• Friedrich von Schlegel to August Wilhelm von Schlegel

  • Place of Dispatch: Leipzig · Place of Destination: Amsterdam · Date: 16.09.1793 bis 17.09.1793
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
    Metadata Concerning Header
  • Sender: Friedrich von Schlegel
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel
  • Place of Dispatch: Leipzig
  • Place of Destination: Amsterdam
  • Date: 16.09.1793 bis 17.09.1793
  • Notations: Empfangsort erschlossen.
    Printed Text
  • Bibliography: Kritische Friedrich-Schlegel-Ausgabe. Bd. 23. Dritte Abteilung: Briefe von und an Friedrich und Dorothea Schlegel. Bis zur Begründung der romantischen Schule (15. September 1788 ‒ 15. Juli 1797). Mit Einleitung und Kommentar hg. v. Ernst Behler u.a. Paderborn u.a. 1987, S. 130‒134.
  • Incipit: „[1] Den 16ten September 93.
    Deinen Brief vom 5ten Sept.[ember] an CB. [Caroline Böhmer] empfing ich vorigen Mittewochen, da ich eben im [...]“
    Manuscript
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: DE-1a-34186
  • Classification Number: Mscr.Dresd.e.90,XIX,Bd.24.a,Nr.32
  • Number of Pages: 11 S. auf Doppelbl., hs.
  • Format: 18,8 x 11,4 cm
[1] Den 16ten September 93.
Deinen Brief vom 5ten Sept.[ember] an CB. [Caroline Böhmer] empfing ich vorigen Mittewochen, da ich eben im Begriff war, herauszugehen. Er machte ihr große Freude – die Antwort darauf hoffe ich Morgen mit dem Boten zu erhalten, und noch mit beyzulegen. Für ietzt also nur so viel. Ich traf ihre Gesundheit und Stimmung ausnehmend gut; und sie hat auch seitdem noch keine schlimme Nachrichten wieder bekommen: in der Einlage ist ein Brief von Philipp mit eingeschlossen. – Ich war dießmal ziemlich lange draussen, und gieng erst am Sonnabend bey sehr schönem Wetter wieder herein; durch die Ermüdung und die Ankunft meines Freundes Carlowitz ward ich verhindert, Dir noch selbigen Abend zu schreiben. Ich hätte Dir schon viel früher geschrieben, war zweymal am Anfange eines sehr langen Briefes: das leztemal ward ich durch eine Gesellschaft Holländer, die Familie Mynheer van Pabst und zwey Mlle. Clifford, ver[2]hindert; die ich den ganzen Tag herumführte. Ich suchte mich ihnen so nützlich zu machen, als ich vermochte, und sie schienen auch mit mir zufrieden. Meine Langeweile war doch auch nicht ohne Lohn – der junge Pabst hat ein Pacquet an Dich mitgenommen, die Musik von Reichardt und die Anthusa. Den Dante fügte ich nicht bey, weil ich das Pacquet nicht zu stark machen mochte und weil ich ihn nicht so gleich haben konnte. Du wirst mich dem jungen und alten Herrn wenn es die Gelegenheit giebt, schon empfehlen, den dicken Bremenser Redlich nicht zu vergeßen. Gleich darauf war ich acht Tage krank, und völlig unfähig, Dir das zu schreiben, was ich im Sinne hatte. Ich erhielt Deine beyden Briefe ohngefähr zu gleicher Zeit. Für die drey D.[ucaten] danke ich recht sehr. Dein Brief enthält größtentheils die Beantwortung meiner Besorgniß. Ich könnte nur ganz kurz sagen, daß sie hoffentlich nicht mehr Statt findet, das ich zwar noch keinen Brief von Charlotten erhalten, sondern nur einen kurzen Zettel, da sie mir hanövrische Briefe schickt; daß G[öschen]s Brief an Kör[3]ner noch früh genung gekommen, aller Wahrscheinlichkeit nach, und daß Du Dich auf dessen Discretion ganz sicher verlassen kannst, so geschwätzig die Stock, und endlich daß diese B.ʼs [Caroline Böhmers] Umstände nicht erfahren. Ich antworte aber Einiges mehr, um bey dieser Gelegenheit einige sehr verworrene Vorstellungen von der Lage der Sache <bey Dir> zu zerstreuen. – Die Fleischern ist der G.