• Sophie Bernhardi to August Wilhelm von Schlegel

  • Place of Dispatch: Rom · Place of Destination: Genf · Date: 6. Februar [1806]
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
    Metadata Concerning Header
  • Sender: Sophie Bernhardi
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel
  • Place of Dispatch: Rom
  • Place of Destination: Genf
  • Date: 6. Februar [1806]
  • Notations: Datum (Jahr) erschlossen.
    Printed Text
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: 335976727
  • Bibliography: Krisenjahre der Frühromantik. Briefe aus dem Schlegelkreis. Hg. v. Josef Körner. Bd. 1. Der Texte erste Hälfte. 1791‒1808. Bern u.a. ²1969, S. 285‒292.
  • Incipit: „[1] Rom den 6ten Febr [1806]
    Ohne daß ich den Trost habe eine Antwort von Ihnen mein geliebter Freund zu erhalten, muß [...]“
    Manuscript
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: APP2712-Bd-4
  • Classification Number: Mscr.Dresd.App.2712,B,15,45
  • Number of Pages: 10 S. auf Doppelbl., hs. m. U.
  • Format: 22,2 x 16,5 cm
[1] Rom den 6ten Febr [1806]
Ohne daß ich den Trost habe eine Antwort von Ihnen mein geliebter Freund zu erhalten, muß ich Ihnen wieder schreiben. Um so mehr schmerzt mich Ihr Stilschweigen, da meine Briefe an Sie von dem wichtigstem Inhalt waren. Ich muß auf Sie wie immer meine Hoffnung gründen, und Sie solten fühlen wie betrübt es ist wen[n] wir von unsern Freunden kein Zeichen ihrer fortwährenden Liebe erhalten. Es häufen und verwirren sich die Geschäfte meines unglücklichen Prozesses und es ist natürlig daß Sie liebster Freund mit darin verwickelt werden. Ich wolte ich hätte eine Antwort von Ihnen, den[n] wie sehr ich Ihre Treue in der Freundschaft kenne, so würde es mir doch einen andern Muth geben im Schreiben.
Ich will Ihnen zuerst sagen daß H. v. H.[umboldt] glaubte im Anfange meines hiesigen Auffenthalts das sicherste für mich sei mich zur katholischen Religion zu bekennen oder wenigstens das Gerücht als wäre es so zu verbreiten, weil mann dan schon von preusischer Seite keine Lust haben würde gegen mich zu verfahren. Ja der H. D[ocktor] K[ohlrausch] kam selbst zu mir um mir zu sagen daß er nach Berlin an alle Jüdische Dahmen seiner Bekantschaft schreiben wolle, welches er sonst nicht thäte, um dieß als ein Gespräch herum zu bringen. Ich schreibe Ihnen dieß bloß damit nicht Ihre freundschaftliche Sorge für mich in diesem Gerücht auf welches ich nachher noch kommen muß, einen Grund sich zu beunruhigen findet. Und zugleich um Ihnen zu zeigen daß es nicht von mir oder von meinen hiesigen Freunden herrüre. Zugleich aber bitte ich Sie in diesem Punkte vorsichtig zu sein waß mir als Gerücht helfen kann soll nicht Gewißheit sein, und waß ein Gerücht ist von fremden Zungen würde in Ihrem Munde Gewißheit werden. Ja wen[n] man es Ihnen sagt können Sie es mit der Unwahrscheinlichkeit wiedersprechen daß wen[n] es so wäre wirde ich es Ihnen als meinem so theu[2]ren Freunde mitgetheilt haben.
Mich dünckt ich habe Ihnen geschrieben daß meine Brüder an den Vater von B[ernhardi] geschrieben haben um ihm womöglich von seines Sohnes Betragen gegen mich eine Vorstellung zu geben. Wir hoften daß dies Schreiben vieleicht den Prozeß unnöhtig machen und einen gütlichen Vergleich möglig machen wirde. So nehmlich daß der Vater das Unrecht seines Sohnes einsehen wirde und zugleich welche schimpfliche Folgen der Prozeß für ihn haben müste, und aus diesem Grunde sich entschliessen wirde, mir die Kinder zu lassen, auf die Scheidung meiner Ehe aber vor Gericht allein aus dem Grunde meiner schwächlichen Gesundheit antragen würde.
Hiermit war nun das Lezte versucht, und wir haben die Antwort darauf erhalten welche beweißt daß der Vater eben so wie der Sohn gesint ist. Er sucht in diesem Briefe ganz die Punkte der Klage zu verdrehen, nimt an als hätten wir ihn gesucht zu der Einwilligung zur Ehescheidung zu bewegen, und verspricht diese zu bewilligen wen[n] ich ihm die Kinder so gleich kostenfrei zurickschike. Er findet daß wir sehr recht haben die Ehescheidung gütlig zu suchen weil ich am meisten bei der Klage leiden wirde. Doch ich schicke Ihnen lieber die Abschrift seines Briefes mit weil ich sonst so weitläuftig darüber sprechen müste.
