• Friedrich von Schlegel to August Wilhelm von Schlegel

  • Place of Dispatch: Dresden · Place of Destination: Amsterdam · Date: 10.02.1794
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
    Metadata Concerning Header
  • Sender: Friedrich von Schlegel
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel
  • Place of Dispatch: Dresden
  • Place of Destination: Amsterdam
  • Date: 10.02.1794
  • Notations: Empfangsort erschlossen.
    Printed Text
  • Bibliography: Kritische Friedrich-Schlegel-Ausgabe. Bd. 23. Dritte Abteilung: Briefe von und an Friedrich und Dorothea Schlegel. Bis zur Begründung der romantischen Schule (15. September 1788 ‒ 15. Juli 1797). Mit Einleitung und Kommentar hg. v. Ernst Behler u.a. Paderborn u.a. 1987, S. 179‒182.
  • Incipit: „[1] Daß Caroline in Gotha ist, wirst Du nun auch schon wißen. – Ich war herzlich froh, Sie von ihrer Verbannung [...]“
    Manuscript
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: DE-1a-34186
  • Classification Number: Mscr.Dresd.e.90,XIX,Bd.24.a,Nr.49
  • Number of Pages: 11 S. auf Doppelbl., hs.
  • Format: 19,2 x 11,6 cm
[1] Daß Caroline in Gotha ist, wirst Du nun auch schon wißen. – Ich war herzlich froh, Sie von ihrer Verbannung befreyt zu wißen; und daß sie mich nicht vermißt hatte. Möchte nur ihr Eintritt in die Welt mit wenig Verdruß verbunden seyn, und sie immer stark genung seyn, diesen zu verachten. Seit beynahe einem Monate erhielt ich durch sie wieder die erste Nachricht von Dir. – Warum hast Du mir so lange nicht geschrieben? – Mir war es die lezten Wochen in L[eipzi]g nicht möglich. Es war gut, daß ich L.[eipzig] verließ und es verlaßen konnte, ohngeachtet aller Hinderniße. Hier bin ich ein andrer Mensch; auch habe ich hier schon mehr gethan, als dort seit meiner Zurückkunft aus Hannover. – Meine Hauptbeschäftigung ist noch dieselbe – Griechische Dichtkunst. Du erinnerst Dich, daß ich Dir davon schon einmal schrieb. Aber ich weiß noch nicht, ob ich unter jenen Fächern, oder unter andern [2] meine Gedanken ausführen werde. Ich hoffe daß ich iezt so viel leisten werde, daß ich künftig einmal bey reifern Kräften nur das hinzuzufügen brauche, was ich selbst mehr geworden bin, um eine Geschichte der Griechischen Dichtkunst zu bilden, wie ich sie zu geben vermag. Bis iezt habe ich meist nur gesammelt, gedacht, geordnet, und von neuem gesammelt (Du wirst begreiflich finden, daß mir im Aristophanes und Aeschylus noch lange zu forschen bleiben wird; daß es schwer ist, das Schöne des Euripides zu faßen; und daß ich des Sophocles nur selten würdig bin). Ich fange nun an aufzuschreiben, zu entwickeln, zu ordnen u.s.w. Plane fürs ganze zu entwerfen. Ich werde mich aldann bald an ein Werk des Aeschylus wagen; vermuthlich eins der dreye; die sie[3]ben Helden, die Choephoren, und die Eumeniden. – Du billigst es gewiß, daß ich mich dem Gegenstande, und der Begeisterung, die er einflößt ganz hingebe; und daß ich mich selbst iezt nur durch ein Werk befriedigen kann, wozu eine Rhapsodie, ein Versuch den ersten Anlaß gab. – Es versteht sich daß ich gar nichts lese und thue, als was zum Zweck gehört, daß ich wenig Gesellschaft sehe, und nicht mehr schlafe als ich muß. – Eins und das andre, was zur Gelehrsamkeit gehört, konnte ich mich nicht enthalten, zu lesen und ich habe unter sehr vielen Etwas gefunden, was mir brauchbar oder unentbehrlich ist. – Der Wunsch die Verskunst der Alten zu kennen veranlaßte mich, in ihren Rhetorikern, Grammatikern, Prosodisten zu suchen, und ich habe [4] besonders in zwey Werken alle Belehrung gefunden, die ich brauche. Es ist Hephästion περι μετρων και ποιηματος und Dionysius Halic.[arnassensis] περι συνθεσεως ονοματων. – Das erste ist ein kurzes und ganz trocknes, aber gründliches und vollständiges Lehrbuch – und damit ist mir am meisten gedient. Mit den Grundsätzen helfe ich mir auch wohl selbst, und wer weiß ob sie, nach dem tiefsten Nachdenken, mehr bey mir seyn werden, als Erklärung und Rechtfertigung deßen, was die Griechen erfanden. Denn so wie in allem andern, was unsre Natur vermag, so halte ich sie auch hier für die Menschen κατʼ ἐξοχην – Der Dionys ist gesucht und schwerfällig geschrieben, ist oft seicht und alltäglich, aber hier und da giebt er doch viel Licht. Kl.[opstock] scheint vorzüglich bey ihm in die Lehre gegangen zu seyn.