[öschen] Schwester; sie hat Dich hier gesehn: G[öschen] hat Dich ihr unter Deinem Namen präsentirt, sie schreibt posttäglich an die St[ock]. – Diese ist Körners Schwägerin, Hubers ehemalige Geliebte, und also erbitterte Feindin alles dessen, was mit F[orster]s zusammenhängt, meiner Schwester genauste Freundin, besonders Sachen der Art pflegen sie zusammen zu beschwatzen. – War es nicht sehr übel, wenn Charl.[otte] ihren hiesigen Aufenthalt und ihre Umstände erfuhr? Da ließ sich auch mir voraussehn, was irgend daraus kommen könnte? – Sehr vieles in meinem Briefe sollte nur andeuten, was ein Vorgeben, was mir nicht überlegt schien, weil es sich nicht ganz durchführen ließ, für mögliche Folgen haben [4] könnte. – Sollte wieder alles Vermuthen Charl.[otte] noch etwas erfahren, so werde ich nach Deiner Vorschrift verfahren. Ich besorge es nicht, für Körners Verschwiegenheit glaube ich stehen zu können; – daß er und die Stock B.ʼs [Caroline Böhmers] hiesigen Aufenthalt (und vermuthlich auch ihre Umstände; daß dieß glücklicherweise nicht sey, erfuhr ich erst nachher) und Namen so gut wie mit völliger Gewißheit wußten, war <aber> genung um mich sehr besorgt zu machen.
Da ich Dir geschrieben habe, daß G[öschen]s ganze Familie B.ʼs [Caroline Böhmers] Umstände wußte, und höchst neugierig war, ihren Namen zu erfahren, und Du weißt daß der alte Heinsius auch dazu gehört, wie kannst Du nur glauben, G.[öschen] habe ihm gesagt, du seyst hier gewesen, etwas, was er gewiß ohnedas sehr gut, lange zuvor wußte? Du thust ihm sehr unrecht: G[öschen] hat mit untadelhafter Anspruchslosigkeit und Verschwiegenheit gehandelt. – Daß ich wöchentlich zwey Boten abfertige, und zu Zeiten einige Tage abwesend bin, kann die Neugierde meiner Wirthin, meiner Aufwärterin und meines Bedienten erregen; Du siehst leicht ob das gefährliche Dinge [5] sind. Ich habe schon seit Ostern alle hiesige Verbindungen abgebrochen; es geschieht fast selten, daß jemand zu mir kömmt, weil ich zu niemand gehe, und den Kommenden kein freundlich Gesicht mache. Carl.[owitz] ist nicht mehr hier; ist er zum Besuch da, wie diese Tage, oder kömmt Hardenberg und Schweinitz, die ich in der Messe erwarte, so siehst Du leicht ein, daß es nicht viel Mühe kosten wird, meine Bestellungen vor ihnen zu verbergen. <Gesetzt es> Sollte auch jemand einmal etwas merken, so würde er sogleich auf die natürlichste Erklärung fallen und dann es weiter nicht der Mühe werth finden, nachzuforschen. Wie kannst Du nur auf den Einfall kommen, daß meine Eltern meine Besuche in L-a [Lucka] erfahren würden? – Aber daß ich in G[öschen]s Hause beständig bey ihr gewesen, sechs Tage über, daß konnte Charl.[otte] auch erfahren, wenn sie das andre erfuhr. –
Sagen werde ich ihr nichts, sollte auch noch etwas Schlimmes vorfallen. Sie kann schlechterdings ihren Aufenthalt nicht mehr ändern. Nothwendig machte dieß eine Entdeckung gar <noch> nicht, die überall kein Unglück wäre; [6] aber wozu sie ganz ohne Nutzen quälen? Findest Du es nöthig, so thu es selbst; ich glaube aber, daß diese Vorstellung, so gering die Sache ist, sie mehr <unaufhörlich> peinigen würde, als die ernsthaft schlimmen Nachrichten. – Ich werde also meine Besuche in L-a [Lucka] fortsetzen (mit der möglichsten Vorsicht, das versteht sich von selbst) ja ich werde meinen Plan, bald nach Dr.[esden] zu gehen (ich dachte sonst, schon Mich.