• Friedrich von Schlegel to August Wilhelm von Schlegel

  • Place of Dispatch: Köln · Place of Destination: Unknown · Date: 01.12.1807
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
    Metadata Concerning Header
  • Sender: Friedrich von Schlegel
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel
  • Place of Dispatch: Köln
  • Place of Destination: Unknown
  • Date: 01.12.1807
    Printed Text
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: 335976727
  • Bibliography: Krisenjahre der Frühromantik. Briefe aus dem Schlegelkreis. Hg. v. Josef Körner. Bd. 1. Der Texte erste Hälfte. 1791‒1808. Bern u.a. ²1969, S. 479‒482.
  • Weitere Drucke: Kritische Friedrich-Schlegel-Ausgabe. Bd. 26. Dritte Abteilung: Briefe von und an Friedrich und Dorothea Schlegel. Pariser und Kölner Lebensjahre (1802‒1808). Zweiter Teil (Januar 1806 ‒ Juni 1808). Mit Einleitung und Kommentar hg. v. Hans Dierkes. Paderborn 2018, S. 279‒285.
  • Incipit: „[1] Kölln den 1ten Decemb 1807
    Geliebter Bruder,
    Ich glaubte schon von München oder gar von Wien aus einen Brief von Dir zu [...]“
    Manuscript
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: APP2712-Bd-8
  • Classification Number: Mscr.Dresd.App.2712,B,I,43
  • Number of Pages: 8 S. auf Doppelbl., hs. m. U.
  • Format: 20,6 x 12,3 cm
[1] Kölln den 1ten Decemb 1807
Geliebter Bruder,
Ich glaubte schon von München oder gar von Wien aus einen Brief von Dir zu erhalten, als der letzte von Coppet kam. Es freut mich, daß Dir die Gedichte gefallen haben, ich war die Zeit her sehr fleißig, sonst hättʼ ich Dir schon längst wieder geschrieben. – Dieß ist auch die Ursache daß ich heute noch den letzten Brief der St.[aël] nicht beantworten kann; er hat mich sehr betroffen und beschäftigt. Wollte Gott, es wäre einmal alles in Ordnung, aber sehr freundschaftlich handelt sie an uns nicht, daß sie uns so lange trennt. Es ist endlich Zeit, daß Du wieder recht kräftig wirkst und bildest; nur vereint können wir ganz sein was wir sind.
Vor allem meinen herzlichen Dank wegen allen was Du zum Mittelalter geben und noch machen willst, den Tristan nehme ich mit beiden Händen an, er wird trefflich wirken. Das Anekdoton von Ottnit und Siegfried wäre sehr gut. Giebst Du nun wirklich den h. Anno und den Winsbeke und die litterarischen Auszüge, so wäre es wohl damit vollkommen genug und zuviel auch noch Auszüge aus Schillings Geschichte zu begehren*). Davon schriebst Du dießmal nichts? – Cotta schrieb mir das letztemal wieder ungewiß, ob das Werk noch zu Ostern [2] erscheinen könne. Ich habe, wenn dieß nicht gehe, den nächstmöglichen Termin nach Ostern verlangt, und ich bitte auch Dich, an ihn ein Wort deshalb zu schreiben; „daß weder Deine Reise noch Dein andres Werk Dich an der eifrigen Theilnahme an diesem Werke abhalten werde, daß Du mehre große Stücke ganz fertig habest, und die baldige Erscheinung des 1ten Bandes mehr als alles wünschest.“ – Schreibe ihm nur ein wenig ermunternd, er ist doch eigentlich ein arger Philister der immer gehetzt sein will. Daß er Deine Reise zweimal drucken will, ist der bloße baare Eigennutz. Ich rathe Dir ganz davon ab, denn obwohl Du es in kleine Capitel theilst, ist es ja doch ein Ganzes, das so gar sehr zersplittert würde, und gar nicht die volle Wirkung thäte. Höchstens kannst Du ihm verstatten, einige Stücke als Probe vorläufig zu geben; aber auch dazu nimm keine patriotische und keine religiöse, um den Eindruck nicht im voraus zu schwächen, und damit man nicht dem ganzen Werk eine zu specielle [3] Tendenz leihe. – Für die Mittheilung der drei Stücke danke ich Dir sehr; der Styl ist wunderschön, ich glaube auch daß Deine Idee desselben für das ganze Werk sehr richtig ist, nur halte alles gelinde und hüte Dich daß der Styl im Einzelnen nicht zu sehr künstlich und dadurch hart wird.
