• Friedrich von Schlegel to August Wilhelm von Schlegel

  • Place of Dispatch: Leipzig · Place of Destination: Amsterdam · Date: 01.01.1794
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
    Metadata Concerning Header
  • Sender: Friedrich von Schlegel
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel
  • Place of Dispatch: Leipzig
  • Place of Destination: Amsterdam
  • Date: 01.01.1794
  • Notations: Empfangsort erschlossen.
    Printed Text
  • Bibliography: Kritische Friedrich-Schlegel-Ausgabe. Bd. 23. Dritte Abteilung: Briefe von und an Friedrich und Dorothea Schlegel. Bis zur Begründung der romantischen Schule (15. September 1788 ‒ 15. Juli 1797). Mit Einleitung und Kommentar hg. v. Ernst Behler u.a. Paderborn u.a. 1987, S. 171‒172.
  • Incipit: „[1] Den 1ten Januar 94.
    Ich weiß nicht, wie ich mir Dein langes Stillschweigen erklären soll, und bin sehr besorgt darüber. Ich [...]“
    Manuscript
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: DE-1a-34186
  • Classification Number: Mscr.Dresd.e.90,XIX,Bd.24.a,Nr.47
  • Number of Pages: 4S. auf Doppelbl., hs. u. U.
  • Format: 19,2 x 11,6 cm
[1] Den 1ten Januar 94.
Ich weiß nicht, wie ich mir Dein langes Stillschweigen erklären soll, und bin sehr besorgt darüber. Ich schicke Dir hier eine Vollmacht für unsern Bruder Karl, die Du unterschreiben und dann nach Hann.[over] zurückschikken wirst. Ferner einen Brief von Car[oline]. Ich war die Festtage draußen, fand sie sehr wohl. Den lezten Tag aber bekam sie einen heftigen Rheumatismus, an dem sie sehr litt, und sie ist noch nicht frey davon. Das ist diesen Winter schon das dritte oder viertemal; sie hat vor einem Jahre die Gicht gehabt; ihre Familie ist zu dieser Krankheit sehr geneigt. Du siehst also daß die Sache sehr ernsthaft ist: die Rheumatism sind wirklich, wie mir der Doktor sagte, gichtischer Art, und er schien nicht zu zweifeln, daß sie einmal chronisch werden würden. Eine traurige Aussicht für die Zukunft. Du mußt sie aufs dringendste bitten, sich warm zu kleiden (woran sie es bisher sehr hat fehlen laßen) und sich überhaupt vor Verkältung zu hüten. Bey der Gelegenheit kannst [2] Du sie auch an gute Diät erinnern. Sie ißt zwar nach unserm Maaß nur wenig; aber ihre häufigen Magenübel geben gewiß den andern Zufällen Nahrung, und rühren vielleicht zuweilen von Näschereyen außer der Mahlzeit in Obst u.s.w. her.
Schon dieser Umstand läßt nicht hoffen, daß sie L.[ucka] sobald verlaßen kann, als sie wünschte. Auch muß sie noch vorher Geld von Hause abwarten. Und die Correspondenz nach Gött.[ingen] geht sehr langsam. Eher sie fort ist, will ich L[eipzi]g nicht verlaßen. Es wäre immer etwas gewagt, da man nicht alle Zufälle voraussehn kann. Indeßen schreibe Du nur nach meiner lezten Anweisung an Mad. Brun. Es ist sichrer, weil wir so gar wenig beyde wißen, wie lange wir noch hier sind. G.[öschen] könnte es gleich nach Gotha nachschicken; käme es aber an mich, während ich schon in Dr[esden] wäre, so würde der Brief ein vierzehn Tage aufgehalten. –
[3] Es schien mir als wiße C.[aroline] schon Vieles von meiner Lage; und ich konnte auch vermuthen, Du würdest ihr gerne von einigem Rechenschaft geben wollen, und andres mittheilen. Darunter müßte ich aber leiden wenn sie nicht ganz unterrichtet würde. Ich habe das lezte gewählt, und bereits gethan. Es gereut mich nicht; sie hat meine Erzählung nicht ohne Theilnahme, und wie es scheint mit Billigkeit aufgenommen und beurtheilt. –
Ich hatte über die Gegenstände die bisher unsre Briefe anfüllten noch wohl mancherley zu sagen – allein Du verzeihst mir gewiß daß es unterbleibt, daß ich iezt nur an das Nothwendige denke. Und auch Du wendest Deine Zeit vielleicht beym Dante beßer an. – Das Nothwendige aber ist für iezt, mich hier zu halten, mit Ehren fort zu kommen, und Materialien zu sammlen für die Abhandlungen, die ich in Dr.[esden] sogleich ausführen werde. Du wirst gewiß so billig seyn, und nichts dawieder haben, [4] daß ich mich aufs Materialiensammlen einschränke. Ich habe da sehr viel zu thun und daß ich dabey und bey dem vorläufigen Durchdenken lange stehen bleibe, wird glaube ich meiner Arbeit nicht nachtheilig seyn. Ich habe iezt noch nicht einmal alle Werke des Aristophanes und Euripides wiedergelesen, noch viel weniger den Aeschylus völlig durchgearbeitet; und mit einer Lectüre ist doch noch wenig gethan.
