• Sophie Bernhardi to August Wilhelm von Schlegel

  • Place of Dispatch: Rom · Place of Destination: Paris · Date: 21.05.1806
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
    Metadata Concerning Header
  • Sender: Sophie Bernhardi
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel
  • Place of Dispatch: Rom
  • Place of Destination: Paris
  • Date: 21.05.1806
    Printed Text
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: 335976727
  • Bibliography: Krisenjahre der Frühromantik. Briefe aus dem Schlegelkreis. Hg. v. Josef Körner. Bd. 1. Der Texte erste Hälfte. 1791‒1808. Bern u.a. ²1969, S. 326‒335.
  • Incipit: „[1] Rom den 21ten Mai 1806
    Ich habe Ihren Brief liebster Freund sogleich beantworten wollen, aber Kranckheit und vielerlei Verdruß haben mich [...]“
    Manuscript
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: APP2712-Bd-4
  • Classification Number: Mscr.Dresd.App.2712,B,15,47
  • Number of Pages: 8 S. auf Doppelbl. u. 2 S., hs. m. U.
  • Format: 24,8 x 19,6 cm
[1] Rom den 21ten Mai 1806
Ich habe Ihren Brief liebster Freund sogleich beantworten wollen, aber Kranckheit und vielerlei Verdruß haben mich davon abgehalten. Es freut mich sehr daß Sie nach Paris gehen, wen[n] Sie die Manuscripte dort ansehen schreiben Sie mir doch waß sich dort befindet. Sie thun mir einen großen Dienst damit. Vergeben Sie mir lieber Freund eine Sorge welche ich Ihnen mittheile, es komt mir vor als ob Sie nicht mehr ein so lebhaftes Interesse an meinem Schicksall nehmen als ehemals, als wen[n] Ihre Freundschaft für meine Kinder selbst grösser wäre als für mich. Ich bin oft so niedergeschlagen daß es mir vorkomt als könne kein Freund den Weg meines Lebens mit mir zu ende gehen, und Sie solten einmal einen Brief an mich schreiben der mich darüber beruhigte und mir zeigte daß Sie mein Bruder bleiben biß an meinem Tod. Ich schike Ihnen hier einen Brief mit von dem Mahler Müller an den Prinzen von Baiern, ich bitte Sie wen[n] Sie nach Paris kommen den Prinzen zu besuchen und ihn selbst abzugeben, Sie können damit etwaß sehr gutes ausrichten. Wen[n] Sie sich noch alle die Gerüchte erinnern welche in Deutschland über Müller verbreitet sind so bitte ich Sie nichts davon zu glauben den[n] Sie wirden einem edlen Menschen damit unrecht thun, der im Stande ist sich für seine Freunde gänzlich aufzuopfern, und dem vieleicht nichts vorzuwerfen ist als eine ganz jugendliche Heftigkeit für die Morall welches einen wunderbahren Contrast mit seinem Alter macht, und seine angebohrne Wahrheit womit [er] die eitlen Menschen tödlig beleidigen kann, und sich nachher über den Effeckt welchen seine ganz unschuldigen Worte (wie er es nent) gemacht haben nicht zufrieden geben kan vor Verwunderung. Waß man von seinen Mahlereien behauptet ist eben so wenig wahr als waß man von seinem Charakter spricht. Ich will nicht daß Sie darin meinem Auge glauben sollen, aber meine beiden Brüder sind der Meinung daß seine Bilder neben allen Arbeiten unserer neuen Künstler stehen können. Wie der Prinz hier war liebte er Müller sehr und war sehr vertraut mit ihm, doch wie dieser immer zu stolz ist irgend etwaß zu fodern, so ist es gekommen daß jener nichts für ihn gethan hatt, obgleich er ihn noch immer liebt und ihm schreibt. Es ist nicht möglich daß Müller von seiner kleinen Pension von 100 Dukaten hier in dem theuren Rohm leben kann, und ist unrecht daß er so wenig bekömt wärend dessen andere ganz junge Leute von demselben Hofe hier ein dreimal grösseres Gehalt haben. Ja der Prinz selbst giebt einen jungen Mann 1200 Gulden hier im Jahre. Ich weiß es gewiß daß der Prinz eine ganz ausserorndliche [2] Achtung und ein unbediengtes Vertrauen auf Ihre Einsichten und Kentnisse hatt. Ihrer Klugheit würde es ein leichtes sein das Gespräch so zu leiten wen[n] Sie den Brief selbst abgeben, daß Sie ohne Müller etwaß zu vergeben, von seiner grossen Noth sprechen, in welcher er gezwungen ist hier in Rom zu leben, von dem kleinen Gehalt, und so könte es vieleicht sein daß Sie den Prinzen dahin stimten etwaß für Müller zu thun daß er ihn vieleicht eine Zulage verschafte, oder eine Arbeit bestelte, welches lezte für Müller das Angenehmste wäre, indem er damit zugleich im stande wäre die Gerüchte über seine Art zu mahlen aufzuheben die er recht gut kent. Ich brauche Ihnen dies Geschäft nicht weiter zu empfehlen den[n] ich kenne Ihr Gemüth und weiß wie lieb es Ihnen ist einem edlen Menschen einen Dienst zu erweisen, um so mehr wen[n] ich Ihnen sage daß wir ihm ausserorndlich viele Verbindligkeiten haben.
Die Geldangelegenheiten machen mir viele Sorgen um so mehr da ich einsehe daß Sie uns darin nicht beistehen können. Erstlich hatt Knorring als er in der Schweiz war seine Wechsel dem Ersten Besten verkauft also keine Bekantschaft mit irgend einem Handlungshause begründet, und in Franckreich ist er unter einen Fremden Nahmen gewesen, wen[n] dieß aber auch nicht wäre so kann ich es in diesem Augenblicke nicht zugeben, daß irgend etwaß öffentlich in den Geldangelegenheiten geschieht. Sie werden dieß selbst einsehen, wen[n] ich Ihnen die Begebenheiten der lezten Zeit schreibe. Ich weiß nicht wo ich anfangen soll so verwirt ist alles durcheinander, und mich überwältigt immer wieder von neuem der Schmerz über die Elendigkeit der menschlichen Natur. Als ich von Weimar abreißte fanden es alle so natürlig und nohtwendig daß mein älterer Bruder mich auf dieser Reise begleiten miße da der Jüngere noch zurick gehalten wurde, und so wurde er dringend dazu aufgefodert. Ich konte nicht wiedersprechen obgleich ich alle die Leiden ahndete die darauß entspringen wirden. Voigt war damals der auf dessen Beistand weil er Hufelands Verwandter ist [ich] am meisten rechnen muste, und ihm hätte es ja so erscheinen missen, wen[n] ich einwendungen gegen die Einladung des Bruders gemacht hätte, als wolle ich aller Vernunft und aller Schickligkeit zum Troz handlen um nur eine weite Reise mit einem jungen Mann allein zu machen, B[ernhardi] selbst die Waffen gegen mich in die Hände zu geben, und alles waß ich von meinen Gründen anführen hätte können, hätte nothwendig wie eine Verläumdung erscheinen missen. So kam es daß ich schwieg, und alle die Qualen und [3] Plagen geduldig auf mich zukommen sahe. Sie wissen als Sie hier waren glaubte ich noch mein Bruder Ludwig wirde von München nach Hause reisen, ohne meine Veranlassung ist er nach Rom gekommen, aber demohnerachtet wird es immer noch in der Ziebin[gen]schen Verbund angenommen als habe ich ihn gewaltsam entehrt. Ich halte ihn hier durch kein Wort sondern würde im Gegentheil seine Abreise beschleunigen wen[n] das nur in meinen Kräften stände, und habe ihnen das nach Ziebingen geschrieben, aber dennoch wollen sie durchaus glauben, daß ich ihn hier mit Intriegen und Cabalen halte, und