• Sophie Bernhardi to August Wilhelm von Schlegel

  • Place of Dispatch: Rom · Place of Destination: Coppet · Date: 16.03.1806
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
    Metadata Concerning Header
  • Sender: Sophie Bernhardi
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel
  • Place of Dispatch: Rom
  • Place of Destination: Coppet
  • Date: 16.03.1806
    Printed Text
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: 335976727
  • Bibliography: Krisenjahre der Frühromantik. Briefe aus dem Schlegelkreis. Hg. v. Josef Körner. Bd. 1. Der Texte erste Hälfte. 1791‒1808. Bern u.a. ²1969, S. 297‒304.
  • Incipit: „[1] Rom den 16ten März 1806
    Ich schike Ihnen mein geliebter Freund und Bruder erst heut einen Brief, welchen ich schon vor [...]“
    Manuscript
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: APP2712-Bd-4
  • Classification Number: Mscr.Dresd.App.2712,B,15,46
  • Number of Pages: 8 S. auf Doppelbl., hs. m. U.
  • Format: 24,4 x 19,2 cm
[1] Rom den 16ten März 1806
Ich schike Ihnen mein geliebter Freund und Bruder erst heut einen Brief, welchen ich schon vor mehreren Wochen geschrieben habe ehe der Ihrige ankam, und nur durch Kranckheit bin ich gehindert worden ihn früher abzusenden und in der That bin ich auch heute noch so wenig wohl daß ich unterlassen würde zu schreiben wen[n] es mich nicht ängstigte auf Ihren lieben freundlichen Brief so spät zu antworten, und wen[n] mich nicht die Nohtwendigkeit der Geschäfte dazu zwänge. Ich leide wieder an allen meinen alten Übeln auf einmal, und bin so ermattet daß es mir eine große Anstrengung ist mich auf alles im gehörigen Zusammenhange zu besinnen waß ich Ihnen nohtwendig sagen muß.
Ich schicke Ihnen meinen vor einigen Wochen geschriebenen Brief, jedoch bitte ich Sie die Klage nicht eher einzuleiten bis ich Ihnen darüber noch einmal geschrieben habe, den[n] es könte sein wen[n] Sie eine Klage gegen die Herren führen daß Sie nicht gegen dieselben bei einer andern Klage zeugen können. Darnach will ich mich erst erkundigen.

den 29ten
Es geht mir so übel daß ich erst heut und nur mit Anstrengung fortfahren kann zu schreiben. Zuerst also liebster Freund danke ich Ihnen für Ihre bereitwillige Hülfe von ganzen Herzen, ich wünsche nichts so sehr als Ihnen nur einmal wieder mündlig zu sagen wie sehr mich Ihre treue Freundschaft rührt, und in Ihren Busen manches niederzulegen worüber nur Sie mich verstehen können. Ich bin gezwungen vielerlei über Geschäfte zu sprechen und will deshalb nur gleich anfangen, weil ich nicht weiß wie lange mir meine große Ermattung zu schreiben erlaubt.
Zuerst also über die Angelegenheit mit meinen Kindern welche mir doch das Wichtigste und Nächste ist. Sie werden sich erinnern daß ich Ihnen in meinem großen Briefe geschrieben habe, ich sei bei dem Könige eingekommen mir zu erlauben die Kinder bis nach ausgemachter Sache behalten zu dürfen. Herr v. H.[umboldt] hatte dieß als das einzige Mittel gerathen und zugleich verlangt, ich solle die Herzogin dahin vermögen zugleich mit mir an den König zu schreiben. Die Herzogin glaubte nicht daß es gut wäre, erstlich weil noch gar keine dringende Gefahr sei zweitens weil wir auf jeden Fall wen[n] der König mein Gesuch abschlagen solte einige Monathe dadurch gewännen, wen[n] sie dan ihren Brief schriebe. Es hatt sich erwiesen wie gut dies war. Vor einiger Zeit kam der H. D[oktor] K[ohlrausch] zu mir, und fand mich kranck. Er sagte ich solte mir doch die Angelegenheit [2] mit B[ernhardi] nicht mehr zu Herzen nehmen und sie als abgemacht betrachten. H. v. H.[umboldt] habe seinen Bericht so eingerichtet daß ich nichts mehr zu besorgen habe. Ich habe jezt die Antwort des Königs erhalten, in welcher man mir nicht mein Gesuch abschlägt sondern die Erlaubniß meine Kinder in Rom erziehen zu dürfen welches ich gar nicht gebeten habe, und zwar aus den Gründen weil sich in dem Bericht der Behörde also des H. v. H.[umboldt] so viele Gründe gegen mein Gesuch befinden und auch Bernhardi mit so vielen dagegen eingekommen ist. Im Gegentheil sei der König bewogen worden B[ernhardi] zu erlauben, ein Recht weiter zu verfolgen, welches ich auch nicht habe schmälern wollen sondern nur gebeten man möchte mir die Kinder bis nach dem ausgemachtem Prozeß lassen. Sie können nicht glauben wie sehr mich dies in Erstaunen gesezt hatt, den[n] nicht allein können Sie darauß [ersehen] wie die Berichte über mich abgefaßt werden, sondern auch daß B.[ernhardi] nohtwendig muß unterrichtet worden sein, ich wolle beim Könige einkommen weil es ihm sonst nicht möglig gewesen wäre es zu wissen und dagegen zu verfahren. Da die Berichte nicht so gut für mich abgefaßt sind wie man mich versichert so werde ich auch denselben die mir versichern die Briefe an B[ernhardi] seien so kurze und grobe Antworten keinesweges mehr glauben, und auch Sie liebster Freund werden leicht den Zusammenhang einsehen. Man hat mit einem Schlage alles beendigen wollen, und H. v. H.[umboldt] verrechnet sich nur darin immer daß er die Freundschaft meiner hiesigen Freunde für zu lau hält. Jezt ist nun von meiner Seite und von Seiten der Herzogin noch nichts geschehen weil wir abwarten wolten waß sich von Seiten des H. v. H.[umboldt] ergeben wird um unsere Schritte darnach abzumessen. Gestern Abend war der Cardinal Vikarius hier und erzählte mir H. v. H.[umboldt] sei vorgestern bei ihm gewesen welches nicht ohne diplomatische Absicht sein könne indem er ihn niemals freundschaftlich besuche. Er der Cardinal habe auch jeden Augenblick erwartet H. v. H.[umboldt] würde über meine Angelegenheit sprechen indeß sei es nicht geschehen und man müsse nun den Erfolg abwarten. Ich erwarte nun jeden Tag etwaß und bin auf alles mögliche gefaßt. Ich will nichts über die Art und weise sagen wie man hier mit mir umgeht, Sie mein geliebter Freund werden alle Bemerkungen darüber selber machen.
