• August Wilhelm von Schlegel to Jakob Lamberz

  • Place of Dispatch: Bonn · Place of Destination: Bonn · Date: [10. Januar 1819]
Edition Status: Newly transcribed and labelled; double collated
    Metadata Concerning Header
  • Sender: August Wilhelm von Schlegel
  • Recipient: Jakob Lamberz
  • Place of Dispatch: Bonn
  • Place of Destination: Bonn
  • Date: [10. Januar 1819]
  • Notations: Datum sowie Absende- und Empfangsort erschlossen.
    Printed Text
  • Bibliography: Paul Kaufmann: Auf den Spuren August Wilhelm von Schlegels. In: Preußische Jahrbücher 234 (1933), S. 227−231.
  • Incipit: „[1] Hochzuverehrender Herr Kreisrichter,
    Da Ew. Wohlgeb. die Güte haben wollen, in einer höchst widerwärtigen und verworrenen Angelegenheit als Rechtsgelehrter und als [...]“
    Manuscript
  • Provider: Universitäts- und Landesbibliothek Bonn
  • OAI Id: 1923103
  • Classification Number: S 2537 : II : 1-4
  • Provenance: 1939 aus Sondermitteln der Stiftung Vom Rath erworben.
  • Number of Pages: 1 e. Br. (4 Bl.)
  • Format: 24,3 x 20,4 cm
  • Particularities: Nach einer Blaustiftfoliierung handelt es sich um Bl. 1-4.
  • Editors: Bamberg, Claudia · Varwig, Olivia
[1] Hochzuverehrender Herr Kreisrichter,
Da Ew. Wohlgeb. die Güte haben wollen, in einer höchst widerwärtigen und verworrenen Angelegenheit als Rechtsgelehrter und als Freund mein Rathgeber zu seyn, was ich als einen Umstand von der günstigsten Vorbedeutung anerkenne, so erlauben Sie mir, nachdem Sie alle hierauf bezüglichen Briefe gelesen, Ihnen den Verlauf der Sache schriftlich, und genau nach der Zeitordnung vorzutragen, um Ihrem Gedächtnisse die Mühe zu erleichtern. Sie werden bemerken, daß aus der bloßen Vergleichung der Zeitangaben sehr merkwürdige Aufschlüsse hervorgehen.
Diese Ehe, – wozu der Antrag xxxxx sowohl von den Eltern als der Tochter auf alle Weise begünstigt worden war, und bereitwillig angenommen wurde ohne nur einen Augenblick Bedenkzeit zu begehren, – diese Ehe habe ich geschlossen, in der redlichsten Absicht, alle Vortheile meiner äußern Lage, welche nicht unrühmliche Bestrebungen mir erworben haben, auf meine Gattin zu übertragen, sie jeder niederdrückenden Sorge und Beschäftigung zu überheben, und ihr Leben durch jeden edlen Genuß zu erheitern. Nur wahre Neigung konnte mein Bewegungsgrund seyn: dieß leuchtet von selbst ein.
Die Verlobung erfolgte, jedoch ohne Förmlichkeit, in den letzten Tagen des Julius; die Hochzeit war am 30sten August.
Mein Ruf nach Berlin war schon früher bekannt, die Bestätigung traf einige Zeit nach der Verlobung ein. Meine Schwieger[2]eltern drangen sowohl vor als nach der Hochzeit sehr lebhaft in mich, kein Amt anzunehmen, meine mäßigen Einkünfte in Heidelberg zu verzehren und durch schriftstellerische Arbeiten zu vermehren, und ein gemeinschaftliches Hauswesen xxxx zu stiften. Sie hätten dieß zur Bedingung ihrer Einwilligung machen können, haben es aber nicht gethan, auch habe ich nie ein solches Versprechen gegeben. Ich entschied mich für die Annahme des ehrenvollen Rufes, weil ich hoffen konnte, auf solche Weise meine Gattin in größeren Wohlstand zu setzen, und besser für ihre Zukunft zu sorgen; theils weil es mir nicht geziemend schien, daß ein Mann, von dem seine Mitbürger eine öffentliche nützliche Wirksamkeit erwarten können, sich Familien-Verhältnissen zu lieb, ganz davon zurückziehe.
