• August Wilhelm von Schlegel to Karl Albert von Kamptz

  • Place of Dispatch: Bonn · Place of Destination: Berlin · Date: 03.06.1825
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
    Metadata Concerning Header
  • Sender: August Wilhelm von Schlegel
  • Recipient: Karl Albert von Kamptz
  • Place of Dispatch: Bonn
  • Place of Destination: Berlin
  • Date: 03.06.1825
  • Notations: Empfangsort erschlossen.
    Printed Text
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: 343347008
  • Bibliography: Briefe von und an August Wilhelm Schlegel. Gesammelt und erläutert durch Josef Körner. Bd. 1. Zürich u.a. 1930, S. 428‒432.
  • Incipit: „[1] [Bonn, 3. Juni 1825]
    Ew. Hochwohlgeboren verehrtes Schreiben vom 31sten März wurde mir von Ihrem Herrn Sohne eingehändigt, und ich war [...]“
    Manuscript
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: DE-1a-33958
  • Classification Number: Mscr.Dresd.e.90,XIX,Bd.13,Nr.7
  • Number of Pages: 7S. auf Doppelbl., hs.
  • Format: 33 x 21,1 cm
[1] [Bonn, 3. Juni 1825]
Ew. Hochwohlgeboren verehrtes Schreiben vom 31sten März wurde mir von Ihrem Herrn Sohne eingehändigt, und ich war ungemein erfreut einen jungen Mann, dessen einnehmendes Äußre schon im ersten Augenblick der Bekanntschaft eine vortheilhafte Meynung von ihm erwecken muß, in die Zahl unserer Akademischen Mitbürger aufzunehmen
Die früher gegebne Hoffnung, Ew. Hochwohlgeboren in diesem Frühlinge hier zu sehen, ist zwar leider nicht in Erfüllung gegangen; jedoch glaube ich sie nicht ganz aufgeben zu müssen, so lange der Aufenthalt Ihres Herrn Sohnes bei uns Ihnen eine nähere Veranlassung giebt, unsre Rheingegenden zu besuchen.
Ich bat Ew. Hochwohlgeboren in meinem letzten Briefe um Erlaubniß, Sie von den Bedürfnissen der Universität und von meinen darauf bezüglichen Wünschen unterhalten zu dürfen. Eben jetzt bin ich in dem Falle, Ihnen mit einem recht dringenden Anliegen beschwerlich fallen zu müssen, wofür ich Ihre gütige Nachsicht in Anspruch zu nehmen wage.
Ich erfahre mit großer Bestürzung daß von dem hohen vorgeordneten Ministerium der Befehl eingegangen ist, die Arbeit an den Frescogemählden in unsrer Aula wegen des Kostenaufwandes, den sie schon verursacht hat und noch verursachen würde, zu sistiren.
[2] Es wäre freilich zu wünschen, vor dem Anfange der Unternehmung möchte der eben genannten hohen Staatsbehörde ein Überschlag der Kosten vorgelegt worden seyn. Ich weiß aber in der That nicht, ob es möglich war, diese im Voraus mit einiger Genauigkeit zu berechnen. Denn die Erfindung und Composition großer historisch symbolischer Gemählde ist eine Sache, welche auch durch den eifrigsten Willen und beharrlichsten Fleiß sich nicht in bestimmten Zeiträumen erzwingen läßt. Eigenthümliche und aus der Tiefe des Gegenstandes geschöpfte Gedanken bieten sich nur einer begeisterten Stimmung, vieles muß versucht, mancherlei Entwürfe müssen skizzirt werden, ehe sich der Künstler selbst befriedigt. Die Cartons, deren die Oelmalerei schon eher entrathen kann, erfodern die gründlichste und sorgfältigste Zeichnung. Endlich ist die Ausführung in Farben bei der Fresco-Malerei ganz besonders gewissen Zufälligkeiten unterworfen: manches misglückt auch einem erfahrnen Praktiker, wegen der Beschaffenheit der feuchten Wand oder der chemischen Wirkungsart dieses oder jenes Pigments, da die Farben beim Auftragen ganz anders aussehen als sie nachher, eingetrocknet, erscheinen sollen. Es müssen daher zuweilen ganze Figuren wieder herausgeschlagen werden. Dieß ist Hrn. Cornelius selbst verschiedentlich in München begegnet. Der vorige Sommer war wegen der trüben und feuchten Witterung vorzüglich ungünstig. Daß indessen die drei Maler vom frühen Morgen an, so lange als das Tageslicht es erlaubte, sehr fleißig bei der Arbeit gewesen sind, kann ich bezeugen.