[aelis]) ändern, und so lange hier bleiben, wie sie. Es ist das lezte nothwendig und gut, wegen der kleinen Bestellungen, die man G.[öschen] doch auf die Länge nicht ansinnen kann; dann muß doch bey einer von so vielen Seiten critischen Lage jemand um sie seyn, auf den sie sich in einem eintretenden Nothfalle ganz verlaßen kann; und endlich, so wenig ich ihr auch seyn mag, würde sie mich doch vielleicht vermissen, weil ich durchaus der Einzige bin, der sie sieht. – Ich opfre auch dabey nichts oder sehr wenig auf. Sobald konnte ich doch noch nicht reisen, wenigstens die größte Hälfte meiner Schulden müßte erst bezahlt seyn; die Arbeiten, wozu ich die Bibliothek brau[7]che, kann ich recht füglich einige Monathe aufschieben. Meine Einsamkeit hier ist recht gut und zwingt mich zum Fleiß; in Dr.[esden] kann ich die erste Zeit Zerstreuung und Umgang nicht vermeiden, und ihr Umgang ist mir endlich reichlicher Ersatz für die Annehmlichkeiten, die Dr.[esden] mir bieten kann. Bey meiner Schwester und meinen Eltern meine angekündigte Reise auf eine gute Art nicht zurückzunehmen, sondern <nur> zu verzögern, werde ich schon zu machen wissen, besonders da ich nichts Festes darüber bestimmt. –
Ich habe Dir vielleicht Anlaß gegeben, von unserm Umgang unrecht zu denken; ich hätte einfach und ernst, nicht in Laune und halben Scherz davon schreiben sollen. – Sie machte einen sehr lebhaften Eindruck auf mich; die ersten Tage überließ ich mich diesem ganz, suchte mich ihr zu nähern, sie kennen zu lernen, ich wünschte nach ihrer Mittheilung und Freundschaft aufs emsigste streben zu dürfen; aber grade da sie einige Theilnahme zu äußern schien, sah ich sehr bestimmt, [8] daß ein bloßer Versuch in die heftigsten Kämpfe führen, und wenn eine Freundschaft zwischen uns möglich sey, sie nur die späte Frucht vieler verkehrten Bestrebungen seyn könnte. Du fühlst, wie unschicklich dieß in ihrer Lage wäre – jeder eigennützige Anspruch ward von da an aufgegeben; von mir war nun gar nicht mehr die Rede. Ich hätte wohl Lust Dir das als ein Opfer anzurechnen, weil mir <diese Enthaltsamkeit> so unendlich schwer geworden ist. – Ich setzte mich also in das einfachste, einfältigste Verhältniß zu ihr, die Ehrfurcht eines Sohns, die Offenheit eines Bruders, die Unbefangenheit eines Kindes, die Anspruchslosigkeit eines Fremden. So bin ich gegen sie, und das mußte so seyn, weil es darauf ankam, daß ich ihr nützlich wäre <und nicht, daß sie meine Freundin würde>. – Es könnte also sehr leicht geschehen, daß sie so wunderbar über mich urtheilte, daß Du selbst mich darin nicht wieder erkenntest; aber zufrieden hoffe ich wird sie mit mir seyn; mit meinem Eifer und guten Willen in den Kleinigkeiten, die ich für sie ausrichten kann, und es scheint auch, daß ich ihr Zutrauen [9] habe, da sie mir vieles sagt. –
Ueber Deine Plane für die Zukunft wünschte ich einmal etwas recht Bestimmtes. Deine Rücksicht auf meine Eltern billige ich sehr; es bedarf doch nie der Warnung daß sie nicht Aengstlichkeit wird? Du könntest viel dreister handeln, ganz sicher sie völlig ruhig zu erhalten. – Welche Arbeiten hast Du dir vorgenommen für die freye Zeit, die auf Deine Dienstjahre folgen soll? und wie lange sollen diese noch dauren? Hängt das von S.[ophie] ab? – Es ist etwas in Deinem Briefe, das ich mir fast nicht zu erklären weiß. Du scheinst zu bereuen, daß Du vor anderthalb Jahren nicht nach M.[ainz] gegangen bist. Ich glaube nun, Du hättest da Dein Verderben gefunden, und dann hätte ich <damals> für Deine Freyheit gefürchtet. Vergissest Du denn Deine Verbindung mit S.[ophie], oder schätzest Du sie so gering? Ich halte sehr viel davon, und auch das ist mir lieb, daß Du dadurch nun ich hoffe auf immer frey bist. –
