• August Böckh to August Wilhelm von Schlegel

  • Place of Dispatch: Berlin · Place of Destination: Bonn · Date: 04.07.1837
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
    Metadata Concerning Header
  • Sender: August Böckh
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel
  • Place of Dispatch: Berlin
  • Place of Destination: Bonn
  • Date: 04.07.1837
    Printed Text
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: 343347008
  • Bibliography: Briefe von und an August Wilhelm Schlegel. Gesammelt und erläutert durch Josef Körner. Bd. 1. Zürich u.a. 1930, S. 524‒525.
  • Incipit: „[1] Mit vielem Vergnügen, hochverehrter Freund und Gönner, habe ich die Anlage Ihres freundlichen Briefes vom 18. d. M. an die [...]“
    Manuscript
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: DE-611-38972
  • Classification Number: Mscr.Dresd.e.90,XIX,Bd.3,Nr.41
  • Number of Pages: 3 S. auf Doppelbl., hs. m. U.
  • Format: 22,2 x 13,5 cm
[1] Mit vielem Vergnügen, hochverehrter Freund und Gönner, habe ich die Anlage Ihres freundlichen Briefes vom 18. d. M. an die Staatszeitung befördert, und Sie werden wohl dieselbe schon selber darin gefunden haben; sie steht, wenn ich mich recht erinnre, in N. 174. Ihre Erklärung der Inschrift ist so einleuchtend, daß es unnöthig ist, noch irgend ein Wort mehr darüber zu sagen. Wenn Sie nicht alle Inschriften des Bonner Museums herausgeben mögen, kann ich es Ihnen nicht verdenken. Es ist bei solchen Arbeiten viel Unerfreuliches; ich verhehle nicht, daß ich allmählig auch ermüdet bin durch die Herausgabe der Inschriften, obgleich ich sonst einen ziemlich langen Athem und wenn gleich nicht eben viel Geduld, doch viel Überwindung der Ungeduld habe. Auch fühle ich wie Sie bei Ihrer Direction des Museums, wo nicht Mangel an Anerkennung, doch Mangel an Unterstützung. Ich habe die Arbeit nur unternommen, weil mir versprochen wurde, es würden andre mithelfen; die aber helfen sollten und wollten, haben bei Lebzeiten nicht viel geholfen, und sind obendrein fast alle weggestorben; der einzige noch lebende ist Bekker, welcher für das far niente bezahlt wird, obgleich es kein dolce zu seyn scheint: denn er sieht wenigstens dabei sehr griesgramig aus. Aus einigem Überdruß habe ich daher auch das letzte Jahr nichts an den Inschriften weiter gefördert, werde aber am Ende doch wieder daran gehen müssen, so viel meine Zeit erlaubt, die ich großentheils mit unbedeutenden Geschäften vertrödeln muß, die ein Schreiber fast ebenso gut machen könnte. Während ich die Inschriften ausgesetzt habe, bin ich zufällig auf eine andre Arbeit gerathen, deren unendliche Mühseligkeit ich mich nicht habe verdrießen lassen; [2] es ist eine Betrachtung der vorzüglichsten Maß- und Gewichtsysteme des gesammten Alterthums und vorzüglich der Münzfüße. Der Gegenstand scheint an sich sehr trocken; ungesucht habe ich ihm aber, wie ich glaube, eine welthistorische Beziehung abgewonnen, und bin auf einen Zusammenhang gerathen, der freilich vielen ein großes Aergerniß seyn wird: denn ich leite alles aus Babylon her, mit welchem Aegypten in den ältesten Zeiten in Verbindung gewesen seyn muß: denn ich finde zwischen beiden in Maß und Gewicht die vollste Übereinstimmung, und mit beiden wieder eine solche Übereinstimmung der Griechischen Systeme, daß ursprüngliche Identität nicht zu läugnen seyn dürfte. Die Vermittler waren unstreitig die Phönicier. Ich habe, gerade in diesen Untersuchungen begriffen, mit großem Vergnügen Ihre von Ihnen mir gütig übersandte Vorrede zu Prichard gelesen, die freilich nicht unmittelbar in meinen Gegenstand einschlägt, aber mich doch angenehm berührte, weil sie auf die besonnenste und geistreichste Weise praktisch den Weg vorzeigt, auf welchem die Vergleichung der Institute des entferntesten Alterthums möglich wird. Auch hängt meine Untersuchung über Maß und Gewicht wesentlich mit den astronomischen Beschäftigungen der Orientalen zusammen, nicht nach Art der Franzosen, welche die Maße aus Gradmessungen ableiten, welches höchst ungereimt ist, sondern mittelst der Zeitmessung, welche für die astronomischen Beobachtungen nöthig war, und welche nach dem Maß und Gewicht des Wassers bestimmt wurde. Ich habe meine Untersuchungen von Babylon bis Rom fortgeführt; für Rom hatte ich von Niebuhr etwas erwartet, da er für einen Financier galt: ich habe aber nichts als verwirrte Vorstellungen und grundlose Hypothesen bei ihm gefunden, deren Wider[3]legung mir den Zorn der Nachbeter zuziehen wird.
In den Homerischen Untersuchungen stimme ich vollkommen mit Ihnen überein. Es ist ein kleinlicher Geist in diese Studien gefahren, der immer mehr um sich greift; denn es sind, wenn wir Welcker ausnehmen, dessen Methode nicht geeignet ist Licht zu schaffen, so außerordentlich auch seine Gelehrsamkeit und Combination ist, kleinliche Menschen, die sich damit beschäftigen, und die gewaltig gegen Wolfs Großartigkeit abstechen, der, obgleich durch und durch unphilosophisch, doch einen großen herrscherartigen Blick hatte.
