• Heinrich Voß to August Wilhelm von Schlegel

  • Place of Dispatch: Heidelberg · Place of Destination: Unknown · Date: 01.07.1807
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
    Metadata Concerning Header
  • Sender: Heinrich Voß
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel
  • Place of Dispatch: Heidelberg
  • Place of Destination: Unknown
  • Date: 01.07.1807
    Printed Text
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: 335976727
  • Bibliography: Krisenjahre der Frühromantik. Briefe aus dem Schlegelkreis. Hg. v. Josef Körner. Bd. 1. Der Texte erste Hälfte. 1791‒1808. Bern u.a. ²1969, S. 414‒416.
  • Incipit: „[1] Heidelberg d. 1. Jul. 1807.
    Ihren lieben und so sehr freundlichen Brief, verehrter Herr Professor, habe ich heute Morgen nach einem [...]“
    Manuscript
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: APP2712-Bd-6
  • Classification Number: Mscr.Dresd.App.2712,B,21,89
  • Number of Pages: 4 S. auf Doppelbl., hs. m. U.
  • Format: 19,5 x 12,2 cm
[1] Heidelberg d. 1. Jul. 1807.
Ihren lieben und so sehr freundlichen Brief, verehrter Herr Professor, habe ich heute Morgen nach einem langen Harren empfangen. Ich gestehe Ihnen gerne, daß ich seit einem Vierteljahre schon alle Hofnung, eine Antwort von Ihnen zu erhalten, aufgegeben; doch hatte ich Sie nie im Verdachte der Unfreundlichkeit; ich glaubte vielmehr, mein Päckchen müßte verlohren gegangen sein. Zweimal war ich in Versuchung, Ihnen ein zweites Päckchen zu schicken; allein ich scheute den Schein von Andringlichkeit. – Wie soll ich Ihnen aber danken für Ihr freundliches und aufmunterndes Wort, für Ihre Theilnahme an meiner gutgemeinten, aber doch sehr unvollkommenen Arbeit! – Eschenburg und F. L. Stolberg haben mir ihren Beifall geschenkt, aus vollem, und lezter aus fast überströmendem Herzen. Sie sind der Dritte der mir ein freundliches Wort sagt. Sonst hat mich das Publikum sehr kalt aufgenommen. In keiner Klatschzeitung ist meiner auch nur gedacht worden; in keiner gelehrten Zeitung bin ich recensirt worden, ausgenommen in der J.[enaischen] A.[llgemeinen] L.[iteratur] Z.[eitung] die aber eine so magere superficielle Anzeige gab, daß es mir eben keine Freude gewähren konnte. Der Recensent bemerkt, daß ich gute Verse zu schmieden wüßte, und daß mir die pomphaften Stellen im Lear nicht übel gelungen wären. Übrigens fehle es an allen Ecken, nur an einigen Ecken etwas minder, als an anderen. [2] Er bemerkt ferner, ich hätte oft den Sinn verfehlt; z. B. wenn to make the deer with a double back im Anfange des Othello durch: einen doppelten Adler machen übersezt wäre, so wäre grade das Gegentheil von dem ausgedrückt, was hätte gesagt werden sollen. Freilich sizen die zwei Adler mit dem Rücken an einander und das ist für einen Recensenten, der auch nicht einmal im Scherz lügen will, ein höchst bedenklicher Umstand. Allein ein Recensent hätte doch wohl bedenken können, daß eine sprichwörtliche Redensart wieder durch eine sprichwörtliche Redensart übersezt werden mußte. Ich mag Ihnen nicht mehr von dieser Recension erzählen, zumal, da sie von einem Manne herrührt, für den ich übrigens viel Hochachtung habe; es ist ein Herr von Jariges, derselbige, der vor einem Jahre Ihren Calderon (auch sehr