• August Wilhelm von Schlegel to Auguste Luise Adolfine von Flotow

  • Place of Dispatch: Bonn · Place of Destination: Angern (Landkreis Börde) · Date: 28.08.1843
Edition Status: Newly transcribed and labelled; double collated
    Metadata Concerning Header
  • Sender: August Wilhelm von Schlegel
  • Recipient: Auguste Luise Adolfine von Flotow
  • Place of Dispatch: Bonn
  • Place of Destination: Angern (Landkreis Börde)
  • Date: 28.08.1843
  • Notations: Da der Brief im Druck nur teilweise wiedergegeben ist, wurde er neu transkribiert. – Empfangsort erschlossen.
    Printed Text
  • Bibliography: Deetjen, Werner: Spenden aus der Weimarer Landesbibliothek. In: Zeitschrift für Bücherfreunde N. F. 20 (1928), S. 20.
  • Incipit: „[1] Gnädige Frau,
    Welche Freude! welch ein Jubel! Beinahe hätte ich gesagt, welch ein Triumph! Ein Brief von Ihnen, und aus freien [...]“
    Manuscript
  • Provider: Klassik Stiftung Weimar, Goethe- und Schiller-Archiv
  • Classification Number: GSA 96/3650
  • Editors: Bamberg, Claudia · Varwig, Olivia
[1] Gnädige Frau,
Welche Freude! welch ein Jubel! Beinahe hätte ich gesagt, welch ein Triumph! Ein Brief von Ihnen, und aus freien Stücken geschrieben, nicht durch zudringliche Anfoderungen abgenöthigt! Und Sie schmählen, während ich Ursachen zur Klage zu haben glaubte: das ist himmlisch! Also bin ich doch noch nicht ganz vergessen, wie ich fürchtete. Ich hatte ja Ihre Adresse nicht, wie hätte ich schreiben können? Den Brief nach Stettin zu senden, konnte ja zu nichts helfen. Erst spät erfuhr ich den Namen Ihres ersten Aufenthalts durch die Gräfin Kalnein, die ihn ausgeforscht hatte; noch später die Nachricht von Ihrem Unwohlseyn, bald darauf von Ihrer Genesung.
Ein trockner Abschied? Sie kennen mich nicht, meine edle Freundin, wenn Sie das im Ernste schreiben konnten. Mir ist, trotz [2] meiner Jahre, die jugendliche Schwachheit geblieben, leicht und heftig gerührt zu werden. Oft ist es mir in öffentlichen Vorträgen begegnet, daß ich plötzlich stockte, erblaßte und nur mit gebrochener Stimme fortfahren konnte. Wenn es aber gesellschaftliche Verhältnisse gilt, so muß ein Mann, in Gegenwart der gleichgültigen seiner Gemüthsbewegungen Herr seyn, u das kann man nur, wenn man sich mit angenommener Kälte panzert. Ich habe nun den einzigen mir werthen Umgang verloren, wobei mich nur immer der Gedanke ängstigte, meine Besuche möchten zu häufig gefunden werden. Die Unabhängigkeit ist eine nothwendige Bedingung der vollkommenen Freundschaft.
Seit dem Empfange Ihres Briefes war ich fortwährend unwohl, daher die Verzögerung meiner Antwort. Es geht mir mit meiner Gesundheit gar nicht gut. Bald sind es Rückfälle alter Übel, bald neue dazu; oft eine Schwierigkeit des Athmens, daß ich glaube, von der Brustwassersucht bedroht zu seyn, was mir mein Arzt vergeblich aus zureden sucht. Oft versinke ich in eine Art [3] von Lethargie, eine namenlose Muthlosigkeit, die meine äußere Thätigkeit lähmt Die innere geistige ist rege genug. Das Auge der Beobachtung steht offen, u malt mir die allgemeine Zukunft in sehr schwarzen Farben vor. Da scherze ich dann aus Verzweifelung u mache mir mit Epigrammen Luft.
An dem Prinzen August habe ich einen vieljährigen Gönner verloren. Mögen seine lieben Töchter nur recht nach Wunsch versorgt seyn! Wenn Sie mit Ihnen in Berlin zusammen treffen, so sagen Sie Ihnen viel schönes von mir.
Unser König will mir wohl. Sie waren wohl schon abgereist, als ich von ihm einen sehr huldreichen Brief empfing.
Mit der Gesellschaft sieht es hier kläglich aus. Der Kriegsminister hätte uns wohl eine gebildete Commandanten-Familie herschicken können, denn wir sind auf alle Weise eine vornehme Stadt. Ich habe diese Leute noch nicht gesehen, und empfinde auch nicht die mindeste Sehnsucht darnach.