Ueber Wien hätte ich Dir gar viel zu sagen, für unser Mittelalter wird die Bibliothek und die Menge Deutscher Gemählde auf der Gallerie Dir für die Zukunft reichen Stoff und Anreiz geben. – Vor allen Dingen aber ist es mir um den Eindruck zu thun, den Wien und Oestreich auf Dich macht. Nimm den Eindruck ruhig und sanft an und: urtheile nicht zu schnell. Vieles wird Dir unstreitig mißfallen, bedenke, daß man oft an einem vorzüglichen Menschen lange zu studiren hat, und oft nach Jahren gestehn muß, man habe ihn nicht verstanden, man habe ihm Unrecht gethan. Wie mehr an einem so zusammengesetzten Ganzen, einer solchen Monarchie! Unvollkommen ist alles Menschenwerk; aber was im Ganzen vorzüglicher sei, Preußen oder Oestreich darüber kann wohl gar kein Zweifel mehr Statt finden. Sei auch nicht zu freigebig mit Deinen patriotischen noch weniger mit Deinen religiösen Gesinnungen. Du wirst vielleicht [4] grade dort eine gutmüthige Ueberschätzung der norddeutschen Bildung hie und da wahrnehmen, eine Sehnsucht danach wie nach einer verbotnen Frucht; das ist auch ganz natürlich und eigentlich als ein Streben nach dem Wahren und Rechten zu ehren, da doch das Leben und die Bildung in dieser Sphäre nur aus Gegensätzen besteht. Setze den falschen Ansichten dieser Art nur einen sanften Druck entgegen, keinen bestimmten harten Widerspruch. – Was Du über mich zu sagen hast, wirst Du überall schon sehen und wissen, wenn Du am Orte bist; vielleicht kannst Du den ersten Theil des Karl V wenigstens einige Acte noch dort erhalten, um so weniger braucht es ein Geheimniß zu sein. Auch von der Oestreichischen Geschichte kannst Du reden, wenn es Dir gut däucht; denn ich lese wirklich immer fort daran, so viel es meine Zeit erlaubt, und es wird mir das Ganze schon recht klar. Ueberhaupt bedenke daß dieser Plan der wichtigste, heiligste, größte ist, den ich noch gehabt, einen andern werde ich weiter wohl nicht haben. Die St.[aël] könnte mir in dieser Rücksicht [5] sehr nützlich sein, aber auf sie darf ich wohl nicht mehr rechnen. Uebrigens versteht es sich daß Du nichts so sehr vermeiden müßtest, wenn von mir die Rede wäre, als den Anschein als machte ich Plane auf O.[esterreich]; da in der That auch alles ganz aus eignem Gefühl kommt, so erwähne, wenn Gelegenheit ist von mir zu reden, alles nur so ganz wie von ungefähr.
Deine Comparaison hat mir der Buchhändler zugeschickt. Wir haben sie alle mit Bewunderung gelesen. Dieß letzte gilt vorzüglich auch von meinen hiesigen Freunden und meiner Frau, da mir das Ganze noch sehr lebhaft war.
Es soll ja eine schöne Deutsche Frau eine Mad. Kulenkamp Komödie mit Euch gespielt haben. Warum erwähnst Du dessen gar nicht? – In dem Telegraph (Berlin) und nachdem in mehren andren Blättern hat gestanden; Fr.[au] v. Stael heirathe und Du kehrest nach Deutschland zurück. Der Artikel war sehr pöbelhaft und boshaft abgefaßt. Andre Zeitungen haben widersprochen. Es bleibt aber doch eine niedrige Klatscherei, die böse Absicht verräth und muß von der Unvorsichtigkeit oder dem üblen Willen irgend eines Deutschen herrühren, den Ihr [6] diesen Sommer in Coppet beherbergt habt.
Auf den französischen Lother und Maller freue ich mich sehr, grüße mir den Albert schönstens, es ist ein liebenswürdiger Junge.