Ich suchte jedoch die Trennung der Tochter von ihren Eltern so viel möglich zu mildern, und das künftige Wiedersehen zu erleichtern, indem ich, mit Aufopferung vieler äußeren Vortheile, Bonn statt Berlin erwählte, was mir nicht ohne mein wiederhohltes Ansuchen zugestanden ward.
Zehn Tage nach der Hochzeit fand ich mich bewogen eine schnelle Reise nach Coblenz zu machen. Zu gleicher Zeit reiste meine Frau nach mit ihrer Mutter nach Stuttgart ab, um ihre dortigen Verwandten zu besuchen. Bemerken Sie wohl, daß während dieser ersten Abwesenheit Mutter und Tochter zehn Tage allein beysammen und in demselben Hause waren. Dieß nur, um das nachherige Vorgeben zu widerlegen daß vor meiner letzten Abreise von Heidelberg keine Mittheilungen über die geheime Geschichte der Ehe zwischen Mutter und Tochter hätten Statt finden können.
[3] Am 14ten Sept. schrieb mir mein Schwiegervater, meine Frau habe auf das Begehren ihrer Verwandten, sie solle mich beschreiben, geantwortet: „Ich kann ihn weiter nicht beschreiben; er ist gerade so, wie ich mir ihn gewünscht habe.
Meine Frau schrieb mir sehr fleißig aus Stuttgart, und immer in dem zärtlichsten Tone. Unter andern sogleich nach ihrer Ankunft in Stuttgart am 11ten Sept: „Ich bin gewaltig muthwillig, und das bloß in der Hoffnung, Sie recht recht bald wieder zu sehen. Zu lang würde ich es ohne Sie nicht aushalten können, und wenn ich wüßte, daß es etwas hülfe, wenn ich tüchtig Algebra lernte, so wollte ich Tag und Nacht sitzen, bis ich Sie hieher gerechnet hätte.
Sobald ich meine Geschichte in Coblentz u Bonn ausgerichtet hatte, eilte ich Tag und Nacht nach Stuttgart. Ich bemerkte bald, daß man sich bemüht hatte Mishelligkeiten zwischen den Neuvermählten zu stiften. Es gelang mir ohne Schwierigkeit, diese leichten Wolken zu zerstreuen. Einige Zeit darauf bekam meine Frau die Masern, auch während ihrer Krankheit hatte man ihr Mistrauen gegen meine Gesinnungen beyzubringen gesucht. Die Herzlichkeit wurde bald wieder hergestellt, Sie versprach mir, wenn sie künftig einen Grund der Unzufriedenheit hatt zu haben glaubte, es mir offen zu sagen. Kaum von den Masern genesen, pflegte sie, da sie in ihrem Zimmer nicht allein schlief, alle Morgen mein Bett mit Ihrem Besuch zu beglücken. Mit welcher Sorgfalt ich sie während ihrer Genesung gepflegt habe, davon, darf ich sagen, ist ganz Stuttgart Zeuge gewesen.
[4] Seit meine Schwiegermutter sah, daß ich mich im Ernst anschickte, mein Amt anzutreten, war ihre Gesinnung ganz verändert. Sie faßte von dieser Zeit an den Plan, ihre Tochter bey sich zu behalten, das kaum geknüpfte Band wieder zu zerreißen, aber wie sichs nachher offenbart hat, ihre Tochter zugleich auf meine Kosten zu bereichern.