Der Buchhändler empfiehlt sich, und bittet mit dem Uebersetzen für iezt einzuhalten; maaßen es doch schon [10] so sehr spät geworden, und er noch so sehr wenig Absatz gehabt; um abzuwarten ob dieser etwa nach weiterer Bekanntmachung sich vermehren werde. Käme er nur mit den Kosten heraus, so werde er es gern fortsetzen: – das wäre dann zur künftigen Ostermeße. Er war höflich und wird Exemplare hergeben. Kanst Du vielleicht dazu beytragen, daß es noch irgendwo recensirt wird, oder mir angeben? Vielleicht in der Bibl.[iothek] durch den Mag.[ister] Dyck. – G.[öschen] sagte mir neulich, daß er sehr schöne Lettern, und Papier überflüssig liegen hätte, die er zu einer prächtigen Ausgabe <in Quart> eines kleinen Classikers zu bestimmen gedächte, was ich ihm riethe und ob ich niemand wüßte pp. Er sprach erst von den drey Elegikern; nach den Einwürfen, die ich ihm dawieder machte, fand sichs daß es mit dem Propertius allein wohl am besten und ganz thunlich seyn möchte, und da es ein Lieblingsdichter von Dir, so war es der Mühe werth bey Dir anzufragen. Wäre die ganze Arbeit Dir nicht ein Spielzeug? Könnte es Dir nicht sehr nützlich seyn, Dich in diesem Fache bekannt zu machen? Das ganze ist nur [11] ein Einfall, und Du hast übrigens die freiste Wahl in Betreff der Lesarten, der Noten u.s.w. Denn über das Alles war es noch gar nicht bestimmt. Wirf das doch nicht von der Hand. –
B.ʼs [Caroline Böhmers] Sachen sind iezt angekommen; und darunter auch Sopha, Büreau und viele andre kleine Bequemlichkeiten, die sie so lange hat entbehren müssen. Deswegen mache Dir also keine Sorgen mehr. Das Essen kann freilich auf dem Lande [nicht sein], wie es für eine zärtliche Constitution in den Umständen sich schickt; doch ist sie schon seit mehrern Monaten gewohnt vorlieb zu nehmen, und es scheint ihrer Gesundheit nichts zu schaden.
Ich bitte Dich recht sehr um den Hemsterhuys. Was bedeutet das, Du verlangst feste Couverte um die Briefe an Dich? – Löse mir das Räthsel. –
Alles übrige das nächstemal, und zwar bald: heute wird sonst der Brief gar zu stark, denn ich habe noch viel zu schreiben. – abgesandt den 17ten Sept[ember].
[12]
[1] Den 16ten September 93.
Deinen Brief vom 5ten Sept.[ember] an CB. [Caroline Böhmer] empfing ich vorigen Mittewochen, da ich eben im Begriff war, herauszugehen. Er machte ihr große Freude – die Antwort darauf hoffe ich Morgen mit dem Boten zu erhalten, und noch mit beyzulegen. Für ietzt also nur so viel. Ich traf ihre Gesundheit und Stimmung ausnehmend gut; und sie hat auch seitdem noch keine schlimme Nachrichten wieder bekommen: in der Einlage ist ein Brief von Philipp mit eingeschlossen. – Ich war dießmal ziemlich lange draussen, und gieng erst am Sonnabend bey sehr schönem Wetter wieder herein; durch die Ermüdung und die Ankunft meines Freundes Carlowitz ward ich verhindert, Dir noch selbigen Abend zu schreiben. Ich hätte Dir schon viel früher geschrieben, war zweymal am Anfange eines sehr langen Briefes: das leztemal ward ich durch eine Gesellschaft Holländer, die Familie Mynheer van Pabst und zwey Mlle. Clifford, ver[2]hindert; die ich den ganzen Tag herumführte. Ich suchte mich ihnen so nützlich zu machen, als ich vermochte, und sie schienen auch mit mir zufrieden. Meine Langeweile war doch auch nicht ohne Lohn – der junge Pabst hat ein Pacquet an Dich mitgenommen, die Musik von Reichardt und die Anthusa. Den Dante fügte ich nicht bey, weil ich das Pacquet nicht zu stark machen mochte und weil ich ihn nicht so gleich haben konnte. Du wirst mich dem jungen und alten Herrn wenn es die Gelegenheit giebt, schon empfehlen, den dicken Bremenser Redlich nicht zu vergeßen. Gleich darauf war ich acht Tage krank, und völlig unfähig, Dir das zu schreiben, was ich im Sinne hatte. Ich erhielt Deine beyden Briefe ohngefähr zu gleicher Zeit. Für die drey D.