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August 1808<br>Es tut mir aufrichtig leid, daß Ihnen mein Brief so wenig gefallen hat. Ich habe Ihnen geschrieben, daß mein Leben augenblicklich ohne besondere Freude, aber auch ohne Unruhe dahingeht, und daß ich nach irgendeinem Ziel suche. Muß ich da nicht ruhig und gelassen sein? Habe ich von meinem künftigen Leben noch Besseres zu erhoffen? Ich möchte mir wirklich nichts mehr wünschen, als immer nur für Sie da zu sein, was jedoch nur möglich wäre, wenn Sie Ihrerseits mir ein gleiches Gefühl entgegenbrächten; das aber wäre für Sie unerträglich. Ich hänge beispiellos an Ihnen und liebe Sie sehr, obwohl Sie alles tun, um dieses Gefühl zu verletzen. Ihr Gefolge gefällt mir nicht, und an Ihre Art gesellschaftlichen Lebens kann ich mich genau so schwer gewöhnen, wie Sie sich an die Einsamkeit. Ich sehe mit Schmerzen die Kluft, die sich infolge des Unterschiedes der Nationalität und der Neigungen zwischen uns auftut; und das Schlimmste ist, daß der Preis, um den ich Sie mir erkaufe – eben die Zerstreuung – Sie von mir entfernt.<br>Sie werden also noch jemanden nach Coppet mitbringen, der mich für den Rest des Sommers daran hindern wird, die Abende mit Ihnen zu verplaudern.<br>Ich habe keineswegs meinen Bruder rechtfertigen wollen, habe Ihnen nur einfach wiederholt, was er mir schrieb; im Gegenteil, ich habe ihm drei mißvergnügte Briefe geschrieben, die anderthalb Monate unsern Briefwechsel verbittern werden. Es wäre auch wirklich richtig gewesen, daß Sie Albert eingeschärft hätten, er solle meines Bruders Autorität achten, denn was soll er machen, wenn er Ihnen verspricht, Albert Sonntags eine Lateinstunde zu geben, und Ihr Sohn findet es nicht der Mühe wert, hinzugehen? 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Zürich u.a. 1930, S. 121, 138. 138-139.@ extern@Hofmann, Etienne „Staël, Germaine de“, URL: http://www.hls-dhs-dss.ch/textes/f/F16051.php@ Wikipedia@http://de.wikipedia.org/wiki/Anne_Louise_Germaine_de_Sta%C3%ABl@', '39_beziehung' => 'AWS machte gegen Ende des Jahres 1804 in Berlin die persönliche Bekanntschaft mit Germaine de Staël-Holstein. Als Hauslehrer ihrer Kinder gehörte er zum Coppeter Zirkel. Er begleitete Mme de Staël-Holstein auf ihren zahlreichen Reisen und war auch als ihr Berater im Hinblick auf die deutsche Literatur tätig; sein wichtiger Anteil an ihrem bedeutendsten Werk „De LʼAllemagne“ (1810) ist heute unbestritten. Auch Friedrich von Schlegel gehörte zu den zahlreichen Gästen auf Schloss Coppet. In Zeiten des politischen Umbruches begleitete AWS die Familie de Staël-Holstein durch Europa. Den Kindern Mme de Staël-Holsteins blieb AWS auch nach ihrem Tod verbunden. 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Ich möchte mir wirklich nichts mehr wünschen, als immer nur für Sie da zu sein, was jedoch nur möglich wäre, wenn Sie Ihrerseits mir ein gleiches Gefühl entgegenbrächten; das aber wäre für Sie unerträglich. Ich hänge beispiellos an Ihnen und liebe Sie sehr, obwohl Sie alles tun, um dieses Gefühl zu verletzen. Ihr Gefolge gefällt mir nicht, und an Ihre Art gesellschaftlichen Lebens kann ich mich genau so schwer gewöhnen, wie Sie sich an die Einsamkeit. Ich sehe mit Schmerzen die Kluft, die sich infolge des Unterschiedes der Nationalität und der Neigungen zwischen uns auftut; und das Schlimmste ist, daß der Preis, um den ich Sie mir erkaufe – eben die Zerstreuung – Sie von mir entfernt.<br>Sie werden also noch jemanden nach Coppet mitbringen, der mich für den Rest des Sommers daran hindern wird, die Abende mit Ihnen zu verplaudern.