Jezt liebster Freund haben wir ausser allen Bitten und Angelegenheiten noch große und wichtige Bitten an Sie wo wir von Ihnen Rath und [3] Hülfe wünschen. Damit Sie aber einsehen mein geliebter Bruder daß kein unverschämter Leichtsinn uns dahin bringt so zwingt mich dieß weitläuftig Sie mit allen Verhältnissen bekant zu machen, und ich bitte Sie diesen Brief wenigstens eben so sorgfältig als meinen andern grossen zu bewahren wen[n] sie ihn nicht verbrennen wollen. Daß diese Bitten und Vorschläge die Angelegenheiten des Geldes betreffen sollen, werden Sie schon errahten, und darum sein Sie nicht ungeduldig wen[n] ich von ferne anfange. Sie wissen mein liebster Freund und Bruder daß wir gezwungen waren mit fremdem Gelde hieher zu reisen, durch den langen Auffenthalt in München, meines Bruders dortige Kranckheit, und meines jüngeren Bruders verzögerte Ankunft. Sie wissen daß ich hier glaubte, mein jüngerer Bruder würde mit ansehnlichen Summen und mein Älterer gar nicht hieher kommen. Stadt dessen sind meines Bruders Hoffnungen in Berlin getäuscht worden, und sein langer Auffenthalt dort verbunden mit einer Kranckheit hatt ihm viel gekostet, nach langer Zögerung kam er nach München und fand dort meinen Bruder Ludwig kranck und entschlossen mitzureisen, beide kamen also ohne Geld an. Wie viel mein Bruder Ludwig bedarf in all und jeder Rücksicht, wie weit dieß gehen kann habe ich von neuen erfahren. So sehr es meinen Bruder Friedrich schmerzte so brauchte auch er viel. Wie viel es in Rom kostet eine Haushaltung auf einen so anständigen Fuß zu führen als wir es nach unseren Verbindungen missen ist unglaublig, und da dieß alles von Knorrings Einnahme bestritten werden muste und 2000 Thaler welche er erwartet von seinem Bruder ausgeblieben sind und vieleicht ganz ausbleiben so können Sie sich denken daß wir gezwungen wurden zu leihen, da nun die Zinsen hier so unglaublig hoch bezalt werden vom 100 nehmlig im Monath 12 so ist daß der Weg ungeheure Summen zu verliehren. Ich könte nun mit Leichtigkeit mir von der Herzogin eine Summe verschaffen, aber ich will Ihnen deutlig machen welchen Schaden ich dadurch meinen Kindern thue und Sie werden selbst einsehen daß ich dieß nicht thun soll und mir dringend rathen es zu unterlassen. Ich bitte Sie aber liebster Freund bewahren Sie diese Briefe gut. Jezt bin ich zu der Herzogin in dem Verhältniß einer Freundin und Schwester, sie begleitet gleichsam mit den Augen die Erziehung meiner Kinder und es fält ihr gar nicht ein daß man wenig für sie oder für mich thun könte. Es sind die folgende ihre ausdrück{4]lichen Worte: Ich bitte Gott daß er uns beide lange miteinander leben läßt damit wir beide Freude an den Kindern erleben, solten Sie aber eher sterben als ich so werde ich Ihre Kinder ganz wie die meinigen versorgen, solte ich aber früher sterben als Sie so werden Sie sehen daß ich sie auch wie die meinigen bedenke. Sie sehen mein geliebter Freund zu welchen Hoffnungen für meine Kinder mich solche Worte einer grossen Fürstin berechtigen, ausserdem habe ich viele Spuren daß [sie] etwaß für mich thun will, wie unmöglich ist es also daß ich eine Summe von ihr fodern könte, wodurch ich die Ansicht von mir niedriger stelte, wie unmöglig auch die Haushaltung einzuschränken da ich für das Glück meiner Kinder ja nichts schlimmres thun könte als zu zeigen daß sie sich mit einem geringem Glücke begnügen könten. Sie sehen mein geliebter Freund wie gegründet meine Hoffnung auf ein gutes Vermögen für meine Kinder ist und wie glücklig sind sie wen[n] sie niemals die Angst und Qual zu ertragen brauchen der ich so oft unterlegen bin, wie glücklig bin ich daß ich durch einen Zusammenfluß günstiger Umstände sie darüber wegheben kann. Aber dieß ist nicht das einzige Gute welches ich ihnen erweisen kann, ich habe durch mein Gemüth durch meine Art zu sein einmal in jeder Rücksicht grosse Erwartungen erregt, und die Herzogin wird sich bemühen wen[n] es nöthig sein solte mich und meine Kinder bei ihrer Familie so zu empfehlen daß wir die wärmste Aufnahme fänden. Sie und ihr Bruder der Erzherzog Karl lieben sich mit einer solchen innigen Zärtligkeit, und sie hatt mir mehr als einmal gesagt, wen[n] mein Bruder Karl Sie kennen solte der würde recht ihr Freund sein und alles für Sie thun waß in seinen Kräften stände. Sagen Sie nun selbst mein geliebter Freund kann man glücklichere Aussichten haben für zwei Kinder die schön sind wie die Engel, die der Himmel mit glücklichen Anlagen begabt hatt, die Fürsten mit Zärtligkeit lieben, ihnen ein Vermögen versprechen und ihnen zugleich ein Feld öffnen wo sie alle Anlagen entwikeln können? Und kann ich irgend einen Schrit thun wodurch ich sie und mich um so viele Stufen niedriger stelle? Werden Sie nicht ungeduldig noch vieles zu lesen waß noch folgen muß ehe ich [5] Ihnen unsere Bitte