• August Wilhelm von Schlegel to Jacob Grimm

  • Place of Dispatch: Bonn · Place of Destination: Unknown · Date: 05.01.1834 bis 09.02.1834
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
    Metadata Concerning Header
  • Sender: August Wilhelm von Schlegel
  • Recipient: Jacob Grimm
  • Place of Dispatch: Bonn
  • Place of Destination: Unknown
  • Date: 05.01.1834 bis 09.02.1834
    Printed Text
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: 343347008
  • Bibliography: Briefe von und an August Wilhelm Schlegel. Gesammelt und erläutert durch Josef Körner. Bd. 1. Zürich u.a. 1930, S. 509‒515.
  • Incipit: „Bonn d. 5tn Jan. 1834
    Sie haben mir, mein hochverehrter Herr und Freund, durch das Geschenk Ihres neuen Werkes eine lebhafte Freude [...]“
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Bonn d. 5tn Jan. 1834
Sie haben mir, mein hochverehrter Herr und Freund, durch das Geschenk Ihres neuen Werkes eine lebhafte Freude gemacht. Da ich meine eigene Saumseligkeit im Briefwechsel kenne, so will ich die Bezeugung meines Dankes nicht bis dahin verschieben, wenn ich Muße gefunden haben werde das reichhaltige Buch gründlich zu studiren. Ich bin zwar wie ein Habicht darüber hergefallen, aber ich darf doch nur flüchtig naschen, da ich eben in einer ganz andern Arbeit stecke. Einige Bemerkungen über Nebendinge sind Ihnen vielleicht nicht unwillkommen.
Hr. Ewald hat Ihnen, wie zu erwarten stand, die Namen im Hitôpadêśa ganz richtig gedeutet. Die Ableitungssylbe Ka (nicht aka, das a gehört zum Hauptworte) ist verkleinernd, hypokoristisch, zuweilen mit einem Nebenbegriff der Geringschätzung, zuweilen bloß aneignend. Z. B. laghu, leicht, patana, der Flug: davon die Krähe: laghu patanaka, Levipennis; die Feldmaus, weil sie aufspeichert, von hirańya, Gold, hiranyaka, Chrysillus. Aber bei weitem nicht alle Namen im Hitôpadêśa endigen so. Alle sind bedeutsam, entweder malerisch oder charakteristisch, ich erinnere mich keiner solchen, die willkührlich aus der Menschenwelt entlehnt wären.
Seite CCLXXII u. f. wird überall für Hitôpadêśa Panchatantra zu setzen seyn. Nur von dem letzten gilt, was Sie von jenem sagen. Sie scheinen Colebrookeʼs Vorrede zu der Seramporer Ausgabe des Hitôpadêśa nicht gelesen zu haben. Das Buch ist noch bei dem Buchhändler der Ostindischen Compagnie, und wegen der eben erwähnten Vorrede, theils auch als der erste von Europäern besorgte Text verdient es einen Platz in der Göttingischen Bibliothek. Ferner Silvestre de Sacyʼs Einleitung zu dem Arabischen Calilah. Wilsons Auszug aus dem Panchatantra in den Transactions of the Royal Asiatic Society of Great Britain.
Als ich im J. 1823 einige Monate in London zubrachte, sah ich noch nicht voraus, daß ich mir die Episode mit der Ausgabe des Hitôpadêśa erlauben würde, sonst hätte ich meine Aufmerksamkeit sogleich mit auf das Panchatantra gerichtet. Dieser Name bedeutet nicht die fünf Listen, sondern die fünf Abhandlungen. Nicht der Hitôpadêśa sondern das P.[ancha] T.[antra] ist das Original aller durch Vorder-Asien und Europa verbreiteten Übersetzungen und Nachahmungen. Der Hitôpadêśa ist, soviel ich weiß, erst in neueren Zeiten über die Gränzen Indiens hinausgekommen. Das P. T. wurde von dem Leibarzte des Nuschirwan nach Persien gebracht, es war also um die Mitte des 6ten Jh. nicht nur vorhanden, sondern schon berühmt. Ob man es aber darum in das 2te Jh. zurückschieben darf? Wenn wir erst eine kritische Ausgabe des P. T. haben, dann wird sich mit mehr Sicherheit davon sprechen lassen. Colebrooke hat eine Erwähnung des Astronomen Varâhamihira daraus angeführt, aber mehr um das Zeitalter des Astronomen, als um das Alter des Fabelbuchs zu bestimmen. In beiden Büchern wird der Erzähler Vishnu-śarman genannt; aber es ist nicht genau zu sagen, der Verfasser habe so geheißen; Vishnu-śarman ist vielmehr eine erdichtete Person. Der Vf. beider Bücher blieb anonym, vermuthlich aus dem ganz natürlichen Grunde, weil er mehr Sammler als Erfinder war.
