• Sophie Bernhardi to August Wilhelm von Schlegel

  • Place of Dispatch: Prag · Place of Destination: Unknown · Date: 27.11.1807
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
    Metadata Concerning Header
  • Sender: Sophie Bernhardi
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel
  • Place of Dispatch: Prag
  • Place of Destination: Unknown
  • Date: 27.11.1807
    Printed Text
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: 335976727
  • Bibliography: Krisenjahre der Frühromantik. Briefe aus dem Schlegelkreis. Hg. v. Josef Körner. Bd. 1. Der Texte erste Hälfte. 1791‒1808. Bern u.a. ²1969, S. 474‒476.
  • Incipit: „[1] Prag den 27ten Novbr 1807
    Ich schreibe Ihnen abermals mein geliebter Freund, ohne daß ich einen Brief von Ihnen erhalten hätte. [...]“
    Manuscript
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: APP2712-Bd-4
  • Classification Number: Mscr.Dresd.App.2712,B,15,56
  • Number of Pages: 4 S. auf Doppelbl., hs. m. Paraphe
  • Format: 22,6 x 18 cm
[1] Prag den 27ten Novbr 1807
Ich schreibe Ihnen abermals mein geliebter Freund, ohne daß ich einen Brief von Ihnen erhalten hätte. Ich weiß nicht mehr soll ich noch darauf hoffen daß Sie mir schreiben werden? Mein Herz ist von tausendfachen Wunden zerrissen, und doch denke ich oft, daß alle meine Schmerzen Samen sind, den alle meine Thränen befeuchten, damit er Frucht bringe für die Zukunft. Es ist doch seltsam wie ich von Jederman gemishandelt werde, wie alles strebt den Stolz niederzubeugen, der mein Herz edel erhalten hat in der niedrigsten Bedrükung, und meinen Geist aufrecht in den furchtbarsten Stürmen des Lebens. Wahrlich der erste Sündenfall des Menschen war die Sehnsucht nach der Form, das Ringen darnach sein schönstes innigstes Selbst sichtbar sich selbst anschaulich zu gestalten, und so geschah die Trennung der Geschlechter. Seitdem ruth der Fluch auf den Menschen, daß sie sich nie mehr Menschlich, sondern mänlich, und Weiblich fühlen, und die dumpfe Erinnerung dessen waß sie durch diese Trennung verlohren, macht daß sie sich hassen und bekriegen, zugleich aber fühlt sich jeder getheilt, und zur Vereinigung getrieben, mit dem Gegenstand seines Hasses, und so entsteht eine art von Wuth, welche die Menschen Liebe nennen. Der edlere Mensch sucht seine Heimath im Paradiese auszudrüken und strebt dies durch Bilder, Gedanken, und Töne [2] zu erreichen, worin er seine Liebe trägt, und darum behält jede Kunst, auch die heiterste noch eine Spur der Wehmuth, weil auch die geistigste Liebe der Form nicht entraten kann: und darum klagt die Musick am herzzerschmelzen[d]sten über die Sünde, weil daß Material, wodurch sie hervorgerufen wird, nicht viel ins Gehör dringt, und sie dessen doch am meisten bedarf, so daß sie ihre Schmach gleichsam verborgen trägt, und ewig betrauert, wie ein edles gemishandeltes Weib.
Mein eignes Schicksall führt mich zu vielen Betrachtungen, und ich habe eine brennende Sehnsucht Sie zu sprechen, schreiben Sie mir doch ob, und wann ich Sie sehe. Eine Frau wird doppelt verfolgt und gehaßt, wenn ihr Geist aufwärts strebt. Die Weiber sind erbittert, daß sie ihre Last der niedrigsten Knechtschaft der Seele nicht mit ihnen theilen will, und die Männer betrachten es als einen Eingrif in ihre Rechte. Wenige Freunde sind mir geblieben, diese schliesse ich in mein innerstes Herz, und wie mich die andern verfolgen und hassen, so bleibt mir die Liebe zum Menschen, zu diesem edlem Bilde Gottes lebendig, und ich behte mit Christus, vergib Ihnen Vater, sie wissen nicht waß sie thun.
Ich bin öfter am Rande des Grabes gewesen, und immer mit grösserer Resignation auf das Leben zum Leben zurückgekehrt, so hat sich mein Herz von aller Kleinlichkeit loß gemacht, und ich habe fast [3] auf alles irdische Verzicht gethan. Mein eignes Leben zerfält mir in grossen Massen, und so sehe ich auch die Welt. Ich glaube ohne ein Profet zu sein könte man die Zukunft weissagen, darum säe jeder für die Zukunft so viel er vermag. Der Schmerz welcher unwandelbahr in meiner Seele ruth, ist zu groß als daß er mich stöhren könte. O mein Freund und Bruder bleiben Sie dem Bunde treu, zwingen Sie daß nicht zur irdischen Vergänglichkeit herab, waß ewig ist, und vom Himmel stamt.