Ich schließe mit der Versicherung meiner innigsten Verehrung, die, wie ich von Jugend auf für Sie diese empfunden habe, immer in mir fortleben wird.
Von Herzen der Ihrige
Böckh
Berlin d. 4. Juli 1837
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[1] Mit vielem Vergnügen, hochverehrter Freund und Gönner, habe ich die Anlage Ihres freundlichen Briefes vom 18. d. M. an die Staatszeitung befördert, und Sie werden wohl dieselbe schon selber darin gefunden haben; sie steht, wenn ich mich recht erinnre, in N. 174. Ihre Erklärung der Inschrift ist so einleuchtend, daß es unnöthig ist, noch irgend ein Wort mehr darüber zu sagen. Wenn Sie nicht alle Inschriften des Bonner Museums herausgeben mögen, kann ich es Ihnen nicht verdenken. Es ist bei solchen Arbeiten viel Unerfreuliches; ich verhehle nicht, daß ich allmählig auch ermüdet bin durch die Herausgabe der Inschriften, obgleich ich sonst einen ziemlich langen Athem und wenn gleich nicht eben viel Geduld, doch viel Überwindung der Ungeduld habe. Auch fühle ich wie Sie bei Ihrer Direction des Museums, wo nicht Mangel an Anerkennung, doch Mangel an Unterstützung. Ich habe die Arbeit nur unternommen, weil mir versprochen wurde, es würden andre mithelfen; die aber helfen sollten und wollten, haben bei Lebzeiten nicht viel geholfen, und sind obendrein fast alle weggestorben; der einzige noch lebende ist Bekker, welcher für das far niente bezahlt wird, obgleich es kein dolce zu seyn scheint: denn er sieht wenigstens dabei sehr griesgramig aus. Aus einigem Überdruß habe ich daher auch das letzte Jahr nichts an den Inschriften weiter gefördert, werde aber am Ende doch wieder daran gehen müssen, so viel meine Zeit erlaubt, die ich großentheils mit unbedeutenden Geschäften vertrödeln muß, die ein Schreiber fast ebenso gut machen könnte. Während ich die Inschriften ausgesetzt habe, bin ich zufällig auf eine andre Arbeit gerathen, deren unendliche Mühseligkeit ich mich nicht habe verdrießen lassen; [2] es ist eine Betrachtung der vorzüglichsten Maß- und Gewichtsysteme des gesammten Alterthums und vorzüglich der Münzfüße. Der Gegenstand scheint an sich sehr trocken; ungesucht habe ich ihm aber, wie ich glaube, eine welthistorische Beziehung abgewonnen, und bin auf einen Zusammenhang gerathen, der freilich vielen ein großes Aergerniß seyn wird: denn ich leite alles aus Babylon her, mit welchem Aegypten in den ältesten Zeiten in Verbindung gewesen seyn muß: denn ich finde zwischen beiden in Maß und Gewicht die vollste Übereinstimmung, und mit beiden wieder eine solche Übereinstimmung der Griechischen Systeme, daß ursprüngliche Identität nicht zu läugnen seyn dürfte. Die Vermittler waren unstreitig die Phönicier. Ich habe, gerade in diesen Untersuchungen begriffen, mit großem Vergnügen Ihre von Ihnen mir gütig übersandte Vorrede zu Prichard gelesen, die freilich nicht unmittelbar in meinen Gegenstand einschlägt, aber mich doch angenehm berührte, weil sie auf die besonnenste und geistreichste Weise praktisch den Weg vorzeigt, auf welchem die Vergleichung der Institute des entferntesten Alterthums möglich wird. Auch hängt meine Untersuchung über Maß und Gewicht wesentlich mit den astronomischen Beschäftigungen der Orientalen zusammen, nicht nach Art der Franzosen, welche die Maße aus Gradmessungen ableiten, welches höchst ungereimt ist, sondern mittelst der Zeitmessung, welche für die astronomischen Beobachtungen nöthig war, und welche nach dem Maß und Gewicht des Wassers bestimmt wurde. Ich habe meine Untersuchungen von Babylon bis Rom fortgeführt; für Rom hatte ich von Niebuhr etwas erwartet, da er für einen Financier galt: ich habe aber nichts als verwirrte Vorstellungen und grundlose Hypothesen bei ihm gefunden, deren Wider[3]legung mir den Zorn der Nachbeter zuziehen wird.
In den Homerischen Untersuchungen stimme ich vollkommen mit Ihnen überein. Es ist ein kleinlicher Geist in diese Studien gefahren, der immer mehr um sich greift; denn es sind, wenn wir Welcker ausnehmen, dessen Methode nicht geeignet ist Licht zu schaffen, so außerordentlich auch seine Gelehrsamkeit und Combination ist, kleinliche Menschen, die sich damit beschäftigen, und die gewaltig gegen Wolfs Großartigkeit abstechen, der, obgleich durch und durch unphilosophisch, doch einen großen herrscherartigen Blick hatte.
Ich schließe mit der Versicherung meiner innigsten Verehrung, die, wie ich von Jugend auf für Sie diese empfunden habe, immer in mir fortleben wird.
Von Herzen der Ihrige
Böckh
Berlin d. 4. Juli 1837
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