Schon in der letzten Zeit in Stuttgart war die Erbitterung der Mutter so hoch gestiegen, daß sie einmal, als ich sie an ihrem Krankenlager besuchte, in Gegenwart aller andrer Personen alle Achtung aus den Augen setzte, in eine Art von convulsivischer Wuth gerieth, und ihre Schwester, die Frau Doctorin Mollwitz, in den rohesten Worten schalt, weil sie mich in das Zimmer gelassen hatte.
Die Rückreise nach Heidelberg unternahm ich nur mit nach dem Rathe des Arztes, und mit der größten Vorsicht für die Gesundheit meiner Frau. Ich brachte nachher noch etwa zehn Tage in Heidelberg mit ihr zu.
Meine Schwiegereltern trafen erst zwey Tage vor meiner Abreise ein. Meine Frau hütete damals das Zimmer. Meine Schwiegermutter vermied es, während meiner Anwesenheit allein mit meiner Frau zu sprechen, unter dem Vorwande eigner Unpäßlichkeit, als ob man nicht von einem Zimmer ins andre gehen könnte, wenn man von Stuttgart nach Heidelberg gefahren ist. Aber zu ihren geheimen Zwecken mußte meine Abwesenheit abgewartet werden.
Nach den bisherigen Erfahrungen hätte ich sehr wohl gethan, ohne die Zurückkunft der Eltern abzuwarten, meine Frau sogleich mit mir hieher zu führen. Aber aus zärtlicher Besorgniß für ihre [5] Gesundheit, und um ihr jede Mühe der ersten Einrichtung zu ersparen, ließ ich sie zurück. Ich hoffte, die Festigkeit ihrer Gesinnungen würde allen nachtheiligen Einflüssen widerstehen.
Am 1sten November reiste ich ab. Meine Frau hatte mir bis zu den letzten Tagen unsers Beysammenseyns die besten Verheißungen für die Zukunft, sie vergoß Thränen beym Abschiede, und bezeugte dieß selbst in einem wenige Stunden nachher geschriebenen Briefe.
Sonntag d. 1sten Nov. „Liebster bester Wilhelm, – – – – ich sitze jetzt ganz allein, und an demselben Tage allein, wo ich dich noch gesehen und gesprochen hatte. Glaube mir, ich war beym Abschied betrübter als ich aussah, denn gerade wenn mir etwas recht schwer fällt, lasse ich mir nichts merken, nur dann wenn ich allein bin, kommt die Betrübniß doppelt, auch wohl Thränen. – Sey von meiner festen Treue und Liebe überzeugt, leb wohl und schreibe bald deiner Sophie.“
Dieß schrieb Frau von Schlegel zwey Monate nach ihrer Vermählung, und seitdem haben wir uns nicht wieder gesehen.
Nach meiner Abreise bezog sie die Wohnung ihrer Eltern. Nun erfolgte kein Brief wieder bis zum 10ten Nov. und dieser Brief war in einem ganz veränderten Tone abgefaßt. Meine Frau klagte jedoch nur über die vorgebliche xxx Kälte meines ersten Briefes und über meine vornehmen Launen. Sie äußerte, „ihre Mutter wolle durchaus nicht zugeben, daß ich in der winterlichen Jahreszeit reisen solle.“ Seitdem haben meine dringendsten Bitten, meine zärtlichsten Klagen nie wieder sie zu einer Sylbe Antwort vermögen können.
Am 8ten Sept. ermahnte mich mein Schwiegervater sehr angelegentlich, mich über die Gesundheit seiner Tochter nicht zu beunruhigen. Ich habe einen indirecten Beweis in Händen, daß mein Schwiegervater [6] neunzehn Tage nach meiner Abreise noch nicht in das Geheimniß eingeweiht war, daß seine Tochter zurückgehalten, und ganz von mir getrennt werden sollte. Indem er mir die Ankunft eines für meine Frau bestimmten Forte-Piano meldet, fügt er bey: (d. 19ten Nov.) „Der Flügel kann leicht wieder eingepackt, und weitergeschickt werden, sobald sie wollen.“
Erst unter dem Datum vom 22sten November, drey Wochen nach meiner Abreise erfolgten von Seiten meines Schwiegervaters ernsthaftere Vorwürfe, die sich aber meistens auf mein vorgeblich nicht liebevolles Betragen bezogen; auf den nachherigen Vorwand einer Nullitäts Klage wurde nur in verdeckten Worten angespielt. Dieß verstand ich damals noch nicht, weil eine so abgeschmackte Erdichtung sich nicht errathen ließ. Man hatte selbst mit dieser ersten Anspielung den Zeitpunkt abgewartet, wo man gewiß seyn konnte, daß ein ganz natürliches Ereigniß nicht eine freche Behauptung Lügen strafen würde.