Der Hitôpadêśa kann demnach schwerlich früher als in das 7te Jh. gesetzt werden. Ich bin noch nicht ausdrücklich auf Zeitbestimmungen ausgegangen, doch fallen mir ein paar bei. Der Schauplatz, nämlich der Schauplatz der Einfassung, ist in Pâtaliputra, dem Palibothra des Megasthenes, und in allen Handschriften heißt es im Praesens: die Stadt liegt am Ufer des Ganges. Aber nun wissen wir wieder nicht, wann diese große Hauptstadt verödet worden. In L. 11, fab. 2 wird in Magadha, dem Stammlande der Buddhistischen Religion, ein Buddha-Tempel, vihâra, gebaut. Die Benennung dieser Provinz Behar, ist eben nichts anders als der eben erwähnte Name. Dieß deutet auf eine Zeit, wo die Buddhistische Religion dort noch frei ausgeübt ward.
Der Vf. des Hitôpadêśa sagt ganz redlich und bescheiden:
„Der Freunde Wahl, die Entzweiung, der Krieg ferner, der Friede dann,
Wird, geschöpft aus den Fünf-Büchern, und aus andern, beschrieben hier.“
Die Erzählungen im P. T. sind ausführlicher und zahlreicher; der Hitôpadêśa ist reicher an Sentenzen, und das hat wohl hauptsächlich sein Glück gemacht. Es ist eine Anthologie aus der gesamten Alt-Indischen Litteratur. Viele dieser Sprüche sind sehr alt, aus dem Gesetzbuch des Manu, dem Râmâyańa, dem Mahâ Bhârata; andre mehr modern von Bhartrihari, aus Schauspielen, u.s.w. Herr Lassen hat schon mehrere nachgewiesen. Dieses wird, bei gehöriger Vorsicht gegen die Interpolationen, zu relativen Zeitbestimmungen führen. Überhaupt ergiebt sich aus mancherlei Kennzeichen daß die dramatische Kunst schon ziemlich entwickelt war, als der Hitôpadêśa abgefaßt ward.
Der Ursprung der Thierfabel muß aber dennoch bei den Indiern in ein entferntes Alterthum gesetzt werden. Anspielungen, sprüchwörtliche Redensarten, deuten schon bei Manu darauf. So allgemein bekannt waren diese Fabelgleichnisse, daß eigne Worte dafür ausgeprägt wurden. Lesen Sie doch Lassens Anmerkung zu Dist. 34 der Einleitung des Hitôpadêśa. Wilson hat in der neuen Ausgabe seines Lexicons das Wort Kâkatâlîya, aber er hat es ganz falsch erklärt. Folgendes Beispiel steht im Râmâyańa L. 11, c. XII, 40. śyêna, der Habicht, Kapôta, die Taube; hieraus zusammengesetzt śyênakapôtîya, heißt: die Geschichte vom Habicht und der Taube. Eine vom Habicht verfolgte Taube rettet sich in den Busen eines Königs. Der Habicht sagt Du thust mir Unrecht, König, da Du mir meinen schon sichern Raub vorenthältst. Der König erwiedert: Begehre alles was Du willst, nur laß mich meinen Schützling retten. Der Habicht fodert zum Ersatz des Königs eignes Herz, dieser giebt es ihm, um sein Wort zu halten, und kommt dafür in den Himmel. Diese ganze Anspielung hat der Dichter in einen einzigen Vers gefaßt. Ferner giebt es eine Anzahl Wörter welche die Feindschaft zweier Thiergattungen z. B. Krähe und Ente, durch die beiden Namen mit einer Ableitungssylbe ausdrücken.
Nachträglich bemerke ich, daß die Namen der beiden Schakals vortrefflich zu ihren Rollen passen, damanaka, der Wohlgezogenling, predigt die Grundsätze der Servilität, Karaṫaka, der Krähenhafte, macht sich mausig mit Reden, versteht sich in Abwesenheit des Löwen; jener ist aber der Schlauere und Gewandtere.
Für das aufgefundene Zeugniß des Themistius bin ich Ihnen sehr dankbar. Das Baktrische und Syrische Reich konnten wohl eine Brücke bilden, aber ich vermuthe weit frühere Verpflanzungen Indischer Dichtung. Woher haben die Griechen ihre sieben Weisen? Sie konnten ja nicht einmal über die Personen einig werden. Die sieben Weisen Indiens sind uralt, und als die Sterne des großen Bären an den Himmel versetzt. Ist nicht Aesopus selbst eine morgenländische Fabelfigur?