ausspreche. Ausser allen andern Gründen warum mich Knorring nicht verlassen wird ist es ein Punkt der Ehre, und auch die Herzogin betrachtet es so, da nun aber bei dem fortwährendem Kriege es leicht kommen könte daß verlangt wirde die Russischen Unterthanen solten sich entfernen, und wir wohl gar nicht zweifeln dürften daß man ihn als einen Russen anzeigen wirde, so hatt die Herzogin an den Churfürsten von Sachsen geschrieben ihm den Charackter als Cammerherr zu bewilligen wo sie dan ihn als von ihrem Vetter ihr empfolen ihn in Schutz nehmen könte und er wenigstens so lange als sie und wir alle bleiben könte. Sie wirde dieß von dem Kaiser gebeten haben wen[n] sie nicht zweifelhaft wäre ob er dazu nicht katolisch sein miste und die Erkundigungen darüber uns zu weitläuftig waren. Zugleicherzeit wird nun Knorring dieß Mittel benutzen sich eine völlige Unabhängigkeit zu verschaffen indem er seinem Vater schreiben wird daß er seinen Wünschen gemäß anfienge sich um Ehrenstellen zu bewerben, ihm das mit dem Cammerherren als den Anfang nennen und ihm alle die Aussichten zeigen die er wircklich hatt wen[n] er sie benutzen will, ihm aber auch zugleich deutlig machen daß er mit seinem jetzigen Einkommen nicht imstande ist den Rang eines vornehmen Edelmanns bei einem grossen Hofe zu behaupten, und unter dem Vorwande darum dem Vater nicht grössere Ausgaben zu veranlassen wird er den Vater [bitten] ihm das Vermögen auszalen [zu lassen] wovon er ihm jezt die Zinsen giebt und welches ongefähr 12000 Rubel beträgt weil es Knorring hier Gelegenheit [habe] zu viel höheren Zinsen unterzubringen welches auch die Warheit ist. Dies Mittel wodurch beiden geholfen wird nimt der Vater gewiß an, erstlich weil bei seinem grossen Vermögen ihm die Summe welche gefodert wird nichts macht, zweitens weil er sie doch nicht anders benuzt indem er Knorring die Zinsen davon giebt, drittens weil er es sehr gern sehen wird wen[n] Knorring glänzender lebt ohne ihm mehr zu kosten, viertens weil er ja doch nicht weigern könte wen[n] Knorring der lange majoren mit ihm in ein solches Verhältniß treten wolte ihm das Vermögen seiner Mutter zu bezalen, endlig aber weil er sich auf keinen Fall compromitiren könte Fürstlichen Personen welche diese Bitte seines Sohnes unterstützen werden, eine so geringe Sache zu weigern. Kurz Sie können wie es Knorring ist ausser Zweifel sein daß dieß geschieht, aber [6] es ist nicht möglich daß Knorring dieß Geld eher als Ostern 1807 erhält weil der Vater ja natürlig seine baaren Summen ausgeliehen hatt, diese erst Michaelis aufkündigen kann und Neujahr erst erhalten und so währt es natürlich bis Ostern ehe es Knorring bekomt; da es nun möglich ist daß sich Umstände ereignen unter denen die Herzogin nicht hier bleiben könte ich also dan auch abreisen miste, so wiste ich nicht wie ich es in unserer jetzigen Lage solte. Auch ist es nicht möglig weiter zu leben oder die Zinsen immerfort so ungeheuer zu bezalen. Darum bittet Sie mein geliebter Freund nun Knorring da vieleicht es in der Schweitz am ersten möglig ist weil diese von dem Kriege nicht gelitten hatt, und wir uns nur Ihnen so anvertrauen können indem kein Anderer den Zusammenhang der Zustände so einsehen kann wie Sie, alles anzuwenden waß Ihnen möglig ist um ihm auf ein Jahr auf sein Wort und Ehre eine Summe aufzunehmen, welche diese Verlegenheiten beendigt. Ich schreibe Ihnen dieß dreist aus dem Herzen herauß, und weiß daß Sie einsehen welch eine Wohlthat Sie mir dadurch erzeigen. Sie wissen wen Sie etwaß von diesen Geschichten und wie viel Sie vertrauen können. Knorring bittet Sie wen[n] Sie ihm können auf ein Jahr die Summe von 1000 Scudi verschaffen, es versteht sich zu Zinsen und es versteht sich daß er seine Wechsel darüber ausstelt, nur miste es an einen Menschen sein dem man in sofern vertrauen könte daß er keinen üblen Gebrauch bei Knorrings Familie damit machte, welches ihm natürlig jezt unangenehm wäre, da er diese Summe von seinem Vater fodert. Wen[n] Sie dieß zu Stande bringen so fahren Sie fort wie Sie immer thuen das Glück und die Ruhe meines Lebens zu bereiten, den[n] freilig wen[n] dieß nicht möglig ist so weiß ich [nicht] wie wir es einrichten sollen und ich bin dan immer in Furcht daß alle meine schöne Hoffnungen auf einmal zusammenbrechen. Sie sind ein verständiger Freund, Sie fühlen wie viel Glück ich noch für meine Kinder erwarten darf und fühlen es wie für Ihre eigne. Ihr zärtliches grosmühtiges Herz freut sich gewiß darauf wen[n] wir im Alter die Kinder erwachsen und glücklich sehen. Ich brauche Sie nicht dringend zu bitten für diese Sache zu thun waß in Ihren Kräften steht, Sie sehen gewiß ein wie wichtig es für uns alle ist, und ich hoffe mit Sicherheit Sie geben eine gute Antwort auf diese meine Bitte, nur darum bitte ich Sie dieß bald zu thun, damit wir aus der Unruhe kommen.