[3] Das Gemählde, welches im vorigen Sommer zur Hälfte ausgeführt ward, und zu dessen Vollendung nach jetzt beendigter Anfertigung des Cartons sich die Mahler eben rüsteten, hält 20 Fuß in der Breite, und 10 Fuß in der Höhe; gegen sechzig Figuren in Lebensgröße oder wenig darunter, sind mannichfaltig darauf gruppirt; lauter charakteristische und bedeutsame Köpfe, die Hände und Füße auf das gründlichste gezeichnet, die Kleidung in Absicht auf Stoffe, Faltenwurf und Farbe meisterlich behandelt; der landschaftliche Hintergrund heiter und duftig gehalten. Für ein Werk von diesem Umfange sind zwei Jahre gewiß nicht zu viel. Der Französische Mahler Gros hat, wie man mir versichert, an der Kuppel der Sct. Genoveva-Kirche zehn Jahre gearbeitet.
Ich muß es nun doppelt und dreifach beklagen, daß Ew. Hochwohlgeboren Ihr uns so günstiges Vorhaben Bonn zu besuchen, nicht ausgeführt haben. Ich bin überzeugt, Sie hätten in dem Anblick des bisher geleisteten die beste Rechtfertigung der Künstler gefunden, und Ihr persönliches Interesse an der Förderung des Werkes wäre lebhaft erregt worden.
Als ich im vorigen Frühling, begleitet von Herrn DʼAlton, der selbst ein gelehrter Zeichner und Kenner der Kunst ist, die Akademie in Düsseldorf besuchte, und wir nach Betrachtung der Cartons des berühmten Cornelius in die Werkstätten seiner Schüler eintraten, geriethen wir bei dem ersten Anblicke dieses Cartons in das angenehmste Erstaunen; wir wollten es nicht glauben, daß [4] junge Schüler, ohne Beihülfe des Meisters, etwas so reifes, durchdachtes, männliches und in der gemessensten Haltung großangelegtes hervorgebracht hätten, bis Hr. Cornelius uns wiederholt versicherte, er habe weder beim Entwurfe noch der ausgeführten Zeichnung Hand angelegt, sondern bloß durch seinen Rath eingewirkt. Ich erwartete die Künstler beim Colorit, und wiewohl sie hierin durch Übung noch gewinnen können, so haben sie doch schon viel geleistet, und die Carnation ist meistens warm und kräftig ausgefallen.
Ich wage es meinem persönlichen Kunsturtheil nur in so fern einiges Gewicht beizulegen, als ich die meisten Kunstschätze Europaʼs von Petersburg bis Neapel, insbesondre die berühmtesten Fresco-Gemählde gesehen und zum Theil anhaltend betrachtet habe; in so fern ich seit dreißig Jahren ein aufmerksamer Beobachter des Ganges und der verschiedenen Richtungen war, welche die Kunst während dieses Zeitraumes in Deutschland, Frankreich, England und Italien eingeschlagen hat. Dadurch glaube ich einigermaßen für die künstlerischen Leistungen des Zeitalters einen Maaßstab zu besitzen. Hier finde ich mich aber in meiner Ansicht durch das übereinstimmende Urtheil gelehrterer Kunstkenner bestärkt. Ich habe erlauchte Freunde von verschiedenen Nationen zu dem Bilde geführt, und alle empfingen davon einen sehr günstigen Eindruck. Unter andern erregte es die lebhafteste Theilnahme des Großherzogs von Weimar, er äußerte sogleich den Wunsch, auch in seinen Schlössern solche Werke ausführen zu lassen.
Der Carton des ersten großen Bildes ist fertig, und die zweite Hälfte übertrifft nach Hrn. Cornelius [5] Zeugniß die erste noch an Werth. Auch der Carton des zweiten Bildes ist halb fertig, und Hr. Cornelius hoffte, das bisher gezeichnete werde sich in den nächsten vier Sommermonaten al fresco ausführen lassen. Für die Vollendung der sämtlichen vier Gemählde rechnete er, daß noch zwei Jahre die Arbeit der drei Maler, und dann noch Ein Jahr die Arbeit zweier erfoderlich seyn würde.