oberflächlich) recensirte; ein geschickter Mann, so lange er in seiner Sphäre bleibt. Da Sie sich zu einer Anzeige erbieten; o so erlauben Sie mir gewiß, daß ich Sie recht dringend bitte, diesen Vorsaz auszuführen. Eichstädt nimmt oft eine zweite Recension von einem Buche auf; von Ihnen wird er sie sogar mit Freuden aufnehmen. Nehmen Sie mich scharf und strenge durch; und schonen Sie mich nicht, wo ich Tadel verdiene. Zeigen Sie mir besonders, wie ich es in der Prosa hätte machen sollen, denn da fühle ich, daß meine Übersezung sehr schwach ist. Auch habe ich an vielen Stellen nicht so körnig und gediegen übersezt, wie ich es hätte [3] thun sollen, und vielleicht gethan hätte, wenn ich unter Ihrer Leitung hätte arbeiten können. Aber retten Sie mich von dem Verdachte, als hätte ich mein Original nicht verstanden; hier ist mir ein Selbstlob verstattet. – Was die Lieder im Lear betrifft, so sind 2 darunter, die von einem 16jährigen Knaben herrühren, dem jungen Graf Baudissin in Berlin, meinem Landsmann. Der welcher dient, um Gut und Geld und das Hundelied mit den Reimen Jagdhund und Schlachthund: auch in der Profezeihung des Narren, sind nur die lezten 8 Knittelverse von mir; die ersten hat ein Freund von mir übersezt, und ich nur ein wenig nachgebessert. Dies Ihnen, damit Sie mich nicht etwa wegen Sachen loben, die mein Eigenthum nicht sind. Auf besondre Bitte meines jungen Freundes durfte ich ihn in der Vorrede zum Othello nicht genauer bezeichnen.
Gott sei gelobt, und gebenedeiet, daß Sie, herrlicher Mann, wieder an den Shakspeare gehen wollen. Habe ich daran einigen Antheil, wie Sie schreiben, nun dann will ich die Stunde segnen, in der ich den Lear zu übersezen anfing. Unter vielen Verehrern Ihres Shakspeare bin ich vielleicht der wärmste, und bin es von Jugend auf gewesen. Ich war ein 16jähriger Knabe, als der erste Band erschien; ich habe ihn mit Heißhunger verschlungen. Glauben Sie mir, ich bin Ihnen oft böse gewesen daß Sie diese Arbeit so lange unterbrechen konnten. Ihre Ankündigung vor zwei Jahren erhob meine Hofnung etwas wieder. [4] O daß Sie sie jezt nicht wieder niederschlagen. Hat Sie die Kälte der Deutschen abgeschreckt? Aber einige sind doch, die man würdige Leser nennen darf. An diese denken Sie, für diese arbeiten Sie. – Schon vor einem Jahre habe ich Eichstädt gebeten, mir die Recension Ihres Shakspear zu übertragen; ich werde denn alle Bände auf einmal recensiren, und einen Versuch machen, ob es mir gelingt, eine ausführliche Darstellung Ihrer Methode zu liefern, ein Bild, in welchem Sie selbst sich wiedererkennen. So eine darstellende Recension habe ich neulich von meines Vaters Horaz gemacht; und mein Vater gab mir vorgestern, als er sie gedruckt las, das Zeugnis, daß ich ihn richtig verstanden, und rein aufgefaßt habe.
Sechs Shakspearübersezer erheben sich in Deutschland auf einmal; unter diesen ist Seckendorf. Jul. Schütz hat seinen Hamlet über die Maßen schlecht gemacht, so schlecht, daß man ihn bemitleiden könnte. Denn ist es nicht ein Unglück, und des Mitleids werth, wenn der arme verblendete Tropf sich noch einbilden kann, etwas gutes geliefert zu haben. Jul. Schütz
der ruchlose Sohn des wackersten Papaʼs
ist der erbärmlichste Pinsel, der jezt unter Gottes Sonne lebt.