[4] Arconatiʼs sind auf kurze Zeit hier gewesen, aber nur in Godesberg. Natürlich wollten Sie nicht nach Bonn kommen, wo man sie auf so unerhörte Art weggewiesen hat. Berchet war bei mir, ich fuhr hinaus, verfehlte aber die Übrigen.
Mit Madame Naumann habe ich allen Umgang aufgehoben. Längst habe ich den Mangel an Wahrheit durchschaut, der in ihrem ganzen Wesen ist. Was hatte ich eigentlich da zusuchen? Von Seiten des Geistes ist sie ja wie die Nymphe Echo, die nur die letzten ihr vorgesagten Worte wiederholen konnte. Eine Weile habe ich mich über ihr gräfliches Christenthum belustigt. Neulich hat sie aber so albern geschwätzt, daß ich schleunig weggegangen bin u sie nie wieder besuchen werde. So eine Tochter Israels sollte Respect vor mir haben Mit den neuen Ankömmlingen Dahlmanns u Blumeʼs ist es auch nichts. Ich komme mit Höflichkeiten entgegen, wenn sie aber meynen, ich solle ihnen nachlaufen, so sind sie sehr im Irrthume. Hilf Himmel wie bin ich, so viele Jahre gewohnt in der glänzendsten und zugleich der geistreichsten Gesellschaft zu leben, herunter gekommen!
[5] Frau von Laroche hat eine Wohnung vor der Stadt bezogen u recht artig eingerichtet, wie sie immer eine gewisse Eleganz um sich her zu schaffen weiß. Die Gräfin Kalnein ist, ihrer Wassercur wegen, abwesend; Frau von Hollweg fortwährend in Rheineck. Im Winter denke ich denn doch, diese Damen zuweilen bei mir zu sehen. Für jetzt lade ich von Zeit zu Zeit kleine Mittagsgesellschaft der klügsten unter den jüngeren Männern ein, höchstens acht Personen. Meine Küche ist unbestritten die beste, u meine Unterhaltung die lustigste. Leider muß ich die lebhafte Aufregung gewöhnlich die nächsten Tage büßen. Brandis sind gute Leute, aber sie setzen einem schauderhafte Gerichte vor. Hr. von Dechen war meistens abwesend. Er ladet Gesellschaften von 30 Männern: ich habe ihn gebeten mich damit zu verschonen, er soll mir dagegen recht willkommen seyn.
R. ist in den Freuden der Väterlichkeit nach der zweiten Niederkunft seiner kleinen Jüdin. Das erste Kind hatte, wie man sagt, einige Haken mit auf die Welt gebracht.
[6] Ihren hoffnungsvollen Söhnen wünsche ich von ganzem Herzen einen tüchtigen heilbringenden Krieg. – Ihren liebenswürdigen und schönen Töchtern legen Sie meine gleichgewogenen Huldigungen zu Füßen, und bedauern Sie den alten Einsiedler der alles überlebt hat.
Schl.
Bonn d. 28 Aug 43
[1] den 2ten Septbr 1844 beantwortet.
[1] Gnädige Frau,
Welche Freude! welch ein Jubel! Beinahe hätte ich gesagt, welch ein Triumph! Ein Brief von Ihnen, und aus freien Stücken geschrieben, nicht durch zudringliche Anfoderungen abgenöthigt! Und Sie schmählen, während ich Ursachen zur Klage zu haben glaubte: das ist himmlisch! Also bin ich doch noch nicht ganz vergessen, wie ich fürchtete. Ich hatte ja Ihre Adresse nicht, wie hätte ich schreiben können? Den Brief nach Stettin zu senden, konnte ja zu nichts helfen. Erst spät erfuhr ich den Namen Ihres ersten Aufenthalts durch die Gräfin Kalnein, die ihn ausgeforscht hatte; noch später die Nachricht von Ihrem Unwohlseyn, bald darauf von Ihrer Genesung.
Ein trockner Abschied? Sie kennen mich nicht, meine edle Freundin, wenn Sie das im Ernste schreiben konnten. Mir ist, trotz [2] meiner Jahre, die jugendliche Schwachheit geblieben, leicht und heftig gerührt zu werden. Oft ist es mir in öffentlichen Vorträgen begegnet, daß ich plötzlich stockte, erblaßte und nur mit gebrochener Stimme fortfahren konnte. Wenn es aber gesellschaftliche Verhältnisse gilt, so muß ein Mann, in Gegenwart der gleichgültigen seiner Gemüthsbewegungen Herr seyn, u das kann man nur, wenn man sich mit angenommener Kälte panzert. Ich habe nun den einzigen mir werthen Umgang verloren, wobei mich nur immer der Gedanke ängstigte, meine Besuche möchten zu häufig gefunden werden. Die Unabhängigkeit ist eine nothwendige Bedingung der vollkommenen Freundschaft.