Freilich hätte sich unsre Aula mit einer wohlfeileren Decoration begnügen mögen. Aber mich dünkt, was hier geleistet wird, kommt nicht bloß als eine besondre Ausstattung unsrer Universität zu Statten; sondern der Gesichtspunkt, den ich vom Anfange an dafür gefaßt hatte, war der: es geschehe zur Aufmunterung der Kunst, und insbesondre für den Flor der Akademie in Düsseldorf. Gewährt man doch sowohl jungen Künstlern als angehenden Gelehrten Unterstützungen für ihre Studien, Reisegelder usw.; diese Beneficirten sind meistens nur mit ihrer Vorbereitung beschäftigt: hier wird doch etwas von dauerhaftem Werthe geliefert. Gewiß, von allem, was der Staat für die Aufnahme der Künste thut, kann nichts kräftiger für die Entwickelung der Talente und die Erregung des Wetteifers wirken, als die jungen Männern gegebene Gelegenheit, große und öffentlich ausgestellte Compositionen zu unternehmen. Die Wiedererfindung der so schwierigen und ganz verlohrnen Fresco-Malerei ist in der That nichts geringes. Es ist nichts geringes, daß durch Deutsche, zum Theil in sehr beschränkter Lage lebende Künstler zuerst in Rom, dann in München, [6] jetzt in Bonn, und vielleicht bald in Berlin geleistet wird, was die Könige von Frankreich bei allem Luxus, womit die Pariser Akademie ausgestattet ist, sich nicht haben verschaffen können.
Die Thaten Ludwigs XIV von Le Brun in Versailles sind auf einer an die Decke befestigten Leinwand in Oel gemahlt: ein Verfahren, worüber Michel Angelo und Raphael gelacht haben würden. Die Kuppel der Sct. Genoveva-Kirche oder des Pantheons von Gros hat ebenfalls nur des fresques postiches auf einem Wachsgrund in Oel gemahlt: deswegen verspricht dieses Werk von colossalen Dimensionen, wofür dem Künstler so reiche Geldbelohnungen und ehrenvolle Auszeichnungen zu Theil geworden sind, keine sonderliche Dauer.
Berlin wird jetzt durch manche neue Gebäude in einem edlen Geschmack verherrlicht: ohne Zweifel wird man sie bald mit Fresco-Gemählden auszieren wollen. Man wird hiezu geübte Künstler finden, wenn man ihnen die Mittel schafft, ihre Kräfte erst in Provinz-Städten zu erproben. Auch für die allgemeine Belebung des Kunstsinnes ist dieses sehr ersprießlich. Bereits haben andre Zöglinge der Düsseldorfer Akademie von dem Grafen Spee, von den Freiherrn von Stein und von Plessen Bestellungen auf Frescogemälde erhalten.
Alle intellectuelle Auszeichnungen sind im Preußischen Staate einheimisch geworden. Die Künste, insbesondre die Mahlerei, waren am weitesten zurückgeblieben. In welchem Zustande habe ich die Berliner Mahler-Akademie vor einigen zwanzig Jahren gesehen! Damals [7] zog ich mir durch die in kritischen Blättern gefällten Urtheile manche Animadversionen zu; jetzt würde mir das ganze Publicum beistimmen.
Ich erschrecke über die Länge dieses Briefes, den ich einem mit wichtigen Geschäften überhäuften Staatsmanne zu lesen zumuthe. Ew. Hochwohlgeboren wollen meine Lästigkeit dem patriotischen Eifer für den Flor der Künste in unserm Vaterlande zu gut halten. Denn in der That handelt es sich um diesen, nicht um unsre Aula. Wir können uns wohl einige Jahre mit einer provisorischen Aula behelfen: bei großen Feierlichkeiten nehmen wir unsre Zuflucht zu der Evangelischen Kirche, wie es schon bei der vorigen Geburtstagsfeier Sr. Majestät geschehen ist. Allein irgend einmal wird doch die Aula definitiv eingerichtet werden müssen. Hiezu findet bei jetziger Lage der Sachen keine andre Wahl Statt, als entweder die mahlerische Auszierung, in wie langen Zeiträumen es auch geschehen möge, zu vollenden, oder das angefangene Gemählde herunter zu schlagen und zu vernichten. Diese letzte Maaßregel würde gewiß eine allgemeine Muthlosigkeit unter den einheimischen Künstlern, insbesondre unter den Zöglingen der Düsseldorfer Akademie bewirken, welche durch die Leitung des bisherigen Directors im gedeihlichsten Aufblühen begriffen war.