glauben sich dadurch berechtigt diese auf die niedrigste Art gegen mich in Bewegung zu setzen. Ich schrieb Ihnen einmal daß ich vermuhten misse Fichte habe sich in die Sache gemischt, dieß weiß ich jezt gewiß, kurz nachdem B[ernhardi] das unsinnige Duel worin ihn Schierstädt unterstüzte, angeboten, hatt er Fichte bewogen an Humbold zu schreiben und ihn zum Beistande des unglüklichen Vaters aufzufodern, damit aber nicht zufrieden hatt der grosse Philosoph zugleich an Fr[au] v. Eibenberg und an Fr[au] v. Re[c]ke geschrieben; und ihnen auseinandergesezt wie es eine Pflicht der Menschligkeit sei, dem unglücklichem Vater seine Kinder wiederzuschaffen, die ihm hinterlistig von einer Frau entrissen seien, in welche er sich zu seinem Unglück so sehr geirt hätte. Dies ist natürlig unwircksam geblieben, und hatt nichts anders hervorgebracht als eine grosse Theilnahme der Fr[au] v. Re[c]ke für mich um mir zu beweisen daß sie durchaus über mich und mein Verhältniß anders denckt. Ich habe ihr den Zusammenhang der Sache erzält, und werde nun da sie nach Berlin zurückgeht eine kräftige Wiedersprecherin aller der Unsinnigkeiten haben, welche man über mich zu verbreiten sucht. Auf H.[umboldt] hatt dieser Brief aber doch Eindruck gemacht, noch mehr aber einer von den ich mit Gewisheit vermuhten kann, das ihn Burgsdorf geschrieben und wozu dieser von Malchen bewogen worden ist ihn zu schreiben. Dieser Brief hatt nach meiner sehr warscheinlichen Vermuhtung die Klage enthalten über meinem intriganten Charackter mit welchem ich nicht bloß einem Vater seine Kinder entreissen wolle, einen jungen Edelman an mich fesseln, sondern auch meines Bruders Verhältniß zu seiner Frau aufheben, und seine Verbindung mit Burgsdorf zerstöhren. Dieser Brief hatt die Neigung der Frau v. H.[umboldt] recht in Thätigkeit gesezt mich von hier hinweg zu bringen, und B.[ernhardis] Reklamazionen der Kinder waren eine sehr wilkommene Gelegenheit. Da ich mich nicht entschloß zu gehen stieg der Zorn, und man erlaubte sich nun jede Art der Schmähung. Der Docktor welcher erst zur F[rau] v. Re[cke] und Tiedge gesagt hatte meine Kranckheit sei unheilbar und ich wirde nicht lange mehr leben, behauptete nun gegen dieselben er habe mich Gott sei Danck völlig hergestelt, und ich könne in jeder [4] Stunde reisen. Ich weiß nicht ob Ihnen mein Bruder geschrieben hatt daß kurze Zeit nach diesen Begebenheiten, wir in der grösten Geldnoth waren, ein Bekanter von meinem Bruder Friedrich und von H.[umboldt] hatte einen Mann gefunden welcher uns zu sehr billigen Zinsen eine Summe leihen wolte, nemlig dem Bruder und Knorring solte sie verbürgen, jedoch solte H. v. H.[umboldt] dem Manne sagen, da Knorring auch ein Fremder ist, daß man seine Bürgschaft annehmen kann. Mein Bruder wolte dieß ungern, allein der Andere sagte ihm, H.[umboldt] habe ja so oft in seiner Gegenwart ehe wir angekommen wären, wen[n] die Künstler über meines Bruders künftige Exzistenz hier gesprochen, gesagt, waß braucht er sich den[n] zu sorgen, hatt er mich doch hier, und immer versichert wie er ihm alle Dienste leisten wolle und zwar ganz öffentlig, waß es den[n] also sei ihn um eine so geringe Gefälligkeit zu bitten. Mein Bruder gab nach und gieng hin um mit H. v. H.[umboldt] zu reden, dieser schlug es ihm nicht nur ab, indem er sagte, er wisse ja gar nicht einmal ob Knorring mit oder ohne den Willen seines Vaters hier sei, und er habe sich darnach erkundigt, er sei gar nicht reich, sondern er nahm auch Gelegenheit nun von meiner Angelegenheit zu reden, und dem Bruder das Kränckendste zuzufügen. Er fing damit an zu sagen daß diese schlechte Einrichtung mit dem Gelde ja Ber[nhardi] beun[ruhi]gen und [er] fragen könne, wovon ich die Kinder ernähren wolle, und er an B[ernhardis] Stelle wirde es thun. Mit der größten Grobheit hatt er über meinen Leichtsinn gesprochen, gesagt ich sei doch kein Kind gewesen als ich mich verheurahtet habe, man hätte mich nicht zwingen können, wen[n] ich mich also übereilt habe, müsse ich es nun auch büssen. Meinem Bruder vorgestelt sehr grob wie er den[n] das auf sich nehmen könte mich und meine Familie zu versorgen, das verhindere ihn ja nur am Studieren, ihn endlich für einen Lügner erklärt indem er ihm gesagt hatt, es wäre unwahr daß er behauptete er habe Geld zu erwarten, und endlig noch hinzugefügt, er habe mir ja den Rath gegeben ab[zu]reisen, da hätte ich dan doch mit meinen Kindern zusammenbleiben können, jezt wirde er sie mir entreissen missen. Dieß fiel alles in H. v. H[umboldts] Hause vor, und er behauptete noch daß B[ernhardi] jezt solchen Beistand fände, es nähmen sich so viele wichtige und Bedeutende Menschen seiner an, und er H. v. H[umboldt] wirde täglig mit Briefen bombardirt, daß er die Sache zu B[ernhardis] Zufriedenheit zu ende bringen solle. (Als wen[n] das von ihm abhienge). Der Docktor hatte mir aber schon früher von diesen Verwendungen gesprochen, und mir geklagt daß H. v. H[umboldt] Briefe von allen Gevattern der Kinder in dieser Sache bekäme, und dan sagte [5] er mit sehr wichtiger Miene, daß B.[ernhardi] auch die Protektion des H. Generall Fouquet gefunden habe welcher sehr angelegentlich für ihn schriebe. So wurde der kleine Leutnant avanzirt um nur der Sache mehr Gewicht zu geben. Ich ließ aus Spas dabei, und that gar nicht als wen[n] mir der Man bekant wäre. Dieß alles war vorgefallen ehe noch B.[ernhardi] auf meine Klage vor Gericht gefodert war. Jezt war dieß geschehen, und der alte H. B.[ernhardi] welcher sich die Volmacht von seinem H. Sohn hatt geben lassen muß darauß wohl ersehen haben, daß die Sachen nicht so gut für ihn stehen, schickte nun durch H. v. H.[umboldt] einen zweiten Brief der unendlig viel gelinder ist als sein erster, worin von Menschenraub nicht mehr die Rede ist worin er schon 5 Thaler biehtet und zu verstehen giebt er wirde auch 1000 geben wen[n] man ihm die Kinder zurick brächte und mich sehr liebreich aufnehmen wen[n] ich selbst käme oder auch meinen Bruder wen[n] der sie brächte. Da Sie seinen Geiz kennen, wissen Sie wie viel das bedeutet. Auch sieht man in dem Briefe deutlig daß er H. v. H[umboldt] noch andere Vorschläge mitgetheilt hatt. H. v. H[umboldt] schrieb auch, wir möchten den Brief nicht eher beantworten als bis mein Bruder ihn gesprochen habe und bestimte die Zeit wan er zuhause sein würde, als wen[n] gar nichts zwischen ihm und meinem Bruder vorgefallen wäre. Wir hatten schon früher der Herzogin und [dem] Cardinal H.[umboldts] Betragen geklagt ohne zu sagen daß die Gefälligkeit warum wir ihn gebehten hätten Geld betroffen habe, und beide hatten einstimmig den Rath gegeben uns solcher unanständigen Begegnung nicht mehr auszusetzen, und durchaus nicht in sein Hauß zu gehn, da er ja deutlig zeigte daß er für mich nichts thun wolle, und wir überzeugt sein dürften daß er gegen uns nichts thun könne. In Befolgung dieses Raths schrieb ihm mein Bruder sehr höfflich daß er von Geschäften abgehalten sei ihn zu sehen, daß er aber die Güte haben möchte uns die weiteren Vorschläge des H. B.