• August Wilhelm von Schlegel to Ludwig Tieck

  • Place of Dispatch: Berlin · Place of Destination: Unknown · Date: 30.06.1801
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
    Metadata Concerning Header
  • Sender: August Wilhelm von Schlegel
  • Recipient: Ludwig Tieck
  • Place of Dispatch: Berlin
  • Place of Destination: Unknown
  • Date: 30.06.1801
    Printed Text
  • Bibliography: Ludwig Tieck und die Brüder Schlegel. Briefe. Hg. v. Edgar Lohner auf der Grundlage der von Henry Lüdeke besorgten Edition. München 1972, S. 76‒79.
  • Incipit: „[1] Berlin, den 30. Juni 1801
    Liebster Freund!
    Da du auf meinen Brief sogleich mit dem nächsten Posttage geantwortet und die nöthigen Sachen [...]“
    Manuscript
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: DE-611-37187
  • Classification Number: Mscr.Dresd.e.90,XX,Bd.7,Nr.66(15)
  • Number of Pages: 11 S. auf Doppelbl., hs.
  • Format: 19 x 11,7 cm
[1] Berlin, den 30. Juni 1801
Liebster Freund!
Da du auf meinen Brief sogleich mit dem nächsten Posttage geantwortet und die nöthigen Sachen geschickt, so hat er seinen Zweck erreicht, und ich bin mit allem übrigen gern zufrieden. Denn ich denke wie jener alte Feldherr: Schimpf aber schreib nur.
Hier sind nun alle die vorräthigen Gedichte die du noch nicht kennst. Ob die kleinen Gedichte von meinem Bruder des Anstoßes wegen gänzlich auszuschließen sind, oder bloß Nr. 6 und weil er es in diesem Falle verlangt hat auch das sentimentale Nr. 5, will ich dir anheim geben. Nöthig scheint es mir nicht – denn solche Sachen, wie in den übrigen, kommen doch in Schützens Tänzern, und in andren Stücken auch vor, es läßt sich fast nicht vermeiden, und die Leser sind das auch schon gewohnt.
Fichte hat mir das kleine Gedicht, das er mir einmal vorgelesen und für den Almanach bestimmt, noch nicht in Abschrift gegeben, deswegen steht es nicht in der Liste. Sobald ich es bekomme schicke ich es.
Hier erfolgen auch Röschlaubs Epigramme. Der Einfall in dem 3ten Distichon ist sehr gut, aber der Spaß mit der Allgemeinen und gemeinen Literatur Zeitung [2] schon etwas abgenutzt, und überdieß wegen des Strickstrumpfs eine Note erforderlich, wenn man nicht ein eigenes Epigramm darüber hinzufügen wollte. Mir däucht also, man machte wegen dieser Epigramme keine Ausnahme von der Maxime, nichts Literarisches aufzunehmen.
Von Mniochs Gedicht schicke ich dir die Original Abschrift. In der, die ich habe nehmen lassen, ist das: Fragmentarische Andeutungen und alles Unterstreichen und doppelt Unterstreichen weggeblieben. Auf einige Fehler der Hexameter habe ich ihn aufmerksam gemacht, wenn er aber keine Korrekturen schickt, so ist es wohl am besten man läßt sie so.
Wie es unheilig seyn soll, ein paar Lieder aus dem Afterdingen aufzunehmen, sehe ich nicht ein. Was davon vorhanden, ist ja überhaupt nur ein Fragment, diese Lieder sind vollendete Gedichte die für sich ganz verständlich sind. Du wirst sehn, daß ich darnach gewählt habe. Der Druck des Buchs ist noch Schwierigkeiten unterworfen, warum soll man also nicht im Voraus eine Menge Leser dafür interessiren?
Deine neuen Gedichte haben mich sehr gefreut; die Sonette sind göttlich, in der Einsamkeit ist mir besonders die Anspielung auf die Niobe merk[3]würdig gewesen. Erlaube mir ein paar Kleinigkeiten zu bemerken. Du gebrauchst zweimal neigen intransitiv ohne sich; ich weiß nicht, ob das geht. Warum nicht in der ersten Zeile der 6ten Strophe: Mit ihnen sehʼ ich die sich abwärts neigen. In der 7ten scheint mir das Wird sichtbarlich nicht grammatisch richtig und deswegen dunkel. Die Endsylbe macht es zum Adverbium, wozu nun noch ein Adjektiv erwartet wird.
In dem Zornigen, vergaß ich letzthin zu bemerken, hast du die Assonanz doch gar zu lax genommen, indem du eu und ei wechseln läßt.
