auch alle sein!) ich freue mich den Fouqué kennen zu lernen wenn ich nach Berlin komme, und werde ihn auch gern öffentlich preisen so viel ers nach meiner Einsicht verdient, sobald ich wieder über Litteratur was sagen werde; das könnte wohl nur im Athenäum geschehen. Die Europa setze ich schwerlich fort. Ich will jezt ein paar systematische oder doch ganze Werke nach einander fertigen. Zum Athenäum aber hättʼ ich doch große Lust und mir däucht es wäre recht an der Zeit. Nur möchtʼ ich fragen, ob ich da auch frei reden darf selbst über Goethe? Denn dazu fühl ich [3] wohl Beruf. Säuberlich werdʼ ichs schon machen, aber haben muß er nächstens was. Das wäre nun meine Anfrage. Daß Du sein niederträchtiges opus von Winkelmann, wenn auch noch so leicht und obenhin gelobt, billige ich nicht; das ist gar nicht die rechte Art, besonders jezt nicht. Behalte nur ja in Andenken was Du selbst sagst von der Nothwendigkeit, unsre Plane auszuführen und Werke zu geben. Was ist nothwendiger, was wird allgemeiner gefodert, als Dein Shakespear und Dein Calderone! Und worüber werden die Feinde mehr triumphiren als wenn sie nicht bald erfolgen, da sie ohnehin schon überall drucken lassen, es sei zu beklagen daß Du nun für Deutsche Litteratur verlohren seist, da Du bei der Staël lebest. Noch mehr aber würdʼ ich mich freuen, wenn ich hörte daß Du auch nur einen zweiten Gesang des Tristan gedichtet, um Dich selbst des Tons wenigstens nach einer solchen Zwischenzeit zu versichern. – Fouquèʼs Romanzen haben mir gefallen und sind sehr romantisch, doch finde ich sie wie alle neudeutsche Poesie viel zu leicht und seicht; dieß wird freilich etwas auffallender, da ich grade über denselben Gegenstand mit meiner Schwerfälligkeit gerathen bin. – Mit Schütz machst Du mich ganz besorgt; leider gehn auch in der Dichtkunst wohl

Zwanzig drauf bis daß ein halber freyt.

[4] Sein Brief an mich verrieth aber doch noch die alte lebhafte Neigung zur Poesie. – Ueber Tieck hättʼ ich wohl Ursache mich recht ernstlich zu beschweren; er veranstaltet eine neue Ausgabe von Novalis, ohne mich auch nur zu benachrichtigen, als ob ich nicht mit dazu gehörte; dann reißt er nach zwanzig leeren Versprechungen mitten drin fort, ohne Reimern über den zweiten Theil auch nur Nachricht zu geben, und nimmt sogar eine Biographie die er sich vom Bruder machen lassen, mit nach Rom, ohne eine Abschrift zurückzulassen. Wenn das bloß Nachlässigkeit ist, so ist sie in der That als solche der Aufbewahrung würdig. – Ich muß nun schon sehen, wie ich das ins Gleiche bringe.