[ernhardi] schriftlich mitzutheilen. Er erwiederte ich misse es wissen wie gern er sich immer meiner Sache angenommen habe, doch mangele ihm die Zeit eine Correspondenz darüber zu führen, und wen[n] mir an einem gütlichen Abkommen gelegen sei, misse er darauf bestehen daß es mit meinen Brüdern mündlig in seinem Hause geschehe und nante noch einmal die Zeit wan er zu treffen sei. Mein Bruder antwortete auch noch einmal, uns habe es immer leid gethan daß bei seinen vielen Geschäften die beiden H. B.[ernhardi] so sehr seine Bemühung in dieser Sache gesucht hätten, wir hätten die Güte immer gewolt und unserm Anwald in Berlin zu allem Auftrag gegeben, wo es also kürzer wäre den Vergleich wen[n] einer zu stande käme dort zu schliessen, und wir wären erfreut ihm so [6] wenigstens dieß Geschäft abzunehmen. Dieß brachte die Wirkung hervor daß F.[rau] v. H[umboldt] alle Tage F.[rau] v. R.[ecke] besuchte und gegen sie und Tiedge uns alle der reihe nach lobte und es sehr beklagte daß wir uns so zurickgezogen, besonders aber bedauerte daß sie den Umgang meines Bruders Ludwig entbehren misse mit dem sie die glücklichsten Stunden ihres Lebens volbracht hätte. Dan gieng sie wieder zu den Künstlern, betrachtete ihre Arbeiten und beklagte dabei ihren Mann, in welche üble Situation er durch meinen Prozeß geriehte, indem man ihn von Berlin aus beständig der Partheiligkeit für mich beschuldigte, und er sich dorten die Feindschaft zuzöge, und wir hielten ihn für parteilig für die Andern und wirden deshalb böse und zögen uns zurick, sie wünsche nichts mehr als daß sich eine Mittelsperson finden möchte vermöge welcher man mit uns reden möchte. Schick war einer von denen an welchen sich F.[rau] v. H[umboldt] mit solchen Klagen gewendet hatt, und dieser hatt es uns wiedergesagt. In dieser Zeit nun bekam Knorring Briefe von seinen Vater, Onkel, seinen Bruder, aus denen sich ergab daß man die ganze Familie benachrichtigt hatt, ich sei dem B.[ernhardi] entflohn um ihm nach Rohm zu folgen, sei hier Chatolisch geworden und habe aus den eigennützigsten Absichten den Willen auch ihn dazu zu verleiten. So wenig Eindruck B.[ernhardis] Brief auf Knorrings Vater gemacht hatt, so anders ist es mit diesen, die nach der allergrösten Wahrscheinligkeit von dem russischen Gesandten in Berlin gekommen sind, mit welchem Genelli eine grosse Freundschaft hatt, und der zugleich ein Freund von Knorrings Onkel ist. Ich brauche nicht den Inhalt der Briefe zu weitläuftig zu sagen, Ihre eigne Klugheit kann jede Verläumdung errahten die mir zu schmerzlich zu wiederhohlen ist. Es versteht sich daß in diesen Briefen von der ganzen Familie Knorrings Zurückkunft verlangt wird. Auch diese Briefe sind der Herzogin und dem Cardinall mitgetheilt. Keiner findet, da die Sachen einmal so stehen, daß er gehen könte ohne gegen mich völlig unrecht zu handlen und ohne mich meinen Feinden preiß zu geben. Knorring hatt nach beider Rath die Briefe so beantwortet daß seine Familie zufrieden gestelt sein muß, und es wird nun alles angewendet, um daß waß Knorring geschrieben hatt, zur Warheit zu machen, und allerlei ihm zu verschaffen waß eine alte adeliche Familie immer sehr hoch hält. Überlegen Sie einmal liebster Freund ob es nicht grausam daß ich sehen muß wie Malchens Bosheit mich zu Grunde zu richten strebt, wie Burgsdorf, Schierstädt, Genelli und Gott weiß was noch alles sich erniedrigen ihre Werckzeuge zu werden, und alles anwenden waß in ihren Kräften steht, ja sich bis zu Schurkenstreichen erniedrigen, um mir meine [7] Kinder zu rauben, meinen guten Nahmen mir zu entreissen, meine Ehre so zu vernichten, daß sie mich den gemeinsten Creaturen gleichstellen wollen. Welch ein Triumpf wäre es wen[n] sie behaupten dürften, ich hätte mit niederträchtigen Künsten einen jungen Mann bestriken wollen, dessen Familie habe es aber noch zur rechten Zeit erfahren und mir meine Beute entrissen. Wie wirde daß in demselben Augenblick gebraucht werden, um zu zeigen daß eine solche Person keine Kinder erziehen könne. Ihnen mein geliebter Bruder muß ich alles klagen, Sie missen allen meinen Kummer wissen, wie nimt sich mein Bruder Ludwig dabei. Er scheint es gewußt zu haben daß dergleichen Schritte geschehen werden, den[n] er suchte mich einige Wochen vorher darauf vorzubereiten, indem er mir immer sagte wie leicht ein solches Geschwäz entstehen könne, und wie man einmal an Knorrings Familie alles das schreiben könte waß nun in der That geschehen ist. Er hatt mir gesagt daß Burgsdorf vermuhtlig so an H.[umboldt] geschrieben, aber bloß aus Unschuld weil er durch den Zusammenfluß der Umstände nicht anders von mir glauben könte. Er findet es zwar schlecht daß man sich solcher Mittel bedient, aber es leuchtet ihm ein das es geschieht weil man meint, wen[n] Knorring von uns wolte so würde es uns am Gelde fehlen ihn zu unterhalten. Das Malchen mich haßt und sich in beständigen Verläumdungen über mich ergießt, findet er menschlig und natürlig weil sie leidenschaftlig ist, dabei aber ihren Charackter edel, und findet daß ich ihr eben so unrecht thue wie sie mir, und daß es im Inren gleich ist wen[n] ich ihr sage daß sie die Furie ist die mich verfolgt, oder wen[n] sie ihren Haß läßt in solchen Handlungen übergehen, die mein Glück und Leben auf dem Spiele stellen. Ist es nicht seltsam wen[n] er einsieht daß all dies Unglück nur über mich komt, weil er bei mir ist, daß er nicht geht? da ihn doch niemand hält. Ich bitte Sie die Briefe alle sorgfältig zu bewahren, könte er ahnden daß ich so über ihn schreibe, daß wirde ihn unversöhnlig gegen mich reitzen. So behutsam und heimlig er ist, so entfahren ihm zuweilen Worte die mir zeigen wie er benachrigtigt wird, so hatt man ihm geschrieben daß B[ernhardi] mit solcher Achtung von ihm spräche, nur auf meine und des unschuldigen Friedrichs Hinterlist fluchte, von ihm aber sagte, er habe sich immer edel gegen ihn genommen. Wem kann B[ernhardi] das sagen als einem der sich mit ihm verbündet, wo er bemerckt daß der es gerne so hören will, und wer kann es meinem Bruder schreiben, als einer von diesen. Ach mein Freund, könte ich Sie nur einmal wiedersehen, Ihre Gegenwart und [8] Ihr sanftes Gemüth könten mich über vieles trösten. Indeß man nun von dort auß so thätig verfährt, will man hier auch nicht missig sein und der D.[ocktor] K.[ohlrausch] warnt die Menschen, sie möchten uns doch ja nichts anvertrauen, indem auf keine Bezalung zu hoffen sei. Da Schick nicht hatt der Mitler sein mögen so hatt vor einigen Tagen K.