Auf die Erfindung des Reinhart, diese biographische Zusammenstellung von Fuchs und Wolf habe ich von Seiten Indiens nicht den mindesten Anspruch zu machen: beide sind keine Indischen Fabelthiere, und scheinen überhaupt die Einbildungskraft der Dichter wenig beschäftigt zu haben, wiewohl die Namen der classischen Sprache nicht fehlen. Freilich die Rolle des Fuchses spielt so ziemlich der Schakal, doch scheinen die Sitten der beiden Gattungen noch beträchtlich verschieden zu seyn. Die heutigen Bengalen nennen den Fuchs einen kleinen Schakal.
Ich bin mit ihnen über den Grundsatz einig, daß man nicht unnützer Weise Entlehnungen annehmen muß. Doch scheint mir folgendes ein untrügliches Kennzeichen zu seyn. Wenn in zwei Exemplaren derselben Fabel eine andre Thiergattung substituirt wird, so ist die Erfindung gewiß da zu Hause, wo die Handlung am besten mit der Naturgeschichte übereinstimmt. In den sieben weisen Meistern rettet ein Hund das Kind in der Wiege, indem er eine Schlange tödtet, und wird dafür von seinem Herrn aus Mißverständniß umgebracht. Die Fabel steht im Hitôpadêśa, aber da ist es eine Art Wiesel, viverraichneumon, ein beliebtes Hausthierchen, dessen Feindschaft mit den Schlangen in Indien sprüchwörtlich bekannt ist. Hier könnten wir freilich dieses Kennzeichen entbehren, denn jenes Buch ist ja ausgemacht eine über Constantinopel nach Europa gebrachte Indische Dichtung. Vermuthlich nach einer Persischen Übertragung, denn in dem Griechischen Text heißt der Vater des verläumdeten Prinzen, Cyrus.
Der Indische Name des Wolfes ist vŕika, mit r vocalis. Das Litthauische schließt sich am nächsten an. Wir haben aber in zwei Altitalischen Mundarten zwei Exemplare. In dem einen sind die Buchstaben stehen geblieben, und die Thiergattung ist vertauscht; in dem andern hat sich die Thiergattung behauptet, und ein Buchstabe ist nach einer bekannten Regel vertauscht. Lateinisch hircus, ursprünglich Fircus oder Vircus. Dieß wäre also den Beispielen in der Indischen Bibliothek beizufügen. Samnitisch oder Oskisch hirpus oder Firpus, der Wolf. Da vulfs im Gothischen seine Wurzel hat so möchte ich nicht versuchen es mit wrika zu identificiren; noch weniger, wie Bopp gethan, lupus und λύκος. Unter sich sind diese Namen genau verbunden, auch in der Quantität übereinstimmend; von den übrigen möchte ich sie aber lieber sondern. ἀλώπηξ scheint mir auch fremd und unerklärlich, und am wenigsten möchte ich hier, wo vom ursprünglichen die Rede ist, den Corruptionen des Neugriechischen und der Romanischen Mundarten eine Stelle gönnen. Sollte das Spanische raposo nicht aus rabiosus entstanden seyn? Stammt das Französische fouine wirklich von foin her, oder vielleicht von dem Gothischen faúhô? Im Sanskrit heißt der Fuchs Khikhi, dieß scheint Nachahmung des Geschreies zu seyn; sonst umschreibend: ulkâ-mukhin, Brandschnauze.
Es ist merkwürdig, daß in der Indischen Fabel und selbst in der Sprache der Löwe als der König der Thierwelt erscheint, da ihm doch der Tiger diese Ehre hätte streitig machen können, welcher dort weit häufiger und allgemeiner verbreitet ist. Die Dichter schildern häufig die Kämpfe des Löwen mit dem Elephanten, und jenen immer als den Sieger. Haben doch die Engländer noch ganz vor kurzem sogar die Existenz des Löwen in Indien bezweifelt. Vielleicht war dieses Thier immer mehr in dem nördlichen Theile des Landes zu Hause. Desto räthselhafter wäre der Name von Ceylon, Sinhâla, Aufenthalt des Löwen. Überhaupt ist der dichterische Ruhm des Löwen seit Homer von Asien ausgegangen, von Ländern, wo das Geschlecht jetzt ausgestorben ist; die bildende Kunst der Aegyptier und Griechen aber hat ihre Modelle aus Africa hergenommen. In Bezug auf den Asiatischen Löwen ist in der Naturgeschichte noch eine vollkommene Lücke. Daß im Reinhart der Löwe König der Thierwelt ist, muß doch wohl dem Vorbilde des classischen Alterthums oder dem Einflusse der Kreuzzüge zugeschrieben werden. Durch diese kam er ja auch in die Heraldik.