Sie sehen aus diesem niedrigem Brief wie der Vater den Sohn eigentlig ganz fallen läßt und den Prozeß in seine Hände spielen will. Wie man ferner mich ganz ausdrücklich droht wie sehr man mich in Ansehung meines Verhältnisses zu Ihnen und Knorring verläumden wolle. Auf die Mishandlungen welche ich erfahren habe wird behauptet dürfe kein Richter rücksicht nehmen weil ich sie nicht beweisen kann, daß man mir aber eine begangene eheliche Untreue mit K[norring] durch meine zurückgelassenen Dienstbohten beweisen wolle. Wie schändlich [3] und niedrig dieß ist brauche ich Ihnen der Sie mich kennen und der Sie ja Zeuge meines Lebens waren nicht zu sagen. Die zurückgelassenen Dienstbothen das ist die Ihnen wohlbekannte Miene und ich habe schon alles gethan daß diese nicht als Zeugin gehört werden kann, ihres eignen höchst schlechten Lebens, und der Ursach wegen weshalb ich sie aus meinem Dienst entlassen habe. Da aber dieser alte Herr B[ernhardi] so weit geht mich eines Menschen und Kinderraubes an meinen eignen Kindern zu beschuldigen und mich darauf zu verklagen, und auf mich ein Gesetz anwenden will welches für Landstreicher und Zigeuner welche oft Kinder gestohlen haben verfaßt ist; Mich in diesem Brief mit Gefänglicher Haft und Zuchthauß Strafe bedroht, da er eigentlich ausdrücklich erklärt er habe von mir geglaubt und glaube noch, bis ich dadurch daß ich ihm meine Kinder zurickliefere es anders beweise, ich habe sie aus Rache entführt gegen ihn und seinen Sohn, und wolle Seiltänzer oder Castraten aus ihnen machen, so sehen Sie wohl ein daß ich es mir nicht kann gefallen lassen. Erstlig meiner Ehe wegen nicht, zweitens hatt uns der H. B.[ernhardi] durch diesen Brief die Mittel gegeben seine Einmischung in den Prozeß unmöglich zu machen, eben so die Foderung die Kinder zu erziehen. Durch sein eignes Verlangen diesen seinen Brief allen Rechtsgelerten mitzutheilen hatt er sich auch die Ausrede benommen daß er ihn nur für meinen Bruder allein geschrieben habe. Knorring wird also auf das Nachdricklichste durch die Gesandtschaft Genugthuung fodern für die beschimpfende Beschuldigung daß er eine Frau entführt, zur Untreue verführt und einen Menschen und Kinderraub begangen hatt und diese Genugthuung kann nicht gering sein da er ihn so ausdricklig nent und also wie mich mit Zuchthaußstrafe bedroht, wodurch die Sache so ernstlig wird. Ich bitte Sie mein [4] liebster Freund dasselbe zu thun. Erstlich sind Sie es Ihrer eignen Ehre dan aber auch mir schuldig, den[n] wen[n] Sie darüber schwiegen so verwirft er Sie wie Sie sehen als Zeugen in meiner Sache als den Mitschuldigen eines Verbrechens worauf Zuchthauß Straffe steht. Meine Brüder werden ihre Klage über denselben Gegenstand zugleich einreichen. Ich bitte Sie liebster Freund richten Sie Ihre Klage über diesen Gegenstand so ein wie ich Ihnen vorschreiben werde weil sie so mit der Meinigen correspondieren wird. Führen Sie an zuerst als Beleidigung daß man Ihren Umgang mit mir verdächtig zu machen suche und als einen vom Manne verbotenen schildere, da er selbst Sie in sein Hauß aufgenommen habe, selbst Ihnen aufgetragen seine Frau auf Spaziergängen zu begleiten, wen[n] er aus Trägheit nicht mitgehen wolte, aller Bitten ohngeachtet; selbst von Ihnen die grösten Gefälligkeiten angenommen habe, ja sich selbst, seine Frau und Kinder sehr oft lange habe durch Sie ernähren lassen, bis der jüngere Bruder der Frau Ihnen diese Auslagen wiedererstattet habe. Da er Sie selbst so gestelt habe daß Sie die gröste Noth seiner Frau wie ein Bruder haben theilen müssen und dieß aus Achtung für die Frau auch gern gethan hätten. Ob Sie nun in einem solchem Überlassen der nächsten Sorgen für seine Angehörige hätten die Eifersucht auf diese oder das Misfallen an Ihrem Umgang mit ihnen bemerken können. Dan fodern Sie auf zu beweisen wie dieser Umgang hätte seiner Frau verbothen sein können oder gegen den Willen des Mannes von der Frau durchgesezt, da ja nur der Mann Sie in seinem Hause aufnehmen konte und er sich von Ihnen mit Wohlthaten überhäufen ließ. Und endlich fodern Sie Genugthuung dafür daß er Sie beschuldigt Sie seien der Mitschuldige an einen Kinder und Menschenraub, an einem so grossen Verbrechen worauf so entehrende Straffen stehen. [5] Schreiben Sie die Punkte Ihrer Klage gegen den Vater von B[ernhardi] genau auf und machen Sie die ungegründete Beschuldigung sehr deutlig, erstlig an sich daß die Rede davon sei daß eine Mutter ihre kleinen Kinder auf eine Reise mit sich nehme welche sie mache um nach dem Ausspruch aller Ärzte ihr Leben zu erhalten, wozu sie die Einwilligung durch ein gnädiges Cabinaets Schreiben S. M. des Königs habe, ob man dieß einen Kinder und Menschenraub nennen könne? Wen[n] aber ob Sie der Sie zur Zeit meiner Abreise von Weimar einige hundert Meilen von mir entfernt gewesen seien und mich immer Ihrer grösten Achtung und Verehrung (Sie können die Worte nicht zu hoch brauchen) wirdig gefunden hatten, der Sie wie gesagt keine Spur gehabt hätten daß Ihre Dienste welche Sie allen geleistet haben aus der Familie dem Manne mißfallen hätten, dadurch daß Sie dem jüngeren Bruder eine Summe auf sein Verlangen vorgeschossen und dieser sie der Schwester gegeben habe, Mitschuldiger an einem Kinder und Menschenraub seien. Fodern sie für diese Beleidigung die strengste Ihrer Ehre genügende Genugthuung. Lassen Sie aber das Erwähnen einer dem jüngerem Bruder geliehenen Summe nicht aus, weil gewiß der Vater in den Worten welche in dem Briefe meiner Brüder an ihn stehen den Grund findet Sie zu beschuldigen. Ich will diese Worte selbst abschreiben, nachdem vorher von B[ernhardis] Verschwendung die Rede ist heißt es (Seine kleine Einnahme gieng also reichlich für seine Person auf, aber auch diese kam in den lezten Jahren nicht mehr zum Vorschein sondern er ließ sich mit der grösten Gemächlichkeit von seiner kranken Frau die ihre bedrängten Stunden zum Schreiben anwenden muste, und von mir ernähren. So gescha[h] es, daß die Früchte meines Fleisses in Berlin so wie in Weimar nicht für mich aufgewand wurden, und ich mag Ihnen nicht herrechnen welche Summe ich dafür {6] so wie für die Reise meiner Schwester dem Professor Schlegel noch schuldig bin.)