[ohlrausch] gelegenheit genommen indem er ihn um 6 Dukaten mahnte welche Schick vor einiger Zeit von ihm geliehen, ihm zu sagen, er misse aufrichtig mit ihm sprechen, und ihm seine Bemerkung mittheilen, gar nicht lange darnach als ihm F.[rau] v. H.[umboldt] das Bild der Tochter welches Schick gemahlt hatt mit 100 Scudi bezalt, habe er ihm Geld abgeliehen, das könne er nicht für sich gebraucht haben, und brächte also auf die Vermuhtung daß Schick uns Geld gegeben habe, da misse er ihm nun rathen es als verlohren anzusehen, indem er K.[ohlrausch] von sicherer Hand wisse daß Knorring gegen den Willen seines Vaters hier mit mir sei und deswegen von seinem Vater verstossen und enterbt wäre, und auf keinen Fall an wiederbezalen zu denken sei. Dies sagte uns Schick aus Freundschaft wieder weil er meinte es könne nöhtig sein Masregeln dagegen zu nehmen. Sie werden darauß einsehen wie man den Willen hatt uns zu verfolgen; sie wissen daß uns Geld mangelt und wenden alles an uns den Credit hier zu nehmen. Es leuchtet auch darauß ein daß man auch hier von den Schritten unterrichtet gewesen ist welche man gegen Knorring bei seiner Familie gethan und sich eine andere Wirkung davon versprochen hatt. Den[n] in der That hatt sich Knorrings Vater so vernünftig betragen daß ich die gröste Achtung vor ihm habe. Er hatt troz allen Verläumdungen kein unanständiges Wort über mich [sich] erlaubt, und selbst die Art wie er seinen Kummer ausdrückt ist so gelinde daß kein Vater den man so aufzubringen sucht weniger schreiben könte. Sie sehen aus allen diesen Umständen wie schlim für uns im jetzigen Augenblick unsere Lage ist. Können Sie etwaß für uns thun so brauche ich Sie nicht dazu aufzufodern, ich weiß Sie thun es von selbst. Ich schreibe Ihnen mit solchen anscheinenden Kälte, ich vertraue auf Gott, und glaube nicht daß der welcher die Vögel unter dem Himmel erhält mich so vergessen wird daß ich zum Gespött meiner Feinde wirde, und daß sich der Triumpf elender Menschen über mich ergösse.
Vor einigen Tagen habe ich einen Brief von meinem Justiz Commissarius aus Berlin erhalten, welcher mir beweißt wie ohne zu Schreiben Hufeland durch die That für mich handelt, und Sie wirden mir einen Dienst leisten wen[n] auch Sie ihm einmal wieder schrieben, und ihm sagten wie groß das Gefühl meiner Danckbarkeit für ihn wäre, und wie er sich jedem verpflichtete welcher Antheil an mir nehme. Er hatt [9] die Sache einem Rechtsgelehrten aufgetragen welcher Treschel heißt, dem sie Hufeland auf das beste muß empfohlen haben und der sie nun endlig mit Liebe zu betreiben scheint. Dieser meldet mir, er habe die Klage beim Kammergericht eingegeben, allein B[ernhardi] hatt sich nicht gestelt und erklärt, er gehöre mit seinen persöhnlichen Angelegenheiten unter dem Stadtgericht. Der Justiz Commisarius hatt dieß nicht glauben wollen, und hatt deswegen beim Groskanzler angefragt, und die Antwort ist bejahend ausgefallen. Dieß ist eine recht feine Stadtskunst von dem alten Herren warscheinlig, dem B.[ernhardi] jezt hatt die Vollmacht geben missen. Nemlig sie haben erwartet da B.[ernhardi] wen[n] er seinen Rang als Professor nicht geltend macht, als Lehrer der Schule welche vom Magistrat abhängt, allerdings unter dem Stadtgericht steht, daß alsdann mein Rechtsgelehrter welcher beim Cammergericht angewiesen ist mit seiner Praxis mir die Klage zurick schiken miste; dan miste ich einen andern Justiz Comissarius beim Stadgericht erst wieder die Sache auftragen und ihn von neuen unterrichten, wärend diesen langen Zwischenraum könne H.[umboldts] Antwort dort sein, welcher vieleicht einen Vergleich zustande brächte. Aber ganz anders ist es gekommen; dadurch daß wir H.[umboldt] abgewiesen haben mit seinen Vorschlägen, kann der entweder gar nicht antworten oder er muß schreiben, sie wollen sich mit mir nicht einlassen, und ehe diese Antwort in Berlin sein kann, ist B.[ernhardi] gewiß schon vor dem Stadgericht gefodert. Den[n] Treschel schreibt mir die Verwechselung der Gerichtsbarkeit sei ihm zwar unangenehm, weil er nicht mehr den Prozeß unmittelbar führen könte, und weil dort B.[ernhardi] die Sache weit mehr in die Länge ziehen könne mit Chikanen, allein er habe sich einen Justiz Commisariuß vom Stadgericht Substituiren lassen, und bittet mich ihm alles Zutrauen zu schenken, er wolle unter seiner Leitung die Sache führen, und ist überzeugt daß sie zu meinem Vortheil muß entschieden werden. Er schreibt daß die Klage so wie sie nur umgeschrieben ist von neuem eingereicht wird. Sie sehen also daß bloß in der Form ein anderer Rechtsgelehrter eintrit und derselbe welchen Hufeland gewählt hatt sie in der That behält. Dadurch verliehrt B.[ernhardi] den Vortheil welchen er von der Verzögerung erwartet hatt, die nicht eintrit, und hatt den grossen Nachteil daß sein schimpflicher Prozeß vor den Augen seiner vorgesezten geführt wird, wodurch es sehr die Frage ist, er mag sich vergleichen oder nicht, ob er sein Amt behalten kann. Noch abgerechnet daß er sich in den Augen aller Vernünftigen schon dadurch sehr im Nachtheil stelt, indem er von einer höheren Gerichtsbarkeit seine Zuflucht zu einer niedrigern nimt und die als die für ihn gehörige anerkent, da er berechtigt zu der Andern [10] wozu niemand einen andern Grund finden wird als daß er keine Antwort auf die ihm vorgelegten Klagepunkte zu geben weiß und nun Aufschub und Ausflüchte sucht, welches um so mehr auffält, da er ehe meine Klage anhängig gemacht war, selbst beim Cammergericht die Requisitionen der Kinder nachgesucht hatt. Und endlich die höchste Lächerlichkeit, da jeder Mensch welcher nur irgend Anspruch darauf hatt eine wichtige [Sache] vom Stadgericht gern nach dem Cammergericht spielen wird, weil sie dort mit mehr Genauigkeit und mit mehr Anstand geführt wird, welches beim Stadgericht der Menge kleiner Prozesse und Geschäfte wegen nicht möglig ist. Er stelt sich also nun selbst den geringsten gleich und wo über die Zänkereien der Mägde und über die Händel in Wirtshäusern geurtheilt wird, dahin bringt er diesen Handel. Ich habe von dem vielen Schreiben Brustschmerzen und muß aufhören, meine Briefe die ich Ihnen schreibe sind immer eher Bücher als Briefe zu nennen. Mein Bruder Friedrich und Knorring grüßen Sie von ganzen Herzen, und auch die Kinder. Ich wolt Sie sehen sie einmal wieder wie blühend und gesund sie sind. Schreiben Sie mir bald und bleiben Sie so mein Bruder wie ich ewig Ihre
Schwesterliche Freundin
S[ophie] Tieck

Ich habe Ihnen so weitläuftig geschrieben und doch vergessen eines zu sagen, nemlich ob Sie so bekant sind mit dem Geheimerath Kölz daß Sie ihm schreiben können, wen[n] dieß ist so bitte ich Sie es zu thun und ihm meine Sache zu empfehlen, den[n] da diese jezt beim Stadgericht geführt [wird] so könte sie durch seinen Einfluß sehr beschleunigt werden und dieß wäre mir ein grosser Vortheil, und um Ihrentwillen nehme er auch wohl persöhnlichen Antheil.