Erst nachdem ich wiederhohlt darauf gedrungen hatte, meine Frau möge ihr am Altar gegebenes Versprechen, die Gefährtin meines Lebens zu seyn, erfüllen; nachdem ich erklärt hatte, da sie unterdessen immer schwieg, falls sie nicht eigenhändig ihre Weigerung bezeugte, würde ich demnächst kommen, um sie abzuhohlen, erfolgte ein langes Schreiben des H. Geh. Kirchenrath Paulus, datirt vom 16ten December (eingehändigt wurde es mir erst am 5ten Januar) worin die Nulliät der Ehe ausdrücklich behauptet ward. Dieses Schreiben, angefüllt mit den unerhörtesten Schmähungen, hub an [7] mit einer Strafpredigt, hierauf kam die juristische Chicane, und endlich ging es in eine Finanz-Speculation aus. Der Rechtsgelehrte, welcher ihn überbrachte, war bevollmächtigt, wegen über eine Ehescheidung durch gegenseitige Übereinstimmung und über die dabey von mir zu leistende pecuniäre Entschädigung zu unterhandeln.
Wenn ich nicht sofort alles gefoderte einginge, so drohte Hr. GKR. Paulus seinem Briefe die größte Publicität zu geben, um zugleich die Nullitäts- und Entschädigungs-Klage anhängig zu machen. Die Absicht, xxx mich in Schrecken xxx zu setzen, und durch die Abneigung, welche jeder rechtliche Mann vor der öffentlichen Erwähnung gewisser Dinge hat, wenn er sich auch noch so unschuldig weiß, mir einen beträchtlichen Theil meines Vermögens abzunöthigen, lag am Tage. Ich wies in einer kurzen Antwort an Hrn. Paulus diesen wütenden Angriff auf meine Ehre mit ruhiger Festigkeit zurück. Ew. Wohlgeb. hatten die Güte in meinem Namen mit dem Bevollmächtigten der Gegenpartey zu sprechen, u da von diesem Augenblick an Ihre für mich so wohlthätige Theilnahme u Mitwirkung eintritt, so kann ich hier meinen Bericht schließen.
Ich füge nur noch folgende Bemerkungen hinzu. Sollten meine Gegner in ihrer Verblendung so weit gehen, ihre Nullitätsklage wirklich anzustellen, so werden sie zwar den Richtern, den Ärzten und dem gesamten Publicum reichlichen Stoff zur Unterhaltung gewähren, allein ich habe von dem Ausgange nicht das mindeste zu besorgen. Sie werden mir leicht glauben, daß ich den Gedanken nicht gefaßt habe, in meinem Alter zu heirathen, ohne meinen Arzt zu Rathe zu ziehen. Ein sehr geschickter Deutscher Arzt in Paris [8] hat nicht nur mein Vorhaben gebilligt, sondern es mir wiederhohlt angerathen. Es versteht sich, die Frage war nur davon, ob es körperlich zuträglich wäre; daß es thunlich wäre, darüber konnte gar kein Zweifel Statt finden.
