• Friedrich von Schlegel to August Wilhelm von Schlegel

  • Place of Dispatch: Leipzig · Place of Destination: Unknown · Date: [Januar 1793]
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
    Metadata Concerning Header
  • Sender: Friedrich von Schlegel
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel
  • Place of Dispatch: Leipzig
  • Place of Destination: Unknown
  • Date: [Januar 1793]
  • Notations: Datum erschlossen.
    Printed Text
  • Bibliography: Kritische Friedrich-Schlegel-Ausgabe. Bd. 23. Dritte Abteilung: Briefe von und an Friedrich und Dorothea Schlegel. Bis zur Begründung der romantischen Schule (15. September 1788 ‒ 15. Juli 1797). Mit Einleitung und Kommentar hg. v. Ernst Behler u.a. Paderborn u.a. 1987, S. 81‒82.
  • Weitere Drucke: Friedrich Schlegels Briefe an seinen Bruder August Wilhelm. Hg. v. Oskar Walzel. Berlin 1890, S. 73‒75.
  • Incipit: „Fast hätte ich Lust, Dir Vorwürfe zu machen. – Wie lange ist es nun, daß ich nichts von Dir erhalten habe, [...]“
    Manuscript
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: DE-1a-34186
  • Classification Number: Mscr.Dresd.e.90,XIX,Bd.24.a,Nr.19
  • Number of Pages: 3S. auf Doppelbl., hs. m. U.
  • Format: 23,2 x 18,8 cm
Fast hätte ich Lust, Dir Vorwürfe zu machen. – Wie lange ist es nun, daß ich nichts von Dir erhalten habe, als abgerißne Mittheilungen und Vertröstungen auf künftige Briefe, da ich doch grade itzt Dich so nöthig habe, und da Du ietzt doch auch im Stande bist, meine Lage einigermaaßen zu übersehen. Und ich konnte um so mehr Ausführlichkeit hoffen, ja verlangen, da Du mich tadelnswürdig fandest. Ich hoffe noch immer von Posttage zu Posttage und ich wünsche, nicht lange <mehr> vergebens. Laß Dich dadurch, daß Dein Tadel mir letzthin so empfindlich war, nicht abhalten zu schreiben, was Du denkst. Doch dieß brauche ich nicht mehr zu bitten, hoffe ich. Wärest Du es nicht, so müßte ich fürchten, Deine Freundschaft wäre erloschen oder Deine Achtung für mich ganz verloren. – Nun ist es beynahe ein halbes Jahr, daß Du mir antwortest, und aufhörst mich an Deiner Lage Theil nehmen zu lassen, da doch so viele meiner Fragen, die mir Besorgniß oder der Wunsch Dein Glück zu theilen, eingab, und so viele andre zurück sind, die Du leicht errathen kannst, und von selbst beantworten solltest. Oder glaubst Du nicht mehr, daß ich Deine Gefühle theilen kann?
Ich bin itzt ganz heiter, sehr thätig, und werde bald ganz überwunden haben. Beständige Thätigkeit thut sehr viel und nach den beyden Besuchen von Schweinitz bin ich wie auferstanden. Ich sehe immer mehr, daß ich mich nicht in ihm betrogen habe; ich darf ihn bald meinen Freund nennen, er hängt ganz an mir, es fehlte ihm grade ein Freund wie ich, und wenn ich ihm das bin, was ich hoffe für ihn seyn zu können, so werde ich glauben, nicht umsonst gelebt zu haben. Es wird mir noch nicht möglich seyn, Dir ein anschauliches Bild von ihm zu geben, und aus einigen meiner <vorigen> Aeußerungen könntest Du nur gar zu leicht eine falsche Meynung zu seinem Nachtheil bekommen. Doch hat er freylich große Fehler. Aber auch diese tragen das Gepräge der Seelenstärke und männlichen Denkungsart, die sich gewiß bald reinigen wird. –
Ich habe Dir einen Vorschlag auf künftigen Sommer zu thun. Wie wäre es, wenn wir einmal versuchten gemeinschaftlich unsre Gedanken über die Dichtkunst zu entwickeln, die wir vielleicht künftig einmal in der Form von Briefen oder Gesprächen bekannt machen könnten. Du müßtest dann die letzte Hand dran legen, um Einheit in das ganze zu bringen, und ich sollte denken dieß wäre möglich; unsre Gedanken würden einstimmig genung seyn, und doch auch hinlänglich von einander abstechen. Laß diesen Plan nicht fallen und denke darüber nach. An Deinen Dante wage ich Dich kaum mehr zu erinnern – doch hoffe ich, ist er nur aufgeschoben. – Denkst Du Zeit während Deines Engagements zu erübrigen? – Ich habe überall kein rechtes Bild von Deiner Lebensart. – Auch möchte ich wissen, ob Du schon darauf denkst, wo Du gleich nachher hingehen willst?