Über den Fortunat und deine voriges Mal geschickten Gedichte wollen wir uns nicht weiter entzweyen. Du wünschest die Freunde kennen zu lernen, denen jener so sehr gefallen hat. Gut, es sind Schelling, Schütze, Bernhardi, Genelli, meine Frau und deine Schwester. Auch Friedrich hat ihn eigentlich gar nicht getadelt, und die Angemessenheit der Form anerkannt. – Bey Gelegenheit des Zornigen und der Sanftmuth haben wir einige Gedichte aus dem Lovel wieder gelesen, die ganz zu der selben Gattung gehören, und uns alle entzückt haben.
Ich habe nichts gegen die Einrückung des Sonetts von Bernhardi; – ich habe ihn nur sehr ermahnt, noch etwas andres zu machen, und [4] nicht mit einem Gänsebraten allein zuerst als Dichter aufzutreten. Ich denke auch, daß er uns noch etwas recht gutes geben wird.
Das Gedicht von deiner Schwester scheint mir außerordentlich lieblich und rührend.
Karl Hardenbergʼs Chiffre ist mir jetzt in der That nicht erinnerlich.
Was du mir bei der Anordnung anbefiehlst, werde ich beobachten. Ich glaube man muß, außer da, wo eine oder mehrere Reihen von Stücken zusammen gehören und ein Ganzes machen, die möglichste Abwechselung suchen. Ich werde also auch die Romanzen trennen.
Von Friedrich habe ich die übrigen Sachen, die er uns versprochen, immer noch nicht erhalten, ungeachtet meines dringenden Mahnens.
Deine Sonette an Hardenberg können allerdings sehr gut auf die Canzone an ihn folgen, der ich aber noch ein Sonett nachzuschicken denke, so wie überhaupt die Gedichte, die ich unter dem Namen Todtenopfer zusammen fasse, noch mit einigen vermehrt werden sollen.
Die Lieder aus dem Afterdingen schick mir sogleich wieder, mit den übrigen ist es nicht nöthig, bis ich sie etwa fodre, weil ich Abschriften habe nehmen lassen.
[5] Du sagst, du habest mir das mit Cotta über den Druck des Almanachs Verabredete sogleich geschrieben – dieser Brief muß aber verlohren gegangen seyn, oder du irrst dich; denn jetzt erfahre ich das erste Wort. Ich schreibe nun gleich heute an Frommann, und schicke auch den Anfang des Manuscripts nach Jena. – Wenn Cotta mit Fr[ommann] schon gesprochen, so wird dieser auch wissen, wie stark Cotta die Auflage überhaupt, und wie viel auf Velin gedruckt haben will etc. worüber ich bey eigenmächtiger Abrede mit einem Drucker sehr verlegen seyn würde. Auf alle Fälle ist Fr[ommann] so mit Cotta liirt, daß er, falls er selbst seine Druckerey zu stark besetzt haben sollte, für ihn bey einem andern Drucker Anstalten treffen kann. Lateinische Lettern werden nun wohl das beste seyn, da Fr[ommann] keine recht eleganten kleinern haben möchte. In einigen Wochen werde ich in Jena zurück seyn, und die Correctur selbst besorgen können, bis dahin kann sie ohne Bedenken Frommanns Leuten anbefohlen werden, da die Abschriften meistens deutlich sind.
[6] Werde nicht böse, daß ich den Afterdingen noch nicht mitschicke. Da ihn der Zufall meiner Bewahrung anvertraut hat, so halte ich es für meine Pflicht, ihn auf das sorgfältigste in Acht zu nehmen; denn ich weiß ja nicht einmal ob der Brouillon, wovon diese Copie genommen, noch vollständig vorhanden ist, und bey so bewandten Sachen halte ich es für zu gefährlich, das Manuscript in der Welt herum reisen zu lassen. Wozu kannst du ihn nur so nöthig brauchen? Überdieß denke ich mich der Erscheinung im Druck mit Eifer anzunehmen; durch meine Vermittlung ist die erste Übereinkunft mit Unger geschlossen, und ich weiß, daß es Hardenberg besonders darauf ankam, das Buch ganz in der Gestalt des W[ilhelm] M[eister] gedruckt zu sehen. Ich werde bey Unger noch einmal anfragen, und dann es mit andern Buchhändlern versuchen, wobey ich solchen Format und Druck zur ausdrücklichen Bedingung machen werde. Findet sich auf Michaelis keiner, so müßte man es etwa bey Sander in Commission geben, und die Freunde müßten die Kosten des Drucks [7] durch eine Subscription unter sich zusammen bringen. – Ist der Afterdingen erst gedruckt, so können alsdann die übrigen, bisher gedruckten, oder ungedruckten, Aufsätze und Gedichte von Hardenberg in einem zweyten Bändchen als Anhang folgen. Du siehst, zu jener Besorgung des Drucks muß ich das Manuscript in Händen haben, und Du müßtest mir also erst dein Ehrenwort geben, daß ich es auf die erste Mahnung wieder haben solle. Immer bleibt es sehr bedenklich, es so herum reisen zu lassen.