[1] Rom den 21ten Mai 1806
Ich habe Ihren Brief liebster Freund sogleich beantworten wollen, aber Kranckheit und vielerlei Verdruß haben mich davon abgehalten. Es freut mich sehr daß Sie nach Paris gehen, wen[n] Sie die Manuscripte dort ansehen schreiben Sie mir doch waß sich dort befindet. Sie thun mir einen großen Dienst damit. Vergeben Sie mir lieber Freund eine Sorge welche ich Ihnen mittheile, es komt mir vor als ob Sie nicht mehr ein so lebhaftes Interesse an meinem Schicksall nehmen als ehemals, als wen[n] Ihre Freundschaft für meine Kinder selbst grösser wäre als für mich. Ich bin oft so niedergeschlagen daß es mir vorkomt als könne kein Freund den Weg meines Lebens mit mir zu ende gehen, und Sie solten einmal einen Brief an mich schreiben der mich darüber beruhigte und mir zeigte daß Sie mein Bruder bleiben biß an meinem Tod. Ich schike Ihnen hier einen Brief mit von dem Mahler Müller an den Prinzen von Baiern, ich bitte Sie wen[n] Sie nach Paris kommen den Prinzen zu besuchen und ihn selbst abzugeben, Sie können damit etwaß sehr gutes ausrichten. Wen[n] Sie sich noch alle die Gerüchte erinnern welche in Deutschland über Müller verbreitet sind so bitte ich Sie nichts davon zu glauben den[n] Sie wirden einem edlen Menschen damit unrecht thun, der im Stande ist sich für seine Freunde gänzlich aufzuopfern, und dem vieleicht nichts vorzuwerfen ist als eine ganz jugendliche Heftigkeit für die Morall welches einen wunderbahren Contrast mit seinem Alter macht, und seine angebohrne Wahrheit womit [er] die eitlen Menschen tödlig beleidigen kann, und sich nachher über den Effeckt welchen seine ganz unschuldigen Worte (wie er es nent) gemacht haben nicht zufrieden geben kan vor Verwunderung. Waß man von seinen Mahlereien behauptet ist eben so wenig wahr als waß man von seinem Charakter spricht. Ich will nicht daß Sie darin meinem Auge glauben sollen, aber meine beiden Brüder sind der Meinung daß seine Bilder neben allen Arbeiten unserer neuen Künstler stehen können. Wie der Prinz hier war liebte er Müller sehr und war sehr vertraut mit ihm, doch wie dieser immer zu stolz ist irgend etwaß zu fodern, so ist es gekommen daß jener nichts für ihn gethan hatt, obgleich er ihn noch immer liebt und ihm schreibt. Es ist nicht möglich daß Müller von seiner kleinen Pension von 100 Dukaten hier in dem theuren Rohm leben kann, und ist unrecht daß er so wenig bekömt wärend dessen andere ganz junge Leute von demselben Hofe hier ein dreimal grösseres Gehalt haben. Ja der Prinz selbst giebt einen jungen Mann 1200 Gulden hier im Jahre. Ich weiß es gewiß daß der Prinz eine ganz ausserorndliche [2] Achtung und ein unbediengtes Vertrauen auf Ihre Einsichten und Kentnisse hatt. Ihrer Klugheit würde es ein leichtes sein das Gespräch so zu leiten wen[n] Sie den Brief selbst abgeben, daß Sie ohne Müller etwaß zu vergeben, von seiner grossen Noth sprechen, in welcher er gezwungen ist hier in Rom zu leben, von dem kleinen Gehalt, und so könte es vieleicht sein daß Sie den Prinzen dahin stimten etwaß für Müller zu thun daß er ihn vieleicht eine Zulage verschafte, oder eine Arbeit bestelte, welches lezte für Müller das Angenehmste wäre, indem er damit zugleich im stande wäre die Gerüchte über seine Art zu mahlen aufzuheben die er recht gut kent. Ich brauche Ihnen dies Geschäft nicht weiter zu empfehlen den[n] ich kenne Ihr Gemüth und weiß wie lieb es Ihnen ist einem edlen Menschen einen Dienst zu erweisen, um so mehr wen[n] ich Ihnen sage daß wir ihm ausserorndlich viele Verbindligkeiten haben.
Die Geldangelegenheiten machen mir viele Sorgen um so mehr da ich einsehe daß Sie uns darin nicht beistehen können. Erstlich hatt Knorring als er in der Schweiz war seine Wechsel dem Ersten Besten verkauft also keine Bekantschaft mit irgend einem Handlungshause begründet, und in Franckreich ist er unter einen Fremden Nahmen gewesen, wen[n] dieß aber auch nicht wäre so kann ich es in diesem Augenblicke nicht zugeben, daß irgend etwaß öffentlich in den Geldangelegenheiten geschieht. Sie werden dieß selbst einsehen, wen[n] ich Ihnen die Begebenheiten der lezten Zeit schreibe. Ich weiß nicht wo ich anfangen soll so verwirt ist alles durcheinander, und mich überwältigt immer wieder von neuem der Schmerz über die Elendigkeit der menschlichen Natur. Als ich von Weimar abreißte fanden es alle so natürlig und nohtwendig daß mein älterer Bruder mich auf dieser Reise begleiten miße da der Jüngere noch zurick gehalten wurde, und so wurde er dringend dazu aufgefodert. Ich konte nicht wiedersprechen obgleich ich alle die Leiden ahndete die darauß entspringen wirden. Voigt war damals der auf dessen Beistand weil er Hufelands Verwandter ist [ich] am meisten rechnen muste, und ihm hätte es ja so erscheinen missen, wen[n] ich einwendungen gegen die Einladung des Bruders gemacht hätte, als wolle ich aller Vernunft und aller Schickligkeit zum Troz handlen um nur eine weite Reise mit einem jungen Mann allein zu machen, B[ernhardi] selbst die Waffen gegen mich in die Hände zu geben, und alles waß ich von meinen Gründen anführen hätte können, hätte nothwendig wie eine Verläumdung erscheinen missen. So kam es daß ich schwieg, und alle die Qualen und [3] Plagen geduldig auf mich zukommen sahe. Sie wissen als Sie hier waren glaubte ich noch mein Bruder Ludwig wirde von München nach Hause reisen, ohne meine Veranlassung ist er nach Rom gekommen, aber demohnerachtet wird es immer noch in der Ziebin[gen]schen Verbund angenommen als habe ich ihn gewaltsam entehrt. Ich halte ihn hier durch kein Wort sondern würde im Gegentheil seine Abreise beschleunigen wen[n] das nur in meinen Kräften stände, und habe ihnen das nach Ziebingen geschrieben, aber dennoch wollen sie durchaus glauben, daß ich ihn hier mit Intriegen und Cabalen halte, und glauben sich dadurch berechtigt diese auf die niedrigste Art gegen mich in Bewegung zu setzen. Ich schrieb Ihnen einmal daß ich vermuhten misse Fichte habe sich in die Sache gemischt, dieß weiß ich jezt gewiß, kurz nachdem B[ernhardi] das unsinnige Duel worin ihn Schierstädt unterstüzte, angeboten, hatt er Fichte bewogen an Humbold zu schreiben und ihn zum Beistande des unglüklichen Vaters aufzufodern, damit aber nicht zufrieden hatt der grosse Philosoph zugleich an Fr[au] v. Eibenberg und an Fr[au] v. Re[c]ke geschrieben; und ihnen auseinandergesezt wie es eine Pflicht der Menschligkeit sei, dem unglücklichem Vater seine Kinder wiederzuschaffen, die ihm hinterlistig von einer Frau entrissen seien, in welche er sich zu seinem Unglück so sehr geirt hätte. Dies ist natürlig unwircksam geblieben, und hatt nichts anders hervorgebracht als eine grosse Theilnahme der Fr[au] v. Re[c]ke für mich um mir zu beweisen daß sie durchaus über mich und mein Verhältniß anders denckt. Ich habe ihr den Zusammenhang der Sache erzält, und werde nun da sie nach Berlin zurückgeht eine kräftige Wiedersprecherin aller der Unsinnigkeiten haben, welche man über mich zu verbreiten sucht. Auf H.