____________

Ich schreibe Dir mit Ruhe über allgemeine Gegenstände, während ich wohl Recht hätte, nur von mir selbst und nicht eben mit Ruhe zu sprechen. – Meine Lage hier ist durch die neusten Begebenheiten so hülflos und trostlos geworden, daß wenn mir nicht geholfen wird, ich meinen Untergang vor Augen sehe. – Ich will und muß weg, sonst bin ich verlohren, [5] und doch fehlt es mir noch wie immer an der ersten Bedingung dazu. – Du begehrst von mir eine nähere Auskunft über meine Lage; ich sollte denken daß mein Brief an die Staël darüber alles enthielte was Du zu wissen verlangen könntest. Nur freilich, daß meine Lage durch den Krieg zehnmal schlimmer und gefährlicher seitdem geworden ist. – Meine Lage ist in wenigen Worten die, daß ich weder Geld noch Credit habe, noch Freunde die mir eins oder das andre schaffen könnten. Das ist wie Du weißt, schon oft der Fall gewesen, so fleißig ich auch stets gearbeitet habe, weil ich nun einmal weniger für mich als für alle arbeite, und das erste zu bezwecken schlechthin keine Fähigkeit habe. – Hast Du aber mit Deiner Frage den mißglückten Plan gemeint auf den ich in dem Brief an die Staël angespielt, so hielt ichs eben nicht der Mühe werth, mehr davon zu schreiben, da nichts langweiliger ist als ein misglückter Plan. Es bestand in Kürze darin, daß Graf Thürheim mich auf meine Veranlaßung zu der ansehnlichen Professur der Philologie in Würzburg vorge[6]schlagen hatte; nach seinem Briefe mußte ich die Sache fast für gewiß halten, recht Ernst ist ihm wenigstens gewesen. Allein der Churfürst hat abschlägliche Antwort gegeben, sei es nun die Gegenwirkung der Uebelwollenden oder aber was wohl einfacher ist, aus den bald darauf erfolgten Begebenheiten, die man dort schon voraussah, zu erklären. Genug, jezt muß es mir fast lieb sein, daß nichts daraus geworden ist!
Nun istʼs die höchste Nothwendigkeit, daß ich von hier wegkomme, und zwar gleich, daß hier an keine Schule zu denken versteht sich ohnehin, auch die Lage meiner Freunde wird durch den Krieg ganz verrückt und zerstört. Auch sie leiden mehr als ich sagen kann! – Traurig war mir in dieser Rücksicht was Du mir von Deiner eignen Lage sagst; denn ich bin ungeachtet dessen, so dringend ist meine Noth, doch gezwungen Deine Hülfe in Anspruch zu nehmen. Du mußt mir helfen, sonst bin ich verlohren; ich bitte Dich also so gewiß noch ein Rest unsrer ehemaligen Freundschaft in Deinem Herzen besteht, mir wenigstens in etwas beizuspringen, [7] daß ich hier wegkomme, und nach Berlin zurück, wo ich mir dann schon eine Existenz verschaffen will, oder mich wenigstens durchschlage. Ich verspreche Dir dagegen, daß ich alle Kräfte anstrengen will, sobald ich in Deutschland zurück bin um Dir das Vorgeschoßne sobald als möglich zu erstatten; brauchst Du das Geld selbst dann nicht, so kannst Du doch einen der Rückstände von denen Du schreibst, auf mich übertragen. – Wie viel ich haben muß zur Reise kann ich freilich nicht ganz bestimmen; doch wäre mir mit einem Darlehn von 25 L[ouis]d[o]r schon beträchtlich geholfen, und selbst noch weniger würde mir doch als Anfang und Hoffnung wohl auch das übrige zu bekommen aufrichtend sein.
Hier habʼ ich sparsam gelebt, 320 francs etwa aber brauche ich doch monathlich, unter das komme ich nicht aus. – Und nun hab ich hier auch nichts mehr zu verdienen; was rechtes (litterarisches) kann ich gar nicht von hier aus anfangen, und kann nur gar zu bald wohl ganz abgeschnitten sein, wo ich denn eben so gut hier verhungern könnte wie in einer afrikanischen Wüste. [8] Meine Freunde hier, die selbst für sich viel zu thun und zu arbeiten haben in der schwierigen Zeit haben gethan was sie versprachen; für zwei Vorlesungen 1) der Philosophie 2) Universalgeschichte, wovon ich die erste seit dem März lese haben sie mir 200 französische L[ouis]d[o]rs gegeben; davon habʼ ich seit 1½ Jahren gelebt, aber das geht nun zur Neige, und ich muß durchaus fort wenn ich nicht verlohren gehen soll.