Die Vergleichung des NibelungenManuscripts in St. Gallen mach doch ja selbst, wenn Du irgend kannst, sollt es Dich auch eine Reise kosten. Man kann in diesem Fall sich auf niemand als auf sich selbst verlassen. Der gestiefelte Kater wird in dieser Rücksicht Dir genug zu thun übrig gelassen haben. Uebrigens fang ich an zu vermuthen, daß er unter alle dem Berliner Aufschuß noch der beste sei. Es war ein Fremder hier, der mir Wundernarrheiten besonders aber Gemeinheiten von alle dem jungen Geniepöbel erzählt hat; Varrnhagen, Schütz, Fouqué, Bernhardi alles das fraternisirt zusammen. Schleiermacher wirtschaftet als kleiner Messias darin. Die kleine Preußische Giftspinne hat es besonders gegen uns; gegen mich haben sie einen besondern Haß, Dich haben sie in die Formel gebracht, daß Du nun völlig todt seist so wie Tieck, den sie auch nicht leiden können, [7] was mir wieder eine gute Meinung von ihm giebt. Ich dächte es wäre Zeit, ihnen einmal zu zeigen, daß wir noch leben, und als rechtschaffne Töpfer, dieses unser schlechtes Töpferwerk in Stücke zu schlagen. – Es kommt eine neue kritische Zeitung heraus in Heidelberg. Auf eine verbindliche Einladung zur Theilnahme habe ich annehmend geantwortet, um doch einmal wieder mit Kritik dazwischen zu fahren, was doch auf diese Creaturen mehr wirkt, als wenn Aurora selber vom Himmel stiege. Zur Poesie sind sie noch lange nicht reif.
Mein alter Pilger ist nichts mehr oder weniger als die Menschheit und die sogenannte Geschichte derselben seit Dr Luther. Ich bin nun aber fast unzufrieden mit dem Gedicht, da es Dir nicht gleich klar und zum Lachen ermunternd war.
Deine Comparaison wird gewiß auch in Deutschland viel wirken. Lebe herzlich wohl, an die St.[aël] schreibe ich spätestens in einigen Tagen.
Dein Freund,
Friedr.[ich] Schl.[egel]
[8]
Herzliche Grüße von meiner Frau.

Du lobst meine Thätigkeit bei einer eigentlich ängstlichen und peinlichen Lage. Glaube mir aber, es kömmt alles aus einer Quelle. Das Studium der Religion dem ich stets eine oder zwei Stunden des Tages widme erhält mich immer aufrecht. Die Kirchengeschichte ist mit den Augen der Philosophie angesehen, unendlich interessant und der eigentliche Aufschluß über die Menschheit. Die Kirchenväter sind eine Welt von Litteratur die noch ganz verborgen ist, weil in der letzten Zeit nur stumpfsinnige Lästerer darüber sprachen. Welche Schätze von Schönheit sind allein in der lateinischen! Cyprianus, der Märtyrer ist auch in seinen Schriften ganz heilig, gewaltig und glühend aber einfach und schlicht. Ambrosius hat so eine recht katholische Weichheit und liebevolle Milde. Hieronymus wird nicht mit Unrecht mit einem Löwen gemahlt. Er ist es selbst, und übertrift gewiß an Kraft den Demosthenes und Cicero weit.
Friedr.[rich]

Schreib mir etwas mehr von Sophie B.[ernhardi] und von Ihrer Lage; ich bin sehr unruhig darüber. Vor allem aber wende Deinen ganzen Einfluß auf sie an, daß sie die große Sache die sie ergriffen hat, mit Würde behandle.

* Bleibt aber eins weg von den andern, so wär der Schilling sehr gut.
[1] Kölln den 1ten Decemb 1807
Geliebter Bruder,
Ich glaubte schon von München oder gar von Wien aus einen Brief von Dir zu erhalten, als der letzte von Coppet kam. Es freut mich, daß Dir die Gedichte gefallen haben, ich war die Zeit her sehr fleißig, sonst hättʼ ich Dir schon längst wieder geschrieben. – Dieß ist auch die Ursache daß ich heute noch den letzten Brief der St.[aël] nicht beantworten kann; er hat mich sehr betroffen und beschäftigt. Wollte Gott, es wäre einmal alles in Ordnung, aber sehr freundschaftlich handelt sie an uns nicht, daß sie uns so lange trennt. Es ist endlich Zeit, daß Du wieder recht kräftig wirkst und bildest; nur vereint können wir ganz sein was wir sind.