Da Sie, wie ich sehe, mit Fauriel in einem persönlichen Verhältnisse stehen, so wird es Ihnen vielleicht nicht uninteressant seyn, zu lesen was ich über seine Schrift vom Ursprunge der Rittergedichte gesagt habe. Es steht, in mehrere Artikel vertheilt, im Journal des Débats, vom October bis Januar.
Sie scheinen anzunehmen im Süden von Frankreich sey weniger Deutsches Geblüt als im Norden. Ich sollte meynen, wenigstens eben so viel, nämlich außer dem Fränkischen, Westgothisches, Ostgothisches und Burgundisches. Man sehe nur die Namen in den Diplomen.
Seyn Sie versichert, mein hochverehrter Freund, die Berichtigung eines Irrthums ist mir immer willkommen, wie übelwollend und in welchem Tone sie immer vorgetragen werden möge. Nur muß ich mich erst überzeugt haben, daß es wirklich eine Berichtigung ist, und beim Perceval höre ich manches zuversichtlich behaupten, was mir noch sehr problematisch scheint. Die Namen sind entsetzlich corrumpirt, entweder durch die Abschreiber, oder durch ungenaue Auffassung und ungeschickte Schreibung von Seiten des Dichters selbst. Und dieß ist geschehen bei Namen, deren Laute sich ganz bequem in Deutschen Buchstaben ausdrücken ließen z. B. Pelrapeire für Belrepaire. Was halten Sie von folgenden in dem Fragment des Titurel vorkommenden Namen: der Fürst von Graswaldane, und der Hund Gardeviaz? Sind die Formen Französisch oder Provenzalisch? Das erste bedeutet Grésivaudan, Provenzalisch vermuthlich Grasivaldana. Bemerken Sie, daß in dem modernen geographischen Namen noch eine Spur der südlichen Mundart stehen geblieben ist, denn um ächt Französisch zu seyn, müßte es – vaudain oder – vaudaine heißen. Den zweiten Namen hat der Dichter ganz richtig erklärt. Provenzalisch gardaviátz, es ist von viát nicht von vía.
Bei der Bemerkung über die Homerischen Namen p. CCXXIX erlauben Sie mir, den Trojanischen Helden Sans-souci, Οὐκαλέγων, in Erinnerung zu bringen. Meines Erachtens sind in Homer sehr viele Namen von Nebenpersonen rein ersonnen, und zwar zum Theil sprechend. Unsre Ansichten vom alten Epos weichen darin von einander ab, daß Sie der instinctmäßig wirkenden Überlieferung mehr zuschreiben, ich der besonnenen und absichtlichen Dichtung. Dieß wissen wir ja beiderseits lange, und wollen uns, hoffe ich, nicht darum entzweien.
Ich habe Ihnen mehr vorgeschwatzt, als ich anfangs zu thun gedachte. Ich hätte mir auch diese Episode nicht erlauben dürfen, wenn nicht gerade durch Krankheit des auf das Sanskrit eingeübten Setzers ein Stillstand in der Druckerei eingetreten wäre.
Ich habe zwei Übersetzungen des Hitôpadêśa in der Arbeit: eine Lateinische und eine Deutsche mit versificirten Sentenzen. Beide kosten mir viele Mühe und rücken nur langsam vor.
Haben Sie einige Abhandlungen über die Sprache, die Künste und geselligen Verfassungen der Thiere von Dupont de Nemours gelesen? Sie sind aus treuer Beobachtung der Natur geschrieben, ich habe die mündlichen Mittheilungen des liebenswürdigen Greises darüber oft mit Vergnügen angehört. Bei der Französischen Akademie haben sie ihn ausgelacht besonders mit seinen Sprachen der Vögel, weil sie eben keinen Sinn dafür und den Mechanismus im Kopfe hatten.
So mußte es kommen, daß die Engländer bei Ihnen für das Angelsächsische in die Schule gehen. Eine correcte Ausgabe des Beowulf und des Perceval, beide zwar ohne Entwickelung der kritischen Gründe: gewiß recht schön und wünschenswerth!
Nun wollte ich nur, es fänden sich hülfreiche Gelehrte, welche uns andern die schwierigen Gedichte ausführlich erklärten.
Warum kommen Sie denn gar nicht einmal an den Rhein? Es ist ja jetzt so leicht geworden. Auf dem Herwege gingen Sie über Mainz, von wo man den Strom bis hieher in einem halben Tage hinunter fliegt; den Rückweg nähmen Sie durch Westphalen.
Leben Sie recht wohl, und seyn Sie meiner regen Teilnahme an allen Ihren Unternehmungen und meiner freundschaftlichsten Gesinnungen versichert.