Ich hoffe liebster Freund daß ich im Stande gewesen bin Ihnen schon in meinen früheren Briefen deutlig zu machen wie die Sachen stehen daß ich nicht anders kann als mich auf alle mögliche Art vertheidigen indem man sich das Schlechteste gegen mich erlaubt, und durch diesen beigefügten Brief des Vaters werden Sie es noch klarer sehen. Richten Sie also Ihre Klage ein, vergessen Sie aber nicht daß Sie gegen den Vater und nicht gegen den Sohn sein muß. Schiken Sie diese Klage nebst Ihrer gerichtlichen Volmacht diesen Prozeß zu führen, in welcher aber ein leerer Raum für den Nahmen des Advokaten sein muß weil ich den Nahmen dessen welchen Hufeland für uns gewählt hat nicht weiß an Hufeland, und bitten Sie diesen in einem besondern Briefe dafür zu sorgen daß auch diese Ihre Klage geführt werde. In diesem Briefe sagen Sie Hufeland zugleich mit welcher herzlichen Danckbarkeit ich von ihm zu Ihnen gesprochen habe. Bitten Sie ihn daß er fortfahre mein Freund zu sein.
Ich zeigte diesen anmuthigen Brief der Herzogin welche ganz empört war über die unvergleichliche Niederträchtigkeit. Sie sagte mir es bliebe mir nichts anders übrig als meinen Umgang mit K[norring] worüber man mich so beleidigt recht öffentlig fortzusetzen, und seiner Ehre sei es gemäß selbst wen[n] er andere Plane habe keine Reise zu machen, und gar nichts zu unternehmen wodurch er von mir entfernt würde bis diese Sache erst völlig entschieden sei. Ich erzählte der Herzogin von Ihnen mit welcher warhaften Grosmuth Sie mir mehrere Jahre Ihres Lebens aufgeopfert haben. Wie Sie mich vom Verderben gerettet, in der höchsten Noth mir ein hilfreicher Freund gewesen sind, wie Sie am Sterbebette meiner Eltern als Bruder und Sohn gehandelt, ja wie nur Sie mein und meines Kindes Leben errettet haben. Die Herzogin war innig gerührt über so viele Liebe und Treue, und eben [7] so erstaunt über die seltne Falschheit, Schlechtigkeit und Undankbarkeit von Bernhardi. Sie sagte mir sie hoffe daß Sie die Ihnen gemachten Beschuldigungen nicht leiden, und bei Bernhardis Gerichtsbarkeit darüber klagen wirden. Ich versicherte daß wen[n] es auch Ihre Ehre nicht so beleidigte wie es thäte Sie es thun wirden schon aus dem Grunde weil es mir so nützlig sein kann.
Wen[n] Sie den Brief von Bernhardis Vater übersehen, so wird Ihnen darauß deutlig werden daß er recht gut weiß wie schlecht sein Sohn ist daß er schon vermuhtet daß diesem die Erziehung der Kinder nicht zugesprochen werden kann. Er will mich also als der Bevolmächtigte seines Sohnes verklagen, wen[n] er in dieser Klage nun zugäbe daß ich die Kinder einzig aus Liebe behalten will und keine andere Ansprüche mache, so viele die ganze Klage zusammen, also will er behaupten: Ich sei als eine ungetreue Ehefrau dem Manne heimlig entflohen mit einem meiner Liebhaber, und habe die Kinder nicht aus Liebe mit mir genommen, sondern aus Rache und Haß gegen ihn und seinen Sohn weil beide mir den unerlaubten Umgang mit meinen Liebhabern verbothen haben. Wie wenig ich die Kinder liebe bewiese ich dadurch daß ich sie schlechten Dienstbothen überliesse welche sie auf alle weise mishandelten und ich wirde ohne Frage bei meinem Hange zur Verschwendung und etwannigen augenblicklichen Geldmangel die Kinder hergeben um Seiltänzer und dergleichen aus ihnen zu machen. Nur so kann er mich wie er will eines Menschenraubs an meinen eignen Kindern beschuldigen, und Sie werden den Entwurf zu dieser Klage in seinem eignen Briefe finden wen[n] Sie ihn darauf aufmercksam lesen.