Vor allem meinen herzlichen Dank wegen allen was Du zum Mittelalter geben und noch machen willst, den Tristan nehme ich mit beiden Händen an, er wird trefflich wirken. Das Anekdoton von Ottnit und Siegfried wäre sehr gut. Giebst Du nun wirklich den h. Anno und den Winsbeke und die litterarischen Auszüge, so wäre es wohl damit vollkommen genug und zuviel auch noch Auszüge aus Schillings Geschichte zu begehren*). Davon schriebst Du dießmal nichts? – Cotta schrieb mir das letztemal wieder ungewiß, ob das Werk noch zu Ostern [2] erscheinen könne. Ich habe, wenn dieß nicht gehe, den nächstmöglichen Termin nach Ostern verlangt, und ich bitte auch Dich, an ihn ein Wort deshalb zu schreiben; „daß weder Deine Reise noch Dein andres Werk Dich an der eifrigen Theilnahme an diesem Werke abhalten werde, daß Du mehre große Stücke ganz fertig habest, und die baldige Erscheinung des 1ten Bandes mehr als alles wünschest.“ – Schreibe ihm nur ein wenig ermunternd, er ist doch eigentlich ein arger Philister der immer gehetzt sein will. Daß er Deine Reise zweimal drucken will, ist der bloße baare Eigennutz. Ich rathe Dir ganz davon ab, denn obwohl Du es in kleine Capitel theilst, ist es ja doch ein Ganzes, das so gar sehr zersplittert würde, und gar nicht die volle Wirkung thäte. Höchstens kannst Du ihm verstatten, einige Stücke als Probe vorläufig zu geben; aber auch dazu nimm keine patriotische und keine religiöse, um den Eindruck nicht im voraus zu schwächen, und damit man nicht dem ganzen Werk eine zu specielle [3] Tendenz leihe. – Für die Mittheilung der drei Stücke danke ich Dir sehr; der Styl ist wunderschön, ich glaube auch daß Deine Idee desselben für das ganze Werk sehr richtig ist, nur halte alles gelinde und hüte Dich daß der Styl im Einzelnen nicht zu sehr künstlich und dadurch hart wird.
Ueber Wien hätte ich Dir gar viel zu sagen, für unser Mittelalter wird die Bibliothek und die Menge Deutscher Gemählde auf der Gallerie Dir für die Zukunft reichen Stoff und Anreiz geben. – Vor allen Dingen aber ist es mir um den Eindruck zu thun, den Wien und Oestreich auf Dich macht. Nimm den Eindruck ruhig und sanft an und: urtheile nicht zu schnell. Vieles wird Dir unstreitig mißfallen, bedenke, daß man oft an einem vorzüglichen Menschen lange zu studiren hat, und oft nach Jahren gestehn muß, man habe ihn nicht verstanden, man habe ihm Unrecht gethan. Wie mehr an einem so zusammengesetzten Ganzen, einer solchen Monarchie! Unvollkommen ist alles Menschenwerk; aber was im Ganzen vorzüglicher sei, Preußen oder Oestreich darüber kann wohl gar kein Zweifel mehr Statt finden. Sei auch nicht zu freigebig mit Deinen patriotischen noch weniger mit Deinen religiösen Gesinnungen. Du wirst vielleicht [4] grade dort eine gutmüthige Ueberschätzung der norddeutschen Bildung hie und da wahrnehmen, eine Sehnsucht danach wie nach einer verbotnen Frucht; das ist auch ganz natürlich und eigentlich als ein Streben nach dem Wahren und Rechten zu ehren, da doch das Leben und die Bildung in dieser Sphäre nur aus Gegensätzen besteht. Setze den falschen Ansichten dieser Art nur einen sanften Druck entgegen, keinen bestimmten harten Widerspruch. – Was Du über mich zu sagen hast, wirst Du überall schon sehen und wissen, wenn Du am Orte bist; vielleicht kannst Du den ersten Theil des Karl V wenigstens einige Acte noch dort erhalten, um so weniger braucht es ein Geheimniß zu sein. Auch von der Oestreichischen Geschichte kannst Du reden, wenn es Dir gut däucht; denn ich lese wirklich immer fort daran, so viel es meine Zeit erlaubt, und es wird mir das Ganze schon recht klar. Ueberhaupt bedenke daß dieser Plan der wichtigste, heiligste, größte ist, den ich noch gehabt, einen andern werde ich weiter wohl nicht haben. Die St.[aël] könnte mir in dieser Rücksicht [5] sehr nützlich sein, aber auf sie darf ich wohl nicht mehr rechnen. Uebrigens versteht es sich daß Du nichts so sehr vermeiden müßtest, wenn von mir die Rede wäre, als den Anschein als machte ich Plane auf O.[esterreich]; da in der That auch alles ganz aus eignem Gefühl kommt, so erwähne, wenn Gelegenheit ist von mir zu reden, alles nur so ganz wie von ungefähr.
Deine Comparaison hat mir der Buchhändler zugeschickt. Wir haben sie alle mit Bewunderung gelesen. Dieß letzte gilt vorzüglich auch von meinen hiesigen Freunden und meiner Frau, da mir das Ganze noch sehr lebhaft war.