Ganz der Ihrige
A. W. v. Schlegel

d. 9t Febr.
Pag. CCLXXXI ist rachasi keine Thiergattung, sondern eine dämonische Riesin, richtig geschrieben râkshasî. – Sommona-codom ist der corrumpirte Name des Buddha. Der zweite Bestandtheil ist Gôtama, über den ersten zweifelt man, ob es samâna oder śramańa seyn soll.
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Bonn d. 5tn Jan. 1834
Sie haben mir, mein hochverehrter Herr und Freund, durch das Geschenk Ihres neuen Werkes eine lebhafte Freude gemacht. Da ich meine eigene Saumseligkeit im Briefwechsel kenne, so will ich die Bezeugung meines Dankes nicht bis dahin verschieben, wenn ich Muße gefunden haben werde das reichhaltige Buch gründlich zu studiren. Ich bin zwar wie ein Habicht darüber hergefallen, aber ich darf doch nur flüchtig naschen, da ich eben in einer ganz andern Arbeit stecke. Einige Bemerkungen über Nebendinge sind Ihnen vielleicht nicht unwillkommen.
Hr. Ewald hat Ihnen, wie zu erwarten stand, die Namen im Hitôpadêśa ganz richtig gedeutet. Die Ableitungssylbe Ka (nicht aka, das a gehört zum Hauptworte) ist verkleinernd, hypokoristisch, zuweilen mit einem Nebenbegriff der Geringschätzung, zuweilen bloß aneignend. Z. B. laghu, leicht, patana, der Flug: davon die Krähe: laghu patanaka, Levipennis; die Feldmaus, weil sie aufspeichert, von hirańya, Gold, hiranyaka, Chrysillus. Aber bei weitem nicht alle Namen im Hitôpadêśa endigen so. Alle sind bedeutsam, entweder malerisch oder charakteristisch, ich erinnere mich keiner solchen, die willkührlich aus der Menschenwelt entlehnt wären.
Seite CCLXXII u. f. wird überall für Hitôpadêśa Panchatantra zu setzen seyn. Nur von dem letzten gilt, was Sie von jenem sagen. Sie scheinen Colebrookeʼs Vorrede zu der Seramporer Ausgabe des Hitôpadêśa nicht gelesen zu haben. Das Buch ist noch bei dem Buchhändler der Ostindischen Compagnie, und wegen der eben erwähnten Vorrede, theils auch als der erste von Europäern besorgte Text verdient es einen Platz in der Göttingischen Bibliothek. Ferner Silvestre de Sacyʼs Einleitung zu dem Arabischen Calilah. Wilsons Auszug aus dem Panchatantra in den Transactions of the Royal Asiatic Society of Great Britain.
Als ich im J. 1823 einige Monate in London zubrachte, sah ich noch nicht voraus, daß ich mir die Episode mit der Ausgabe des Hitôpadêśa erlauben würde, sonst hätte ich meine Aufmerksamkeit sogleich mit auf das Panchatantra gerichtet. Dieser Name bedeutet nicht die fünf Listen, sondern die fünf Abhandlungen. Nicht der Hitôpadêśa sondern das P.[ancha] T.[antra] ist das Original aller durch Vorder-Asien und Europa verbreiteten Übersetzungen und Nachahmungen. Der Hitôpadêśa ist, soviel ich weiß, erst in neueren Zeiten über die Gränzen Indiens hinausgekommen. Das P. T. wurde von dem Leibarzte des Nuschirwan nach Persien gebracht, es war also um die Mitte des 6ten Jh. nicht nur vorhanden, sondern schon berühmt. Ob man es aber darum in das 2te Jh. zurückschieben darf? Wenn wir erst eine kritische Ausgabe des P. T. haben, dann wird sich mit mehr Sicherheit davon sprechen lassen. Colebrooke hat eine Erwähnung des Astronomen Varâhamihira daraus angeführt, aber mehr um das Zeitalter des Astronomen, als um das Alter des Fabelbuchs zu bestimmen. In beiden Büchern wird der Erzähler Vishnu-śarman genannt; aber es ist nicht genau zu sagen, der Verfasser habe so geheißen; Vishnu-śarman ist vielmehr eine erdichtete Person. Der Vf. beider Bücher blieb anonym, vermuthlich aus dem ganz natürlichen Grunde, weil er mehr Sammler als Erfinder war.