Lebe recht wohl. Bernhardiʼs grüßen und schreiben nächstens.
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[1] Berlin, den 30. Juni 1801
Liebster Freund!
Da du auf meinen Brief sogleich mit dem nächsten Posttage geantwortet und die nöthigen Sachen geschickt, so hat er seinen Zweck erreicht, und ich bin mit allem übrigen gern zufrieden. Denn ich denke wie jener alte Feldherr: Schimpf aber schreib nur.
Hier sind nun alle die vorräthigen Gedichte die du noch nicht kennst. Ob die kleinen Gedichte von meinem Bruder des Anstoßes wegen gänzlich auszuschließen sind, oder bloß Nr. 6 und weil er es in diesem Falle verlangt hat auch das sentimentale Nr. 5, will ich dir anheim geben. Nöthig scheint es mir nicht – denn solche Sachen, wie in den übrigen, kommen doch in Schützens Tänzern, und in andren Stücken auch vor, es läßt sich fast nicht vermeiden, und die Leser sind das auch schon gewohnt.
Fichte hat mir das kleine Gedicht, das er mir einmal vorgelesen und für den Almanach bestimmt, noch nicht in Abschrift gegeben, deswegen steht es nicht in der Liste. Sobald ich es bekomme schicke ich es.
Hier erfolgen auch Röschlaubs Epigramme. Der Einfall in dem 3ten Distichon ist sehr gut, aber der Spaß mit der Allgemeinen und gemeinen Literatur Zeitung [2] schon etwas abgenutzt, und überdieß wegen des Strickstrumpfs eine Note erforderlich, wenn man nicht ein eigenes Epigramm darüber hinzufügen wollte. Mir däucht also, man machte wegen dieser Epigramme keine Ausnahme von der Maxime, nichts Literarisches aufzunehmen.
Von Mniochs Gedicht schicke ich dir die Original Abschrift. In der, die ich habe nehmen lassen, ist das: Fragmentarische Andeutungen und alles Unterstreichen und doppelt Unterstreichen weggeblieben. Auf einige Fehler der Hexameter habe ich ihn aufmerksam gemacht, wenn er aber keine Korrekturen schickt, so ist es wohl am besten man läßt sie so.
Wie es unheilig seyn soll, ein paar Lieder aus dem Afterdingen aufzunehmen, sehe ich nicht ein. Was davon vorhanden, ist ja überhaupt nur ein Fragment, diese Lieder sind vollendete Gedichte die für sich ganz verständlich sind. Du wirst sehn, daß ich darnach gewählt habe. Der Druck des Buchs ist noch Schwierigkeiten unterworfen, warum soll man also nicht im Voraus eine Menge Leser dafür interessiren?
Deine neuen Gedichte haben mich sehr gefreut; die Sonette sind göttlich, in der Einsamkeit ist mir besonders die Anspielung auf die Niobe merk[3]würdig gewesen. Erlaube mir ein paar Kleinigkeiten zu bemerken. Du gebrauchst zweimal neigen intransitiv ohne sich; ich weiß nicht, ob das geht. Warum nicht in der ersten Zeile der 6ten Strophe: Mit ihnen sehʼ ich die sich abwärts neigen. In der 7ten scheint mir das Wird sichtbarlich nicht grammatisch richtig und deswegen dunkel. Die Endsylbe macht es zum Adverbium, wozu nun noch ein Adjektiv erwartet wird.
In dem Zornigen, vergaß ich letzthin zu bemerken, hast du die Assonanz doch gar zu lax genommen, indem du eu und ei wechseln läßt.
Über den Fortunat und deine voriges Mal geschickten Gedichte wollen wir uns nicht weiter entzweyen. Du wünschest die Freunde kennen zu lernen, denen jener so sehr gefallen hat. Gut, es sind Schelling, Schütze, Bernhardi, Genelli, meine Frau und deine Schwester. Auch Friedrich hat ihn eigentlich gar nicht getadelt, und die Angemessenheit der Form anerkannt. – Bey Gelegenheit des Zornigen und der Sanftmuth haben wir einige Gedichte aus dem Lovel wieder gelesen, die ganz zu der selben Gattung gehören, und uns alle entzückt haben.
