• August Wilhelm von Schlegel to Friedrich Gottlieb Welcker

  • Place of Dispatch: Berlin · Place of Destination: Bonn · Date: 28.06.1827
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
    Metadata Concerning Header
  • Sender: August Wilhelm von Schlegel
  • Recipient: Friedrich Gottlieb Welcker
  • Place of Dispatch: Berlin
  • Place of Destination: Bonn
  • Date: 28.06.1827
  • Notations: Empfangsort erschlossen.
    Printed Text
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: 343347008
  • Bibliography: Briefe von und an August Wilhelm Schlegel. Gesammelt und erläutert durch Josef Körner. Bd. 1. Zürich u.a. 1930, S. 458‒459.
  • Incipit: „[1] Berlin d. 28sten Juni 1827
    Empfangen Sie meinen herzlichsten Dank, theuerster Freund, für Ihr freundschaftliches Andenken, und verzeihen Sie, daß ich [...]“
    Manuscript
  • Provider: Universitäts- und Landesbibliothek Bonn
  • OAI Id: 1839491
  • Classification Number: S 686
  • Number of Pages: 1 e. Br. (1 Bl.=2 S.)
[1] Berlin d. 28sten Juni 1827
Empfangen Sie meinen herzlichsten Dank, theuerster Freund, für Ihr freundschaftliches Andenken, und verzeihen Sie, daß ich Ihnen nicht zuvorgekommen bin. Die Stunden und Tage entschlüpfen mir unter den Händen. Die Gesellschaft in den verschiedensten Kreisen, die Kunstsammlungen und wissenschaftlichen Gegenstände, das Theater, mancherlei Angelegenheiten und Besorgungen, endlich auch meine Vorlesungen: das alles dringt auf mich ein, und ich weiß kaum den Anfoderungen zu genügen. Dazu kommt, daß ich, der zerstreuten Lebensart ungewohnt, Ruhepunkte bedarf. Gerade zwei Monate bin ich nun hier, und so manches ist noch zurück.
Ihre Schrift über die Gipsabgüsse hat hier ungemeinen Beifall gefunden: man lobt die geistreiche Behandlung und den zarten Kunstsinn, der sich überall darin kund giebt. W. von Humboldt sah ich häufig, so lange er in der Stadt war, einmal bin ich in Tegel gewesen, aber vor Empfang Ihres Briefes. Es wird Sie freuen, zu erfahren, daß Frau von Humboldt über alle Hoffnung wieder hergestellt ist. Dies hat sich noch seit meinem Hierseyn bestätigt: ich war in Tegel von neuem erstaunt über ihre Gesichtsfarbe, und sie bestätigte selbst die andauernde Besserung. Alex. von Humboldt habe ich viel und vertraut gesprochen: man ladet uns meistens zusammen ein. Unserm verehrungswürdigen Minister, der sehr wohl und heiter gestimmt zu seyn scheint, habe ich Ihr Anliegen wegen der Bibliothek bestens vorgetragen. Die Schwierigkeit liegt in den Geldmitteln. Für die [2] königl. Bibliothek hat noch keine außerordentliche Bewilligung erlangt werden können, wiewohl die Nothwendigkeit anerkannt ist. Wilken ist wieder hier und in seinem Amt: wie es scheint, ganz heiter und gesund; wenn es nur dauerhaft ist! – Meine Vorlesungen erhalten sich immer bei zahlreichem und glänzendem Zuspruche; die ausgezeichnetsten Künstler, insbesondre Schinkel und Rauch (Tieck ist schon mein alter Kunstvertrauter) sind sehr mit mir einverstanden. Morgen werde ich die zwölfte geben, doch muß ich noch zwei zugeben, um einigermaßen zu schließen und nicht bloß abzubrechen. Ich halte meine Vorträge frei, ohne die mindeste schriftliche Anzeichnung. Was mir schon sonst verlautet und Sie mir bestätigen, von der Rückwirkung meiner hiesigen Aufnahme bei einigen werthen Collegen, belustigt mich sehr. Die wohlwollenden Wünsche ächter Freunde sind mir zwar lieber, doch habe ich auch den Neid recht gern.
Ich bin froh, daß ich was habe.
Das man dennoch hassen kann.