Daß die Staël mich an den kleinen Prinzen von G.[otha] empfohlen, hat mich gefreut als ein Beweiß ihres Andenkens und ihrer Gutmüthigkeit. Freilich ist diese wüste wilde Zeit nicht die wo solche gelinde Mittel an der Stelle sind. Der kleinste reelle Dienst ist mir jezt mehr werth als tausend solche Empfehlungen, die ohnehin sehr planmäßig angelegt und mit Geduld fortgesezt werden müßten, wenn ein Resultat dabei herauskommen soll. Vielleicht wenn wir zusammen in Deutschland wären, liesse sich eher auf diese Art etwas für mich ausrichten nach gemeinschaftlicher Ueberlegung und Sachkenntniß.
Ich habe Dir nun meine Lage ans Herz gelegt, wie sie ist, und erwarte mit Ungeduld Deine Antwort; und kannst Du etwas thun so thu es ja gleich. Ich umarme Dich von Herzen.
Friedrich.
[1] Kölln. Den 26ten Oktober 1805.
Ich danke Dir herzlich für Deinen Brief, so wenig angenehme Nachrichten derselbe auch enthält. Ich beklage Dich von ganzem Herzen, in dem unangenehmen Genf den Winter zubringen zu müssen; wie viel besser wäre es, wir wären alle zusammen in Berlin! – Ich schreibe Dir zuerst von den litterarischen Dingen, denn da ich noch von andren zu reden habe die mich für jezt näher angehen, so fürchte ich sonst jene darüber zu vergessen. – Es kann mir nicht anders als sehr angenehm seyn, wenn das Gedicht von Dir an mich gedruckt wird; wie kannst Du deshalb nur fragen? Gut wäre es wohl die Jahrszahl darüber zu setzen. Von der Unger habʼ ich seit einiger Zeit keinen Brief, also auch von Deiner Elegie nichts. – Vom Allmanach hatte ich 2 Exemplare an Dich zu senden bestellt, wovon ich Dich bitten wollte eins an T.[ieck] in Rom zu senden, wenn Du Gelegenheit fändest; aber nun ist wohl gar nicht daran zu denken, daß sie zu Dir gelangen werden. Es wird so nichts übrigbleiben, als Dir von hier 1 Exemplar mit der Diligence zu schicken sobald ich die meinigen haben werde, wenn dieß anders das Porto lohnt. – Die Scene aus Guarini von Dir habʼ ich; in den Allmanach [2] aber hab ich sie nicht genommen, weil ich nichts eignes von Dir hatte; wie gern hättʼ ich die Elegie gehabt! – Neues wüßte ich nichts; Schillers lyrisches Drama auf die Princessin ist sehr kurz unbedeutend und ungrazios steif wie sich denken läßt. – Richter hat eine Vorschule der Aesthetik geschrieben, worin er uns nach seiner Weise lobt und sich zur neuen Schule förmlich bekennt. – Sei ja versichert, daß solche persönliche Verhältnisse als Du von den Berliner Freunden berührst nie auf mein Urtheil über Kunst Einfluß haben werden; (ich glaube daß wir beide darin uns gleich sind; möchten es die andern auch alle sein!) ich freue mich den Fouqué kennen zu lernen wenn ich nach Berlin komme, und werde ihn auch gern öffentlich preisen so viel ers nach meiner Einsicht verdient, sobald ich wieder über Litteratur was sagen werde; das könnte wohl nur im Athenäum geschehen. Die Europa setze ich schwerlich fort. Ich will jezt ein paar systematische oder doch ganze Werke nach einander fertigen. Zum Athenäum aber hättʼ ich doch große Lust und mir däucht es wäre recht an der Zeit. Nur möchtʼ ich fragen, ob ich da auch frei reden darf selbst über Goethe? Denn dazu fühl ich [3] wohl Beruf. Säuberlich werdʼ ichs schon machen, aber haben muß er nächstens was. Das wäre nun meine Anfrage. Daß Du sein niederträchtiges opus von Winkelmann, wenn auch noch so leicht und obenhin gelobt, billige ich nicht; das ist gar nicht die rechte Art, besonders jezt nicht. Behalte nur ja in Andenken was Du selbst sagst von der