Diesen Brief habe ich Ihnen unter großer Unruhe geschrieben; wir ziehen heute in unsere eigene Wohnung ein. Wollen Sie uns dorten einmal besuchen, so werden Sie ein lieber, lieber Gastfreund sein. Mein Vater empfiehlt sich Ihnen; er hat ganz die Freude des Sohnes über ihren freundlichen Brief getheilt. Bleiben Sie hold und gewogen Ihrem ergebenen und Sie verehrenden
Heinrich Voß

Gries grüßt Sie; auch er, den ich heut Mittag sprach, hat viel Freude an Ihrem Brief gehabt. Mein Brief wird durch Cotta an Sie gelangen.
[1] Heidelberg d. 1. Jul. 1807.
Ihren lieben und so sehr freundlichen Brief, verehrter Herr Professor, habe ich heute Morgen nach einem langen Harren empfangen. Ich gestehe Ihnen gerne, daß ich seit einem Vierteljahre schon alle Hofnung, eine Antwort von Ihnen zu erhalten, aufgegeben; doch hatte ich Sie nie im Verdachte der Unfreundlichkeit; ich glaubte vielmehr, mein Päckchen müßte verlohren gegangen sein. Zweimal war ich in Versuchung, Ihnen ein zweites Päckchen zu schicken; allein ich scheute den Schein von Andringlichkeit. – Wie soll ich Ihnen aber danken für Ihr freundliches und aufmunterndes Wort, für Ihre Theilnahme an meiner gutgemeinten, aber doch sehr unvollkommenen Arbeit! – Eschenburg und F. L. Stolberg haben mir ihren Beifall geschenkt, aus vollem, und lezter aus fast überströmendem Herzen. Sie sind der Dritte der mir ein freundliches Wort sagt. Sonst hat mich das Publikum sehr kalt aufgenommen. In keiner Klatschzeitung ist meiner auch nur gedacht worden; in keiner gelehrten Zeitung bin ich recensirt worden, ausgenommen in der J.[enaischen] A.[llgemeinen] L.[iteratur] Z.[eitung] die aber eine so magere superficielle Anzeige gab, daß es mir eben keine Freude gewähren konnte. Der Recensent bemerkt, daß ich gute Verse zu schmieden wüßte, und daß mir die pomphaften Stellen im Lear nicht übel gelungen wären. Übrigens fehle es an allen Ecken, nur an einigen Ecken etwas minder, als an anderen. [2] Er bemerkt ferner, ich hätte oft den Sinn verfehlt; z. B. wenn to make the deer with a double back im Anfange des Othello durch: einen doppelten Adler machen übersezt wäre, so wäre grade das Gegentheil von dem ausgedrückt, was hätte gesagt werden sollen. Freilich sizen die zwei Adler mit dem Rücken an einander und das ist für einen Recensenten, der auch nicht einmal im Scherz lügen will, ein höchst bedenklicher Umstand. Allein ein Recensent hätte doch wohl bedenken können, daß eine sprichwörtliche Redensart wieder durch eine sprichwörtliche Redensart übersezt werden mußte. Ich mag Ihnen nicht mehr von dieser Recension erzählen, zumal, da sie von einem Manne herrührt, für den ich übrigens viel Hochachtung habe; es ist ein Herr von Jariges, derselbige, der vor einem Jahre Ihren Calderon (auch sehr oberflächlich) recensirte; ein geschickter Mann, so lange er in seiner Sphäre bleibt. Da Sie sich zu einer Anzeige erbieten; o so erlauben Sie mir gewiß, daß ich Sie recht dringend bitte, diesen Vorsaz auszuführen. Eichstädt nimmt oft eine zweite Recension von einem Buche auf; von Ihnen wird er sie sogar mit Freuden aufnehmen. Nehmen Sie mich scharf und strenge durch; und schonen Sie mich nicht, wo ich Tadel verdiene. Zeigen Sie mir besonders, wie ich es in der Prosa hätte machen sollen, denn da fühle ich, daß meine Übersezung sehr schwach ist. Auch habe ich an vielen Stellen nicht so körnig und gediegen übersezt, wie ich es hätte [3] thun sollen, und vielleicht gethan hätte, wenn ich unter Ihrer Leitung hätte arbeiten können. Aber retten Sie mich von dem Verdachte, als hätte ich mein Original nicht verstanden; hier ist mir ein Selbstlob verstattet. – Was die Lieder im Lear betrifft, so sind 2 darunter, die von einem 16jährigen Knaben herrühren, dem jungen Graf Baudissin in Berlin, meinem Landsmann. Der welcher dient, um Gut und Geld und das Hundelied mit den Reimen Jagdhund und Schlachthund: auch in der Profezeihung des Narren, sind nur die lezten 8 Knittelverse von mir; die ersten hat ein Freund von mir übersezt, und ich nur ein wenig nachgebessert. Dies Ihnen, damit Sie mich nicht etwa wegen Sachen loben, die mein Eigenthum nicht sind. Auf besondre Bitte meines jungen Freundes durfte ich ihn in der Vorrede zum Othello nicht genauer bezeichnen.