Es ist wohl gut, daß die Herren einmal von auswärts erfahren, wie ich eigentlich in der Welt stehe, da sie zu Hause, wie es scheint, nichts davon wissen wollen. – In meiner Familie habe ich Gram und Freude erlebt: Gram darüber, daß Frau von Buttlar in Florenz katholisch geworden; Freude, weil eine andre liebenswürdige Nichte, die Tochter meines Bruders in Hannover, den Pfaffen in Wien glücklich durch die Netze gegangen ist, und einen angesehnen und vermögenden Engländer geheirathet hat. Nun leben Sie tausendmal wohl, auf baldiges Wiedersehen.
Ewig der Ihrige
A. W. v. Schlegel
[1] Berlin d. 28sten Juni 1827
Empfangen Sie meinen herzlichsten Dank, theuerster Freund, für Ihr freundschaftliches Andenken, und verzeihen Sie, daß ich Ihnen nicht zuvorgekommen bin. Die Stunden und Tage entschlüpfen mir unter den Händen. Die Gesellschaft in den verschiedensten Kreisen, die Kunstsammlungen und wissenschaftlichen Gegenstände, das Theater, mancherlei Angelegenheiten und Besorgungen, endlich auch meine Vorlesungen: das alles dringt auf mich ein, und ich weiß kaum den Anfoderungen zu genügen. Dazu kommt, daß ich, der zerstreuten Lebensart ungewohnt, Ruhepunkte bedarf. Gerade zwei Monate bin ich nun hier, und so manches ist noch zurück.
Ihre Schrift über die Gipsabgüsse hat hier ungemeinen Beifall gefunden: man lobt die geistreiche Behandlung und den zarten Kunstsinn, der sich überall darin kund giebt. W. von Humboldt sah ich häufig, so lange er in der Stadt war, einmal bin ich in Tegel gewesen, aber vor Empfang Ihres Briefes. Es wird Sie freuen, zu erfahren, daß Frau von Humboldt über alle Hoffnung wieder hergestellt ist. Dies hat sich noch seit meinem Hierseyn bestätigt: ich war in Tegel von neuem erstaunt über ihre Gesichtsfarbe, und sie bestätigte selbst die andauernde Besserung. Alex. von Humboldt habe ich viel und vertraut gesprochen: man ladet uns meistens zusammen ein. Unserm verehrungswürdigen Minister, der sehr wohl und heiter gestimmt zu seyn scheint, habe ich Ihr Anliegen wegen der Bibliothek bestens vorgetragen. Die Schwierigkeit liegt in den Geldmitteln. Für die [2] königl. Bibliothek hat noch keine außerordentliche Bewilligung erlangt werden können, wiewohl die Nothwendigkeit anerkannt ist. Wilken ist wieder hier und in seinem Amt: wie es scheint, ganz heiter und gesund; wenn es nur dauerhaft ist! – Meine Vorlesungen erhalten sich immer bei zahlreichem und glänzendem Zuspruche; die ausgezeichnetsten Künstler, insbesondre Schinkel und Rauch (Tieck ist schon mein alter Kunstvertrauter) sind sehr mit mir einverstanden. Morgen werde ich die zwölfte geben, doch muß ich noch zwei zugeben, um einigermaßen zu schließen und nicht bloß abzubrechen. Ich halte meine Vorträge frei, ohne die mindeste schriftliche Anzeichnung. Was mir schon sonst verlautet und Sie mir bestätigen, von der Rückwirkung meiner hiesigen Aufnahme bei einigen werthen Collegen, belustigt mich sehr. Die wohlwollenden Wünsche ächter Freunde sind mir zwar lieber, doch habe ich auch den Neid recht gern.
Ich bin froh, daß ich was habe.
Das man dennoch hassen kann.
Es ist wohl gut, daß die Herren einmal von auswärts erfahren, wie ich eigentlich in der Welt stehe, da sie zu Hause, wie es scheint, nichts davon wissen wollen. – In meiner Familie habe ich Gram und Freude erlebt: Gram darüber, daß Frau von Buttlar in Florenz katholisch geworden; Freude, weil eine andre liebenswürdige Nichte, die Tochter meines Bruders in Hannover, den Pfaffen in Wien glücklich durch die Netze gegangen ist, und einen angesehnen und vermögenden Engländer geheirathet hat. Nun leben Sie tausendmal wohl, auf baldiges Wiedersehen.
Ewig der Ihrige
A. W. v. Schlegel
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