Ich habe nichts gegen die Einrückung des Sonetts von Bernhardi; – ich habe ihn nur sehr ermahnt, noch etwas andres zu machen, und [4] nicht mit einem Gänsebraten allein zuerst als Dichter aufzutreten. Ich denke auch, daß er uns noch etwas recht gutes geben wird.
Das Gedicht von deiner Schwester scheint mir außerordentlich lieblich und rührend.
Karl Hardenbergʼs Chiffre ist mir jetzt in der That nicht erinnerlich.
Was du mir bei der Anordnung anbefiehlst, werde ich beobachten. Ich glaube man muß, außer da, wo eine oder mehrere Reihen von Stücken zusammen gehören und ein Ganzes machen, die möglichste Abwechselung suchen. Ich werde also auch die Romanzen trennen.
Von Friedrich habe ich die übrigen Sachen, die er uns versprochen, immer noch nicht erhalten, ungeachtet meines dringenden Mahnens.
Deine Sonette an Hardenberg können allerdings sehr gut auf die Canzone an ihn folgen, der ich aber noch ein Sonett nachzuschicken denke, so wie überhaupt die Gedichte, die ich unter dem Namen Todtenopfer zusammen fasse, noch mit einigen vermehrt werden sollen.
Die Lieder aus dem Afterdingen schick mir sogleich wieder, mit den übrigen ist es nicht nöthig, bis ich sie etwa fodre, weil ich Abschriften habe nehmen lassen.
[5] Du sagst, du habest mir das mit Cotta über den Druck des Almanachs Verabredete sogleich geschrieben – dieser Brief muß aber verlohren gegangen seyn, oder du irrst dich; denn jetzt erfahre ich das erste Wort. Ich schreibe nun gleich heute an Frommann, und schicke auch den Anfang des Manuscripts nach Jena. – Wenn Cotta mit Fr[ommann] schon gesprochen, so wird dieser auch wissen, wie stark Cotta die Auflage überhaupt, und wie viel auf Velin gedruckt haben will etc. worüber ich bey eigenmächtiger Abrede mit einem Drucker sehr verlegen seyn würde. Auf alle Fälle ist Fr[ommann] so mit Cotta liirt, daß er, falls er selbst seine Druckerey zu stark besetzt haben sollte, für ihn bey einem andern Drucker Anstalten treffen kann. Lateinische Lettern werden nun wohl das beste seyn, da Fr[ommann] keine recht eleganten kleinern haben möchte. In einigen Wochen werde ich in Jena zurück seyn, und die Correctur selbst besorgen können, bis dahin kann sie ohne Bedenken Frommanns Leuten anbefohlen werden, da die Abschriften meistens deutlich sind.
[6] Werde nicht böse, daß ich den Afterdingen noch nicht mitschicke. Da ihn der Zufall meiner Bewahrung anvertraut hat, so halte ich es für meine Pflicht, ihn auf das sorgfältigste in Acht zu nehmen; denn ich weiß ja nicht einmal ob der Brouillon, wovon diese Copie genommen, noch vollständig vorhanden ist, und bey so bewandten Sachen halte ich es für zu gefährlich, das Manuscript in der Welt herum reisen zu lassen. Wozu kannst du ihn nur so nöthig brauchen? Überdieß denke ich mich der Erscheinung im Druck mit Eifer anzunehmen; durch meine Vermittlung ist die erste Übereinkunft mit Unger geschlossen, und ich weiß, daß es Hardenberg besonders darauf ankam, das Buch ganz in der Gestalt des W[ilhelm] M[eister] gedruckt zu sehen. Ich werde bey Unger noch einmal anfragen, und dann es mit andern Buchhändlern versuchen, wobey ich solchen Format und Druck zur ausdrücklichen Bedingung machen werde. Findet sich auf Michaelis keiner, so müßte man es etwa bey Sander in Commission geben, und die Freunde müßten die Kosten des Drucks [7] durch eine Subscription unter sich zusammen bringen. – Ist der Afterdingen erst gedruckt, so können alsdann die übrigen, bisher gedruckten, oder ungedruckten, Aufsätze und Gedichte von Hardenberg in einem zweyten Bändchen als Anhang folgen. Du siehst, zu jener Besorgung des Drucks muß ich das Manuscript in Händen haben, und Du müßtest mir also erst dein Ehrenwort geben, daß ich es auf die erste Mahnung wieder haben solle. Immer bleibt es sehr bedenklich, es so herum reisen zu lassen.
Lebe recht wohl. Bernhardiʼs grüßen und schreiben nächstens.
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