Wen[n] diese Klagen alle gegen ihn geführt werden und er gegen alle welche er beleidigt zur Abbitte und Ehrenerklärung und einer ansehnlichen Geldstraffe verdamt wird, wie erfolgen muß, so trage ich darauf an, daß ihm als einen welcher so deutlig den bösen Willen gezeigt hatt mich zu verläumden und mir zu schaden untersagt wird sich in meinem Prozeß zu [8] mischen, und wen[n] er die Kinder zur Erziehung verlangt so beweise ich ihm daß er so wenig als sein Sohn Kinder erziehen könne. Um zu diesem Beweise noch ein anderes Zeugniß zu haben, so bitte ich Sie liebster Freund sich zu erinnern wie Sie noch hier in Rom darüber sprachen, wie es ein leichtes sein müsse einen Aufsaz zu machen in welchem bewiesen wirde wie wenig der alte Herr Bernhardi zum Erzieher tauge in der Art und weise wie er seinen eignen Herrn Sohn erzogen habe, welches man ohne Injurien auseinandersetzen kann und nur von allen seinen schlechten Gewonheiten welche Fehler der Erziehung sind zu sprechen brauche. Ich bitte Sie liebster Freund thun Sie dieß und schliessen Sie damit daß man nicht erwarten könne daß er mit dem Alter die grössere Fähigkeit erworben habe, und daß er dieß auch schon bewiesen, und dan kommen Sie darauf welchen schlechten Einfluß schon die häufigen Besuche in dem Grosväterlichen Hause auf die Kinder gehabt haben, welches auch der junge Herr wuste und nie geläugnet ja im Gegentheil immer behauptet habe es müsse durchgesezt werden daß die Kinder nicht mehr zu seinen Eltern gebracht wirden weil diese sie mit ihrer abgeschmackten Behandlung gänzlich verdürben. Wen[n] dan die Frau da er dieß einsähe ihn bath doch die Besuche einzuschränken, habe er geantwortet es geht mich nichts an, thue du es, es sind Deine Kinder, so daß er sich also seines väterlichen Rechtes immer gänzlich begeben, und den Kindern bis in die kleinsten Angelegenheiten hinein seine väterliche Sorge entzogen habe. Dies hatt er ja in der That wohl hundertmal in Ihrer Gegenwart gesagt. Schreiben Sie dieß in einem Briefe an meinem ältesten Bruder, so ist es in der Form besser als wirde es an den andern geschrieben, weil der Ältere in die Rechte meines gestorbenen Vaters trit und in diesem Sinne meine Geschäfte führt. Es ist würklich erstaunungswürdig für wie einfältig [9] uns der alte Herr hält daß er meint wir sollen ihm die original Briefe seines Sohnes schiken. Lesen Sie den Brief aufmercksam und Sie werden finden daß die Dumheit wie die Niederträchtigkeit darin gar nicht zu erschöpfen sind. Thun Sie lieber Freund alles warum ich Sie dringend bitte und sein Sie überzeugt daß ich mit allen diesen Mitteln völlig und Ehrenvoll die Sache beendige. Und wen[n] ich den Prozeß unglücklich genant habe so ist es nicht weil ich ihn nicht glücklich zu beendigen hoffe, sondern nur weil die menschliche Natur nicht so viele Schlechtigkeit ohne Schmerz ertragen kann. Ich sehe mit dem gröstem Verlangen Ihrer Antwort entgegen und bin überzeugt daß sie so sein wird wie ich wünsche.
Meine Brüder und Knorring tragen mir auf Sie auf das herzlichste zu grüßen und wünschen mit mir, Sie nur einmal wiederzusehen. Meine Kinder hoffen täglich daß die Antwort auf ihre Briefe welche sie Ihnen geschrieben haben ankommen soll. Felix wächst so ausserorndlich daß es wircklich scheint er hatt sich in den Kopf gesezt ein Riese zu werden, dabei ist sein Lehrer sehr mit ihm zufrieden und es scheint als ob er eine grössere Neigung zu den Wissenschaften habe als Wilhelm. Noch eins fält mir eben ein. Aus diesem Brief des Vaters und noch deutlicher aus früheren des Sohnes geht hervor das man mir mit Zeugen die schlechte und verwahrloßte Erziehung meiner Kinder und meine Lieblosigkeit gegen sie beweisen will. Ich kann nicht anders als mit Zeugen das Gegentheil beweisen und werde mir von jeden unserer Freunde von den Vornemsten an bis zu denen welche täglich unser Hauß besuchen aufschreiben [lassen] nach seiner Art wie er glaubt daß ich die Kinder gut erziehe. Lassen Sie doch dasselbe Ihrer Freundin F.[rau] v. Staël thun die so wie Sie mir selbst gesagt haben meine Kinder als ein Muster der Liebenswürdigkeit und Wohlerzogenheit kent. Sie wird es gern der Warheit gemäß thun [10] und besonders wen[n] Sie ihr sagen warum ich es will, welcher Dienge man mich beschuldigt, welches ihr da sie selbst Mutter ist empörend sein muß. Dan fügen Sie selbst nach Ihrem besten Gewissen hinzu waß Sie von meiner Erziehung und der Liebe zu meinen Kindern wissen, und schiken Sie mir dieß ja sogleich.
Mein jüngerer Bruder empfiehlt sich der Frau v. Staël und bittet Sie ihr zu sagen daß er sehr fleissig an dem Modelle arbeite und es bald in Marmor anzufangen denke. Er hatt jezt ein sehr schönes Stück Marmor im Handel welches er dazu anzuwenden hoft. Schreiben Sie mir doch liebster Freund wie es mit Ihren poetischen Arbeiten steht, in Ansehung der Litteratur ist man hier sehr abgeschnitten. Auf die Fortsetzung Ihres Schack[spaers] sind wir durch die Bekantschaft mit einem Engländer, ich weiß jezt gleich seinen Nahmen nicht, recht von neuen begierig geworden. Dieser Engländer ist eine rechte Ausnahme, er scheint ein wahrer Gelehrter spricht gut Deutsch hatt die deutsche Sprache gründlig studirt und bewundert Ihre Übersetzung des Schack[spaer] unglaublich und versichert er hätte dergleichen nicht für möglich gehalten. Er hatt alle neueren Filosofen Kant Fichte Schelling nach der Reihe studirt, alle Poeten, selbst die Altdeutschen, von denen er weit mehr als von den neudeutschen hält. Ich will diesen langen Brief beschliessen. Ich hoffe Sie klagen nun nicht mehr daß ich Ihnen nicht schreibe. Leben Sie wohl und glücklig mein geliebter Freund, und bleiben Sie so mein Freund wie ich ewig bin
Ihre Freundin und Schwester
S[ophie] Tieck.

