• August Wilhelm von Schlegel to Alexander von Humboldt

  • Place of Dispatch: Bonn · Place of Destination: Berlin · Date: 24.03.1841
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
    Metadata Concerning Header
  • Sender: August Wilhelm von Schlegel
  • Recipient: Alexander von Humboldt
  • Place of Dispatch: Bonn
  • Place of Destination: Berlin
  • Date: 24.03.1841
    Printed Text
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: 343347008
  • Bibliography: Briefe von und an August Wilhelm Schlegel. Gesammelt und erläutert durch Josef Körner. Bd. 1. Zürich u.a. 1930, S. 546‒548.
  • Incipit: „[1] Mein hochverehrter Gönner!
    Ew. Excellenz verehrtes Schreiben vom 24sten Februar habe ich etwas verspätet empfangen, und darin Ihr immer sich gleich [...]“
    Manuscript
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: DE-1a-33865
  • Classification Number: Mscr.Dresd.e.90,XIX,Bd.11,Nr.39
  • Number of Pages: 6S. auf Doppelbl., hs. m. U. u. Adresse
  • Format: 25,5 x 20,8 cm
[1] Mein hochverehrter Gönner!
Ew. Excellenz verehrtes Schreiben vom 24sten Februar habe ich etwas verspätet empfangen, und darin Ihr immer sich gleich bleibendes Wohlwollen dankbar erkannt.
Den glückverheißenden Regierungsantritt unsers angebeteten Königs habe ich aus meiner Ferne und Einsamkeit mit der lebhaftesten Theilnahme begleitet.
Seitdem der Kronprinz zum ersten Male diese Provinzen durch seine Besuche neu belebte, kannten wir die bezaubernde Anmuth in seinem ganzen Wesen, und den hellen durchdringenden Geist in seinen flüchtigsten Äußerungen. Jetzt giebt ihm sein königlicher Beruf Gelegenheit, die feste und ernste Gesinnung seines verewigten Vaters zu bewähren.
Ich brauche Ew. Excellenz nicht zu versichern, daß ich jedem Befehle, ja jedem Winke Sr. Majestät nach besten Kräften Folge leisten werde. Nur muß ich befürchten, bei meinem vorgerückten Alter und einer geschwächten Gesundheit den vielleicht von mir gehegten Erwartungen nicht gehörig entsprechen zu können.
[2] Was die Herausgabe der Werke König Friedrich des Zweiten betrifft, so habe ich schon zu Ende Novembers von dem Königl. Ministerium des öffentlichen Unterrichtes folgende Mittheilung empfangen:
„Mittelst Allerhöchster Cabinets-Ordre vom 5ten v. M. haben des Königs Majestät dem Ministerium zu eröffnen geruhet, daß, da die Correctheit ein Haupt-Erfoderniß der würdigen typographischen Ausstattung eines Werkes sey, Allerhöchstdieselben genehmigten, daß das Anerbieten des Professors von Schlegel, eines auswärtigen Mitgliedes der philosophisch-historischen Klasse der hiesigen Akademie der Wissenschaften, zur Theilnahme an dem fraglichen Werke angenommen und dieserhalb die weitere Einleitung getroffen werde. Das Ministerium setzt Ew. Hochwohlgeboren hievon mit dem Eröffnen in Kenntniß, daß nachdem Se. Majestät durch die eben gedachte Allerhöchste Cabinets-Ordre zugleich die Herausgabe der Werke des Königs Friedrich II der hiesigen Akademie der Wissenschaften zu übertragen geruhet haben, derselben auch überlassen worden ist, wegen der Theilnahme des p [3] von Schlegel an der Herausgabe die weitere Einleitung zu treffen.“
Obiges ist mir durch Herrn G.[eheimen] O.[ber] R.[egierungs] R.[ath] von Rehfues zugekommen. Nun ersehe ich aus Ew. Excellenz Schreiben, daß die hiezu ernannte Commission bereits in Thätigkeit ist. Mir hat jedoch weder die Akademie noch die Commission irgend eine nähere Eröffnung zu Theil werden lassen; und eine solche muß ich doch abwarten, da ich mich nicht wohl ohne eine bestimmte Einladung in einen schon geschlossenen Kreis eindrängen kann. Ich weiß nicht einmal, ob das in den Zeitungen gegebene nicht amtliche Verzeichniß richtig ist, worin nach Ew. Excellenz Hr. Böckh als Präsident, die Herren von Raumer und Ranke als Mitglieder, und Hr. Preuß als Secretär genannt werden.
Ich habe vorläufig meine Bekanntschaft mit Friedrichs des Großen Werken erneuert, aber noch keine vollständige Übersicht gewinnen können, weil unsre Universitäts-Bibliothek nur weniges von den bisherigen Ausgaben besitzt.
