• August Wilhelm von Schlegel to Caroline Paulus

  • Place of Dispatch: Bonn · Place of Destination: Heidelberg · Date: 18.12.1818
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
    Metadata Concerning Header
  • Sender: August Wilhelm von Schlegel
  • Recipient: Caroline Paulus
  • Place of Dispatch: Bonn
  • Place of Destination: Heidelberg
  • Date: 18.12.1818
  • Notations: Empfangsort erschlossen.
    Printed Text
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: 343347008
  • Bibliography: Briefe von und an August Wilhelm Schlegel. Gesammelt und erläutert durch Josef Körner. Bd. 1. Zürich u.a. 1930, S. 347‒348.
  • Incipit: „[1] Bonn d. 18ten Dec 1818
    Theuerste Frau Mutter!
    Ich bitte Sie, ich beschwöre Sie bey dem Andenken unsrer gemeinschaftlichen Freunde, Schillers, Goethes [...]“
    Manuscript
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: DE-611-35010
  • Classification Number: Mscr.Dresd.e.90,XIX,Bd.17,Nr.31
  • Number of Pages: 3 S. auf Doppelbl., hs.
  • Format: 19,6 x 12 cm
[1] Bonn d. 18ten Dec 1818
Theuerste Frau Mutter!
Ich bitte Sie, ich beschwöre Sie bey dem Andenken unsrer gemeinschaftlichen Freunde, Schillers, Goethes und meines Bruders, die Sache gegen mich nicht auf das äußerste zu treiben. Es möchte Sie nachher gereuen.
Weit entfernt, daß Sie die mindeste Ursache hätten, gegen mich gereizt zu seyn, sollten Sie es mir vielmehr Dank wissen, daß ich, bloß aus Nachgiebigkeit gegen Ihre Wünsche sehr glänzende Vortheile und Annehmlichkeiten in Berlin ausgeschlagen, und mich hier auf eine engere Sphäre beschränkt habe, damit wir Sie häufiger besuchen und Ihren Besuch empfangen könnten. Freylich war es eine zu weit getriebene Gutmüthigkeit, daß ich in die zwecklose, in dem damaligen Zeitpunkte ganz unpassende Reise meiner Frau nach Stuttgart willigte, und nach den Erfahrungen die ich dort gemacht hatte, sie nicht gleich mit hieher nahm, ohne in Heidelberg zu verweilen.
Ich bin nun seit mehr als einem Monate ohne Nachricht von meiner geliebten Gattin, und muß sie leider als eine Gefangene betrachten. Ich weiß nicht, ob sie die Freyheit hat mir zu schreiben, [2] ob meine Briefe überhaupt zu ihr gelangen, oder nicht wenigstens zuvor erbrochen werden. Dieß letzte bin ich berechtigt zu vermuthen, da nun schon zwei mal Briefe meines Bruders in Ihrem Hause erbrochen und gelesen worden sind, die als Einlagen an seine Schwägerin abgeschickt, nur für sie und für mich bestimmt waren. Wie die ganze gesittete Welt ein solches Verfahren beurtheilt, ist Ihnen bekannt.
Sophie von Schlegel ist in jeder Hinsicht vollkommen mündig: sie kann für sich selbst handeln, reden und schreiben. Wenn sie aber in irgend einem Geschäft einen Vertreter bedarf, so bin ich nach den Gesetzen ihr Vormund, und niemand sonst.
Nach den tausend Beweisen ihrer Zärtlichkeit, welche ich bis zum letzten Augenblicke unsers Beysammenseyns von ihr empfangen, ist es unglaublich, daß sie plötzlich ohne allen Anlaß ihre Gesinnung verändert habe, daß sie nun sich dem innigsten Verhältnisse entziehen, und ein kaum geknüpftes heiliges Band wieder auflösen wolle. Bis sie mir selbst diese unerhörte Erklärung macht, eigenhändig, mit vollständiger Unterschrift ihres Namens, und mit der Versicherung, daß sie es aus eignem Antriebe ohne fremde Überredung thue, werde ich alles was mir in dem bisherigen Sinne aus Ihrem Hause zukommt, als nicht geschehen betrachten. Ich [3] werde kommen so bald es mir gut dünkt, und meine Frau abhohlen, um sie zuvörderst in eine ihren Rechten aber auch ihren Pflichten angemeßnere Lage zu versetzen; dann durch meine Thätigkeit bestens für ihre Zukunft zu sorgen, und durch meine Liebe ihr das Leben so erfreulich und angenehm als möglich zu machen.