Schreiben Sie mir ich bitte Sie, lassen Sie sich die Stunde welche der Brief kostet nicht gereuen. Ich irre oft mit den Gedanken umher wie ich mir in meiner irdischen Noth helfen könte, und ich bitte Sie thun Sie dafür waß Sie können. Daß Knorring so viel um meinetwillen leidet kränkt mich unendlich. Dies ist einer der wenigen unwandelbahren Freunde. Hardenberg ist der zweite. Dieser hat mir geschrieben, er habe Ihnen Flore und Blantscheflur geschickt, und wolle nun suchen einen Verleger zu finden, also scheint es daß er das Geld jezt nicht daran wenden kann es auf eigne Kosten zu druken, welches mir auch lieber ist, da ich glaube daß er es nicht gut eingerichtet hat und sein Dichtergarten nicht viel wird gelesen werden. Ich bitte Sie aber nun dringend mein theurer Freund sich um einen Verleger zu bewerben, da Ihre Autoritet ja in Deutschland anerkant ist, verkaufen Sie es um jeden Preiß wenn ich auch nur 1 L[ouis]ʼdor für den Bogen, ja noch weni[4]ger bekommen solte, so währe es mir hier, wo man wenn man eingerichtet ist, wenig braucht, von unendlichem Werth. Ich habe mich sehr gefreut daß es Hardenberg Ihnen geschickt hat, den[n] nun wird es würklich unter Ihren Händen, ein vollendetes Gedicht werden. Ich zweifle nicht daß es Ihnen im Ganzen sehr gefallen wird. Schicken Sie mir doch Ihren lange versprochenen langen Brief. Sie haben mir so viel zu sagen, wie Ihnen das Monument gefallen hat, waß Sie zu der Judith sagen, und schreiben mir gar nichts. Adressiren Sie die Briefe fortwährend an Knorring den[n] ich bin leider noch immer im Wirtshause.
Meine Kinder sind wohl und glücklich sie fühlen meinen Kummer nicht. Durch Hardenberg habe ich die beruhigende Nachricht, daß Voigt, welcher mir so schnöde einige L.[ouis]ʼdor abschlug, dem Bruder einige hundert Thaler nach Rom geschickt hat, und so ist mein Kummer von dieser Seite geendigt. Sie fühlen wohl, wie viel kränkendes darin für mich liegt. Gott kent mein von Menschen verkantes Leben, und die Pflanze welche mächtig zum Himmel dringt wird keine irdische Macht in den Staub zertreten. Sie müssen es fühlen welch ein Strom der Liebe für Sie aus meinem Herzen quilt, erwiedern Sie mir dies Gefühl in ächter Treue und bleiben Sie so mein Freund wie ich ewig bin Ihre
Freundin und Schwester
S[ophie]
[1] Prag den 27ten Novbr 1807
Ich schreibe Ihnen abermals mein geliebter Freund, ohne daß ich einen Brief von Ihnen erhalten hätte. Ich weiß nicht mehr soll ich noch darauf hoffen daß Sie mir schreiben werden? Mein Herz ist von tausendfachen Wunden zerrissen, und doch denke ich oft, daß alle meine Schmerzen Samen sind, den alle meine Thränen befeuchten, damit er Frucht bringe für die Zukunft. Es ist doch seltsam wie ich von Jederman gemishandelt werde, wie alles strebt den Stolz niederzubeugen, der mein Herz edel erhalten hat in der niedrigsten Bedrükung, und meinen Geist aufrecht in den furchtbarsten Stürmen des Lebens. Wahrlich der erste Sündenfall des Menschen war die Sehnsucht nach der Form, das Ringen darnach sein schönstes innigstes Selbst sichtbar sich selbst anschaulich zu gestalten, und so geschah die Trennung der Geschlechter. Seitdem ruth der Fluch auf den Menschen, daß sie sich nie mehr Menschlich, sondern mänlich, und Weiblich fühlen, und die dumpfe Erinnerung dessen waß sie durch diese Trennung verlohren, macht daß sie sich hassen und bekriegen, zugleich aber fühlt sich jeder getheilt, und zur Vereinigung getrieben, mit dem Gegenstand seines Hasses, und so entsteht eine art von Wuth, welche die Menschen Liebe nennen. Der edlere Mensch sucht seine Heimath im Paradiese auszudrüken und strebt dies durch Bilder, Gedanken, und Töne [2] zu erreichen, worin er seine Liebe trägt, und darum behält jede Kunst, auch die heiterste noch eine Spur der Wehmuth, weil auch die geistigste Liebe der Form nicht entraten kann: und darum klagt die Musick am herzzerschmelzen[d]sten über die Sünde, weil daß Material, wodurch sie hervorgerufen wird, nicht viel ins Gehör dringt, und sie dessen doch am meisten bedarf, so daß sie ihre Schmach gleichsam verborgen trägt, und ewig betrauert, wie ein edles gemishandeltes Weib.