Knorring würde Ihnen dieß alles selbst geschrieben haben wen[n] er [7] nicht glaubte daß Sie mehr Freundschaft für mich als für ihn hätten. An alle andere Dienge welche ich Ihnen zu sagen habe kann ich heut nur flüchtig denken theils weil ich das Schreiben nicht mehr aushalten kann theils weil der Brief auf die Post muß. Für Ihre Elegie danken wir recht von Herzen, ich glaube die Kunst der Sprache ist niemals höher getrieben als in diesen Gedicht, und ich glaube es kann nur böser Wille sein wen[n] man dieß nicht einsieht. Selbst Tiedge hatt sie ausserorndlich bewundert. Mit Ihrem Aufsaz über den Zustand der Kunst haben Sie hier ein schlimmes Glück gemacht. F.[rau] v. H.[umboldt] und der D.[oktor] K.[ohlrausch] sind Ihnen grausam böse daß Sie Reinhard nicht mehr erhoben und an einem verdienten Künstler wie Rehberg kein gutes Haar gelassen haben. Koch ist Triumpfierend und hatt seitdem einen ganz andern Tohn angenommen, er ist seiner Sache viel gewisser und auf Ihre Autorität so grob daß gar kein Auskommen mehr mit ihm ist. Schick hatt sich sehr naiv so sehr über sein Lob gefreut daß er sich es abgeschrieben hatt und auch gar kein Hehl aus dieser Empfindung macht wofür ich ihn recht lieb habe. Sie können in Ihrer Entfernung gar nicht denken welch einen Aufruhr dieß Blat hier veranlaßt hatt.
Daß F[rau] v. Eibenberg und der Prinz von Gotha hier sind wissen Sie wohl. Diese Fürstlichen Personen haben beschlossen doch auch nicht hinter Lucian Bonnaparte zurückzubleiben welcher französische Comödien giebt und sie spielen nun zur Ehre der Deutschen Nation Deutsche und zwar den Kotzebue, und zwar den Wirwar wen[n] Sie dieß dumme Zeug kennen. Es ist in der That erstaunenswürdig daß Menschen die hieher nach Rom kommen nicht ihre allerkleinstädtischte Erbärmligkeit vergessen und nicht einmal den Kotzebue zuhause lassen.
So eben erhalte ich einen Brief von Voigt der mir schreibt daß Egidio und Isabella nicht angekommen ist, schreiben Sie mir doch lieber Freund wan Sie es geschickt haben, am Ende ist Ihre Furcht erfült und es ist auf der Post verlohren gegangen. Florio und Blantscheflur habe ich zwar beendigt aber noch nicht abgeschrieben, mein Bruder Ludwig hatt mir dieß ein wenig verekelt. Sie wissen wie ich Ihnen die ersten Gesänge mittheilte sagte ich auch Ihnen daß ich gesonnen sei es von Vorne an wieder durchzugehen, und zu verbessern. Dasselbe habe ich auch ihm gesagt er bewunderte auch beim Lesen das Gedicht sehr, und verlangte er wolte es abschreiben weil ihm daß ein so grosses Vergnügen mache [8] und zugleich die Kleinigkeiten darin verbessern. Ich sperte mich sehr dagegen es half aber nichts. Nach vielen Monathen fieng er es endlig mit Gewalt an zu thun, und nun sahe ich ein daß die Meinung war ich solle ihn für meinen Herren und Meister immer bewundern wie ungeschickt ich und wie kunstreich er sei, meine Verse die besten oft fand er schlecht und lahm und änderte sie mir steif und hart, sprach immer darüber als hätte ich den gemeinsten Zusammenhang des Menschenverstandes nicht beobachtet und könne kein Mensch meine Verse verstehen, bewunderte immer die grosse Nachlässigkeit mit der ich gearbeitet hätte, sprach mir die Erfindung ab weil ich mich zu sehr an dem alten Gedicht gehalten habe, erklärte es für eine Einbildung von mir daß ich glaube die höchste Keuschheit sei in der Liebe in diesen Blumennaturen nohtwendig etz dabei bewunderte er aber immer das ganze Gedicht ob ich gleich nicht weiß waß so angesehen noch daran zu bewundern bleibt. Ich habe es endlich auch mit Gewalt zurückgenommen und werde es ganz umschreiben, und es dan Ihnen mein theurer Freund wen[n] der Bruder abgereißt sein wird zum Durchsehen schiken, Sie sind der einzige Mensch der meine Gedichte corrigiren soll. Nach Ostern wird mein Bruder Ludwig nach Deutschland zurickgehen, er wird dan warscheinlig seinen Weg über Genf nehmen um Sie zu besuchen und bittet Sie doch zu schreiben ob Sie um diese Zeit in Coppet sein werden und ob er dan einige Tage mit Ihnen leben kann. Er hatt jezt ganz von neuen Lust eine Anzeige vom Schak[spaer] zu machen, nur möchte er sich dem nicht aussetzen daß es Goethe nicht aufnehme oder es so ansähe als wolle er sich dazu drängen ein Mitarbeiter der Zeitung zu sein, da man es ihm nicht angebothen hatt. Antworten Sie doch ja hierauf. Waß seine Rückreise anbetrift wie die von Ziebingen aus betrieben wird wie man mich dabei beleidigt und viele andere Dienge will ich Ihnen nächstens schreiben, nur halten Sie meine Briefe geheim. Leben Sie wohl mein Freund und Bruder, Knorring grüßt Sie tausendmal, gebe der Himmel daß Sie uns erfreulich antworten. Ich bin so ermattet daß ich nicht mehr kann. Leben Sie recht glücklich. Lassen Sie doch F.[rau] v. St.[aël] den Brief für meinen Bruder an Lucian Bonaparte schiken.