Der Hitôpadêśa kann demnach schwerlich früher als in das 7te Jh. gesetzt werden. Ich bin noch nicht ausdrücklich auf Zeitbestimmungen ausgegangen, doch fallen mir ein paar bei. Der Schauplatz, nämlich der Schauplatz der Einfassung, ist in Pâtaliputra, dem Palibothra des Megasthenes, und in allen Handschriften heißt es im Praesens: die Stadt liegt am Ufer des Ganges. Aber nun wissen wir wieder nicht, wann diese große Hauptstadt verödet worden. In L. 11, fab. 2 wird in Magadha, dem Stammlande der Buddhistischen Religion, ein Buddha-Tempel, vihâra, gebaut. Die Benennung dieser Provinz Behar, ist eben nichts anders als der eben erwähnte Name. Dieß deutet auf eine Zeit, wo die Buddhistische Religion dort noch frei ausgeübt ward.
Der Vf. des Hitôpadêśa sagt ganz redlich und bescheiden:
„Der Freunde Wahl, die Entzweiung, der Krieg ferner, der Friede dann,
Wird, geschöpft aus den Fünf-Büchern, und aus andern, beschrieben hier.“
Die Erzählungen im P. T. sind ausführlicher und zahlreicher; der Hitôpadêśa ist reicher an Sentenzen, und das hat wohl hauptsächlich sein Glück gemacht. Es ist eine Anthologie aus der gesamten Alt-Indischen Litteratur. Viele dieser Sprüche sind sehr alt, aus dem Gesetzbuch des Manu, dem Râmâyańa, dem Mahâ Bhârata; andre mehr modern von Bhartrihari, aus Schauspielen, u.s.w. Herr Lassen hat schon mehrere nachgewiesen. Dieses wird, bei gehöriger Vorsicht gegen die Interpolationen, zu relativen Zeitbestimmungen führen. Überhaupt ergiebt sich aus mancherlei Kennzeichen daß die dramatische Kunst schon ziemlich entwickelt war, als der Hitôpadêśa abgefaßt ward.
Der Ursprung der Thierfabel muß aber dennoch bei den Indiern in ein entferntes Alterthum gesetzt werden. Anspielungen, sprüchwörtliche Redensarten, deuten schon bei Manu darauf. So allgemein bekannt waren diese Fabelgleichnisse, daß eigne Worte dafür ausgeprägt wurden. Lesen Sie doch Lassens Anmerkung zu Dist. 34 der Einleitung des Hitôpadêśa. Wilson hat in der neuen Ausgabe seines Lexicons das Wort Kâkatâlîya, aber er hat es ganz falsch erklärt. Folgendes Beispiel steht im Râmâyańa L. 11, c. XII, 40. śyêna, der Habicht, Kapôta, die Taube; hieraus zusammengesetzt śyênakapôtîya, heißt: die Geschichte vom Habicht und der Taube. Eine vom Habicht verfolgte Taube rettet sich in den Busen eines Königs. Der Habicht sagt Du thust mir Unrecht, König, da Du mir meinen schon sichern Raub vorenthältst. Der König erwiedert: Begehre alles was Du willst, nur laß mich meinen Schützling retten. Der Habicht fodert zum Ersatz des Königs eignes Herz, dieser giebt es ihm, um sein Wort zu halten, und kommt dafür in den Himmel. Diese ganze Anspielung hat der Dichter in einen einzigen Vers gefaßt. Ferner giebt es eine Anzahl Wörter welche die Feindschaft zweier Thiergattungen z. B. Krähe und Ente, durch die beiden Namen mit einer Ableitungssylbe ausdrücken.
Nachträglich bemerke ich, daß die Namen der beiden Schakals vortrefflich zu ihren Rollen passen, damanaka, der Wohlgezogenling, predigt die Grundsätze der Servilität, Karaṫaka, der Krähenhafte, macht sich mausig mit Reden, versteht sich in Abwesenheit des Löwen; jener ist aber der Schlauere und Gewandtere.
Für das aufgefundene Zeugniß des Themistius bin ich Ihnen sehr dankbar. Das Baktrische und Syrische Reich konnten wohl eine Brücke bilden, aber ich vermuthe weit frühere Verpflanzungen Indischer Dichtung. Woher haben die Griechen ihre sieben Weisen? Sie konnten ja nicht einmal über die Personen einig werden. Die sieben Weisen Indiens sind uralt, und als die Sterne des großen Bären an den Himmel versetzt. Ist nicht Aesopus selbst eine morgenländische Fabelfigur?
Auf die Erfindung des Reinhart, diese biographische Zusammenstellung von Fuchs und Wolf habe ich von Seiten Indiens nicht den mindesten Anspruch zu machen: beide sind keine Indischen Fabelthiere, und scheinen überhaupt die Einbildungskraft der Dichter wenig beschäftigt zu haben, wiewohl die Namen der classischen Sprache nicht fehlen. Freilich die Rolle des Fuchses spielt so ziemlich der Schakal, doch scheinen die Sitten der beiden Gattungen noch beträchtlich verschieden zu seyn. Die heutigen Bengalen nennen den Fuchs einen kleinen Schakal.