Ferner muß ich erinnern, daß kein Ehecontract geschlossen worden ist. Mündlich habe ich versprochen, auf den Fall daß ich ohne Kinder stürbe, meine Frau zur Erbin einzusetzen. Es ist eine Hauptklage, daß ich verschoben habe, dieß Testament zu machen. Hieran sind bloß die Zerstreuungen Schuld gewesen, welche mir verschiedene Reisen, die Krankheit meiner Frau u meine eilige Berufung hieher verursachten. Hrn. GKR. Paulus hätte es nur ein Wort gekostet, so hätte ich es vor meiner Abreise aufgesetzt. Ich war weit entfernt, damals den Fall vorauszusehen daß meine Frau durch ihr feindseliges Betragen mich berechtigen würde, es durch ein späteres Testament wieder ungültig zu machen.
Mit der ausgezeichnetsten Hochachtung
Ew Wohlgeb.
ergebenster
AW von Schlegel

An
Herrn Kreisrichter Lamberts
[1] Hochzuverehrender Herr Kreisrichter,
Da Ew. Wohlgeb. die Güte haben wollen, in einer höchst widerwärtigen und verworrenen Angelegenheit als Rechtsgelehrter und als Freund mein Rathgeber zu seyn, was ich als einen Umstand von der günstigsten Vorbedeutung anerkenne, so erlauben Sie mir, nachdem Sie alle hierauf bezüglichen Briefe gelesen, Ihnen den Verlauf der Sache schriftlich, und genau nach der Zeitordnung vorzutragen, um Ihrem Gedächtnisse die Mühe zu erleichtern. Sie werden bemerken, daß aus der bloßen Vergleichung der Zeitangaben sehr merkwürdige Aufschlüsse hervorgehen.
Diese Ehe, – wozu der Antrag xxxxx sowohl von den Eltern als der Tochter auf alle Weise begünstigt worden war, und bereitwillig angenommen wurde ohne nur einen Augenblick Bedenkzeit zu begehren, – diese Ehe habe ich geschlossen, in der redlichsten Absicht, alle Vortheile meiner äußern Lage, welche nicht unrühmliche Bestrebungen mir erworben haben, auf meine Gattin zu übertragen, sie jeder niederdrückenden Sorge und Beschäftigung zu überheben, und ihr Leben durch jeden edlen Genuß zu erheitern. Nur wahre Neigung konnte mein Bewegungsgrund seyn: dieß leuchtet von selbst ein.
Die Verlobung erfolgte, jedoch ohne Förmlichkeit, in den letzten Tagen des Julius; die Hochzeit war am 30sten August.
Mein Ruf nach Berlin war schon früher bekannt, die Bestätigung traf einige Zeit nach der Verlobung ein. Meine Schwieger[2]eltern drangen sowohl vor als nach der Hochzeit sehr lebhaft in mich, kein Amt anzunehmen, meine mäßigen Einkünfte in Heidelberg zu verzehren und durch schriftstellerische Arbeiten zu vermehren, und ein gemeinschaftliches Hauswesen xxxx zu stiften. Sie hätten dieß zur Bedingung ihrer Einwilligung machen können, haben es aber nicht gethan, auch habe ich nie ein solches Versprechen gegeben. Ich entschied mich für die Annahme des ehrenvollen Rufes, weil ich hoffen konnte, auf solche Weise meine Gattin in größeren Wohlstand zu setzen, und besser für ihre Zukunft zu sorgen; theils weil es mir nicht geziemend schien, daß ein Mann, von dem seine Mitbürger eine öffentliche nützliche Wirksamkeit erwarten können, sich Familien-Verhältnissen zu lieb, ganz davon zurückziehe.
Ich suchte jedoch die Trennung der Tochter von ihren Eltern so viel möglich zu mildern, und das künftige Wiedersehen zu erleichtern, indem ich, mit Aufopferung vieler äußeren Vortheile, Bonn statt Berlin erwählte, was mir nicht ohne mein wiederhohltes Ansuchen zugestanden ward.