Nothwendigkeit, unsre Plane auszuführen und Werke zu geben. Was ist nothwendiger, was wird allgemeiner gefodert, als Dein Shakespear und Dein Calderone! Und worüber werden die Feinde mehr triumphiren als wenn sie nicht bald erfolgen, da sie ohnehin schon überall drucken lassen, es sei zu beklagen daß Du nun für Deutsche Litteratur verlohren seist, da Du bei der Staël lebest. Noch mehr aber würdʼ ich mich freuen, wenn ich hörte daß Du auch nur einen zweiten Gesang des Tristan gedichtet, um Dich selbst des Tons wenigstens nach einer solchen Zwischenzeit zu versichern. – Fouquèʼs Romanzen haben mir gefallen und sind sehr romantisch, doch finde ich sie wie alle neudeutsche Poesie viel zu leicht und seicht; dieß wird freilich etwas auffallender, da ich grade über denselben Gegenstand mit meiner Schwerfälligkeit gerathen bin. – Mit Schütz machst Du mich ganz besorgt; leider gehn auch in der Dichtkunst wohl

Zwanzig drauf bis daß ein halber freyt.

[4] Sein Brief an mich verrieth aber doch noch die alte lebhafte Neigung zur Poesie. – Ueber Tieck hättʼ ich wohl Ursache mich recht ernstlich zu beschweren; er veranstaltet eine neue Ausgabe von Novalis, ohne mich auch nur zu benachrichtigen, als ob ich nicht mit dazu gehörte; dann reißt er nach zwanzig leeren Versprechungen mitten drin fort, ohne Reimern über den zweiten Theil auch nur Nachricht zu geben, und nimmt sogar eine Biographie die er sich vom Bruder machen lassen, mit nach Rom, ohne eine Abschrift zurückzulassen. Wenn das bloß Nachlässigkeit ist, so ist sie in der That als solche der Aufbewahrung würdig. – Ich muß nun schon sehen, wie ich das ins Gleiche bringe.
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Ich schreibe Dir mit Ruhe über allgemeine Gegenstände, während ich wohl Recht hätte, nur von mir selbst und nicht eben mit Ruhe zu sprechen. – Meine Lage hier ist durch die neusten Begebenheiten so hülflos und trostlos geworden, daß wenn mir nicht geholfen wird, ich meinen Untergang vor Augen sehe. – Ich will und muß weg, sonst bin ich verlohren, [5] und doch fehlt es mir noch wie immer an der ersten Bedingung dazu. – Du begehrst von mir eine nähere Auskunft über meine Lage; ich sollte denken daß mein Brief an die Staël darüber alles enthielte was Du zu wissen verlangen könntest. Nur freilich, daß meine Lage durch den Krieg zehnmal schlimmer und gefährlicher seitdem geworden ist. – Meine Lage ist in wenigen Worten die, daß ich weder Geld noch Credit habe, noch Freunde die mir eins oder das andre schaffen könnten. Das ist wie Du weißt, schon oft der Fall gewesen, so fleißig ich auch stets gearbeitet habe, weil ich nun einmal weniger für mich als für alle arbeite, und das erste zu bezwecken schlechthin keine Fähigkeit habe. – Hast Du aber mit Deiner Frage den mißglückten Plan gemeint auf den ich in dem Brief an die Staël angespielt, so hielt ichs eben nicht der Mühe werth, mehr davon zu schreiben, da nichts langweiliger ist als ein misglückter Plan. Es bestand in Kürze darin, daß Graf Thürheim mich auf meine Veranlaßung zu der ansehnlichen Professur der Philologie in Würzburg vorge[6]schlagen hatte; nach seinem Briefe mußte ich die Sache fast für gewiß halten, recht Ernst ist ihm wenigstens gewesen. Allein der Churfürst hat abschlägliche Antwort gegeben, sei es nun die Gegenwirkung der Uebelwollenden oder aber was wohl einfacher ist, aus den bald darauf erfolgten Begebenheiten, die man dort schon voraussah, zu erklären. Genug, jezt muß es mir fast lieb sein, daß nichts daraus geworden ist!