Ich bin mit ihnen über den Grundsatz einig, daß man nicht unnützer Weise Entlehnungen annehmen muß. Doch scheint mir folgendes ein untrügliches Kennzeichen zu seyn. Wenn in zwei Exemplaren derselben Fabel eine andre Thiergattung substituirt wird, so ist die Erfindung gewiß da zu Hause, wo die Handlung am besten mit der Naturgeschichte übereinstimmt. In den sieben weisen Meistern rettet ein Hund das Kind in der Wiege, indem er eine Schlange tödtet, und wird dafür von seinem Herrn aus Mißverständniß umgebracht. Die Fabel steht im Hitôpadêśa, aber da ist es eine Art Wiesel, viverraichneumon, ein beliebtes Hausthierchen, dessen Feindschaft mit den Schlangen in Indien sprüchwörtlich bekannt ist. Hier könnten wir freilich dieses Kennzeichen entbehren, denn jenes Buch ist ja ausgemacht eine über Constantinopel nach Europa gebrachte Indische Dichtung. Vermuthlich nach einer Persischen Übertragung, denn in dem Griechischen Text heißt der Vater des verläumdeten Prinzen, Cyrus.
Der Indische Name des Wolfes ist vŕika, mit r vocalis. Das Litthauische schließt sich am nächsten an. Wir haben aber in zwei Altitalischen Mundarten zwei Exemplare. In dem einen sind die Buchstaben stehen geblieben, und die Thiergattung ist vertauscht; in dem andern hat sich die Thiergattung behauptet, und ein Buchstabe ist nach einer bekannten Regel vertauscht. Lateinisch hircus, ursprünglich Fircus oder Vircus. Dieß wäre also den Beispielen in der Indischen Bibliothek beizufügen. Samnitisch oder Oskisch hirpus oder Firpus, der Wolf. Da vulfs im Gothischen seine Wurzel hat so möchte ich nicht versuchen es mit wrika zu identificiren; noch weniger, wie Bopp gethan, lupus und λύκος. Unter sich sind diese Namen genau verbunden, auch in der Quantität übereinstimmend; von den übrigen möchte ich sie aber lieber sondern. ἀλώπηξ scheint mir auch fremd und unerklärlich, und am wenigsten möchte ich hier, wo vom ursprünglichen die Rede ist, den Corruptionen des Neugriechischen und der Romanischen Mundarten eine Stelle gönnen. Sollte das Spanische raposo nicht aus rabiosus entstanden seyn? Stammt das Französische fouine wirklich von foin her, oder vielleicht von dem Gothischen faúhô? Im Sanskrit heißt der Fuchs Khikhi, dieß scheint Nachahmung des Geschreies zu seyn; sonst umschreibend: ulkâ-mukhin, Brandschnauze.
Es ist merkwürdig, daß in der Indischen Fabel und selbst in der Sprache der Löwe als der König der Thierwelt erscheint, da ihm doch der Tiger diese Ehre hätte streitig machen können, welcher dort weit häufiger und allgemeiner verbreitet ist. Die Dichter schildern häufig die Kämpfe des Löwen mit dem Elephanten, und jenen immer als den Sieger. Haben doch die Engländer noch ganz vor kurzem sogar die Existenz des Löwen in Indien bezweifelt. Vielleicht war dieses Thier immer mehr in dem nördlichen Theile des Landes zu Hause. Desto räthselhafter wäre der Name von Ceylon, Sinhâla, Aufenthalt des Löwen. Überhaupt ist der dichterische Ruhm des Löwen seit Homer von Asien ausgegangen, von Ländern, wo das Geschlecht jetzt ausgestorben ist; die bildende Kunst der Aegyptier und Griechen aber hat ihre Modelle aus Africa hergenommen. In Bezug auf den Asiatischen Löwen ist in der Naturgeschichte noch eine vollkommene Lücke. Daß im Reinhart der Löwe König der Thierwelt ist, muß doch wohl dem Vorbilde des classischen Alterthums oder dem Einflusse der Kreuzzüge zugeschrieben werden. Durch diese kam er ja auch in die Heraldik.
Da Sie, wie ich sehe, mit Fauriel in einem persönlichen Verhältnisse stehen, so wird es Ihnen vielleicht nicht uninteressant seyn, zu lesen was ich über seine Schrift vom Ursprunge der Rittergedichte gesagt habe. Es steht, in mehrere Artikel vertheilt, im Journal des Débats, vom October bis Januar.