Es soll ja eine schöne Deutsche Frau eine Mad. Kulenkamp Komödie mit Euch gespielt haben. Warum erwähnst Du dessen gar nicht? – In dem Telegraph (Berlin) und nachdem in mehren andren Blättern hat gestanden; Fr.[au] v. Stael heirathe und Du kehrest nach Deutschland zurück. Der Artikel war sehr pöbelhaft und boshaft abgefaßt. Andre Zeitungen haben widersprochen. Es bleibt aber doch eine niedrige Klatscherei, die böse Absicht verräth und muß von der Unvorsichtigkeit oder dem üblen Willen irgend eines Deutschen herrühren, den Ihr [6] diesen Sommer in Coppet beherbergt habt.
Auf den französischen Lother und Maller freue ich mich sehr, grüße mir den Albert schönstens, es ist ein liebenswürdiger Junge.
Die Vergleichung des NibelungenManuscripts in St. Gallen mach doch ja selbst, wenn Du irgend kannst, sollt es Dich auch eine Reise kosten. Man kann in diesem Fall sich auf niemand als auf sich selbst verlassen. Der gestiefelte Kater wird in dieser Rücksicht Dir genug zu thun übrig gelassen haben. Uebrigens fang ich an zu vermuthen, daß er unter alle dem Berliner Aufschuß noch der beste sei. Es war ein Fremder hier, der mir Wundernarrheiten besonders aber Gemeinheiten von alle dem jungen Geniepöbel erzählt hat; Varrnhagen, Schütz, Fouqué, Bernhardi alles das fraternisirt zusammen. Schleiermacher wirtschaftet als kleiner Messias darin. Die kleine Preußische Giftspinne hat es besonders gegen uns; gegen mich haben sie einen besondern Haß, Dich haben sie in die Formel gebracht, daß Du nun völlig todt seist so wie Tieck, den sie auch nicht leiden können, [7] was mir wieder eine gute Meinung von ihm giebt. Ich dächte es wäre Zeit, ihnen einmal zu zeigen, daß wir noch leben, und als rechtschaffne Töpfer, dieses unser schlechtes Töpferwerk in Stücke zu schlagen. – Es kommt eine neue kritische Zeitung heraus in Heidelberg. Auf eine verbindliche Einladung zur Theilnahme habe ich annehmend geantwortet, um doch einmal wieder mit Kritik dazwischen zu fahren, was doch auf diese Creaturen mehr wirkt, als wenn Aurora selber vom Himmel stiege. Zur Poesie sind sie noch lange nicht reif.
Mein alter Pilger ist nichts mehr oder weniger als die Menschheit und die sogenannte Geschichte derselben seit Dr Luther. Ich bin nun aber fast unzufrieden mit dem Gedicht, da es Dir nicht gleich klar und zum Lachen ermunternd war.
Deine Comparaison wird gewiß auch in Deutschland viel wirken. Lebe herzlich wohl, an die St.[aël] schreibe ich spätestens in einigen Tagen.
Dein Freund,
Friedr.[ich] Schl.[egel]
[8]
Herzliche Grüße von meiner Frau.

Du lobst meine Thätigkeit bei einer eigentlich ängstlichen und peinlichen Lage. Glaube mir aber, es kömmt alles aus einer Quelle. Das Studium der Religion dem ich stets eine oder zwei Stunden des Tages widme erhält mich immer aufrecht. Die Kirchengeschichte ist mit den Augen der Philosophie angesehen, unendlich interessant und der eigentliche Aufschluß über die Menschheit. Die Kirchenväter sind eine Welt von Litteratur die noch ganz verborgen ist, weil in der letzten Zeit nur stumpfsinnige Lästerer darüber sprachen. Welche Schätze von Schönheit sind allein in der lateinischen! Cyprianus, der Märtyrer ist auch in seinen Schriften ganz heilig, gewaltig und glühend aber einfach und schlicht. Ambrosius hat so eine recht katholische Weichheit und liebevolle Milde. Hieronymus wird nicht mit Unrecht mit einem Löwen gemahlt. Er ist es selbst, und übertrift gewiß an Kraft den Demosthenes und Cicero weit.
Friedr.[rich]

Schreib mir etwas mehr von Sophie B.[ernhardi] und von Ihrer Lage; ich bin sehr unruhig darüber. Vor allem aber wende Deinen ganzen Einfluß auf sie an, daß sie die große Sache die sie ergriffen hat, mit Würde behandle.

* Bleibt aber eins weg von den andern, so wär der Schilling sehr gut.
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