Ewig Ihre Schwester
S[ophie] Tieck
[1] Rom den 16ten März 1806
Ich schike Ihnen mein geliebter Freund und Bruder erst heut einen Brief, welchen ich schon vor mehreren Wochen geschrieben habe ehe der Ihrige ankam, und nur durch Kranckheit bin ich gehindert worden ihn früher abzusenden und in der That bin ich auch heute noch so wenig wohl daß ich unterlassen würde zu schreiben wen[n] es mich nicht ängstigte auf Ihren lieben freundlichen Brief so spät zu antworten, und wen[n] mich nicht die Nohtwendigkeit der Geschäfte dazu zwänge. Ich leide wieder an allen meinen alten Übeln auf einmal, und bin so ermattet daß es mir eine große Anstrengung ist mich auf alles im gehörigen Zusammenhange zu besinnen waß ich Ihnen nohtwendig sagen muß.
Ich schicke Ihnen meinen vor einigen Wochen geschriebenen Brief, jedoch bitte ich Sie die Klage nicht eher einzuleiten bis ich Ihnen darüber noch einmal geschrieben habe, den[n] es könte sein wen[n] Sie eine Klage gegen die Herren führen daß Sie nicht gegen dieselben bei einer andern Klage zeugen können. Darnach will ich mich erst erkundigen.

den 29ten
Es geht mir so übel daß ich erst heut und nur mit Anstrengung fortfahren kann zu schreiben. Zuerst also liebster Freund danke ich Ihnen für Ihre bereitwillige Hülfe von ganzen Herzen, ich wünsche nichts so sehr als Ihnen nur einmal wieder mündlig zu sagen wie sehr mich Ihre treue Freundschaft rührt, und in Ihren Busen manches niederzulegen worüber nur Sie mich verstehen können. Ich bin gezwungen vielerlei über Geschäfte zu sprechen und will deshalb nur gleich anfangen, weil ich nicht weiß wie lange mir meine große Ermattung zu schreiben erlaubt.
Zuerst also über die Angelegenheit mit meinen Kindern welche mir doch das Wichtigste und Nächste ist. Sie werden sich erinnern daß ich Ihnen in meinem großen Briefe geschrieben habe, ich sei bei dem Könige eingekommen mir zu erlauben die Kinder bis nach ausgemachter Sache behalten zu dürfen. Herr v. H.[umboldt] hatte dieß als das einzige Mittel gerathen und zugleich verlangt, ich solle die Herzogin dahin vermögen zugleich mit mir an den König zu schreiben. Die Herzogin glaubte nicht daß es gut wäre, erstlich weil noch gar keine dringende Gefahr sei zweitens weil wir auf jeden Fall wen[n] der König mein Gesuch abschlagen solte einige Monathe dadurch gewännen, wen[n] sie dan ihren Brief schriebe. Es hatt sich erwiesen wie gut dies war. Vor einiger Zeit kam der H. D[oktor] K[ohlrausch] zu mir, und fand mich kranck. Er sagte ich solte mir doch die Angelegenheit [2] mit B[ernhardi] nicht mehr zu Herzen nehmen und sie als abgemacht betrachten. H. v. H.[umboldt] habe seinen Bericht so eingerichtet daß ich nichts mehr zu besorgen habe. Ich habe jezt die Antwort des Königs erhalten, in welcher man mir nicht mein Gesuch abschlägt sondern die Erlaubniß meine Kinder in Rom erziehen zu dürfen welches ich gar nicht gebeten habe, und zwar aus den Gründen weil sich in dem Bericht der Behörde also des H. v. H.[umboldt] so viele Gründe gegen mein Gesuch befinden und auch Bernhardi mit so vielen dagegen eingekommen ist. Im Gegentheil sei der König bewogen worden B[ernhardi] zu erlauben, ein Recht weiter zu verfolgen, welches ich auch nicht habe schmälern wollen sondern nur gebeten man möchte mir die Kinder bis nach dem ausgemachtem Prozeß lassen. Sie können nicht glauben wie sehr mich dies in Erstaunen gesezt hatt, den[n] nicht allein können Sie darauß [ersehen] wie die Berichte über mich abgefaßt werden, sondern auch daß B.[ernhardi] nohtwendig muß unterrichtet worden sein, ich wolle beim Könige einkommen weil es ihm sonst nicht möglig gewesen wäre es zu wissen und dagegen zu verfahren. Da die Berichte nicht so gut für mich abgefaßt sind wie man mich versichert so werde ich auch denselben die mir versichern die Briefe an B[ernhardi] seien so kurze und grobe Antworten keinesweges mehr glauben, und auch Sie liebster Freund werden leicht den Zusammenhang einsehen. Man hat mit einem Schlage alles beendigen wollen, und H. v. H.[umboldt] verrechnet sich nur darin immer daß er die Freundschaft meiner hiesigen Freunde für zu lau hält. Jezt ist nun von meiner Seite und von Seiten der Herzogin noch nichts geschehen weil wir abwarten wolten waß sich von Seiten des H. v. H.[umboldt] ergeben wird um unsere Schritte darnach abzumessen. Gestern Abend war der Cardinal Vikarius hier und erzählte mir H. v. H.[umboldt] sei vorgestern bei ihm gewesen welches nicht ohne diplomatische Absicht sein könne indem er ihn niemals freundschaftlich besuche. Er der Cardinal habe auch jeden Augenblick erwartet H. v. H.[umboldt] würde über meine Angelegenheit sprechen indeß sei es nicht geschehen und man müsse nun den Erfolg abwarten. Ich erwarte nun jeden Tag etwaß und bin auf alles mögliche gefaßt. Ich will nichts über die Art und weise sagen wie man hier mit mir umgeht, Sie mein geliebter Freund werden alle Bemerkungen darüber selber machen.