Doch ich habe Ew. Hochwohlgeboren Geduld schon zu lange ermüdet. Genehmigen Sie die Versicherung meiner ausgezeichnetsten Verehrung, womit ich die Ehre habe zu seyn p.
[8]
[1] [Bonn, 3. Juni 1825]
Ew. Hochwohlgeboren verehrtes Schreiben vom 31sten März wurde mir von Ihrem Herrn Sohne eingehändigt, und ich war ungemein erfreut einen jungen Mann, dessen einnehmendes Äußre schon im ersten Augenblick der Bekanntschaft eine vortheilhafte Meynung von ihm erwecken muß, in die Zahl unserer Akademischen Mitbürger aufzunehmen
Die früher gegebne Hoffnung, Ew. Hochwohlgeboren in diesem Frühlinge hier zu sehen, ist zwar leider nicht in Erfüllung gegangen; jedoch glaube ich sie nicht ganz aufgeben zu müssen, so lange der Aufenthalt Ihres Herrn Sohnes bei uns Ihnen eine nähere Veranlassung giebt, unsre Rheingegenden zu besuchen.
Ich bat Ew. Hochwohlgeboren in meinem letzten Briefe um Erlaubniß, Sie von den Bedürfnissen der Universität und von meinen darauf bezüglichen Wünschen unterhalten zu dürfen. Eben jetzt bin ich in dem Falle, Ihnen mit einem recht dringenden Anliegen beschwerlich fallen zu müssen, wofür ich Ihre gütige Nachsicht in Anspruch zu nehmen wage.
Ich erfahre mit großer Bestürzung daß von dem hohen vorgeordneten Ministerium der Befehl eingegangen ist, die Arbeit an den Frescogemählden in unsrer Aula wegen des Kostenaufwandes, den sie schon verursacht hat und noch verursachen würde, zu sistiren.
[2] Es wäre freilich zu wünschen, vor dem Anfange der Unternehmung möchte der eben genannten hohen Staatsbehörde ein Überschlag der Kosten vorgelegt worden seyn. Ich weiß aber in der That nicht, ob es möglich war, diese im Voraus mit einiger Genauigkeit zu berechnen. Denn die Erfindung und Composition großer historisch symbolischer Gemählde ist eine Sache, welche auch durch den eifrigsten Willen und beharrlichsten Fleiß sich nicht in bestimmten Zeiträumen erzwingen läßt. Eigenthümliche und aus der Tiefe des Gegenstandes geschöpfte Gedanken bieten sich nur einer begeisterten Stimmung, vieles muß versucht, mancherlei Entwürfe müssen skizzirt werden, ehe sich der Künstler selbst befriedigt. Die Cartons, deren die Oelmalerei schon eher entrathen kann, erfodern die gründlichste und sorgfältigste Zeichnung. Endlich ist die Ausführung in Farben bei der Fresco-Malerei ganz besonders gewissen Zufälligkeiten unterworfen: manches misglückt auch einem erfahrnen Praktiker, wegen der Beschaffenheit der feuchten Wand oder der chemischen Wirkungsart dieses oder jenes Pigments, da die Farben beim Auftragen ganz anders aussehen als sie nachher, eingetrocknet, erscheinen sollen. Es müssen daher zuweilen ganze Figuren wieder herausgeschlagen werden. Dieß ist Hrn. Cornelius selbst verschiedentlich in München begegnet. Der vorige Sommer war wegen der trüben und feuchten Witterung vorzüglich ungünstig. Daß indessen die drei Maler vom frühen Morgen an, so lange als das Tageslicht es erlaubte, sehr fleißig bei der Arbeit gewesen sind, kann ich bezeugen.