Sie scheinen anzunehmen im Süden von Frankreich sey weniger Deutsches Geblüt als im Norden. Ich sollte meynen, wenigstens eben so viel, nämlich außer dem Fränkischen, Westgothisches, Ostgothisches und Burgundisches. Man sehe nur die Namen in den Diplomen.
Seyn Sie versichert, mein hochverehrter Freund, die Berichtigung eines Irrthums ist mir immer willkommen, wie übelwollend und in welchem Tone sie immer vorgetragen werden möge. Nur muß ich mich erst überzeugt haben, daß es wirklich eine Berichtigung ist, und beim Perceval höre ich manches zuversichtlich behaupten, was mir noch sehr problematisch scheint. Die Namen sind entsetzlich corrumpirt, entweder durch die Abschreiber, oder durch ungenaue Auffassung und ungeschickte Schreibung von Seiten des Dichters selbst. Und dieß ist geschehen bei Namen, deren Laute sich ganz bequem in Deutschen Buchstaben ausdrücken ließen z. B. Pelrapeire für Belrepaire. Was halten Sie von folgenden in dem Fragment des Titurel vorkommenden Namen: der Fürst von Graswaldane, und der Hund Gardeviaz? Sind die Formen Französisch oder Provenzalisch? Das erste bedeutet Grésivaudan, Provenzalisch vermuthlich Grasivaldana. Bemerken Sie, daß in dem modernen geographischen Namen noch eine Spur der südlichen Mundart stehen geblieben ist, denn um ächt Französisch zu seyn, müßte es – vaudain oder – vaudaine heißen. Den zweiten Namen hat der Dichter ganz richtig erklärt. Provenzalisch gardaviátz, es ist von viát nicht von vía.
Bei der Bemerkung über die Homerischen Namen p. CCXXIX erlauben Sie mir, den Trojanischen Helden Sans-souci, Οὐκαλέγων, in Erinnerung zu bringen. Meines Erachtens sind in Homer sehr viele Namen von Nebenpersonen rein ersonnen, und zwar zum Theil sprechend. Unsre Ansichten vom alten Epos weichen darin von einander ab, daß Sie der instinctmäßig wirkenden Überlieferung mehr zuschreiben, ich der besonnenen und absichtlichen Dichtung. Dieß wissen wir ja beiderseits lange, und wollen uns, hoffe ich, nicht darum entzweien.
Ich habe Ihnen mehr vorgeschwatzt, als ich anfangs zu thun gedachte. Ich hätte mir auch diese Episode nicht erlauben dürfen, wenn nicht gerade durch Krankheit des auf das Sanskrit eingeübten Setzers ein Stillstand in der Druckerei eingetreten wäre.
Ich habe zwei Übersetzungen des Hitôpadêśa in der Arbeit: eine Lateinische und eine Deutsche mit versificirten Sentenzen. Beide kosten mir viele Mühe und rücken nur langsam vor.
Haben Sie einige Abhandlungen über die Sprache, die Künste und geselligen Verfassungen der Thiere von Dupont de Nemours gelesen? Sie sind aus treuer Beobachtung der Natur geschrieben, ich habe die mündlichen Mittheilungen des liebenswürdigen Greises darüber oft mit Vergnügen angehört. Bei der Französischen Akademie haben sie ihn ausgelacht besonders mit seinen Sprachen der Vögel, weil sie eben keinen Sinn dafür und den Mechanismus im Kopfe hatten.
So mußte es kommen, daß die Engländer bei Ihnen für das Angelsächsische in die Schule gehen. Eine correcte Ausgabe des Beowulf und des Perceval, beide zwar ohne Entwickelung der kritischen Gründe: gewiß recht schön und wünschenswerth!
Nun wollte ich nur, es fänden sich hülfreiche Gelehrte, welche uns andern die schwierigen Gedichte ausführlich erklärten.
Warum kommen Sie denn gar nicht einmal an den Rhein? Es ist ja jetzt so leicht geworden. Auf dem Herwege gingen Sie über Mainz, von wo man den Strom bis hieher in einem halben Tage hinunter fliegt; den Rückweg nähmen Sie durch Westphalen.
Leben Sie recht wohl, und seyn Sie meiner regen Teilnahme an allen Ihren Unternehmungen und meiner freundschaftlichsten Gesinnungen versichert.
Ganz der Ihrige
A. W. v. Schlegel

d. 9t Febr.
Pag. CCLXXXI ist rachasi keine Thiergattung, sondern eine dämonische Riesin, richtig geschrieben râkshasî. – Sommona-codom ist der corrumpirte Name des Buddha. Der zweite Bestandtheil ist Gôtama, über den ersten zweifelt man, ob es samâna oder śramańa seyn soll.
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