Jezt liebster Freund haben wir ausser allen Bitten und Angelegenheiten noch große und wichtige Bitten an Sie wo wir von Ihnen Rath und [3] Hülfe wünschen. Damit Sie aber einsehen mein geliebter Bruder daß kein unverschämter Leichtsinn uns dahin bringt so zwingt mich dieß weitläuftig Sie mit allen Verhältnissen bekant zu machen, und ich bitte Sie diesen Brief wenigstens eben so sorgfältig als meinen andern grossen zu bewahren wen[n] sie ihn nicht verbrennen wollen. Daß diese Bitten und Vorschläge die Angelegenheiten des Geldes betreffen sollen, werden Sie schon errahten, und darum sein Sie nicht ungeduldig wen[n] ich von ferne anfange. Sie wissen mein liebster Freund und Bruder daß wir gezwungen waren mit fremdem Gelde hieher zu reisen, durch den langen Auffenthalt in München, meines Bruders dortige Kranckheit, und meines jüngeren Bruders verzögerte Ankunft. Sie wissen daß ich hier glaubte, mein jüngerer Bruder würde mit ansehnlichen Summen und mein Älterer gar nicht hieher kommen. Stadt dessen sind meines Bruders Hoffnungen in Berlin getäuscht worden, und sein langer Auffenthalt dort verbunden mit einer Kranckheit hatt ihm viel gekostet, nach langer Zögerung kam er nach München und fand dort meinen Bruder Ludwig kranck und entschlossen mitzureisen, beide kamen also ohne Geld an. Wie viel mein Bruder Ludwig bedarf in all und jeder Rücksicht, wie weit dieß gehen kann habe ich von neuen erfahren. So sehr es meinen Bruder Friedrich schmerzte so brauchte auch er viel. Wie viel es in Rom kostet eine Haushaltung auf einen so anständigen Fuß zu führen als wir es nach unseren Verbindungen missen ist unglaublig, und da dieß alles von Knorrings Einnahme bestritten werden muste und 2000 Thaler welche er erwartet von seinem Bruder ausgeblieben sind und vieleicht ganz ausbleiben so können Sie sich denken daß wir gezwungen wurden zu leihen, da nun die Zinsen hier so unglaublig hoch bezalt werden vom 100 nehmlig im Monath 12 so ist daß der Weg ungeheure Summen zu verliehren. Ich könte nun mit Leichtigkeit mir von der Herzogin eine Summe verschaffen, aber ich will Ihnen deutlig machen welchen Schaden ich dadurch meinen Kindern thue und Sie werden selbst einsehen daß ich dieß nicht thun soll und mir dringend rathen es zu unterlassen. Ich bitte Sie aber liebster Freund bewahren Sie diese Briefe gut. Jezt bin ich zu der Herzogin in dem Verhältniß einer Freundin und Schwester, sie begleitet gleichsam mit den Augen die Erziehung meiner Kinder und es fält ihr gar nicht ein daß man wenig für sie oder für mich thun könte. Es sind die folgende ihre ausdrück{4]lichen Worte: Ich bitte Gott daß er uns beide lange miteinander leben läßt damit wir beide Freude an den Kindern erleben, solten Sie aber eher sterben als ich so werde ich Ihre Kinder ganz wie die meinigen versorgen, solte ich aber früher sterben als Sie so werden Sie sehen daß ich sie auch wie die meinigen bedenke. Sie sehen mein geliebter Freund zu welchen Hoffnungen für meine Kinder mich solche Worte einer grossen Fürstin berechtigen, ausserdem habe ich viele Spuren daß [sie] etwaß für mich thun will, wie unmöglich ist es also daß ich eine Summe von ihr fodern könte, wodurch ich die Ansicht von mir niedriger stelte, wie unmöglig auch die Haushaltung einzuschränken da ich für das Glück meiner Kinder ja nichts schlimmres thun könte als zu zeigen daß sie sich mit einem geringem Glücke begnügen könten. Sie sehen mein geliebter Freund wie gegründet meine Hoffnung auf ein gutes Vermögen für meine Kinder ist und wie glücklig sind sie wen[n] sie niemals die Angst und Qual zu ertragen brauchen der ich so oft unterlegen bin, wie glücklig bin ich daß ich durch einen Zusammenfluß günstiger Umstände sie darüber wegheben kann. Aber dieß ist nicht das einzige Gute welches ich ihnen erweisen kann, ich habe durch mein Gemüth durch meine Art zu sein einmal in jeder Rücksicht grosse Erwartungen erregt, und die Herzogin wird sich bemühen wen[n] es nöthig sein solte mich und meine Kinder bei ihrer Familie so zu empfehlen daß wir die wärmste Aufnahme fänden. Sie und ihr Bruder der Erzherzog Karl lieben sich mit einer solchen innigen Zärtligkeit, und sie hatt mir mehr als einmal gesagt, wen[n] mein Bruder Karl Sie kennen solte der würde recht ihr Freund sein und alles für Sie thun waß in seinen Kräften stände. Sagen Sie nun selbst mein geliebter Freund kann man glücklichere Aussichten haben für zwei Kinder die schön sind wie die Engel, die der Himmel mit glücklichen Anlagen begabt hatt, die Fürsten mit Zärtligkeit lieben, ihnen ein Vermögen versprechen und ihnen zugleich ein Feld öffnen wo sie alle Anlagen entwikeln können? Und kann ich irgend einen Schrit thun wodurch ich sie und mich um so viele Stufen niedriger stelle? Werden Sie nicht ungeduldig noch vieles zu lesen waß noch folgen muß ehe ich [5] Ihnen unsere Bitte