Gott sei gelobt, und gebenedeiet, daß Sie, herrlicher Mann, wieder an den Shakspeare gehen wollen. Habe ich daran einigen Antheil, wie Sie schreiben, nun dann will ich die Stunde segnen, in der ich den Lear zu übersezen anfing. Unter vielen Verehrern Ihres Shakspeare bin ich vielleicht der wärmste, und bin es von Jugend auf gewesen. Ich war ein 16jähriger Knabe, als der erste Band erschien; ich habe ihn mit Heißhunger verschlungen. Glauben Sie mir, ich bin Ihnen oft böse gewesen daß Sie diese Arbeit so lange unterbrechen konnten. Ihre Ankündigung vor zwei Jahren erhob meine Hofnung etwas wieder. [4] O daß Sie sie jezt nicht wieder niederschlagen. Hat Sie die Kälte der Deutschen abgeschreckt? Aber einige sind doch, die man würdige Leser nennen darf. An diese denken Sie, für diese arbeiten Sie. – Schon vor einem Jahre habe ich Eichstädt gebeten, mir die Recension Ihres Shakspear zu übertragen; ich werde denn alle Bände auf einmal recensiren, und einen Versuch machen, ob es mir gelingt, eine ausführliche Darstellung Ihrer Methode zu liefern, ein Bild, in welchem Sie selbst sich wiedererkennen. So eine darstellende Recension habe ich neulich von meines Vaters Horaz gemacht; und mein Vater gab mir vorgestern, als er sie gedruckt las, das Zeugnis, daß ich ihn richtig verstanden, und rein aufgefaßt habe.
Sechs Shakspearübersezer erheben sich in Deutschland auf einmal; unter diesen ist Seckendorf. Jul. Schütz hat seinen Hamlet über die Maßen schlecht gemacht, so schlecht, daß man ihn bemitleiden könnte. Denn ist es nicht ein Unglück, und des Mitleids werth, wenn der arme verblendete Tropf sich noch einbilden kann, etwas gutes geliefert zu haben. Jul. Schütz
der ruchlose Sohn des wackersten Papaʼs
ist der erbärmlichste Pinsel, der jezt unter Gottes Sonne lebt.
Diesen Brief habe ich Ihnen unter großer Unruhe geschrieben; wir ziehen heute in unsere eigene Wohnung ein. Wollen Sie uns dorten einmal besuchen, so werden Sie ein lieber, lieber Gastfreund sein. Mein Vater empfiehlt sich Ihnen; er hat ganz die Freude des Sohnes über ihren freundlichen Brief getheilt. Bleiben Sie hold und gewogen Ihrem ergebenen und Sie verehrenden
Heinrich Voß

Gries grüßt Sie; auch er, den ich heut Mittag sprach, hat viel Freude an Ihrem Brief gehabt. Mein Brief wird durch Cotta an Sie gelangen.
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