Ich nenne Dir diese beyden Schrift[5]steller, in der Voraussetzung, daß Du sie noch nicht gelesen hast, und in der Hoffnung, daß Du Deine Abhandlung über Euphonie und Eurythmie fortsetzen und zu einem vollständigen Werke vollenden willst. – Dionysius berührt sehr oft Untersuchungen, die in Deinem lezten Briefe an mich enthalten sind: als über den Wohlklang und Werth der Mitlaute. Das Zischen des S findet er wiedrig und thierisch. Vom R urtheilt er günstiger <wie Du>: das L hält er für den wohllautendsten. In Einigem ist er aber sehr verschieden von Dir. Nur ein Beyspiel; nicht nur er, auch alle andre Rhetoriker, die mir bekannt sind, Aristoteles, Demetrius, Aristides u.s.w. machen es zum ausdrücklichen Gesetz, die Collision der Vocale zu vermeiden, welche sie übellautend finden. Sie erlauben sie nur dem erhabenen [6] Vortrage; diesem verleiht sie Größe und Pathos, weil die Stimme bey jedem der zusammenstehenden Selbstlaute von neuem anheben und ganz austönen muß. Dieses hemmt die Flüssigkeit, in welche sie das Wesen des schönen Vortrages setzen. Isocrates, welcher diesen durch Anstrengung und Fleiß zu erreichen suchte, hat in einer ganzen Rede, diese Härte (von welcher wir Deutschen sehr sicher sind) vermieden. Es ist damit gemeynt z. B. Ηϊονες αϊεις u.s.w. βοοωσιν.
Mit Begierde erwarte ich Deine Abhandlung über Eurythmie, und werde sie umständlichst beantworten. Grade iezt triffst Du mit meinen Untersuchungen zusammen. – Den Grundsatz; alles was dem Sprachwerkzeug schwer und mühsam, ist dem Gehör unangenehm, kann ich nicht ganz gelten laßen. – Im Griechischen kommen oft sehr viel Längen und sehr viel Kürzen hinter einander vor; gewiß ist das ro[7]hen Organen schwer, ja unmöglich. Und ich würde mich nicht wundern, wenn ein solches Organ schon deshalb, die Musik der Griechischen Sprache für Uebellaut erklärte. Aber würde ich fragen; ist es leichter zu singen oder zu reden? zu reden oder zu lallen? oder zu schreyen? und ist nicht überall das Weichliche mehr vom Schönen entfernt, wie das Harte? – Wenn ich Dir auch zugestehe, daß die deutsche Sprache hart ist, so mußt Du doch beweisen, daß sie der Schönheit nicht fähig sey, wobey es wohl mehr auf ihren Rythmus ankömmt. Denn Deine Behauptung, daß sinnlicher Reiz das erste Erforderniß einer Sprache sey, daß ohne diesen Schönheit und Rythmus nicht wirken könne, hast Du nicht erwiesen.