Mein Bruder Ludwig bittet Sie sich doch der versprochenen Gedichte zu erinnern weil sein Musenalmanach zu stande komt.
[1] Rom den 6ten Febr [1806]
Ohne daß ich den Trost habe eine Antwort von Ihnen mein geliebter Freund zu erhalten, muß ich Ihnen wieder schreiben. Um so mehr schmerzt mich Ihr Stilschweigen, da meine Briefe an Sie von dem wichtigstem Inhalt waren. Ich muß auf Sie wie immer meine Hoffnung gründen, und Sie solten fühlen wie betrübt es ist wen[n] wir von unsern Freunden kein Zeichen ihrer fortwährenden Liebe erhalten. Es häufen und verwirren sich die Geschäfte meines unglücklichen Prozesses und es ist natürlig daß Sie liebster Freund mit darin verwickelt werden. Ich wolte ich hätte eine Antwort von Ihnen, den[n] wie sehr ich Ihre Treue in der Freundschaft kenne, so würde es mir doch einen andern Muth geben im Schreiben.
Ich will Ihnen zuerst sagen daß H. v. H.[umboldt] glaubte im Anfange meines hiesigen Auffenthalts das sicherste für mich sei mich zur katholischen Religion zu bekennen oder wenigstens das Gerücht als wäre es so zu verbreiten, weil mann dan schon von preusischer Seite keine Lust haben würde gegen mich zu verfahren. Ja der H. D[ocktor] K[ohlrausch] kam selbst zu mir um mir zu sagen daß er nach Berlin an alle Jüdische Dahmen seiner Bekantschaft schreiben wolle, welches er sonst nicht thäte, um dieß als ein Gespräch herum zu bringen. Ich schreibe Ihnen dieß bloß damit nicht Ihre freundschaftliche Sorge für mich in diesem Gerücht auf welches ich nachher noch kommen muß, einen Grund sich zu beunruhigen findet. Und zugleich um Ihnen zu zeigen daß es nicht von mir oder von meinen hiesigen Freunden herrüre. Zugleich aber bitte ich Sie in diesem Punkte vorsichtig zu sein waß mir als Gerücht helfen kann soll nicht Gewißheit sein, und waß ein Gerücht ist von fremden Zungen würde in Ihrem Munde Gewißheit werden. Ja wen[n] man es Ihnen sagt können Sie es mit der Unwahrscheinlichkeit wiedersprechen daß wen[n] es so wäre wirde ich es Ihnen als meinem so theu[2]ren Freunde mitgetheilt haben.
Mich dünckt ich habe Ihnen geschrieben daß meine Brüder an den Vater von B[ernhardi] geschrieben haben um ihm womöglich von seines Sohnes Betragen gegen mich eine Vorstellung zu geben. Wir hoften daß dies Schreiben vieleicht den Prozeß unnöhtig machen und einen gütlichen Vergleich möglig machen wirde. So nehmlich daß der Vater das Unrecht seines Sohnes einsehen wirde und zugleich welche schimpfliche Folgen der Prozeß für ihn haben müste, und aus diesem Grunde sich entschliessen wirde, mir die Kinder zu lassen, auf die Scheidung meiner Ehe aber vor Gericht allein aus dem Grunde meiner schwächlichen Gesundheit antragen würde.
Hiermit war nun das Lezte versucht, und wir haben die Antwort darauf erhalten welche beweißt daß der Vater eben so wie der Sohn gesint ist. Er sucht in diesem Briefe ganz die Punkte der Klage zu verdrehen, nimt an als hätten wir ihn gesucht zu der Einwilligung zur Ehescheidung zu bewegen, und verspricht diese zu bewilligen wen[n] ich ihm die Kinder so gleich kostenfrei zurickschike. Er findet daß wir sehr recht haben die Ehescheidung gütlig zu suchen weil ich am meisten bei der Klage leiden wirde. Doch ich schicke Ihnen lieber die Abschrift seines Briefes mit weil ich sonst so weitläuftig darüber sprechen müste.