Den Briefwechsel mit Ihnen und dem Herrn Vater lange auf den bisherigen Ton fortzusetzen, würde ohnehin meiner Würde nicht angemessen seyn. An mir soll es nicht liegen, wenn die gegenwärtigen bloß erkünstelten und muthwillig angesponnenen Misverständnisse nicht geheim bleiben, ja in ewige Vergessenheit begraben werden. Wenn Sie aber dabey beharren, durch Ihre Schritte gegen mich die Öffentlichkeit der Sache hervorzurufen, so läßt sich voraussehen, wie die allgemeine Stimme darüber urtheilen, und zu wessen Nachtheile es ausfallen wird.
Ich bin mit schuldiger Ehrerbietung
theuerste Frau Mutter
Ihr treu ergebner Sohn
[4]
[1] Bonn d. 18ten Dec 1818
Theuerste Frau Mutter!
Ich bitte Sie, ich beschwöre Sie bey dem Andenken unsrer gemeinschaftlichen Freunde, Schillers, Goethes und meines Bruders, die Sache gegen mich nicht auf das äußerste zu treiben. Es möchte Sie nachher gereuen.
Weit entfernt, daß Sie die mindeste Ursache hätten, gegen mich gereizt zu seyn, sollten Sie es mir vielmehr Dank wissen, daß ich, bloß aus Nachgiebigkeit gegen Ihre Wünsche sehr glänzende Vortheile und Annehmlichkeiten in Berlin ausgeschlagen, und mich hier auf eine engere Sphäre beschränkt habe, damit wir Sie häufiger besuchen und Ihren Besuch empfangen könnten. Freylich war es eine zu weit getriebene Gutmüthigkeit, daß ich in die zwecklose, in dem damaligen Zeitpunkte ganz unpassende Reise meiner Frau nach Stuttgart willigte, und nach den Erfahrungen die ich dort gemacht hatte, sie nicht gleich mit hieher nahm, ohne in Heidelberg zu verweilen.
Ich bin nun seit mehr als einem Monate ohne Nachricht von meiner geliebten Gattin, und muß sie leider als eine Gefangene betrachten. Ich weiß nicht, ob sie die Freyheit hat mir zu schreiben, [2] ob meine Briefe überhaupt zu ihr gelangen, oder nicht wenigstens zuvor erbrochen werden. Dieß letzte bin ich berechtigt zu vermuthen, da nun schon zwei mal Briefe meines Bruders in Ihrem Hause erbrochen und gelesen worden sind, die als Einlagen an seine Schwägerin abgeschickt, nur für sie und für mich bestimmt waren. Wie die ganze gesittete Welt ein solches Verfahren beurtheilt, ist Ihnen bekannt.
Sophie von Schlegel ist in jeder Hinsicht vollkommen mündig: sie kann für sich selbst handeln, reden und schreiben. Wenn sie aber in irgend einem Geschäft einen Vertreter bedarf, so bin ich nach den Gesetzen ihr Vormund, und niemand sonst.
Nach den tausend Beweisen ihrer Zärtlichkeit, welche ich bis zum letzten Augenblicke unsers Beysammenseyns von ihr empfangen, ist es unglaublich, daß sie plötzlich ohne allen Anlaß ihre Gesinnung verändert habe, daß sie nun sich dem innigsten Verhältnisse entziehen, und ein kaum geknüpftes heiliges Band wieder auflösen wolle. Bis sie mir selbst diese unerhörte Erklärung macht, eigenhändig, mit vollständiger Unterschrift ihres Namens, und mit der Versicherung, daß sie es aus eignem Antriebe ohne fremde Überredung thue, werde ich alles was mir in dem bisherigen Sinne aus Ihrem Hause zukommt, als nicht geschehen betrachten. Ich [3] werde kommen so bald es mir gut dünkt, und meine Frau abhohlen, um sie zuvörderst in eine ihren Rechten aber auch ihren Pflichten angemeßnere Lage zu versetzen; dann durch meine Thätigkeit bestens für ihre Zukunft zu sorgen, und durch meine Liebe ihr das Leben so erfreulich und angenehm als möglich zu machen.
Den Briefwechsel mit Ihnen und dem Herrn Vater lange auf den bisherigen Ton fortzusetzen, würde ohnehin meiner Würde nicht angemessen seyn. An mir soll es nicht liegen, wenn die gegenwärtigen bloß erkünstelten und muthwillig angesponnenen Misverständnisse nicht geheim bleiben, ja in ewige Vergessenheit begraben werden. Wenn Sie aber dabey beharren, durch Ihre Schritte gegen mich die Öffentlichkeit der Sache hervorzurufen, so läßt sich voraussehen, wie die allgemeine Stimme darüber urtheilen, und zu wessen Nachtheile es ausfallen wird.
Ich bin mit schuldiger Ehrerbietung
theuerste Frau Mutter
Ihr treu ergebner Sohn
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