[umboldt] hatt dieser Brief aber doch Eindruck gemacht, noch mehr aber einer von den ich mit Gewisheit vermuhten kann, das ihn Burgsdorf geschrieben und wozu dieser von Malchen bewogen worden ist ihn zu schreiben. Dieser Brief hatt nach meiner sehr warscheinlichen Vermuhtung die Klage enthalten über meinem intriganten Charackter mit welchem ich nicht bloß einem Vater seine Kinder entreissen wolle, einen jungen Edelman an mich fesseln, sondern auch meines Bruders Verhältniß zu seiner Frau aufheben, und seine Verbindung mit Burgsdorf zerstöhren. Dieser Brief hatt die Neigung der Frau v. H.[umboldt] recht in Thätigkeit gesezt mich von hier hinweg zu bringen, und B.[ernhardis] Reklamazionen der Kinder waren eine sehr wilkommene Gelegenheit. Da ich mich nicht entschloß zu gehen stieg der Zorn, und man erlaubte sich nun jede Art der Schmähung. Der Docktor welcher erst zur F[rau] v. Re[cke] und Tiedge gesagt hatte meine Kranckheit sei unheilbar und ich wirde nicht lange mehr leben, behauptete nun gegen dieselben er habe mich Gott sei Danck völlig hergestelt, und ich könne in jeder [4] Stunde reisen. Ich weiß nicht ob Ihnen mein Bruder geschrieben hatt daß kurze Zeit nach diesen Begebenheiten, wir in der grösten Geldnoth waren, ein Bekanter von meinem Bruder Friedrich und von H.[umboldt] hatte einen Mann gefunden welcher uns zu sehr billigen Zinsen eine Summe leihen wolte, nemlig dem Bruder und Knorring solte sie verbürgen, jedoch solte H. v. H.[umboldt] dem Manne sagen, da Knorring auch ein Fremder ist, daß man seine Bürgschaft annehmen kann. Mein Bruder wolte dieß ungern, allein der Andere sagte ihm, H.[umboldt] habe ja so oft in seiner Gegenwart ehe wir angekommen wären, wen[n] die Künstler über meines Bruders künftige Exzistenz hier gesprochen, gesagt, waß braucht er sich den[n] zu sorgen, hatt er mich doch hier, und immer versichert wie er ihm alle Dienste leisten wolle und zwar ganz öffentlig, waß es den[n] also sei ihn um eine so geringe Gefälligkeit zu bitten. Mein Bruder gab nach und gieng hin um mit H. v. H.[umboldt] zu reden, dieser schlug es ihm nicht nur ab, indem er sagte, er wisse ja gar nicht einmal ob Knorring mit oder ohne den Willen seines Vaters hier sei, und er habe sich darnach erkundigt, er sei gar nicht reich, sondern er nahm auch Gelegenheit nun von meiner Angelegenheit zu reden, und dem Bruder das Kränckendste zuzufügen. Er fing damit an zu sagen daß diese schlechte Einrichtung mit dem Gelde ja Ber[nhardi] beun[ruhi]gen und [er] fragen könne, wovon ich die Kinder ernähren wolle, und er an B[ernhardis] Stelle wirde es thun. Mit der größten Grobheit hatt er über meinen Leichtsinn gesprochen, gesagt ich sei doch kein Kind gewesen als ich mich verheurahtet habe, man hätte mich nicht zwingen können, wen[n] ich mich also übereilt habe, müsse ich es nun auch büssen. Meinem Bruder vorgestelt sehr grob wie er den[n] das auf sich nehmen könte mich und meine Familie zu versorgen, das verhindere ihn ja nur am Studieren, ihn endlich für einen Lügner erklärt indem er ihm gesagt hatt, es wäre unwahr daß er behauptete er habe Geld zu erwarten, und endlig noch hinzugefügt, er habe mir ja den Rath gegeben ab[zu]reisen, da hätte ich dan doch mit meinen Kindern zusammenbleiben können, jezt wirde er sie mir entreissen missen. Dieß fiel alles in H. v. H[umboldts] Hause vor, und er behauptete noch daß B[ernhardi] jezt solchen Beistand fände, es nähmen sich so viele wichtige und Bedeutende Menschen seiner an, und er H. v. H[umboldt] wirde täglig mit Briefen bombardirt, daß er die Sache zu B[ernhardis] Zufriedenheit zu ende bringen solle. (Als wen[n] das von ihm abhienge). Der Docktor hatte mir aber schon früher von diesen Verwendungen gesprochen, und mir geklagt daß H. v. H[umboldt] Briefe von allen Gevattern der Kinder in dieser Sache bekäme, und dan sagte [5] er mit sehr wichtiger Miene, daß B.[ernhardi] auch die Protektion des H. Generall Fouquet gefunden habe welcher sehr angelegentlich für ihn schriebe. So wurde der kleine Leutnant avanzirt um nur der Sache mehr Gewicht zu geben. Ich ließ aus Spas dabei, und that gar nicht als wen[n] mir der Man bekant wäre. Dieß alles war vorgefallen ehe noch B.[ernhardi] auf meine Klage vor Gericht gefodert war. Jezt war dieß geschehen, und der alte H. B.[ernhardi] welcher sich die Volmacht von seinem H. Sohn hatt geben lassen muß darauß wohl ersehen haben, daß die Sachen nicht so gut für ihn stehen, schickte nun durch H. v. H.[umboldt] einen zweiten Brief der unendlig viel gelinder ist als sein erster, worin von Menschenraub nicht mehr die Rede ist worin er schon 5 Thaler biehtet und zu verstehen giebt er wirde auch 1000 geben wen[n] man ihm die Kinder zurick brächte und mich sehr liebreich aufnehmen wen[n] ich selbst käme oder auch meinen Bruder wen[n] der sie brächte. Da Sie seinen Geiz kennen, wissen Sie wie viel das bedeutet. Auch sieht man in dem Briefe deutlig daß er H. v. H[umboldt] noch andere Vorschläge mitgetheilt hatt. H. v. H[umboldt] schrieb auch, wir möchten den Brief nicht eher beantworten als bis mein Bruder ihn gesprochen habe und bestimte die Zeit wan er zuhause sein würde, als wen[n] gar nichts zwischen ihm und meinem Bruder vorgefallen wäre. Wir hatten schon früher der Herzogin und [dem] Cardinal H.[umboldts] Betragen geklagt ohne zu sagen daß die Gefälligkeit warum wir ihn gebehten hätten Geld betroffen habe, und beide hatten einstimmig den Rath gegeben uns solcher unanständigen Begegnung nicht mehr auszusetzen, und durchaus nicht in sein Hauß zu gehn, da er ja deutlig zeigte daß er für mich nichts thun wolle, und wir überzeugt sein dürften daß er gegen uns nichts thun könne. In Befolgung dieses Raths schrieb ihm mein Bruder sehr höfflich daß er von Geschäften abgehalten sei ihn zu sehen, daß er aber die Güte haben möchte uns die weiteren Vorschläge des H. B.[ernhardi] schriftlich mitzutheilen. Er erwiederte ich misse es wissen wie gern er sich immer meiner Sache angenommen habe, doch mangele ihm die Zeit eine Correspondenz darüber zu führen, und wen[n] mir an einem gütlichen Abkommen gelegen sei, misse er darauf bestehen daß es mit meinen Brüdern mündlig in seinem Hause geschehe und nante noch einmal die Zeit wan er zu treffen sei. Mein Bruder antwortete auch noch einmal, uns habe es immer leid gethan daß bei seinen vielen Geschäften die beiden H. B.[ernhardi] so sehr seine Bemühung in dieser Sache gesucht hätten, wir hätten die Güte immer gewolt und unserm Anwald in Berlin zu allem Auftrag gegeben, wo es also kürzer wäre den Vergleich wen[n] einer zu stande käme dort zu schliessen, und wir wären erfreut ihm so [6] wenigstens dieß Geschäft abzunehmen. Dieß brachte die Wirkung hervor daß F.[rau] v. H[umboldt] alle Tage F.[rau] v. R.[ecke] besuchte und gegen sie und Tiedge uns alle der reihe nach lobte und es sehr beklagte daß wir uns so zurickgezogen, besonders aber bedauerte daß sie den Umgang meines Bruders Ludwig entbehren misse mit dem sie die glücklichsten Stunden ihres Lebens volbracht hätte. Dan gieng sie wieder zu den Künstlern, betrachtete ihre Arbeiten und beklagte dabei ihren Mann, in welche üble Situation er durch meinen Prozeß geriehte, indem man ihn von Berlin aus beständig der Partheiligkeit für mich beschuldigte, und er sich dorten die Feindschaft zuzöge, und wir hielten ihn für parteilig für die Andern und wirden deshalb böse und zögen uns zurick, sie wünsche nichts mehr als daß sich eine Mittelsperson finden möchte vermöge welcher man mit uns reden möchte. Schick war einer von denen an welchen sich F.