Sie sehen aus diesem niedrigem Brief wie der Vater den Sohn eigentlig ganz fallen läßt und den Prozeß in seine Hände spielen will. Wie man ferner mich ganz ausdrücklich droht wie sehr man mich in Ansehung meines Verhältnisses zu Ihnen und Knorring verläumden wolle. Auf die Mishandlungen welche ich erfahren habe wird behauptet dürfe kein Richter rücksicht nehmen weil ich sie nicht beweisen kann, daß man mir aber eine begangene eheliche Untreue mit K[norring] durch meine zurückgelassenen Dienstbohten beweisen wolle. Wie schändlich [3] und niedrig dieß ist brauche ich Ihnen der Sie mich kennen und der Sie ja Zeuge meines Lebens waren nicht zu sagen. Die zurückgelassenen Dienstbothen das ist die Ihnen wohlbekannte Miene und ich habe schon alles gethan daß diese nicht als Zeugin gehört werden kann, ihres eignen höchst schlechten Lebens, und der Ursach wegen weshalb ich sie aus meinem Dienst entlassen habe. Da aber dieser alte Herr B[ernhardi] so weit geht mich eines Menschen und Kinderraubes an meinen eignen Kindern zu beschuldigen und mich darauf zu verklagen, und auf mich ein Gesetz anwenden will welches für Landstreicher und Zigeuner welche oft Kinder gestohlen haben verfaßt ist; Mich in diesem Brief mit Gefänglicher Haft und Zuchthauß Strafe bedroht, da er eigentlich ausdrücklich erklärt er habe von mir geglaubt und glaube noch, bis ich dadurch daß ich ihm meine Kinder zurickliefere es anders beweise, ich habe sie aus Rache entführt gegen ihn und seinen Sohn, und wolle Seiltänzer oder Castraten aus ihnen machen, so sehen Sie wohl ein daß ich es mir nicht kann gefallen lassen. Erstlig meiner Ehe wegen nicht, zweitens hatt uns der H. B.[ernhardi] durch diesen Brief die Mittel gegeben seine Einmischung in den Prozeß unmöglich zu machen, eben so die Foderung die Kinder zu erziehen. Durch sein eignes Verlangen diesen seinen Brief allen Rechtsgelerten mitzutheilen hatt er sich auch die Ausrede benommen daß er ihn nur für meinen Bruder allein geschrieben habe. Knorring wird also auf das Nachdricklichste durch die Gesandtschaft Genugthuung fodern für die beschimpfende Beschuldigung daß er eine Frau entführt, zur Untreue verführt und einen Menschen und Kinderraub begangen hatt und diese Genugthuung kann nicht gering sein da er ihn so ausdricklig nent und also wie mich mit Zuchthaußstrafe bedroht, wodurch die Sache so ernstlig wird. Ich bitte Sie mein [4] liebster Freund dasselbe zu thun. Erstlich sind Sie es Ihrer eignen Ehre dan aber auch mir schuldig, den[n] wen[n] Sie darüber schwiegen so verwirft er Sie wie Sie sehen als Zeugen in meiner Sache als den Mitschuldigen eines Verbrechens worauf Zuchthauß Straffe steht. Meine Brüder werden ihre Klage über denselben Gegenstand zugleich einreichen. Ich bitte Sie liebster Freund richten Sie Ihre Klage über diesen Gegenstand so ein wie ich Ihnen vorschreiben werde weil sie so mit der Meinigen correspondieren wird. Führen Sie an zuerst als Beleidigung daß man Ihren Umgang mit mir verdächtig zu machen suche und als einen vom Manne verbotenen schildere, da er selbst Sie in sein Hauß aufgenommen habe, selbst Ihnen aufgetragen seine Frau auf Spaziergängen zu begleiten, wen[n] er aus Trägheit nicht mitgehen wolte, aller Bitten ohngeachtet; selbst von Ihnen die grösten Gefälligkeiten angenommen habe, ja sich selbst, seine Frau und Kinder sehr oft lange habe durch Sie ernähren lassen, bis der jüngere Bruder der Frau Ihnen diese Auslagen wiedererstattet habe. Da er Sie selbst so gestelt habe daß Sie die gröste Noth seiner Frau wie ein Bruder haben theilen müssen und dieß aus Achtung für die Frau auch gern gethan hätten. Ob Sie nun in einem solchem Überlassen der nächsten Sorgen für seine Angehörige hätten die Eifersucht auf diese oder das Misfallen an Ihrem Umgang mit ihnen bemerken können. Dan fodern Sie auf zu beweisen wie dieser Umgang hätte seiner Frau verbothen sein können oder gegen den Willen des Mannes von der Frau durchgesezt, da ja nur der Mann Sie in seinem Hause aufnehmen konte und er sich von Ihnen mit Wohlthaten überhäufen ließ. Und endlich fodern Sie Genugthuung dafür daß er Sie beschuldigt Sie seien der Mitschuldige an einen Kinder und Menschenraub, an einem so grossen Verbrechen worauf so entehrende Straffen stehen. [5] Schreiben Sie die Punkte Ihrer Klage gegen den Vater von B[ernhardi] genau auf und machen Sie die ungegründete Beschuldigung sehr deutlig, erstlig an sich daß die Rede davon sei daß eine Mutter ihre kleinen Kinder auf eine Reise mit sich nehme welche sie mache um nach dem Ausspruch aller Ärzte ihr Leben zu erhalten, wozu sie die Einwilligung durch ein gnädiges Cabinaets Schreiben S. M. des Königs habe, ob man dieß einen Kinder und Menschenraub nennen könne? Wen[n] aber ob Sie der Sie zur Zeit meiner Abreise von Weimar einige hundert Meilen von mir entfernt gewesen seien und mich immer Ihrer grösten Achtung und Verehrung (Sie können die Worte nicht zu hoch brauchen) wirdig gefunden hatten, der Sie wie gesagt keine Spur gehabt hätten daß Ihre Dienste welche Sie allen geleistet haben aus der Familie dem Manne mißfallen hätten, dadurch daß Sie dem jüngeren Bruder eine Summe auf sein Verlangen vorgeschossen und dieser sie der Schwester gegeben habe, Mitschuldiger an einem Kinder und Menschenraub seien. Fodern sie für diese Beleidigung die strengste Ihrer Ehre genügende Genugthuung. Lassen Sie aber das Erwähnen einer dem jüngerem Bruder geliehenen Summe nicht aus, weil gewiß der Vater in den Worten welche in dem Briefe meiner Brüder an ihn stehen den Grund findet Sie zu beschuldigen. Ich will diese Worte selbst abschreiben, nachdem vorher von B[ernhardis] Verschwendung die Rede ist heißt es (Seine kleine Einnahme gieng also reichlich für seine Person auf, aber auch diese kam in den lezten Jahren nicht mehr zum Vorschein sondern er ließ sich mit der grösten Gemächlichkeit von seiner kranken Frau die ihre bedrängten Stunden zum Schreiben anwenden muste, und von mir ernähren. So gescha[h] es, daß die Früchte meines Fleisses in Berlin so wie in Weimar nicht für mich aufgewand wurden, und ich mag Ihnen nicht herrechnen welche Summe ich dafür {6] so wie für die Reise meiner Schwester dem Professor Schlegel noch schuldig bin.)