Ich habe meinen Eltern endlich nachgeben müssen, und die Absicht, Hofmeister zu werden, aufgegeben; obwohl es mir ein Opfer ist, um so mehr, da es das beste Mittel gewesen wäre, mich aus meiner Verlegenheit zu ziehen. Und dadurch wird mir nun unmöglich gemacht, diesen Winter durch Uebersetzen etwas zu verdienen. Ich muß daher, wenn Du noch, wie Du letzthin schriebst, diesen Anfang Februars etwas entbehren kannst, Dich von neuem bitten, und zwar falls es Dir thunlich ist, je eher je lieber. Ich hoffe aber, daß es nicht mehr lange nöthig ist – und ich freue mich wenigstens, auch diese Prüfung Deiner Freundschaft zu versuchen, Gelegenheit gehabt zu haben. Ich will nicht wünschen, daß ich Dir je gleiches mit gleichem vergelten kann. –
Wirst Du mich wankelmüthig finden, wenn ich Dir sage daß ich mein Urtheil über sie etwas geändert? – Ich glaube nehmlich ihr Unrecht gethan zu haben. – Mit allen ihren Fehlern ist sie höchst liebenswürdig. – Ich konnte den kleinsten Fleck an ihr unmöglich ertragen – aber ich hatte doch gar kein Recht ihr das fühlen zu lassen. Ich wünschte sehr dieß zurücknehmen zu können; ja ich würde sie gerne um Verzeihung bitten, – ohne die entfernteste Absicht, mich mit ihr auszusöhnen – wenn ich nur Gelegenheit hätte. Auch soll es gewiß noch geschehen, und dann werde ich ganz frey sein.
Dein Fr. Schl.

Der Buchhändler wartet mit Ungeduld auf die erste Uebersendung des Manuscripts.
Fast hätte ich Lust, Dir Vorwürfe zu machen. – Wie lange ist es nun, daß ich nichts von Dir erhalten habe, als abgerißne Mittheilungen und Vertröstungen auf künftige Briefe, da ich doch grade itzt Dich so nöthig habe, und da Du ietzt doch auch im Stande bist, meine Lage einigermaaßen zu übersehen. Und ich konnte um so mehr Ausführlichkeit hoffen, ja verlangen, da Du mich tadelnswürdig fandest. Ich hoffe noch immer von Posttage zu Posttage und ich wünsche, nicht lange <mehr> vergebens. Laß Dich dadurch, daß Dein Tadel mir letzthin so empfindlich war, nicht abhalten zu schreiben, was Du denkst. Doch dieß brauche ich nicht mehr zu bitten, hoffe ich. Wärest Du es nicht, so müßte ich fürchten, Deine Freundschaft wäre erloschen oder Deine Achtung für mich ganz verloren. – Nun ist es beynahe ein halbes Jahr, daß Du mir antwortest, und aufhörst mich an Deiner Lage Theil nehmen zu lassen, da doch so viele meiner Fragen, die mir Besorgniß oder der Wunsch Dein Glück zu theilen, eingab, und so viele andre zurück sind, die Du leicht errathen kannst, und von selbst beantworten solltest. Oder glaubst Du nicht mehr, daß ich Deine Gefühle theilen kann?