ausspreche. Ausser allen andern Gründen warum mich Knorring nicht verlassen wird ist es ein Punkt der Ehre, und auch die Herzogin betrachtet es so, da nun aber bei dem fortwährendem Kriege es leicht kommen könte daß verlangt wirde die Russischen Unterthanen solten sich entfernen, und wir wohl gar nicht zweifeln dürften daß man ihn als einen Russen anzeigen wirde, so hatt die Herzogin an den Churfürsten von Sachsen geschrieben ihm den Charackter als Cammerherr zu bewilligen wo sie dan ihn als von ihrem Vetter ihr empfolen ihn in Schutz nehmen könte und er wenigstens so lange als sie und wir alle bleiben könte. Sie wirde dieß von dem Kaiser gebeten haben wen[n] sie nicht zweifelhaft wäre ob er dazu nicht katolisch sein miste und die Erkundigungen darüber uns zu weitläuftig waren. Zugleicherzeit wird nun Knorring dieß Mittel benutzen sich eine völlige Unabhängigkeit zu verschaffen indem er seinem Vater schreiben wird daß er seinen Wünschen gemäß anfienge sich um Ehrenstellen zu bewerben, ihm das mit dem Cammerherren als den Anfang nennen und ihm alle die Aussichten zeigen die er wircklich hatt wen[n] er sie benutzen will, ihm aber auch zugleich deutlig machen daß er mit seinem jetzigen Einkommen nicht imstande ist den Rang eines vornehmen Edelmanns bei einem grossen Hofe zu behaupten, und unter dem Vorwande darum dem Vater nicht grössere Ausgaben zu veranlassen wird er den Vater [bitten] ihm das Vermögen auszalen [zu lassen] wovon er ihm jezt die Zinsen giebt und welches ongefähr 12000 Rubel beträgt weil es Knorring hier Gelegenheit [habe] zu viel höheren Zinsen unterzubringen welches auch die Warheit ist. Dies Mittel wodurch beiden geholfen wird nimt der Vater gewiß an, erstlich weil bei seinem grossen Vermögen ihm die Summe welche gefodert wird nichts macht, zweitens weil er sie doch nicht anders benuzt indem er Knorring die Zinsen davon giebt, drittens weil er es sehr gern sehen wird wen[n] Knorring glänzender lebt ohne ihm mehr zu kosten, viertens weil er ja doch nicht weigern könte wen[n] Knorring der lange majoren mit ihm in ein solches Verhältniß treten wolte ihm das Vermögen seiner Mutter zu bezalen, endlig aber weil er sich auf keinen Fall compromitiren könte Fürstlichen Personen welche diese Bitte seines Sohnes unterstützen werden, eine so geringe Sache zu weigern. Kurz Sie können wie es Knorring ist ausser Zweifel sein daß dieß geschieht, aber [6] es ist nicht möglich daß Knorring dieß Geld eher als Ostern 1807 erhält weil der Vater ja natürlig seine baaren Summen ausgeliehen hatt, diese erst Michaelis aufkündigen kann und Neujahr erst erhalten und so währt es natürlich bis Ostern ehe es Knorring bekomt; da es nun möglich ist daß sich Umstände ereignen unter denen die Herzogin nicht hier bleiben könte ich also dan auch abreisen miste, so wiste ich nicht wie ich es in unserer jetzigen Lage solte. Auch ist es nicht möglig weiter zu leben oder die Zinsen immerfort so ungeheuer zu bezalen. Darum bittet Sie mein geliebter Freund nun Knorring da vieleicht es in der Schweitz am ersten möglig ist weil diese von dem Kriege nicht gelitten hatt, und wir uns nur Ihnen so anvertrauen können indem kein Anderer den Zusammenhang der Zustände so einsehen kann wie Sie, alles anzuwenden waß Ihnen möglig ist um ihm auf ein Jahr auf sein Wort und Ehre eine Summe aufzunehmen, welche diese Verlegenheiten beendigt. Ich schreibe Ihnen dieß dreist aus dem Herzen herauß, und weiß daß Sie einsehen welch eine Wohlthat Sie mir dadurch erzeigen. Sie wissen wen Sie etwaß von diesen Geschichten und wie viel Sie vertrauen können. Knorring bittet Sie wen[n] Sie ihm können auf ein Jahr die Summe von 1000 Scudi verschaffen, es versteht sich zu Zinsen und es versteht sich daß er seine Wechsel darüber ausstelt, nur miste es an einen Menschen sein dem man in sofern vertrauen könte daß er keinen üblen Gebrauch bei Knorrings Familie damit machte, welches ihm natürlig jezt unangenehm wäre, da er diese Summe von seinem Vater fodert. Wen[n] Sie dieß zu Stande bringen so fahren Sie fort wie Sie immer thuen das Glück und die Ruhe meines Lebens zu bereiten, den[n] freilig wen[n] dieß nicht möglig ist so weiß ich [nicht] wie wir es einrichten sollen und ich bin dan immer in Furcht daß alle meine schöne Hoffnungen auf einmal zusammenbrechen. Sie sind ein verständiger Freund, Sie fühlen wie viel Glück ich noch für meine Kinder erwarten darf und fühlen es wie für Ihre eigne. Ihr zärtliches grosmühtiges Herz freut sich gewiß darauf wen[n] wir im Alter die Kinder erwachsen und glücklich sehen. Ich brauche Sie nicht dringend zu bitten für diese Sache zu thun waß in Ihren Kräften steht, Sie sehen gewiß ein wie wichtig es für uns alle ist, und ich hoffe mit Sicherheit Sie geben eine gute Antwort auf diese meine Bitte, nur darum bitte ich Sie dieß bald zu thun, damit wir aus der Unruhe kommen.