Mein eignes Schicksall führt mich zu vielen Betrachtungen, und ich habe eine brennende Sehnsucht Sie zu sprechen, schreiben Sie mir doch ob, und wann ich Sie sehe. Eine Frau wird doppelt verfolgt und gehaßt, wenn ihr Geist aufwärts strebt. Die Weiber sind erbittert, daß sie ihre Last der niedrigsten Knechtschaft der Seele nicht mit ihnen theilen will, und die Männer betrachten es als einen Eingrif in ihre Rechte. Wenige Freunde sind mir geblieben, diese schliesse ich in mein innerstes Herz, und wie mich die andern verfolgen und hassen, so bleibt mir die Liebe zum Menschen, zu diesem edlem Bilde Gottes lebendig, und ich behte mit Christus, vergib Ihnen Vater, sie wissen nicht waß sie thun.
Ich bin öfter am Rande des Grabes gewesen, und immer mit grösserer Resignation auf das Leben zum Leben zurückgekehrt, so hat sich mein Herz von aller Kleinlichkeit loß gemacht, und ich habe fast [3] auf alles irdische Verzicht gethan. Mein eignes Leben zerfält mir in grossen Massen, und so sehe ich auch die Welt. Ich glaube ohne ein Profet zu sein könte man die Zukunft weissagen, darum säe jeder für die Zukunft so viel er vermag. Der Schmerz welcher unwandelbahr in meiner Seele ruth, ist zu groß als daß er mich stöhren könte. O mein Freund und Bruder bleiben Sie dem Bunde treu, zwingen Sie daß nicht zur irdischen Vergänglichkeit herab, waß ewig ist, und vom Himmel stamt.
Schreiben Sie mir ich bitte Sie, lassen Sie sich die Stunde welche der Brief kostet nicht gereuen. Ich irre oft mit den Gedanken umher wie ich mir in meiner irdischen Noth helfen könte, und ich bitte Sie thun Sie dafür waß Sie können. Daß Knorring so viel um meinetwillen leidet kränkt mich unendlich. Dies ist einer der wenigen unwandelbahren Freunde. Hardenberg ist der zweite. Dieser hat mir geschrieben, er habe Ihnen Flore und Blantscheflur geschickt, und wolle nun suchen einen Verleger zu finden, also scheint es daß er das Geld jezt nicht daran wenden kann es auf eigne Kosten zu druken, welches mir auch lieber ist, da ich glaube daß er es nicht gut eingerichtet hat und sein Dichtergarten nicht viel wird gelesen werden. Ich bitte Sie aber nun dringend mein theurer Freund sich um einen Verleger zu bewerben, da Ihre Autoritet ja in Deutschland anerkant ist, verkaufen Sie es um jeden Preiß wenn ich auch nur 1 L[ouis]ʼdor für den Bogen, ja noch weni[4]ger bekommen solte, so währe es mir hier, wo man wenn man eingerichtet ist, wenig braucht, von unendlichem Werth. Ich habe mich sehr gefreut daß es Hardenberg Ihnen geschickt hat, den[n] nun wird es würklich unter Ihren Händen, ein vollendetes Gedicht werden. Ich zweifle nicht daß es Ihnen im Ganzen sehr gefallen wird. Schicken Sie mir doch Ihren lange versprochenen langen Brief. Sie haben mir so viel zu sagen, wie Ihnen das Monument gefallen hat, waß Sie zu der Judith sagen, und schreiben mir gar nichts. Adressiren Sie die Briefe fortwährend an Knorring den[n] ich bin leider noch immer im Wirtshause.
Meine Kinder sind wohl und glücklich sie fühlen meinen Kummer nicht. Durch Hardenberg habe ich die beruhigende Nachricht, daß Voigt, welcher mir so schnöde einige L.[ouis]ʼdor abschlug, dem Bruder einige hundert Thaler nach Rom geschickt hat, und so ist mein Kummer von dieser Seite geendigt. Sie fühlen wohl, wie viel kränkendes darin für mich liegt. Gott kent mein von Menschen verkantes Leben, und die Pflanze welche mächtig zum Himmel dringt wird keine irdische Macht in den Staub zertreten. Sie müssen es fühlen welch ein Strom der Liebe für Sie aus meinem Herzen quilt, erwiedern Sie mir dies Gefühl in ächter Treue und bleiben Sie so mein Freund wie ich ewig bin Ihre
Freundin und Schwester
S[ophie]
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