[ucaten] danke ich recht sehr. Dein Brief enthält größtentheils die Beantwortung meiner Besorgniß. Ich könnte nur ganz kurz sagen, daß sie hoffentlich nicht mehr Statt findet, das ich zwar noch keinen Brief von Charlotten erhalten, sondern nur einen kurzen Zettel, da sie mir hanövrische Briefe schickt; daß G[öschen]s Brief an Kör[3]ner noch früh genung gekommen, aller Wahrscheinlichkeit nach, und daß Du Dich auf dessen Discretion ganz sicher verlassen kannst, so geschwätzig die Stock, und endlich daß diese B.ʼs [Caroline Böhmers] Umstände nicht erfahren. Ich antworte aber Einiges mehr, um bey dieser Gelegenheit einige sehr verworrene Vorstellungen von der Lage der Sache <bey Dir> zu zerstreuen. – Die Fleischern ist der G.[öschen] Schwester; sie hat Dich hier gesehn: G[öschen] hat Dich ihr unter Deinem Namen präsentirt, sie schreibt posttäglich an die St[ock]. – Diese ist Körners Schwägerin, Hubers ehemalige Geliebte, und also erbitterte Feindin alles dessen, was mit F[orster]s zusammenhängt, meiner Schwester genauste Freundin, besonders Sachen der Art pflegen sie zusammen zu beschwatzen. – War es nicht sehr übel, wenn Charl.[otte] ihren hiesigen Aufenthalt und ihre Umstände erfuhr? Da ließ sich auch mir voraussehn, was irgend daraus kommen könnte? – Sehr vieles in meinem Briefe sollte nur andeuten, was ein Vorgeben, was mir nicht überlegt schien, weil es sich nicht ganz durchführen ließ, für mögliche Folgen haben [4] könnte. – Sollte wieder alles Vermuthen Charl.[otte] noch etwas erfahren, so werde ich nach Deiner Vorschrift verfahren. Ich besorge es nicht, für Körners Verschwiegenheit glaube ich stehen zu können; – daß er und die Stock B.ʼs [Caroline Böhmers] hiesigen Aufenthalt (und vermuthlich auch ihre Umstände; daß dieß glücklicherweise nicht sey, erfuhr ich erst nachher) und Namen so gut wie mit völliger Gewißheit wußten, war <aber> genung um mich sehr besorgt zu machen.
Da ich Dir geschrieben habe, daß G[öschen]s ganze Familie B.ʼs [Caroline Böhmers] Umstände wußte, und höchst neugierig war, ihren Namen zu erfahren, und Du weißt daß der alte Heinsius auch dazu gehört, wie kannst Du nur glauben, G.[öschen] habe ihm gesagt, du seyst hier gewesen, etwas, was er gewiß ohnedas sehr gut, lange zuvor wußte? Du thust ihm sehr unrecht: G[öschen] hat mit untadelhafter Anspruchslosigkeit und Verschwiegenheit gehandelt. – Daß ich wöchentlich zwey Boten abfertige, und zu Zeiten einige Tage abwesend bin, kann die Neugierde meiner Wirthin, meiner Aufwärterin und meines Bedienten erregen; Du siehst leicht ob das gefährliche Dinge [5] sind. Ich habe schon seit Ostern alle hiesige Verbindungen abgebrochen; es geschieht fast selten, daß jemand zu mir kömmt, weil ich zu niemand gehe, und den Kommenden kein freundlich Gesicht mache. Carl.[owitz] ist nicht mehr hier; ist er zum Besuch da, wie diese Tage, oder kömmt Hardenberg und Schweinitz, die ich in der Messe erwarte, so siehst Du leicht ein, daß es nicht viel Mühe kosten wird, meine Bestellungen vor ihnen zu verbergen. <Gesetzt es> Sollte auch jemand einmal etwas merken, so würde er sogleich auf die natürlichste Erklärung fallen und dann es weiter nicht der Mühe werth finden, nachzuforschen. Wie kannst Du nur auf den Einfall kommen, daß meine Eltern meine Besuche in L-a [Lucka] erfahren würden? – Aber daß ich in G[öschen]s Hause beständig bey ihr gewesen, sechs Tage über, daß konnte Charl.[otte] auch erfahren, wenn sie das andre erfuhr. –