Es war zwar zuerst die Neigung, welche mich antrieb, die Kunst da zu erforschen, wo sie einheimisch ist. Daß ich aber in dem Entwurfe meines Lebens mit der Kunst den Anfang mache, daß ist so tief in meiner Natur und in meinen Absichten gegründet, daß vielleicht nur ich selbst den Grund davon einsehen kann. [8] Auch vermag ich Dir dieß und mein ganzes Verhältniß zu derselben nicht mitzutheilen. Sie selbst ist mir nothwendig, und erst dann strebe ich sie mitzutheilen, in so weit die Natur und meine Kräfte es vergönnen. – Vielleicht irre ich nicht wenn ich zur Kunst auch diejenige Philosophie rechne, deren Zweck nicht Wißenschaft, sondern die Mittheilung des Schönen durch den Verstand ist, nehmlich die Philosophie des Socrates. Du erinnerst Dich einiger mitgetheilten Plane in G[öttingen]. Sie sind nicht vergeßen, und enthielten den Keim meiner ietzigen Absicht. – Ich habe diese Periode erst angefangen, und ich kann mich also vielleicht irren, wenn ich den Uebergang zu der nächsten schon deutlich vorauszusehen glaube. Darüber also iezt nicht weiter. –
Ueber meine Geldangelegenheiten hier kannst Du sehr ruhig seyn, und überzeugt, daß ich mit äußerst Wenigem zureichen kann. Zu Ostern muß ich von meiner Mutter noch etwas annehmen, und es wird hinreichen, bis Michaelis [9] zu leben. Bis dahin werde ich so viel zu verdienen wißen, daß ich den Winter leben kann; und für den Winter habe ich auch außerdem noch andre Plane. Weiter denke ich für iezt nicht. – Aber meine Geldangelegenheiten in L.[eipzig] machen mir noch große Sorge. Carol.[ine] hat kein Geld von ihrem Capital bekommen können, und unterdeßen hält man dort meine Reise für eine Flucht, und wenn ich nicht entweder die Hauptsumme gleich mit dem Anfang des März habe, oder doch 100 Thl., so ist es fast unmöglich, dem größten Verdruße zu entgehen; besonders da ich von Charl.[otte] nichts hoffen darf. Das Schlimmste ist meine Wirthin, und mein Bedienter. Ich bin überzeugt, daß Du alles mögliche thun wirst, um mir die Summe so früh zu verschaffen, oder wenn noch eine Möglichkeit dazu da ist, 100 Thl. im voraus, sogleich. Ich wünsche sehnlichst Nachricht darüber; ob Du wieder Briefe von M[astiau]x hast? ob ich ihm schreiben soll? [10] Ich bin äußerst besorgt deshalb. – Noch eins. Das Geld schickst Du mir hieher: und wenn es auch ein Wechsel ist; so mußt Du es doch auf dem Couv.[ert] bemerken; sonst kann es jedermann der den Brief etwa öffnet, herausnehmen. Du hattest dieß bey der Uebermachung der 60 Fl. vergeßen. Meine Addreße hier ist; in der Moritzstraße, bey Post-Secretär Neumanns, drey Treppen hoch. –
Ob Charlotte weiß, daß Du in L.[eipzig] gewesen bist, habe ich nicht von ihr herausbringen können; und es liegt auch wohl eigentlich nicht viel daran. Körners haben sich auf eine sehr unbescheidne Art neugierig bewiesen (es versteht sich, daß er nicht mit gemeynt ist) und ich that sehr unbefangen, und erzählte Ihnen, daß sie dem Gerüchte nach, nach Rußland gereißt sey. Aus ihren Reden schloß ich, daß man hier von Cranz nichts weiß (und dazu gehört Gotha u.s.w. wohl auch) und an der Verbindung mit F.[orster] nicht zwei[11]felt. –
Schreibe doch von Deinem Kommen, von Sophien und von allem.
Dreßden den 10ten Februar 1794.
[12]
[1] Daß Caroline in Gotha ist, wirst Du nun auch schon wißen. – Ich war herzlich froh, Sie von ihrer Verbannung befreyt zu wißen; und daß sie mich nicht vermißt hatte. Möchte nur ihr Eintritt in die Welt mit wenig Verdruß verbunden seyn, und sie immer stark genung seyn, diesen zu verachten. Seit beynahe einem Monate erhielt ich durch sie wieder die erste Nachricht von Dir. – Warum hast Du mir so lange nicht geschrieben? – Mir war es die lezten Wochen in L[eipzi]g nicht möglich. Es war gut, daß ich L.