Ich hoffe liebster Freund daß ich im Stande gewesen bin Ihnen schon in meinen früheren Briefen deutlig zu machen wie die Sachen stehen daß ich nicht anders kann als mich auf alle mögliche Art vertheidigen indem man sich das Schlechteste gegen mich erlaubt, und durch diesen beigefügten Brief des Vaters werden Sie es noch klarer sehen. Richten Sie also Ihre Klage ein, vergessen Sie aber nicht daß Sie gegen den Vater und nicht gegen den Sohn sein muß. Schiken Sie diese Klage nebst Ihrer gerichtlichen Volmacht diesen Prozeß zu führen, in welcher aber ein leerer Raum für den Nahmen des Advokaten sein muß weil ich den Nahmen dessen welchen Hufeland für uns gewählt hat nicht weiß an Hufeland, und bitten Sie diesen in einem besondern Briefe dafür zu sorgen daß auch diese Ihre Klage geführt werde. In diesem Briefe sagen Sie Hufeland zugleich mit welcher herzlichen Danckbarkeit ich von ihm zu Ihnen gesprochen habe. Bitten Sie ihn daß er fortfahre mein Freund zu sein.
Ich zeigte diesen anmuthigen Brief der Herzogin welche ganz empört war über die unvergleichliche Niederträchtigkeit. Sie sagte mir es bliebe mir nichts anders übrig als meinen Umgang mit K[norring] worüber man mich so beleidigt recht öffentlig fortzusetzen, und seiner Ehre sei es gemäß selbst wen[n] er andere Plane habe keine Reise zu machen, und gar nichts zu unternehmen wodurch er von mir entfernt würde bis diese Sache erst völlig entschieden sei. Ich erzählte der Herzogin von Ihnen mit welcher warhaften Grosmuth Sie mir mehrere Jahre Ihres Lebens aufgeopfert haben. Wie Sie mich vom Verderben gerettet, in der höchsten Noth mir ein hilfreicher Freund gewesen sind, wie Sie am Sterbebette meiner Eltern als Bruder und Sohn gehandelt, ja wie nur Sie mein und meines Kindes Leben errettet haben. Die Herzogin war innig gerührt über so viele Liebe und Treue, und eben [7] so erstaunt über die seltne Falschheit, Schlechtigkeit und Undankbarkeit von Bernhardi. Sie sagte mir sie hoffe daß Sie die Ihnen gemachten Beschuldigungen nicht leiden, und bei Bernhardis Gerichtsbarkeit darüber klagen wirden. Ich versicherte daß wen[n] es auch Ihre Ehre nicht so beleidigte wie es thäte Sie es thun wirden schon aus dem Grunde weil es mir so nützlig sein kann.
Wen[n] Sie den Brief von Bernhardis Vater übersehen, so wird Ihnen darauß deutlig werden daß er recht gut weiß wie schlecht sein Sohn ist daß er schon vermuhtet daß diesem die Erziehung der Kinder nicht zugesprochen werden kann. Er will mich also als der Bevolmächtigte seines Sohnes verklagen, wen[n] er in dieser Klage nun zugäbe daß ich die Kinder einzig aus Liebe behalten will und keine andere Ansprüche mache, so viele die ganze Klage zusammen, also will er behaupten: Ich sei als eine ungetreue Ehefrau dem Manne heimlig entflohen mit einem meiner Liebhaber, und habe die Kinder nicht aus Liebe mit mir genommen, sondern aus Rache und Haß gegen ihn und seinen Sohn weil beide mir den unerlaubten Umgang mit meinen Liebhabern verbothen haben. Wie wenig ich die Kinder liebe bewiese ich dadurch daß ich sie schlechten Dienstbothen überliesse welche sie auf alle weise mishandelten und ich wirde ohne Frage bei meinem Hange zur Verschwendung und etwannigen augenblicklichen Geldmangel die Kinder hergeben um Seiltänzer und dergleichen aus ihnen zu machen. Nur so kann er mich wie er will eines Menschenraubs an meinen eignen Kindern beschuldigen, und Sie werden den Entwurf zu dieser Klage in seinem eignen Briefe finden wen[n] Sie ihn darauf aufmercksam lesen.