Sagen werde ich ihr nichts, sollte auch noch etwas Schlimmes vorfallen. Sie kann schlechterdings ihren Aufenthalt nicht mehr ändern. Nothwendig machte dieß eine Entdeckung gar <noch> nicht, die überall kein Unglück wäre; [6] aber wozu sie ganz ohne Nutzen quälen? Findest Du es nöthig, so thu es selbst; ich glaube aber, daß diese Vorstellung, so gering die Sache ist, sie mehr <unaufhörlich> peinigen würde, als die ernsthaft schlimmen Nachrichten. – Ich werde also meine Besuche in L-a [Lucka] fortsetzen (mit der möglichsten Vorsicht, das versteht sich von selbst) ja ich werde meinen Plan, bald nach Dr.[esden] zu gehen (ich dachte sonst, schon Mich.[aelis]) ändern, und so lange hier bleiben, wie sie. Es ist das lezte nothwendig und gut, wegen der kleinen Bestellungen, die man G.[öschen] doch auf die Länge nicht ansinnen kann; dann muß doch bey einer von so vielen Seiten critischen Lage jemand um sie seyn, auf den sie sich in einem eintretenden Nothfalle ganz verlaßen kann; und endlich, so wenig ich ihr auch seyn mag, würde sie mich doch vielleicht vermissen, weil ich durchaus der Einzige bin, der sie sieht. – Ich opfre auch dabey nichts oder sehr wenig auf. Sobald konnte ich doch noch nicht reisen, wenigstens die größte Hälfte meiner Schulden müßte erst bezahlt seyn; die Arbeiten, wozu ich die Bibliothek brau[7]che, kann ich recht füglich einige Monathe aufschieben. Meine Einsamkeit hier ist recht gut und zwingt mich zum Fleiß; in Dr.[esden] kann ich die erste Zeit Zerstreuung und Umgang nicht vermeiden, und ihr Umgang ist mir endlich reichlicher Ersatz für die Annehmlichkeiten, die Dr.[esden] mir bieten kann. Bey meiner Schwester und meinen Eltern meine angekündigte Reise auf eine gute Art nicht zurückzunehmen, sondern <nur> zu verzögern, werde ich schon zu machen wissen, besonders da ich nichts Festes darüber bestimmt. –
Ich habe Dir vielleicht Anlaß gegeben, von unserm Umgang unrecht zu denken; ich hätte einfach und ernst, nicht in Laune und halben Scherz davon schreiben sollen. – Sie machte einen sehr lebhaften Eindruck auf mich; die ersten Tage überließ ich mich diesem ganz, suchte mich ihr zu nähern, sie kennen zu lernen, ich wünschte nach ihrer Mittheilung und Freundschaft aufs emsigste streben zu dürfen; aber grade da sie einige Theilnahme zu äußern schien, sah ich sehr bestimmt, [8] daß ein bloßer Versuch in die heftigsten Kämpfe führen, und wenn eine Freundschaft zwischen uns möglich sey, sie nur die späte Frucht vieler verkehrten Bestrebungen seyn könnte. Du fühlst, wie unschicklich dieß in ihrer Lage wäre – jeder eigennützige Anspruch ward von da an aufgegeben; von mir war nun gar nicht mehr die Rede. Ich hätte wohl Lust Dir das als ein Opfer anzurechnen, weil mir <diese Enthaltsamkeit> so unendlich schwer geworden ist. – Ich setzte mich also in das einfachste, einfältigste Verhältniß zu ihr, die Ehrfurcht eines Sohns, die Offenheit eines Bruders, die Unbefangenheit eines Kindes, die Anspruchslosigkeit eines Fremden. So bin ich gegen sie, und das mußte so seyn, weil es darauf ankam, daß ich ihr nützlich wäre <und nicht, daß sie meine Freundin würde>. – Es könnte also sehr leicht geschehen, daß sie so wunderbar über mich urtheilte, daß Du selbst mich darin nicht wieder erkenntest; aber zufrieden hoffe ich wird sie mit mir seyn; mit meinem Eifer und guten Willen in den Kleinigkeiten, die ich für sie ausrichten kann, und es scheint auch, daß ich ihr Zutrauen [9] habe, da sie mir vieles sagt. –