Zehn Tage nach der Hochzeit fand ich mich bewogen eine schnelle Reise nach Coblenz zu machen. Zu gleicher Zeit reiste meine Frau nach mit ihrer Mutter nach Stuttgart ab, um ihre dortigen Verwandten zu besuchen. Bemerken Sie wohl, daß während dieser ersten Abwesenheit Mutter und Tochter zehn Tage allein beysammen und in demselben Hause waren. Dieß nur, um das nachherige Vorgeben zu widerlegen daß vor meiner letzten Abreise von Heidelberg keine Mittheilungen über die geheime Geschichte der Ehe zwischen Mutter und Tochter hätten Statt finden können.
[3] Am 14ten Sept. schrieb mir mein Schwiegervater, meine Frau habe auf das Begehren ihrer Verwandten, sie solle mich beschreiben, geantwortet: „Ich kann ihn weiter nicht beschreiben; er ist gerade so, wie ich mir ihn gewünscht habe.
Meine Frau schrieb mir sehr fleißig aus Stuttgart, und immer in dem zärtlichsten Tone. Unter andern sogleich nach ihrer Ankunft in Stuttgart am 11ten Sept: „Ich bin gewaltig muthwillig, und das bloß in der Hoffnung, Sie recht recht bald wieder zu sehen. Zu lang würde ich es ohne Sie nicht aushalten können, und wenn ich wüßte, daß es etwas hülfe, wenn ich tüchtig Algebra lernte, so wollte ich Tag und Nacht sitzen, bis ich Sie hieher gerechnet hätte.
Sobald ich meine Geschichte in Coblentz u Bonn ausgerichtet hatte, eilte ich Tag und Nacht nach Stuttgart. Ich bemerkte bald, daß man sich bemüht hatte Mishelligkeiten zwischen den Neuvermählten zu stiften. Es gelang mir ohne Schwierigkeit, diese leichten Wolken zu zerstreuen. Einige Zeit darauf bekam meine Frau die Masern, auch während ihrer Krankheit hatte man ihr Mistrauen gegen meine Gesinnungen beyzubringen gesucht. Die Herzlichkeit wurde bald wieder hergestellt, Sie versprach mir, wenn sie künftig einen Grund der Unzufriedenheit hatt zu haben glaubte, es mir offen zu sagen. Kaum von den Masern genesen, pflegte sie, da sie in ihrem Zimmer nicht allein schlief, alle Morgen mein Bett mit Ihrem Besuch zu beglücken. Mit welcher Sorgfalt ich sie während ihrer Genesung gepflegt habe, davon, darf ich sagen, ist ganz Stuttgart Zeuge gewesen.
[4] Seit meine Schwiegermutter sah, daß ich mich im Ernst anschickte, mein Amt anzutreten, war ihre Gesinnung ganz verändert. Sie faßte von dieser Zeit an den Plan, ihre Tochter bey sich zu behalten, das kaum geknüpfte Band wieder zu zerreißen, aber wie sichs nachher offenbart hat, ihre Tochter zugleich auf meine Kosten zu bereichern.
Schon in der letzten Zeit in Stuttgart war die Erbitterung der Mutter so hoch gestiegen, daß sie einmal, als ich sie an ihrem Krankenlager besuchte, in Gegenwart aller andrer Personen alle Achtung aus den Augen setzte, in eine Art von convulsivischer Wuth gerieth, und ihre Schwester, die Frau Doctorin Mollwitz, in den rohesten Worten schalt, weil sie mich in das Zimmer gelassen hatte.
Die Rückreise nach Heidelberg unternahm ich nur mit nach dem Rathe des Arztes, und mit der größten Vorsicht für die Gesundheit meiner Frau. Ich brachte nachher noch etwa zehn Tage in Heidelberg mit ihr zu.