[3] Das Gemählde, welches im vorigen Sommer zur Hälfte ausgeführt ward, und zu dessen Vollendung nach jetzt beendigter Anfertigung des Cartons sich die Mahler eben rüsteten, hält 20 Fuß in der Breite, und 10 Fuß in der Höhe; gegen sechzig Figuren in Lebensgröße oder wenig darunter, sind mannichfaltig darauf gruppirt; lauter charakteristische und bedeutsame Köpfe, die Hände und Füße auf das gründlichste gezeichnet, die Kleidung in Absicht auf Stoffe, Faltenwurf und Farbe meisterlich behandelt; der landschaftliche Hintergrund heiter und duftig gehalten. Für ein Werk von diesem Umfange sind zwei Jahre gewiß nicht zu viel. Der Französische Mahler Gros hat, wie man mir versichert, an der Kuppel der Sct. Genoveva-Kirche zehn Jahre gearbeitet.
Ich muß es nun doppelt und dreifach beklagen, daß Ew. Hochwohlgeboren Ihr uns so günstiges Vorhaben Bonn zu besuchen, nicht ausgeführt haben. Ich bin überzeugt, Sie hätten in dem Anblick des bisher geleisteten die beste Rechtfertigung der Künstler gefunden, und Ihr persönliches Interesse an der Förderung des Werkes wäre lebhaft erregt worden.
Als ich im vorigen Frühling, begleitet von Herrn DʼAlton, der selbst ein gelehrter Zeichner und Kenner der Kunst ist, die Akademie in Düsseldorf besuchte, und wir nach Betrachtung der Cartons des berühmten Cornelius in die Werkstätten seiner Schüler eintraten, geriethen wir bei dem ersten Anblicke dieses Cartons in das angenehmste Erstaunen; wir wollten es nicht glauben, daß [4] junge Schüler, ohne Beihülfe des Meisters, etwas so reifes, durchdachtes, männliches und in der gemessensten Haltung großangelegtes hervorgebracht hätten, bis Hr. Cornelius uns wiederholt versicherte, er habe weder beim Entwurfe noch der ausgeführten Zeichnung Hand angelegt, sondern bloß durch seinen Rath eingewirkt. Ich erwartete die Künstler beim Colorit, und wiewohl sie hierin durch Übung noch gewinnen können, so haben sie doch schon viel geleistet, und die Carnation ist meistens warm und kräftig ausgefallen.
Ich wage es meinem persönlichen Kunsturtheil nur in so fern einiges Gewicht beizulegen, als ich die meisten Kunstschätze Europaʼs von Petersburg bis Neapel, insbesondre die berühmtesten Fresco-Gemählde gesehen und zum Theil anhaltend betrachtet habe; in so fern ich seit dreißig Jahren ein aufmerksamer Beobachter des Ganges und der verschiedenen Richtungen war, welche die Kunst während dieses Zeitraumes in Deutschland, Frankreich, England und Italien eingeschlagen hat. Dadurch glaube ich einigermaßen für die künstlerischen Leistungen des Zeitalters einen Maaßstab zu besitzen. Hier finde ich mich aber in meiner Ansicht durch das übereinstimmende Urtheil gelehrterer Kunstkenner bestärkt. Ich habe erlauchte Freunde von verschiedenen Nationen zu dem Bilde geführt, und alle empfingen davon einen sehr günstigen Eindruck. Unter andern erregte es die lebhafteste Theilnahme des Großherzogs von Weimar, er äußerte sogleich den Wunsch, auch in seinen Schlössern solche Werke ausführen zu lassen.
Der Carton des ersten großen Bildes ist fertig, und die zweite Hälfte übertrifft nach Hrn. Cornelius [5] Zeugniß die erste noch an Werth. Auch der Carton des zweiten Bildes ist halb fertig, und Hr. Cornelius hoffte, das bisher gezeichnete werde sich in den nächsten vier Sommermonaten al fresco ausführen lassen. Für die Vollendung der sämtlichen vier Gemählde rechnete er, daß noch zwei Jahre die Arbeit der drei Maler, und dann noch Ein Jahr die Arbeit zweier erfoderlich seyn würde.