Ueber Deine Plane für die Zukunft wünschte ich einmal etwas recht Bestimmtes. Deine Rücksicht auf meine Eltern billige ich sehr; es bedarf doch nie der Warnung daß sie nicht Aengstlichkeit wird? Du könntest viel dreister handeln, ganz sicher sie völlig ruhig zu erhalten. – Welche Arbeiten hast Du dir vorgenommen für die freye Zeit, die auf Deine Dienstjahre folgen soll? und wie lange sollen diese noch dauren? Hängt das von S.[ophie] ab? – Es ist etwas in Deinem Briefe, das ich mir fast nicht zu erklären weiß. Du scheinst zu bereuen, daß Du vor anderthalb Jahren nicht nach M.[ainz] gegangen bist. Ich glaube nun, Du hättest da Dein Verderben gefunden, und dann hätte ich <damals> für Deine Freyheit gefürchtet. Vergissest Du denn Deine Verbindung mit S.[ophie], oder schätzest Du sie so gering? Ich halte sehr viel davon, und auch das ist mir lieb, daß Du dadurch nun ich hoffe auf immer frey bist. –
Der Buchhändler empfiehlt sich, und bittet mit dem Uebersetzen für iezt einzuhalten; maaßen es doch schon [10] so sehr spät geworden, und er noch so sehr wenig Absatz gehabt; um abzuwarten ob dieser etwa nach weiterer Bekanntmachung sich vermehren werde. Käme er nur mit den Kosten heraus, so werde er es gern fortsetzen: – das wäre dann zur künftigen Ostermeße. Er war höflich und wird Exemplare hergeben. Kanst Du vielleicht dazu beytragen, daß es noch irgendwo recensirt wird, oder mir angeben? Vielleicht in der Bibl.[iothek] durch den Mag.[ister] Dyck. – G.[öschen] sagte mir neulich, daß er sehr schöne Lettern, und Papier überflüssig liegen hätte, die er zu einer prächtigen Ausgabe <in Quart> eines kleinen Classikers zu bestimmen gedächte, was ich ihm riethe und ob ich niemand wüßte pp. Er sprach erst von den drey Elegikern; nach den Einwürfen, die ich ihm dawieder machte, fand sichs daß es mit dem Propertius allein wohl am besten und ganz thunlich seyn möchte, und da es ein Lieblingsdichter von Dir, so war es der Mühe werth bey Dir anzufragen. Wäre die ganze Arbeit Dir nicht ein Spielzeug? Könnte es Dir nicht sehr nützlich seyn, Dich in diesem Fache bekannt zu machen? Das ganze ist nur [11] ein Einfall, und Du hast übrigens die freiste Wahl in Betreff der Lesarten, der Noten u.s.w. Denn über das Alles war es noch gar nicht bestimmt. Wirf das doch nicht von der Hand. –
B.ʼs [Caroline Böhmers] Sachen sind iezt angekommen; und darunter auch Sopha, Büreau und viele andre kleine Bequemlichkeiten, die sie so lange hat entbehren müssen. Deswegen mache Dir also keine Sorgen mehr. Das Essen kann freilich auf dem Lande [nicht sein], wie es für eine zärtliche Constitution in den Umständen sich schickt; doch ist sie schon seit mehrern Monaten gewohnt vorlieb zu nehmen, und es scheint ihrer Gesundheit nichts zu schaden.
Ich bitte Dich recht sehr um den Hemsterhuys. Was bedeutet das, Du verlangst feste Couverte um die Briefe an Dich? – Löse mir das Räthsel. –
Alles übrige das nächstemal, und zwar bald: heute wird sonst der Brief gar zu stark, denn ich habe noch viel zu schreiben. – abgesandt den 17ten Sept[ember].
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