[rau] v. H[umboldt] mit solchen Klagen gewendet hatt, und dieser hatt es uns wiedergesagt. In dieser Zeit nun bekam Knorring Briefe von seinen Vater, Onkel, seinen Bruder, aus denen sich ergab daß man die ganze Familie benachrichtigt hatt, ich sei dem B.[ernhardi] entflohn um ihm nach Rohm zu folgen, sei hier Chatolisch geworden und habe aus den eigennützigsten Absichten den Willen auch ihn dazu zu verleiten. So wenig Eindruck B.[ernhardis] Brief auf Knorrings Vater gemacht hatt, so anders ist es mit diesen, die nach der allergrösten Wahrscheinligkeit von dem russischen Gesandten in Berlin gekommen sind, mit welchem Genelli eine grosse Freundschaft hatt, und der zugleich ein Freund von Knorrings Onkel ist. Ich brauche nicht den Inhalt der Briefe zu weitläuftig zu sagen, Ihre eigne Klugheit kann jede Verläumdung errahten die mir zu schmerzlich zu wiederhohlen ist. Es versteht sich daß in diesen Briefen von der ganzen Familie Knorrings Zurückkunft verlangt wird. Auch diese Briefe sind der Herzogin und dem Cardinall mitgetheilt. Keiner findet, da die Sachen einmal so stehen, daß er gehen könte ohne gegen mich völlig unrecht zu handlen und ohne mich meinen Feinden preiß zu geben. Knorring hatt nach beider Rath die Briefe so beantwortet daß seine Familie zufrieden gestelt sein muß, und es wird nun alles angewendet, um daß waß Knorring geschrieben hatt, zur Warheit zu machen, und allerlei ihm zu verschaffen waß eine alte adeliche Familie immer sehr hoch hält. Überlegen Sie einmal liebster Freund ob es nicht grausam daß ich sehen muß wie Malchens Bosheit mich zu Grunde zu richten strebt, wie Burgsdorf, Schierstädt, Genelli und Gott weiß was noch alles sich erniedrigen ihre Werckzeuge zu werden, und alles anwenden waß in ihren Kräften steht, ja sich bis zu Schurkenstreichen erniedrigen, um mir meine [7] Kinder zu rauben, meinen guten Nahmen mir zu entreissen, meine Ehre so zu vernichten, daß sie mich den gemeinsten Creaturen gleichstellen wollen. Welch ein Triumpf wäre es wen[n] sie behaupten dürften, ich hätte mit niederträchtigen Künsten einen jungen Mann bestriken wollen, dessen Familie habe es aber noch zur rechten Zeit erfahren und mir meine Beute entrissen. Wie wirde daß in demselben Augenblick gebraucht werden, um zu zeigen daß eine solche Person keine Kinder erziehen könne. Ihnen mein geliebter Bruder muß ich alles klagen, Sie missen allen meinen Kummer wissen, wie nimt sich mein Bruder Ludwig dabei. Er scheint es gewußt zu haben daß dergleichen Schritte geschehen werden, den[n] er suchte mich einige Wochen vorher darauf vorzubereiten, indem er mir immer sagte wie leicht ein solches Geschwäz entstehen könne, und wie man einmal an Knorrings Familie alles das schreiben könte waß nun in der That geschehen ist. Er hatt mir gesagt daß Burgsdorf vermuhtlig so an H.[umboldt] geschrieben, aber bloß aus Unschuld weil er durch den Zusammenfluß der Umstände nicht anders von mir glauben könte. Er findet es zwar schlecht daß man sich solcher Mittel bedient, aber es leuchtet ihm ein das es geschieht weil man meint, wen[n] Knorring von uns wolte so würde es uns am Gelde fehlen ihn zu unterhalten. Das Malchen mich haßt und sich in beständigen Verläumdungen über mich ergießt, findet er menschlig und natürlig weil sie leidenschaftlig ist, dabei aber ihren Charackter edel, und findet daß ich ihr eben so unrecht thue wie sie mir, und daß es im Inren gleich ist wen[n] ich ihr sage daß sie die Furie ist die mich verfolgt, oder wen[n] sie ihren Haß läßt in solchen Handlungen übergehen, die mein Glück und Leben auf dem Spiele stellen. Ist es nicht seltsam wen[n] er einsieht daß all dies Unglück nur über mich komt, weil er bei mir ist, daß er nicht geht? da ihn doch niemand hält. Ich bitte Sie die Briefe alle sorgfältig zu bewahren, könte er ahnden daß ich so über ihn schreibe, daß wirde ihn unversöhnlig gegen mich reitzen. So behutsam und heimlig er ist, so entfahren ihm zuweilen Worte die mir zeigen wie er benachrigtigt wird, so hatt man ihm geschrieben daß B[ernhardi] mit solcher Achtung von ihm spräche, nur auf meine und des unschuldigen Friedrichs Hinterlist fluchte, von ihm aber sagte, er habe sich immer edel gegen ihn genommen. Wem kann B[ernhardi] das sagen als einem der sich mit ihm verbündet, wo er bemerckt daß der es gerne so hören will, und wer kann es meinem Bruder schreiben, als einer von diesen. Ach mein Freund, könte ich Sie nur einmal wiedersehen, Ihre Gegenwart und [8] Ihr sanftes Gemüth könten mich über vieles trösten. Indeß man nun von dort auß so thätig verfährt, will man hier auch nicht missig sein und der D.[ocktor] K.[ohlrausch] warnt die Menschen, sie möchten uns doch ja nichts anvertrauen, indem auf keine Bezalung zu hoffen sei. Da Schick nicht hatt der Mitler sein mögen so hatt vor einigen Tagen K.[ohlrausch] gelegenheit genommen indem er ihn um 6 Dukaten mahnte welche Schick vor einiger Zeit von ihm geliehen, ihm zu sagen, er misse aufrichtig mit ihm sprechen, und ihm seine Bemerkung mittheilen, gar nicht lange darnach als ihm F.[rau] v. H.[umboldt] das Bild der Tochter welches Schick gemahlt hatt mit 100 Scudi bezalt, habe er ihm Geld abgeliehen, das könne er nicht für sich gebraucht haben, und brächte also auf die Vermuhtung daß Schick uns Geld gegeben habe, da misse er ihm nun rathen es als verlohren anzusehen, indem er K.[ohlrausch] von sicherer Hand wisse daß Knorring gegen den Willen seines Vaters hier mit mir sei und deswegen von seinem Vater verstossen und enterbt wäre, und auf keinen Fall an wiederbezalen zu denken sei. Dies sagte uns Schick aus Freundschaft wieder weil er meinte es könne nöhtig sein Masregeln dagegen zu nehmen. Sie werden darauß einsehen wie man den Willen hatt uns zu verfolgen; sie wissen daß uns Geld mangelt und wenden alles an uns den Credit hier zu nehmen. Es leuchtet auch darauß ein daß man auch hier von den Schritten unterrichtet gewesen ist welche man gegen Knorring bei seiner Familie gethan und sich eine andere Wirkung davon versprochen hatt. Den[n] in der That hatt sich Knorrings Vater so vernünftig betragen daß ich die gröste Achtung vor ihm habe. Er hatt troz allen Verläumdungen kein unanständiges Wort über mich [sich] erlaubt, und selbst die Art wie er seinen Kummer ausdrückt ist so gelinde daß kein Vater den man so aufzubringen sucht weniger schreiben könte. Sie sehen aus allen diesen Umständen wie schlim für uns im jetzigen Augenblick unsere Lage ist. Können Sie etwaß für uns thun so brauche ich Sie nicht dazu aufzufodern, ich weiß Sie thun es von selbst. Ich schreibe Ihnen mit solchen anscheinenden Kälte, ich vertraue auf Gott, und glaube nicht daß der welcher die Vögel unter dem Himmel erhält mich so vergessen wird daß ich zum Gespött meiner Feinde wirde, und daß sich der Triumpf elender Menschen über mich ergösse.