Ich kenne einen unternehmenden und philosophischen Naturforscher, der unter wichtigen Geschäften ganz anderer Art [4] sein wissenschaftliches Fach immer noch unermüdet anbaut; dessen zahlreiche in Französischer Sprache abgefaßte Werke eben so sehr wegen ihrer Form als ihres Gehaltes gepriesen werden. Wenn diesem in und außer Europa eben so berühmten Gelehrten, als Leibnitz es vor einem Jahrhundert war, die Leitung des ganzen Unternehmens übertragen wäre, mit der Vollmacht, die nöthigen Mitarbeiter selbst zu wählen: so würde mir der befriedigendste Erfolg vollkommen gesichert zu sein scheinen.
Es war ein natürlicher Gedanke, der Akademie die Herausgabe der Werke ihres Stifters aufzutragen. Aber freilich, die Akademie Friedrichs des Großen war eine ganz Französische; die jetzige hat in diesem Stücke wie in vielen andern eine völlige Umwandlung erfahren.
Daß der Herausgeber Französischer Schriften, die bisher durch Nachläßigkeit, Unwissenheit oder Verfälschung entstellt, noch nie in ihrer ächten Gestalt erschienen sind, und nun in Deutschland nach einem gereinigten Text authentisch gedruckt werden sollen, eine gründliche Kenntniß der Französischen Sprache besitzen müsse, wird wohl niemand in Abrede stellen.
[5] Eine gründliche Kenntniß nenne ich eine solche, die den Besitzer in den Stand setzt, das Französische wie seine Muttersprache zu schreiben, und zwar nicht bloß in Briefen, sondern für die strengere Prüfung des Druckes. Diese Kenntniß ist nun unter den Deutschen Gelehrten heut zu Tage ungemein selten. Sie lesen Französische Bücher und verstehen sie gut oder übel, und übersetzen sie gut oder übel, und dabei hat es sein Bewenden.
Wie kläglich es ausfällt, wenn dieses Erfoderniß fehlt, daran können Ew. Excellenz an der neuesten Ausgabe von Leibnitzens philosophischen Schriften ein Beispiel sehen. Der Herausgeber, Prof. Erdmann in Halle, gesteht den fehlerhaften Abdruck ein, entschuldigt sich aber mit seiner mangelhaften Kenntniß der Sprache. Ich finde die Entschuldigung ganz ungültig. Wer eine gelehrte Arbeit unternimmt, muß die dazu nöthigen Kenntnisse entweder schon besitzen, oder sie sich erwerben; auf keinen Fall aber eine ungeweihte Hand anlegen. Außer den häufigen Druckfehlern wiederholt sich ein Verstoß gegen die typographische Sitte beinahe auf allen Blättern: nämlich die gesperrten Buchstaben in einzelnen Wörtern und ganzen Sätzen, die in Frankreich niemals vorkommen. Beides reicht hin, um dem Buche ohne alle Schuld [6] des Autors (denn Leibnitz war, eben so wohl wie Friedrich der Große, ein vortrefflicher Kenner der Französischen Sprache;) un air furuieusement tudesque zu geben.
Wenn Ew. Excellenz es erlauben, so werde ich Ihnen nächstens über die Ausstattung der Werke des königlichen Geschichtschreibers und Dichters mit allem, was sie für das heutige Europäische Publicum in ihr volles Licht stellen kann, einige vorläufige Ansichten vorlegen. Genehmigen Sie pp
Bonn d. 24sten März 1841
[1] Mein hochverehrter Gönner!
Ew. Excellenz verehrtes Schreiben vom 24sten Februar habe ich etwas verspätet empfangen, und darin Ihr immer sich gleich bleibendes Wohlwollen dankbar erkannt.
Den glückverheißenden Regierungsantritt unsers angebeteten Königs habe ich aus meiner Ferne und Einsamkeit mit der lebhaftesten Theilnahme begleitet.
Seitdem der Kronprinz zum ersten Male diese Provinzen durch seine Besuche neu belebte, kannten wir die bezaubernde Anmuth in seinem ganzen Wesen, und den hellen durchdringenden Geist in seinen flüchtigsten Äußerungen. Jetzt giebt ihm sein königlicher Beruf Gelegenheit, die feste und ernste Gesinnung seines verewigten Vaters zu bewähren.
Ich brauche Ew. Excellenz nicht zu versichern, daß ich jedem Befehle, ja jedem Winke Sr. Majestät nach besten Kräften Folge leisten werde. Nur muß ich befürchten, bei meinem vorgerückten Alter und einer geschwächten Gesundheit den vielleicht von mir gehegten Erwartungen nicht gehörig entsprechen zu können.