Meine Schwiegereltern trafen erst zwey Tage vor meiner Abreise ein. Meine Frau hütete damals das Zimmer. Meine Schwiegermutter vermied es, während meiner Anwesenheit allein mit meiner Frau zu sprechen, unter dem Vorwande eigner Unpäßlichkeit, als ob man nicht von einem Zimmer ins andre gehen könnte, wenn man von Stuttgart nach Heidelberg gefahren ist. Aber zu ihren geheimen Zwecken mußte meine Abwesenheit abgewartet werden.
Nach den bisherigen Erfahrungen hätte ich sehr wohl gethan, ohne die Zurückkunft der Eltern abzuwarten, meine Frau sogleich mit mir hieher zu führen. Aber aus zärtlicher Besorgniß für ihre [5] Gesundheit, und um ihr jede Mühe der ersten Einrichtung zu ersparen, ließ ich sie zurück. Ich hoffte, die Festigkeit ihrer Gesinnungen würde allen nachtheiligen Einflüssen widerstehen.
Am 1sten November reiste ich ab. Meine Frau hatte mir bis zu den letzten Tagen unsers Beysammenseyns die besten Verheißungen für die Zukunft, sie vergoß Thränen beym Abschiede, und bezeugte dieß selbst in einem wenige Stunden nachher geschriebenen Briefe.
Sonntag d. 1sten Nov. „Liebster bester Wilhelm, – – – – ich sitze jetzt ganz allein, und an demselben Tage allein, wo ich dich noch gesehen und gesprochen hatte. Glaube mir, ich war beym Abschied betrübter als ich aussah, denn gerade wenn mir etwas recht schwer fällt, lasse ich mir nichts merken, nur dann wenn ich allein bin, kommt die Betrübniß doppelt, auch wohl Thränen. – Sey von meiner festen Treue und Liebe überzeugt, leb wohl und schreibe bald deiner Sophie.“
Dieß schrieb Frau von Schlegel zwey Monate nach ihrer Vermählung, und seitdem haben wir uns nicht wieder gesehen.
Nach meiner Abreise bezog sie die Wohnung ihrer Eltern. Nun erfolgte kein Brief wieder bis zum 10ten Nov. und dieser Brief war in einem ganz veränderten Tone abgefaßt. Meine Frau klagte jedoch nur über die vorgebliche xxx Kälte meines ersten Briefes und über meine vornehmen Launen. Sie äußerte, „ihre Mutter wolle durchaus nicht zugeben, daß ich in der winterlichen Jahreszeit reisen solle.“ Seitdem haben meine dringendsten Bitten, meine zärtlichsten Klagen nie wieder sie zu einer Sylbe Antwort vermögen können.
Am 8ten Sept. ermahnte mich mein Schwiegervater sehr angelegentlich, mich über die Gesundheit seiner Tochter nicht zu beunruhigen. Ich habe einen indirecten Beweis in Händen, daß mein Schwiegervater [6] neunzehn Tage nach meiner Abreise noch nicht in das Geheimniß eingeweiht war, daß seine Tochter zurückgehalten, und ganz von mir getrennt werden sollte. Indem er mir die Ankunft eines für meine Frau bestimmten Forte-Piano meldet, fügt er bey: (d. 19ten Nov.) „Der Flügel kann leicht wieder eingepackt, und weitergeschickt werden, sobald sie wollen.“
Erst unter dem Datum vom 22sten November, drey Wochen nach meiner Abreise erfolgten von Seiten meines Schwiegervaters ernsthaftere Vorwürfe, die sich aber meistens auf mein vorgeblich nicht liebevolles Betragen bezogen; auf den nachherigen Vorwand einer Nullitäts Klage wurde nur in verdeckten Worten angespielt. Dieß verstand ich damals noch nicht, weil eine so abgeschmackte Erdichtung sich nicht errathen ließ. Man hatte selbst mit dieser ersten Anspielung den Zeitpunkt abgewartet, wo man gewiß seyn konnte, daß ein ganz natürliches Ereigniß nicht eine freche Behauptung Lügen strafen würde.