Vor einigen Tagen habe ich einen Brief von meinem Justiz Commissarius aus Berlin erhalten, welcher mir beweißt wie ohne zu Schreiben Hufeland durch die That für mich handelt, und Sie wirden mir einen Dienst leisten wen[n] auch Sie ihm einmal wieder schrieben, und ihm sagten wie groß das Gefühl meiner Danckbarkeit für ihn wäre, und wie er sich jedem verpflichtete welcher Antheil an mir nehme. Er hatt [9] die Sache einem Rechtsgelehrten aufgetragen welcher Treschel heißt, dem sie Hufeland auf das beste muß empfohlen haben und der sie nun endlig mit Liebe zu betreiben scheint. Dieser meldet mir, er habe die Klage beim Kammergericht eingegeben, allein B[ernhardi] hatt sich nicht gestelt und erklärt, er gehöre mit seinen persöhnlichen Angelegenheiten unter dem Stadtgericht. Der Justiz Commisarius hatt dieß nicht glauben wollen, und hatt deswegen beim Groskanzler angefragt, und die Antwort ist bejahend ausgefallen. Dieß ist eine recht feine Stadtskunst von dem alten Herren warscheinlig, dem B.[ernhardi] jezt hatt die Vollmacht geben missen. Nemlig sie haben erwartet da B.[ernhardi] wen[n] er seinen Rang als Professor nicht geltend macht, als Lehrer der Schule welche vom Magistrat abhängt, allerdings unter dem Stadtgericht steht, daß alsdann mein Rechtsgelehrter welcher beim Cammergericht angewiesen ist mit seiner Praxis mir die Klage zurick schiken miste; dan miste ich einen andern Justiz Comissarius beim Stadgericht erst wieder die Sache auftragen und ihn von neuen unterrichten, wärend diesen langen Zwischenraum könne H.[umboldts] Antwort dort sein, welcher vieleicht einen Vergleich zustande brächte. Aber ganz anders ist es gekommen; dadurch daß wir H.[umboldt] abgewiesen haben mit seinen Vorschlägen, kann der entweder gar nicht antworten oder er muß schreiben, sie wollen sich mit mir nicht einlassen, und ehe diese Antwort in Berlin sein kann, ist B.[ernhardi] gewiß schon vor dem Stadgericht gefodert. Den[n] Treschel schreibt mir die Verwechselung der Gerichtsbarkeit sei ihm zwar unangenehm, weil er nicht mehr den Prozeß unmittelbar führen könte, und weil dort B.[ernhardi] die Sache weit mehr in die Länge ziehen könne mit Chikanen, allein er habe sich einen Justiz Commisariuß vom Stadgericht Substituiren lassen, und bittet mich ihm alles Zutrauen zu schenken, er wolle unter seiner Leitung die Sache führen, und ist überzeugt daß sie zu meinem Vortheil muß entschieden werden. Er schreibt daß die Klage so wie sie nur umgeschrieben ist von neuem eingereicht wird. Sie sehen also daß bloß in der Form ein anderer Rechtsgelehrter eintrit und derselbe welchen Hufeland gewählt hatt sie in der That behält. Dadurch verliehrt B.[ernhardi] den Vortheil welchen er von der Verzögerung erwartet hatt, die nicht eintrit, und hatt den grossen Nachteil daß sein schimpflicher Prozeß vor den Augen seiner vorgesezten geführt wird, wodurch es sehr die Frage ist, er mag sich vergleichen oder nicht, ob er sein Amt behalten kann. Noch abgerechnet daß er sich in den Augen aller Vernünftigen schon dadurch sehr im Nachtheil stelt, indem er von einer höheren Gerichtsbarkeit seine Zuflucht zu einer niedrigern nimt und die als die für ihn gehörige anerkent, da er berechtigt zu der Andern [10] wozu niemand einen andern Grund finden wird als daß er keine Antwort auf die ihm vorgelegten Klagepunkte zu geben weiß und nun Aufschub und Ausflüchte sucht, welches um so mehr auffält, da er ehe meine Klage anhängig gemacht war, selbst beim Cammergericht die Requisitionen der Kinder nachgesucht hatt. Und endlich die höchste Lächerlichkeit, da jeder Mensch welcher nur irgend Anspruch darauf hatt eine wichtige [Sache] vom Stadgericht gern nach dem Cammergericht spielen wird, weil sie dort mit mehr Genauigkeit und mit mehr Anstand geführt wird, welches beim Stadgericht der Menge kleiner Prozesse und Geschäfte wegen nicht möglig ist. Er stelt sich also nun selbst den geringsten gleich und wo über die Zänkereien der Mägde und über die Händel in Wirtshäusern geurtheilt wird, dahin bringt er diesen Handel. Ich habe von dem vielen Schreiben Brustschmerzen und muß aufhören, meine Briefe die ich Ihnen schreibe sind immer eher Bücher als Briefe zu nennen. Mein Bruder Friedrich und Knorring grüßen Sie von ganzen Herzen, und auch die Kinder. Ich wolt Sie sehen sie einmal wieder wie blühend und gesund sie sind. Schreiben Sie mir bald und bleiben Sie so mein Bruder wie ich ewig Ihre
Schwesterliche Freundin
S[ophie] Tieck

Ich habe Ihnen so weitläuftig geschrieben und doch vergessen eines zu sagen, nemlich ob Sie so bekant sind mit dem Geheimerath Kölz daß Sie ihm schreiben können, wen[n] dieß ist so bitte ich Sie es zu thun und ihm meine Sache zu empfehlen, den[n] da diese jezt beim Stadgericht geführt [wird] so könte sie durch seinen Einfluß sehr beschleunigt werden und dieß wäre mir ein grosser Vortheil, und um Ihrentwillen nehme er auch wohl persöhnlichen Antheil.
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