Seit dem Empfange Ihres Briefes war ich fortwährend unwohl, daher die Verzögerung meiner Antwort. Es geht mir mit meiner Gesundheit gar nicht gut. Bald sind es Rückfälle alter Übel, bald neue dazu; oft eine Schwierigkeit des Athmens, daß ich glaube, von der Brustwassersucht bedroht zu seyn, was mir mein Arzt vergeblich aus zureden sucht. Oft versinke ich in eine Art [3] von Lethargie, eine namenlose Muthlosigkeit, die meine äußere Thätigkeit lähmt Die innere geistige ist rege genug. Das Auge der Beobachtung steht offen, u malt mir die allgemeine Zukunft in sehr schwarzen Farben vor. Da scherze ich dann aus Verzweifelung u mache mir mit Epigrammen Luft.
An dem Prinzen August habe ich einen vieljährigen Gönner verloren. Mögen seine lieben Töchter nur recht nach Wunsch versorgt seyn! Wenn Sie mit Ihnen in Berlin zusammen treffen, so sagen Sie Ihnen viel schönes von mir.
Unser König will mir wohl. Sie waren wohl schon abgereist, als ich von ihm einen sehr huldreichen Brief empfing.
Mit der Gesellschaft sieht es hier kläglich aus. Der Kriegsminister hätte uns wohl eine gebildete Commandanten-Familie herschicken können, denn wir sind auf alle Weise eine vornehme Stadt. Ich habe diese Leute noch nicht gesehen, und empfinde auch nicht die mindeste Sehnsucht darnach.
[4] Arconatiʼs sind auf kurze Zeit hier gewesen, aber nur in Godesberg. Natürlich wollten Sie nicht nach Bonn kommen, wo man sie auf so unerhörte Art weggewiesen hat. Berchet war bei mir, ich fuhr hinaus, verfehlte aber die Übrigen.
Mit Madame Naumann habe ich allen Umgang aufgehoben. Längst habe ich den Mangel an Wahrheit durchschaut, der in ihrem ganzen Wesen ist. Was hatte ich eigentlich da zusuchen? Von Seiten des Geistes ist sie ja wie die Nymphe Echo, die nur die letzten ihr vorgesagten Worte wiederholen konnte. Eine Weile habe ich mich über ihr gräfliches Christenthum belustigt. Neulich hat sie aber so albern geschwätzt, daß ich schleunig weggegangen bin u sie nie wieder besuchen werde. So eine Tochter Israels sollte Respect vor mir haben Mit den neuen Ankömmlingen Dahlmanns u Blumeʼs ist es auch nichts. Ich komme mit Höflichkeiten entgegen, wenn sie aber meynen, ich solle ihnen nachlaufen, so sind sie sehr im Irrthume. Hilf Himmel wie bin ich, so viele Jahre gewohnt in der glänzendsten und zugleich der geistreichsten Gesellschaft zu leben, herunter gekommen!
[5] Frau von Laroche hat eine Wohnung vor der Stadt bezogen u recht artig eingerichtet, wie sie immer eine gewisse Eleganz um sich her zu schaffen weiß. Die Gräfin Kalnein ist, ihrer Wassercur wegen, abwesend; Frau von Hollweg fortwährend in Rheineck. Im Winter denke ich denn doch, diese Damen zuweilen bei mir zu sehen. Für jetzt lade ich von Zeit zu Zeit kleine Mittagsgesellschaft der klügsten unter den jüngeren Männern ein, höchstens acht Personen. Meine Küche ist unbestritten die beste, u meine Unterhaltung die lustigste. Leider muß ich die lebhafte Aufregung gewöhnlich die nächsten Tage büßen. Brandis sind gute Leute, aber sie setzen einem schauderhafte Gerichte vor. Hr. von Dechen war meistens abwesend. Er ladet Gesellschaften von 30 Männern: ich habe ihn gebeten mich damit zu verschonen, er soll mir dagegen recht willkommen seyn.
R. ist in den Freuden der Väterlichkeit nach der zweiten Niederkunft seiner kleinen Jüdin. Das erste Kind hatte, wie man sagt, einige Haken mit auf die Welt gebracht.
[6] Ihren hoffnungsvollen Söhnen wünsche ich von ganzem Herzen einen tüchtigen heilbringenden Krieg. – Ihren liebenswürdigen und schönen Töchtern legen Sie meine gleichgewogenen Huldigungen zu Füßen, und bedauern Sie den alten Einsiedler der alles überlebt hat.
Schl.
Bonn d. 28 Aug 43
[1] den 2ten Septbr 1844 beantwortet.
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