Freilich hätte sich unsre Aula mit einer wohlfeileren Decoration begnügen mögen. Aber mich dünkt, was hier geleistet wird, kommt nicht bloß als eine besondre Ausstattung unsrer Universität zu Statten; sondern der Gesichtspunkt, den ich vom Anfange an dafür gefaßt hatte, war der: es geschehe zur Aufmunterung der Kunst, und insbesondre für den Flor der Akademie in Düsseldorf. Gewährt man doch sowohl jungen Künstlern als angehenden Gelehrten Unterstützungen für ihre Studien, Reisegelder usw.; diese Beneficirten sind meistens nur mit ihrer Vorbereitung beschäftigt: hier wird doch etwas von dauerhaftem Werthe geliefert. Gewiß, von allem, was der Staat für die Aufnahme der Künste thut, kann nichts kräftiger für die Entwickelung der Talente und die Erregung des Wetteifers wirken, als die jungen Männern gegebene Gelegenheit, große und öffentlich ausgestellte Compositionen zu unternehmen. Die Wiedererfindung der so schwierigen und ganz verlohrnen Fresco-Malerei ist in der That nichts geringes. Es ist nichts geringes, daß durch Deutsche, zum Theil in sehr beschränkter Lage lebende Künstler zuerst in Rom, dann in München, [6] jetzt in Bonn, und vielleicht bald in Berlin geleistet wird, was die Könige von Frankreich bei allem Luxus, womit die Pariser Akademie ausgestattet ist, sich nicht haben verschaffen können.
Die Thaten Ludwigs XIV von Le Brun in Versailles sind auf einer an die Decke befestigten Leinwand in Oel gemahlt: ein Verfahren, worüber Michel Angelo und Raphael gelacht haben würden. Die Kuppel der Sct. Genoveva-Kirche oder des Pantheons von Gros hat ebenfalls nur des fresques postiches auf einem Wachsgrund in Oel gemahlt: deswegen verspricht dieses Werk von colossalen Dimensionen, wofür dem Künstler so reiche Geldbelohnungen und ehrenvolle Auszeichnungen zu Theil geworden sind, keine sonderliche Dauer.
Berlin wird jetzt durch manche neue Gebäude in einem edlen Geschmack verherrlicht: ohne Zweifel wird man sie bald mit Fresco-Gemählden auszieren wollen. Man wird hiezu geübte Künstler finden, wenn man ihnen die Mittel schafft, ihre Kräfte erst in Provinz-Städten zu erproben. Auch für die allgemeine Belebung des Kunstsinnes ist dieses sehr ersprießlich. Bereits haben andre Zöglinge der Düsseldorfer Akademie von dem Grafen Spee, von den Freiherrn von Stein und von Plessen Bestellungen auf Frescogemälde erhalten.
Alle intellectuelle Auszeichnungen sind im Preußischen Staate einheimisch geworden. Die Künste, insbesondre die Mahlerei, waren am weitesten zurückgeblieben. In welchem Zustande habe ich die Berliner Mahler-Akademie vor einigen zwanzig Jahren gesehen! Damals [7] zog ich mir durch die in kritischen Blättern gefällten Urtheile manche Animadversionen zu; jetzt würde mir das ganze Publicum beistimmen.
Ich erschrecke über die Länge dieses Briefes, den ich einem mit wichtigen Geschäften überhäuften Staatsmanne zu lesen zumuthe. Ew. Hochwohlgeboren wollen meine Lästigkeit dem patriotischen Eifer für den Flor der Künste in unserm Vaterlande zu gut halten. Denn in der That handelt es sich um diesen, nicht um unsre Aula. Wir können uns wohl einige Jahre mit einer provisorischen Aula behelfen: bei großen Feierlichkeiten nehmen wir unsre Zuflucht zu der Evangelischen Kirche, wie es schon bei der vorigen Geburtstagsfeier Sr. Majestät geschehen ist. Allein irgend einmal wird doch die Aula definitiv eingerichtet werden müssen. Hiezu findet bei jetziger Lage der Sachen keine andre Wahl Statt, als entweder die mahlerische Auszierung, in wie langen Zeiträumen es auch geschehen möge, zu vollenden, oder das angefangene Gemählde herunter zu schlagen und zu vernichten. Diese letzte Maaßregel würde gewiß eine allgemeine Muthlosigkeit unter den einheimischen Künstlern, insbesondre unter den Zöglingen der Düsseldorfer Akademie bewirken, welche durch die Leitung des bisherigen Directors im gedeihlichsten Aufblühen begriffen war.
Doch ich habe Ew. Hochwohlgeboren Geduld schon zu lange ermüdet. Genehmigen Sie die Versicherung meiner ausgezeichnetsten Verehrung, womit ich die Ehre habe zu seyn p.
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