Erst nachdem ich wiederhohlt darauf gedrungen hatte, meine Frau möge ihr am Altar gegebenes Versprechen, die Gefährtin meines Lebens zu seyn, erfüllen; nachdem ich erklärt hatte, da sie unterdessen immer schwieg, falls sie nicht eigenhändig ihre Weigerung bezeugte, würde ich demnächst kommen, um sie abzuhohlen, erfolgte ein langes Schreiben des H. Geh. Kirchenrath Paulus, datirt vom 16ten December (eingehändigt wurde es mir erst am 5ten Januar) worin die Nulliät der Ehe ausdrücklich behauptet ward. Dieses Schreiben, angefüllt mit den unerhörtesten Schmähungen, hub an [7] mit einer Strafpredigt, hierauf kam die juristische Chicane, und endlich ging es in eine Finanz-Speculation aus. Der Rechtsgelehrte, welcher ihn überbrachte, war bevollmächtigt, wegen über eine Ehescheidung durch gegenseitige Übereinstimmung und über die dabey von mir zu leistende pecuniäre Entschädigung zu unterhandeln.
Wenn ich nicht sofort alles gefoderte einginge, so drohte Hr. GKR. Paulus seinem Briefe die größte Publicität zu geben, um zugleich die Nullitäts- und Entschädigungs-Klage anhängig zu machen. Die Absicht, xxx mich in Schrecken xxx zu setzen, und durch die Abneigung, welche jeder rechtliche Mann vor der öffentlichen Erwähnung gewisser Dinge hat, wenn er sich auch noch so unschuldig weiß, mir einen beträchtlichen Theil meines Vermögens abzunöthigen, lag am Tage. Ich wies in einer kurzen Antwort an Hrn. Paulus diesen wütenden Angriff auf meine Ehre mit ruhiger Festigkeit zurück. Ew. Wohlgeb. hatten die Güte in meinem Namen mit dem Bevollmächtigten der Gegenpartey zu sprechen, u da von diesem Augenblick an Ihre für mich so wohlthätige Theilnahme u Mitwirkung eintritt, so kann ich hier meinen Bericht schließen.
Ich füge nur noch folgende Bemerkungen hinzu. Sollten meine Gegner in ihrer Verblendung so weit gehen, ihre Nullitätsklage wirklich anzustellen, so werden sie zwar den Richtern, den Ärzten und dem gesamten Publicum reichlichen Stoff zur Unterhaltung gewähren, allein ich habe von dem Ausgange nicht das mindeste zu besorgen. Sie werden mir leicht glauben, daß ich den Gedanken nicht gefaßt habe, in meinem Alter zu heirathen, ohne meinen Arzt zu Rathe zu ziehen. Ein sehr geschickter Deutscher Arzt in Paris [8] hat nicht nur mein Vorhaben gebilligt, sondern es mir wiederhohlt angerathen. Es versteht sich, die Frage war nur davon, ob es körperlich zuträglich wäre; daß es thunlich wäre, darüber konnte gar kein Zweifel Statt finden.
Ferner muß ich erinnern, daß kein Ehecontract geschlossen worden ist. Mündlich habe ich versprochen, auf den Fall daß ich ohne Kinder stürbe, meine Frau zur Erbin einzusetzen. Es ist eine Hauptklage, daß ich verschoben habe, dieß Testament zu machen. Hieran sind bloß die Zerstreuungen Schuld gewesen, welche mir verschiedene Reisen, die Krankheit meiner Frau u meine eilige Berufung hieher verursachten. Hrn. GKR. Paulus hätte es nur ein Wort gekostet, so hätte ich es vor meiner Abreise aufgesetzt. Ich war weit entfernt, damals den Fall vorauszusehen daß meine Frau durch ihr feindseliges Betragen mich berechtigen würde, es durch ein späteres Testament wieder ungültig zu machen.
Mit der ausgezeichnetsten Hochachtung
Ew Wohlgeb.
ergebenster
AW von Schlegel

An
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