<br>Ich habe keineswegs meinen Bruder rechtfertigen wollen, habe Ihnen nur einfach wiederholt, was er mir schrieb; im Gegenteil, ich habe ihm drei mißvergnügte Briefe geschrieben, die anderthalb Monate unsern Briefwechsel verbittern werden. Es wäre auch wirklich richtig gewesen, daß Sie Albert eingeschärft hätten, er solle meines Bruders Autorität achten, denn was soll er machen, wenn er Ihnen verspricht, Albert Sonntags eine Lateinstunde zu geben, und Ihr Sohn findet es nicht der Mühe wert, hinzugehen? Sie glauben blindlings, was Albert Ihnen schreibt, während mir scheint, daß er solchen Glauben nicht verdient. Es macht Ihnen keinerlei Eindruck, daß er sich vom Tage seines Eintritts in die Kadettenanstalt an so übel gegen mich benommen hat, als wäre ich irgend ein Sprachlehrer. Dagegen sind Sie gerührt, wenn er Ihnen davon spricht, wie traurig er über die Trennung von Ihnen ist – aber kein Mensch merkt ihm das an.<br>Ich wundere mich keineswegs über Graf O’Donnell. Er ist ein Mann, der von den Almosen der Gesellschaft lebt; es ist also auch ganz klar, daß er für Geld alle Quälereien einsteckt, die von ihr kommen.<br>Da ich, nachdem ich Ihnen zuletzt schrieb, keinen Brief erhalten habe und auch niemanden sehe, so kann ich Ihnen nichts Neues berichten.<br>Ich habe mich wieder an den Shakespeare herangemacht, aber ich sehe zu meinem großen Kummer, daß ich die Leichtigkeit, die ich doch durch die Übersetzung von sechzehn Stücken mir hätte aneignen müssen, wieder verloren habe; nach jeder Unterbrechung muß ich immer wieder <span class="slant-italic ">di bel nuovo</span> anfangen. Nur mit der größten Beharrlichkeit kann man eine solche Arbeit bewältigen.<br>Ich beneide Sie in keiner Weise um Pestalozzi und Fellenberg, aber wohl um das Fest. 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Sie heiratete 1786 den schwedischen Diplomaten Erik Magnus von Staël-Holstein in Paris. Die Eheleute lebten von Anfang an getrennt. Zu ihren ersten Veröffentlichungen zählten die „Lettres sur les ecrits et le charactère de J.-J. Rousseau“, die 1788 erschienen. Neben der Tätigkeit als Schriftstellerin wurde Germaine de Staël-Holstein als einflussreiche Salonnière berühmt. Unter ihrem politischen Einfluss stand u.a. Benjamin Constant, mit dem sie eine langjährige Beziehung führte und der der Vater ihrer Tochter Albertine war. Ihr politischer Liberalismus und die Befürwortung einer konstitutionellen Monarchie führten 1792 zu ihrer Verbannung ins schweizerische Exil. Gemeinsam mit ihren Kindern bezog sie Schloss Coppet am Genfer See, das nun zum Treffpunkt Intellektueller und Künstler ganz Europas avancierte. Nur selten war der Schriftstellerin der Aufenthalt in Frankreich gestattet. 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Coppet, den 15. August 1808
Es tut mir aufrichtig leid, daß Ihnen mein Brief so wenig gefallen hat. Ich habe Ihnen geschrieben, daß mein Leben augenblicklich ohne besondere Freude, aber auch ohne Unruhe dahingeht, und daß ich nach irgendeinem Ziel suche. Muß ich da nicht ruhig und gelassen sein? Habe ich von meinem künftigen Leben noch Besseres zu erhoffen? Ich möchte mir wirklich nichts mehr wünschen, als immer nur für Sie da zu sein, was jedoch nur möglich wäre, wenn Sie Ihrerseits mir ein gleiches Gefühl entgegenbrächten; das aber wäre für Sie unerträglich. Ich hänge beispiellos an Ihnen und liebe Sie sehr, obwohl Sie alles tun, um dieses Gefühl zu verletzen. Ihr Gefolge gefällt mir nicht, und an Ihre Art gesellschaftlichen Lebens kann ich mich genau so schwer gewöhnen, wie Sie sich an die Einsamkeit. Ich sehe mit Schmerzen die Kluft, die sich infolge des Unterschiedes der Nationalität und der Neigungen zwischen uns auftut; und das Schlimmste ist, daß der Preis, um den ich Sie mir erkaufe – eben die Zerstreuung – Sie von mir entfernt.
Sie werden also noch jemanden nach Coppet mitbringen, der mich für den Rest des Sommers daran hindern wird, die Abende mit Ihnen zu verplaudern.