Nun istʼs die höchste Nothwendigkeit, daß ich von hier wegkomme, und zwar gleich, daß hier an keine Schule zu denken versteht sich ohnehin, auch die Lage meiner Freunde wird durch den Krieg ganz verrückt und zerstört. Auch sie leiden mehr als ich sagen kann! – Traurig war mir in dieser Rücksicht was Du mir von Deiner eignen Lage sagst; denn ich bin ungeachtet dessen, so dringend ist meine Noth, doch gezwungen Deine Hülfe in Anspruch zu nehmen. Du mußt mir helfen, sonst bin ich verlohren; ich bitte Dich also so gewiß noch ein Rest unsrer ehemaligen Freundschaft in Deinem Herzen besteht, mir wenigstens in etwas beizuspringen, [7] daß ich hier wegkomme, und nach Berlin zurück, wo ich mir dann schon eine Existenz verschaffen will, oder mich wenigstens durchschlage. Ich verspreche Dir dagegen, daß ich alle Kräfte anstrengen will, sobald ich in Deutschland zurück bin um Dir das Vorgeschoßne sobald als möglich zu erstatten; brauchst Du das Geld selbst dann nicht, so kannst Du doch einen der Rückstände von denen Du schreibst, auf mich übertragen. – Wie viel ich haben muß zur Reise kann ich freilich nicht ganz bestimmen; doch wäre mir mit einem Darlehn von 25 L[ouis]d[o]r schon beträchtlich geholfen, und selbst noch weniger würde mir doch als Anfang und Hoffnung wohl auch das übrige zu bekommen aufrichtend sein.
Hier habʼ ich sparsam gelebt, 320 francs etwa aber brauche ich doch monathlich, unter das komme ich nicht aus. – Und nun hab ich hier auch nichts mehr zu verdienen; was rechtes (litterarisches) kann ich gar nicht von hier aus anfangen, und kann nur gar zu bald wohl ganz abgeschnitten sein, wo ich denn eben so gut hier verhungern könnte wie in einer afrikanischen Wüste. [8] Meine Freunde hier, die selbst für sich viel zu thun und zu arbeiten haben in der schwierigen Zeit haben gethan was sie versprachen; für zwei Vorlesungen 1) der Philosophie 2) Universalgeschichte, wovon ich die erste seit dem März lese haben sie mir 200 französische L[ouis]d[o]rs gegeben; davon habʼ ich seit 1½ Jahren gelebt, aber das geht nun zur Neige, und ich muß durchaus fort wenn ich nicht verlohren gehen soll.
Daß die Staël mich an den kleinen Prinzen von G.[otha] empfohlen, hat mich gefreut als ein Beweiß ihres Andenkens und ihrer Gutmüthigkeit. Freilich ist diese wüste wilde Zeit nicht die wo solche gelinde Mittel an der Stelle sind. Der kleinste reelle Dienst ist mir jezt mehr werth als tausend solche Empfehlungen, die ohnehin sehr planmäßig angelegt und mit Geduld fortgesezt werden müßten, wenn ein Resultat dabei herauskommen soll. Vielleicht wenn wir zusammen in Deutschland wären, liesse sich eher auf diese Art etwas für mich ausrichten nach gemeinschaftlicher Ueberlegung und Sachkenntniß.
Ich habe Dir nun meine Lage ans Herz gelegt, wie sie ist, und erwarte mit Ungeduld Deine Antwort; und kannst Du etwas thun so thu es ja gleich. Ich umarme Dich von Herzen.
Friedrich.
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