Ich bin itzt ganz heiter, sehr thätig, und werde bald ganz überwunden haben. Beständige Thätigkeit thut sehr viel und nach den beyden Besuchen von Schweinitz bin ich wie auferstanden. Ich sehe immer mehr, daß ich mich nicht in ihm betrogen habe; ich darf ihn bald meinen Freund nennen, er hängt ganz an mir, es fehlte ihm grade ein Freund wie ich, und wenn ich ihm das bin, was ich hoffe für ihn seyn zu können, so werde ich glauben, nicht umsonst gelebt zu haben. Es wird mir noch nicht möglich seyn, Dir ein anschauliches Bild von ihm zu geben, und aus einigen meiner <vorigen> Aeußerungen könntest Du nur gar zu leicht eine falsche Meynung zu seinem Nachtheil bekommen. Doch hat er freylich große Fehler. Aber auch diese tragen das Gepräge der Seelenstärke und männlichen Denkungsart, die sich gewiß bald reinigen wird. –
Ich habe Dir einen Vorschlag auf künftigen Sommer zu thun. Wie wäre es, wenn wir einmal versuchten gemeinschaftlich unsre Gedanken über die Dichtkunst zu entwickeln, die wir vielleicht künftig einmal in der Form von Briefen oder Gesprächen bekannt machen könnten. Du müßtest dann die letzte Hand dran legen, um Einheit in das ganze zu bringen, und ich sollte denken dieß wäre möglich; unsre Gedanken würden einstimmig genung seyn, und doch auch hinlänglich von einander abstechen. Laß diesen Plan nicht fallen und denke darüber nach. An Deinen Dante wage ich Dich kaum mehr zu erinnern – doch hoffe ich, ist er nur aufgeschoben. – Denkst Du Zeit während Deines Engagements zu erübrigen? – Ich habe überall kein rechtes Bild von Deiner Lebensart. – Auch möchte ich wissen, ob Du schon darauf denkst, wo Du gleich nachher hingehen willst?
Ich habe meinen Eltern endlich nachgeben müssen, und die Absicht, Hofmeister zu werden, aufgegeben; obwohl es mir ein Opfer ist, um so mehr, da es das beste Mittel gewesen wäre, mich aus meiner Verlegenheit zu ziehen. Und dadurch wird mir nun unmöglich gemacht, diesen Winter durch Uebersetzen etwas zu verdienen. Ich muß daher, wenn Du noch, wie Du letzthin schriebst, diesen Anfang Februars etwas entbehren kannst, Dich von neuem bitten, und zwar falls es Dir thunlich ist, je eher je lieber. Ich hoffe aber, daß es nicht mehr lange nöthig ist – und ich freue mich wenigstens, auch diese Prüfung Deiner Freundschaft zu versuchen, Gelegenheit gehabt zu haben. Ich will nicht wünschen, daß ich Dir je gleiches mit gleichem vergelten kann. –
Wirst Du mich wankelmüthig finden, wenn ich Dir sage daß ich mein Urtheil über sie etwas geändert? – Ich glaube nehmlich ihr Unrecht gethan zu haben. – Mit allen ihren Fehlern ist sie höchst liebenswürdig. – Ich konnte den kleinsten Fleck an ihr unmöglich ertragen – aber ich hatte doch gar kein Recht ihr das fühlen zu lassen. Ich wünschte sehr dieß zurücknehmen zu können; ja ich würde sie gerne um Verzeihung bitten, – ohne die entfernteste Absicht, mich mit ihr auszusöhnen – wenn ich nur Gelegenheit hätte. Auch soll es gewiß noch geschehen, und dann werde ich ganz frey sein.
Dein Fr. Schl.

Der Buchhändler wartet mit Ungeduld auf die erste Uebersendung des Manuscripts.
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