Wen[n] diese Klagen alle gegen ihn geführt werden und er gegen alle welche er beleidigt zur Abbitte und Ehrenerklärung und einer ansehnlichen Geldstraffe verdamt wird, wie erfolgen muß, so trage ich darauf an, daß ihm als einen welcher so deutlig den bösen Willen gezeigt hatt mich zu verläumden und mir zu schaden untersagt wird sich in meinem Prozeß zu [8] mischen, und wen[n] er die Kinder zur Erziehung verlangt so beweise ich ihm daß er so wenig als sein Sohn Kinder erziehen könne. Um zu diesem Beweise noch ein anderes Zeugniß zu haben, so bitte ich Sie liebster Freund sich zu erinnern wie Sie noch hier in Rom darüber sprachen, wie es ein leichtes sein müsse einen Aufsaz zu machen in welchem bewiesen wirde wie wenig der alte Herr Bernhardi zum Erzieher tauge in der Art und weise wie er seinen eignen Herrn Sohn erzogen habe, welches man ohne Injurien auseinandersetzen kann und nur von allen seinen schlechten Gewonheiten welche Fehler der Erziehung sind zu sprechen brauche. Ich bitte Sie liebster Freund thun Sie dieß und schliessen Sie damit daß man nicht erwarten könne daß er mit dem Alter die grössere Fähigkeit erworben habe, und daß er dieß auch schon bewiesen, und dan kommen Sie darauf welchen schlechten Einfluß schon die häufigen Besuche in dem Grosväterlichen Hause auf die Kinder gehabt haben, welches auch der junge Herr wuste und nie geläugnet ja im Gegentheil immer behauptet habe es müsse durchgesezt werden daß die Kinder nicht mehr zu seinen Eltern gebracht wirden weil diese sie mit ihrer abgeschmackten Behandlung gänzlich verdürben. Wen[n] dan die Frau da er dieß einsähe ihn bath doch die Besuche einzuschränken, habe er geantwortet es geht mich nichts an, thue du es, es sind Deine Kinder, so daß er sich also seines väterlichen Rechtes immer gänzlich begeben, und den Kindern bis in die kleinsten Angelegenheiten hinein seine väterliche Sorge entzogen habe. Dies hatt er ja in der That wohl hundertmal in Ihrer Gegenwart gesagt. Schreiben Sie dieß in einem Briefe an meinem ältesten Bruder, so ist es in der Form besser als wirde es an den andern geschrieben, weil der Ältere in die Rechte meines gestorbenen Vaters trit und in diesem Sinne meine Geschäfte führt. Es ist würklich erstaunungswürdig für wie einfältig [9] uns der alte Herr hält daß er meint wir sollen ihm die original Briefe seines Sohnes schiken. Lesen Sie den Brief aufmercksam und Sie werden finden daß die Dumheit wie die Niederträchtigkeit darin gar nicht zu erschöpfen sind. Thun Sie lieber Freund alles warum ich Sie dringend bitte und sein Sie überzeugt daß ich mit allen diesen Mitteln völlig und Ehrenvoll die Sache beendige. Und wen[n] ich den Prozeß unglücklich genant habe so ist es nicht weil ich ihn nicht glücklich zu beendigen hoffe, sondern nur weil die menschliche Natur nicht so viele Schlechtigkeit ohne Schmerz ertragen kann. Ich sehe mit dem gröstem Verlangen Ihrer Antwort entgegen und bin überzeugt daß sie so sein wird wie ich wünsche.
Meine Brüder und Knorring tragen mir auf Sie auf das herzlichste zu grüßen und wünschen mit mir, Sie nur einmal wiederzusehen. Meine Kinder hoffen täglich daß die Antwort auf ihre Briefe welche sie Ihnen geschrieben haben ankommen soll. Felix wächst so ausserorndlich daß es wircklich scheint er hatt sich in den Kopf gesezt ein Riese zu werden, dabei ist sein Lehrer sehr mit ihm zufrieden und es scheint als ob er eine grössere Neigung zu den Wissenschaften habe als Wilhelm. Noch eins fält mir eben ein. Aus diesem Brief des Vaters und noch deutlicher aus früheren des Sohnes geht hervor das man mir mit Zeugen die schlechte und verwahrloßte Erziehung meiner Kinder und meine Lieblosigkeit gegen sie beweisen will. Ich kann nicht anders als mit Zeugen das Gegentheil beweisen und werde mir von jeden unserer Freunde von den Vornemsten an bis zu denen welche täglich unser Hauß besuchen aufschreiben [lassen] nach seiner Art wie er glaubt daß ich die Kinder gut erziehe. Lassen Sie doch dasselbe Ihrer Freundin F.[rau] v. Staël thun die so wie Sie mir selbst gesagt haben meine Kinder als ein Muster der Liebenswürdigkeit und Wohlerzogenheit kent. Sie wird es gern der Warheit gemäß thun [10] und besonders wen[n] Sie ihr sagen warum ich es will, welcher Dienge man mich beschuldigt, welches ihr da sie selbst Mutter ist empörend sein muß. Dan fügen Sie selbst nach Ihrem besten Gewissen hinzu waß Sie von meiner Erziehung und der Liebe zu meinen Kindern wissen, und schiken Sie mir dieß ja sogleich.
Mein jüngerer Bruder empfiehlt sich der Frau v. Staël und bittet Sie ihr zu sagen daß er sehr fleissig an dem Modelle arbeite und es bald in Marmor anzufangen denke. Er hatt jezt ein sehr schönes Stück Marmor im Handel welches er dazu anzuwenden hoft. Schreiben Sie mir doch liebster Freund wie es mit Ihren poetischen Arbeiten steht, in Ansehung der Litteratur ist man hier sehr abgeschnitten. Auf die Fortsetzung Ihres Schack[spaers] sind wir durch die Bekantschaft mit einem Engländer, ich weiß jezt gleich seinen Nahmen nicht, recht von neuen begierig geworden. Dieser Engländer ist eine rechte Ausnahme, er scheint ein wahrer Gelehrter spricht gut Deutsch hatt die deutsche Sprache gründlig studirt und bewundert Ihre Übersetzung des Schack[spaer] unglaublich und versichert er hätte dergleichen nicht für möglich gehalten. Er hatt alle neueren Filosofen Kant Fichte Schelling nach der Reihe studirt, alle Poeten, selbst die Altdeutschen, von denen er weit mehr als von den neudeutschen hält. Ich will diesen langen Brief beschliessen. Ich hoffe Sie klagen nun nicht mehr daß ich Ihnen nicht schreibe. Leben Sie wohl und glücklig mein geliebter Freund, und bleiben Sie so mein Freund wie ich ewig bin
Ihre Freundin und Schwester
S[ophie] Tieck.

Mein Bruder Ludwig bittet Sie sich doch der versprochenen Gedichte zu erinnern weil sein Musenalmanach zu stande komt.
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