Wenn Du den Vorschlag, den ich Dir that, nicht eingehen kannst, so muß ich iezt zwar wieder borgen, nicht wenig, und ganz wahrscheinlich nicht ohne beträchtlichen Nachtheil. Ich glaube Dir das nicht verhehlen zu dürfen; sonst möchtest Du nachher noch über Rückfall klagen. Es wird aber dann auch das leztemal seyn, wenn es seyn muß, und mich also nicht von neuem stürzen können.
Lebe tausendmahl wohl, lieber Freund –
Friedrich.
[1] Den 1ten Januar 94.
Ich weiß nicht, wie ich mir Dein langes Stillschweigen erklären soll, und bin sehr besorgt darüber. Ich schicke Dir hier eine Vollmacht für unsern Bruder Karl, die Du unterschreiben und dann nach Hann.[over] zurückschikken wirst. Ferner einen Brief von Car[oline]. Ich war die Festtage draußen, fand sie sehr wohl. Den lezten Tag aber bekam sie einen heftigen Rheumatismus, an dem sie sehr litt, und sie ist noch nicht frey davon. Das ist diesen Winter schon das dritte oder viertemal; sie hat vor einem Jahre die Gicht gehabt; ihre Familie ist zu dieser Krankheit sehr geneigt. Du siehst also daß die Sache sehr ernsthaft ist: die Rheumatism sind wirklich, wie mir der Doktor sagte, gichtischer Art, und er schien nicht zu zweifeln, daß sie einmal chronisch werden würden. Eine traurige Aussicht für die Zukunft. Du mußt sie aufs dringendste bitten, sich warm zu kleiden (woran sie es bisher sehr hat fehlen laßen) und sich überhaupt vor Verkältung zu hüten. Bey der Gelegenheit kannst [2] Du sie auch an gute Diät erinnern. Sie ißt zwar nach unserm Maaß nur wenig; aber ihre häufigen Magenübel geben gewiß den andern Zufällen Nahrung, und rühren vielleicht zuweilen von Näschereyen außer der Mahlzeit in Obst u.s.w. her.
Schon dieser Umstand läßt nicht hoffen, daß sie L.[ucka] sobald verlaßen kann, als sie wünschte. Auch muß sie noch vorher Geld von Hause abwarten. Und die Correspondenz nach Gött.[ingen] geht sehr langsam. Eher sie fort ist, will ich L[eipzi]g nicht verlaßen. Es wäre immer etwas gewagt, da man nicht alle Zufälle voraussehn kann. Indeßen schreibe Du nur nach meiner lezten Anweisung an Mad. Brun. Es ist sichrer, weil wir so gar wenig beyde wißen, wie lange wir noch hier sind. G.[öschen] könnte es gleich nach Gotha nachschicken; käme es aber an mich, während ich schon in Dr[esden] wäre, so würde der Brief ein vierzehn Tage aufgehalten. –
[3] Es schien mir als wiße C.[aroline] schon Vieles von meiner Lage; und ich konnte auch vermuthen, Du würdest ihr gerne von einigem Rechenschaft geben wollen, und andres mittheilen. Darunter müßte ich aber leiden wenn sie nicht ganz unterrichtet würde. Ich habe das lezte gewählt, und bereits gethan. Es gereut mich nicht; sie hat meine Erzählung nicht ohne Theilnahme, und wie es scheint mit Billigkeit aufgenommen und beurtheilt. –
Ich hatte über die Gegenstände die bisher unsre Briefe anfüllten noch wohl mancherley zu sagen – allein Du verzeihst mir gewiß daß es unterbleibt, daß ich iezt nur an das Nothwendige denke. Und auch Du wendest Deine Zeit vielleicht beym Dante beßer an. – Das Nothwendige aber ist für iezt, mich hier zu halten, mit Ehren fort zu kommen, und Materialien zu sammlen für die Abhandlungen, die ich in Dr.[esden] sogleich ausführen werde. Du wirst gewiß so billig seyn, und nichts dawieder haben, [4] daß ich mich aufs Materialiensammlen einschränke. Ich habe da sehr viel zu thun und daß ich dabey und bey dem vorläufigen Durchdenken lange stehen bleibe, wird glaube ich meiner Arbeit nicht nachtheilig seyn. Ich habe iezt noch nicht einmal alle Werke des Aristophanes und Euripides wiedergelesen, noch viel weniger den Aeschylus völlig durchgearbeitet; und mit einer Lectüre ist doch noch wenig gethan.
Wenn Du den Vorschlag, den ich Dir that, nicht eingehen kannst, so muß ich iezt zwar wieder borgen, nicht wenig, und ganz wahrscheinlich nicht ohne beträchtlichen Nachtheil. Ich glaube Dir das nicht verhehlen zu dürfen; sonst möchtest Du nachher noch über Rückfall klagen. Es wird aber dann auch das leztemal seyn, wenn es seyn muß, und mich also nicht von neuem stürzen können.
Lebe tausendmahl wohl, lieber Freund –
Friedrich.
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