Knorring würde Ihnen dieß alles selbst geschrieben haben wen[n] er [7] nicht glaubte daß Sie mehr Freundschaft für mich als für ihn hätten. An alle andere Dienge welche ich Ihnen zu sagen habe kann ich heut nur flüchtig denken theils weil ich das Schreiben nicht mehr aushalten kann theils weil der Brief auf die Post muß. Für Ihre Elegie danken wir recht von Herzen, ich glaube die Kunst der Sprache ist niemals höher getrieben als in diesen Gedicht, und ich glaube es kann nur böser Wille sein wen[n] man dieß nicht einsieht. Selbst Tiedge hatt sie ausserorndlich bewundert. Mit Ihrem Aufsaz über den Zustand der Kunst haben Sie hier ein schlimmes Glück gemacht. F.[rau] v. H.[umboldt] und der D.[oktor] K.[ohlrausch] sind Ihnen grausam böse daß Sie Reinhard nicht mehr erhoben und an einem verdienten Künstler wie Rehberg kein gutes Haar gelassen haben. Koch ist Triumpfierend und hatt seitdem einen ganz andern Tohn angenommen, er ist seiner Sache viel gewisser und auf Ihre Autorität so grob daß gar kein Auskommen mehr mit ihm ist. Schick hatt sich sehr naiv so sehr über sein Lob gefreut daß er sich es abgeschrieben hatt und auch gar kein Hehl aus dieser Empfindung macht wofür ich ihn recht lieb habe. Sie können in Ihrer Entfernung gar nicht denken welch einen Aufruhr dieß Blat hier veranlaßt hatt.
Daß F[rau] v. Eibenberg und der Prinz von Gotha hier sind wissen Sie wohl. Diese Fürstlichen Personen haben beschlossen doch auch nicht hinter Lucian Bonnaparte zurückzubleiben welcher französische Comödien giebt und sie spielen nun zur Ehre der Deutschen Nation Deutsche und zwar den Kotzebue, und zwar den Wirwar wen[n] Sie dieß dumme Zeug kennen. Es ist in der That erstaunenswürdig daß Menschen die hieher nach Rom kommen nicht ihre allerkleinstädtischte Erbärmligkeit vergessen und nicht einmal den Kotzebue zuhause lassen.
So eben erhalte ich einen Brief von Voigt der mir schreibt daß Egidio und Isabella nicht angekommen ist, schreiben Sie mir doch lieber Freund wan Sie es geschickt haben, am Ende ist Ihre Furcht erfült und es ist auf der Post verlohren gegangen. Florio und Blantscheflur habe ich zwar beendigt aber noch nicht abgeschrieben, mein Bruder Ludwig hatt mir dieß ein wenig verekelt. Sie wissen wie ich Ihnen die ersten Gesänge mittheilte sagte ich auch Ihnen daß ich gesonnen sei es von Vorne an wieder durchzugehen, und zu verbessern. Dasselbe habe ich auch ihm gesagt er bewunderte auch beim Lesen das Gedicht sehr, und verlangte er wolte es abschreiben weil ihm daß ein so grosses Vergnügen mache [8] und zugleich die Kleinigkeiten darin verbessern. Ich sperte mich sehr dagegen es half aber nichts. Nach vielen Monathen fieng er es endlig mit Gewalt an zu thun, und nun sahe ich ein daß die Meinung war ich solle ihn für meinen Herren und Meister immer bewundern wie ungeschickt ich und wie kunstreich er sei, meine Verse die besten oft fand er schlecht und lahm und änderte sie mir steif und hart, sprach immer darüber als hätte ich den gemeinsten Zusammenhang des Menschenverstandes nicht beobachtet und könne kein Mensch meine Verse verstehen, bewunderte immer die grosse Nachlässigkeit mit der ich gearbeitet hätte, sprach mir die Erfindung ab weil ich mich zu sehr an dem alten Gedicht gehalten habe, erklärte es für eine Einbildung von mir daß ich glaube die höchste Keuschheit sei in der Liebe in diesen Blumennaturen nohtwendig etz dabei bewunderte er aber immer das ganze Gedicht ob ich gleich nicht weiß waß so angesehen noch daran zu bewundern bleibt. Ich habe es endlich auch mit Gewalt zurückgenommen und werde es ganz umschreiben, und es dan Ihnen mein theurer Freund wen[n] der Bruder abgereißt sein wird zum Durchsehen schiken, Sie sind der einzige Mensch der meine Gedichte corrigiren soll. Nach Ostern wird mein Bruder Ludwig nach Deutschland zurickgehen, er wird dan warscheinlig seinen Weg über Genf nehmen um Sie zu besuchen und bittet Sie doch zu schreiben ob Sie um diese Zeit in Coppet sein werden und ob er dan einige Tage mit Ihnen leben kann. Er hatt jezt ganz von neuen Lust eine Anzeige vom Schak[spaer] zu machen, nur möchte er sich dem nicht aussetzen daß es Goethe nicht aufnehme oder es so ansähe als wolle er sich dazu drängen ein Mitarbeiter der Zeitung zu sein, da man es ihm nicht angebothen hatt. Antworten Sie doch ja hierauf. Waß seine Rückreise anbetrift wie die von Ziebingen aus betrieben wird wie man mich dabei beleidigt und viele andere Dienge will ich Ihnen nächstens schreiben, nur halten Sie meine Briefe geheim. Leben Sie wohl mein Freund und Bruder, Knorring grüßt Sie tausendmal, gebe der Himmel daß Sie uns erfreulich antworten. Ich bin so ermattet daß ich nicht mehr kann. Leben Sie recht glücklich. Lassen Sie doch F.[rau] v. St.[aël] den Brief für meinen Bruder an Lucian Bonaparte schiken.
Ewig Ihre Schwester
S[ophie] Tieck
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