Ich habe keineswegs meinen Bruder rechtfertigen wollen, habe Ihnen nur einfach wiederholt, was er mir schrieb; im Gegenteil, ich habe ihm drei mißvergnügte Briefe geschrieben, die anderthalb Monate unsern Briefwechsel verbittern werden. Es wäre auch wirklich richtig gewesen, daß Sie Albert eingeschärft hätten, er solle meines Bruders Autorität achten, denn was soll er machen, wenn er Ihnen verspricht, Albert Sonntags eine Lateinstunde zu geben, und Ihr Sohn findet es nicht der Mühe wert, hinzugehen? Sie glauben blindlings, was Albert Ihnen schreibt, während mir scheint, daß er solchen Glauben nicht verdient. Es macht Ihnen keinerlei Eindruck, daß er sich vom Tage seines Eintritts in die Kadettenanstalt an so übel gegen mich benommen hat, als wäre ich irgend ein Sprachlehrer. Dagegen sind Sie gerührt, wenn er Ihnen davon spricht, wie traurig er über die Trennung von Ihnen ist – aber kein Mensch merkt ihm das an.
Ich wundere mich keineswegs über Graf O’Donnell. Er ist ein Mann, der von den Almosen der Gesellschaft lebt; es ist also auch ganz klar, daß er für Geld alle Quälereien einsteckt, die von ihr kommen.
Da ich, nachdem ich Ihnen zuletzt schrieb, keinen Brief erhalten habe und auch niemanden sehe, so kann ich Ihnen nichts Neues berichten.
Ich habe mich wieder an den Shakespeare herangemacht, aber ich sehe zu meinem großen Kummer, daß ich die Leichtigkeit, die ich doch durch die Übersetzung von sechzehn Stücken mir hätte aneignen müssen, wieder verloren habe; nach jeder Unterbrechung muß ich immer wieder di bel nuovo anfangen. Nur mit der größten Beharrlichkeit kann man eine solche Arbeit bewältigen.
Ich beneide Sie in keiner Weise um Pestalozzi und Fellenberg, aber wohl um das Fest. Sie sollten mich genug kennen, um zu wissen, daß mein Bedauern, nicht dabeisein zu können, größer ist, als wenn es sich um den schönsten Ball oder alle Soupers der Welt handelte.
Ich danke Ihnen für Ihre Nachrichten, obwohl sie nur von der Schande meiner Landsleute und aller übrigen Völker handeln. Da sehen Sie, wohin die Aufklärung geführt hat; unsere Länder haben weder Hand noch Fuß gegen die schandbarste Unterdrückung erhoben. Wenn die Nachricht von dem Fort richtig ist, müssen sich die Truppen in einer sehr schlechten Lage befinden, denn das Fort St. Julien liegt jenseits Lissabon an der Mündung des Tajo; es heißt sogar, daß es vom Meer aus beschossen werden kann.
Haben Sie Pereira und seine Frau gesprochen? Wenn Sie Herrn von Mulinen sehen, so seien Sie doch so gut, ihm meine Empfehlung zu bestellen.
Tausend Lebewohl, obgleich Sie mich wirklich einen Augenblick durch all das, was mir Ihr Brief ins Gedächtnis zurückrief, verletzt haben.
Ich sehe, daß der Triumphzug durch die Vendée geht. Bonaparte wird also Gelegenheit haben, seine Beredsamkeit zu zeigen, wenn er bis zu den Unterpräfekten hinunter jeden mit einer Ansprache bedenkt. Haben Sie von dem genialen Präfekten gehört, der äußerte, man müsse wünschen, daß der Kaiser auf Erden unsterblich bliebe?
Es tut mir aufrichtig leid, daß Ihnen mein Brief so wenig gefallen hat. Ich habe Ihnen geschrieben, daß mein Leben augenblicklich ohne besondere Freude, aber auch ohne Unruhe dahingeht, und daß ich nach irgendeinem Ziel suche. Muß ich da nicht ruhig und gelassen sein? Habe ich von meinem künftigen Leben noch Besseres zu erhoffen? Ich möchte mir wirklich nichts mehr wünschen, als immer nur für Sie da zu sein, was jedoch nur möglich wäre, wenn Sie Ihrerseits mir ein gleiches Gefühl entgegenbrächten; das aber wäre für Sie unerträglich. Ich hänge beispiellos an Ihnen und liebe Sie sehr, obwohl Sie alles tun, um dieses Gefühl zu verletzen. Ihr Gefolge gefällt mir nicht, und an Ihre Art gesellschaftlichen Lebens kann ich mich genau so schwer gewöhnen, wie Sie sich an die Einsamkeit. Ich sehe mit Schmerzen die Kluft, die sich infolge des Unterschiedes der Nationalität und der Neigungen zwischen uns auftut; und das Schlimmste ist, daß der Preis, um den ich Sie mir erkaufe – eben die Zerstreuung – Sie von mir entfernt.
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· Original , 15.08.1808