[2] Was die Herausgabe der Werke König Friedrich des Zweiten betrifft, so habe ich schon zu Ende Novembers von dem Königl. Ministerium des öffentlichen Unterrichtes folgende Mittheilung empfangen:
„Mittelst Allerhöchster Cabinets-Ordre vom 5ten v. M. haben des Königs Majestät dem Ministerium zu eröffnen geruhet, daß, da die Correctheit ein Haupt-Erfoderniß der würdigen typographischen Ausstattung eines Werkes sey, Allerhöchstdieselben genehmigten, daß das Anerbieten des Professors von Schlegel, eines auswärtigen Mitgliedes der philosophisch-historischen Klasse der hiesigen Akademie der Wissenschaften, zur Theilnahme an dem fraglichen Werke angenommen und dieserhalb die weitere Einleitung getroffen werde. Das Ministerium setzt Ew. Hochwohlgeboren hievon mit dem Eröffnen in Kenntniß, daß nachdem Se. Majestät durch die eben gedachte Allerhöchste Cabinets-Ordre zugleich die Herausgabe der Werke des Königs Friedrich II der hiesigen Akademie der Wissenschaften zu übertragen geruhet haben, derselben auch überlassen worden ist, wegen der Theilnahme des p [3] von Schlegel an der Herausgabe die weitere Einleitung zu treffen.“
Obiges ist mir durch Herrn G.[eheimen] O.[ber] R.[egierungs] R.[ath] von Rehfues zugekommen. Nun ersehe ich aus Ew. Excellenz Schreiben, daß die hiezu ernannte Commission bereits in Thätigkeit ist. Mir hat jedoch weder die Akademie noch die Commission irgend eine nähere Eröffnung zu Theil werden lassen; und eine solche muß ich doch abwarten, da ich mich nicht wohl ohne eine bestimmte Einladung in einen schon geschlossenen Kreis eindrängen kann. Ich weiß nicht einmal, ob das in den Zeitungen gegebene nicht amtliche Verzeichniß richtig ist, worin nach Ew. Excellenz Hr. Böckh als Präsident, die Herren von Raumer und Ranke als Mitglieder, und Hr. Preuß als Secretär genannt werden.
Ich habe vorläufig meine Bekanntschaft mit Friedrichs des Großen Werken erneuert, aber noch keine vollständige Übersicht gewinnen können, weil unsre Universitäts-Bibliothek nur weniges von den bisherigen Ausgaben besitzt.
Ich kenne einen unternehmenden und philosophischen Naturforscher, der unter wichtigen Geschäften ganz anderer Art [4] sein wissenschaftliches Fach immer noch unermüdet anbaut; dessen zahlreiche in Französischer Sprache abgefaßte Werke eben so sehr wegen ihrer Form als ihres Gehaltes gepriesen werden. Wenn diesem in und außer Europa eben so berühmten Gelehrten, als Leibnitz es vor einem Jahrhundert war, die Leitung des ganzen Unternehmens übertragen wäre, mit der Vollmacht, die nöthigen Mitarbeiter selbst zu wählen: so würde mir der befriedigendste Erfolg vollkommen gesichert zu sein scheinen.
Es war ein natürlicher Gedanke, der Akademie die Herausgabe der Werke ihres Stifters aufzutragen. Aber freilich, die Akademie Friedrichs des Großen war eine ganz Französische; die jetzige hat in diesem Stücke wie in vielen andern eine völlige Umwandlung erfahren.
Daß der Herausgeber Französischer Schriften, die bisher durch Nachläßigkeit, Unwissenheit oder Verfälschung entstellt, noch nie in ihrer ächten Gestalt erschienen sind, und nun in Deutschland nach einem gereinigten Text authentisch gedruckt werden sollen, eine gründliche Kenntniß der Französischen Sprache besitzen müsse, wird wohl niemand in Abrede stellen.
[5] Eine gründliche Kenntniß nenne ich eine solche, die den Besitzer in den Stand setzt, das Französische wie seine Muttersprache zu schreiben, und zwar nicht bloß in Briefen, sondern für die strengere Prüfung des Druckes. Diese Kenntniß ist nun unter den Deutschen Gelehrten heut zu Tage ungemein selten. Sie lesen Französische Bücher und verstehen sie gut oder übel, und übersetzen sie gut oder übel, und dabei hat es sein Bewenden.
Wie kläglich es ausfällt, wenn dieses Erfoderniß fehlt, daran können Ew. Excellenz an der neuesten Ausgabe von Leibnitzens philosophischen Schriften ein Beispiel sehen. Der Herausgeber, Prof. Erdmann in Halle, gesteht den fehlerhaften Abdruck ein, entschuldigt sich aber mit seiner mangelhaften Kenntniß der Sprache. Ich finde die Entschuldigung ganz ungültig. Wer eine gelehrte Arbeit unternimmt, muß die dazu nöthigen Kenntnisse entweder schon besitzen, oder sie sich erwerben; auf keinen Fall aber eine ungeweihte Hand anlegen. Außer den häufigen Druckfehlern wiederholt sich ein Verstoß gegen die typographische Sitte beinahe auf allen Blättern: nämlich die gesperrten Buchstaben in einzelnen Wörtern und ganzen Sätzen, die in Frankreich niemals vorkommen. Beides reicht hin, um dem Buche ohne alle Schuld [6] des Autors (denn Leibnitz war, eben so wohl wie Friedrich der Große, ein vortrefflicher Kenner der Französischen Sprache;) un air furuieusement tudesque zu geben.
Wenn Ew. Excellenz es erlauben, so werde ich Ihnen nächstens über die Ausstattung der Werke des königlichen Geschichtschreibers und Dichters mit allem, was sie für das heutige Europäische Publicum in ihr volles Licht stellen kann, einige vorläufige Ansichten vorlegen. Genehmigen Sie pp
Bonn d. 24sten März 1841
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