[eipzig] verließ und es verlaßen konnte, ohngeachtet aller Hinderniße. Hier bin ich ein andrer Mensch; auch habe ich hier schon mehr gethan, als dort seit meiner Zurückkunft aus Hannover. – Meine Hauptbeschäftigung ist noch dieselbe – Griechische Dichtkunst. Du erinnerst Dich, daß ich Dir davon schon einmal schrieb. Aber ich weiß noch nicht, ob ich unter jenen Fächern, oder unter andern [2] meine Gedanken ausführen werde. Ich hoffe daß ich iezt so viel leisten werde, daß ich künftig einmal bey reifern Kräften nur das hinzuzufügen brauche, was ich selbst mehr geworden bin, um eine Geschichte der Griechischen Dichtkunst zu bilden, wie ich sie zu geben vermag. Bis iezt habe ich meist nur gesammelt, gedacht, geordnet, und von neuem gesammelt (Du wirst begreiflich finden, daß mir im Aristophanes und Aeschylus noch lange zu forschen bleiben wird; daß es schwer ist, das Schöne des Euripides zu faßen; und daß ich des Sophocles nur selten würdig bin). Ich fange nun an aufzuschreiben, zu entwickeln, zu ordnen u.s.w. Plane fürs ganze zu entwerfen. Ich werde mich aldann bald an ein Werk des Aeschylus wagen; vermuthlich eins der dreye; die sie[3]ben Helden, die Choephoren, und die Eumeniden. – Du billigst es gewiß, daß ich mich dem Gegenstande, und der Begeisterung, die er einflößt ganz hingebe; und daß ich mich selbst iezt nur durch ein Werk befriedigen kann, wozu eine Rhapsodie, ein Versuch den ersten Anlaß gab. – Es versteht sich daß ich gar nichts lese und thue, als was zum Zweck gehört, daß ich wenig Gesellschaft sehe, und nicht mehr schlafe als ich muß. – Eins und das andre, was zur Gelehrsamkeit gehört, konnte ich mich nicht enthalten, zu lesen und ich habe unter sehr vielen Etwas gefunden, was mir brauchbar oder unentbehrlich ist. – Der Wunsch die Verskunst der Alten zu kennen veranlaßte mich, in ihren Rhetorikern, Grammatikern, Prosodisten zu suchen, und ich habe [4] besonders in zwey Werken alle Belehrung gefunden, die ich brauche. Es ist Hephästion περι μετρων και ποιηματος und Dionysius Halic.[arnassensis] περι συνθεσεως ονοματων. – Das erste ist ein kurzes und ganz trocknes, aber gründliches und vollständiges Lehrbuch – und damit ist mir am meisten gedient. Mit den Grundsätzen helfe ich mir auch wohl selbst, und wer weiß ob sie, nach dem tiefsten Nachdenken, mehr bey mir seyn werden, als Erklärung und Rechtfertigung deßen, was die Griechen erfanden. Denn so wie in allem andern, was unsre Natur vermag, so halte ich sie auch hier für die Menschen κατʼ ἐξοχην – Der Dionys ist gesucht und schwerfällig geschrieben, ist oft seicht und alltäglich, aber hier und da giebt er doch viel Licht. Kl.[opstock] scheint vorzüglich bey ihm in die Lehre gegangen zu seyn.
Ich nenne Dir diese beyden Schrift[5]steller, in der Voraussetzung, daß Du sie noch nicht gelesen hast, und in der Hoffnung, daß Du Deine Abhandlung über Euphonie und Eurythmie fortsetzen und zu einem vollständigen Werke vollenden willst. – Dionysius berührt sehr oft Untersuchungen, die in Deinem lezten Briefe an mich enthalten sind: als über den Wohlklang und Werth der Mitlaute. Das Zischen des S findet er wiedrig und thierisch. Vom R urtheilt er günstiger <wie Du>: das L hält er für den wohllautendsten. In Einigem ist er aber sehr verschieden von Dir. Nur ein Beyspiel; nicht nur er, auch alle andre Rhetoriker, die mir bekannt sind, Aristoteles, Demetrius, Aristides u.s.w. machen es zum ausdrücklichen Gesetz, die Collision der Vocale zu vermeiden, welche sie übellautend finden. Sie erlauben sie nur dem erhabenen [6] Vortrage; diesem verleiht sie Größe und Pathos, weil die Stimme bey jedem der zusammenstehenden Selbstlaute von neuem anheben und ganz austönen muß. Dieses hemmt die Flüssigkeit, in welche sie das Wesen des schönen Vortrages setzen. Isocrates, welcher diesen durch Anstrengung und Fleiß zu erreichen suchte, hat in einer ganzen Rede, diese Härte (von welcher wir Deutschen sehr sicher sind) vermieden. Es ist damit gemeynt z. B. Ηϊονες αϊεις u.s.w. βοοωσιν.
Mit Begierde erwarte ich Deine Abhandlung über Eurythmie, und werde sie umständlichst beantworten. Grade iezt triffst Du mit meinen Untersuchungen zusammen. – Den Grundsatz; alles was dem Sprachwerkzeug schwer und mühsam, ist dem Gehör unangenehm, kann ich nicht ganz gelten laßen. – Im Griechischen kommen oft sehr viel Längen und sehr viel Kürzen hinter einander vor; gewiß ist das ro[7]hen Organen schwer, ja unmöglich. Und ich würde mich nicht wundern, wenn ein solches Organ schon deshalb, die Musik der Griechischen Sprache für Uebellaut erklärte. Aber würde ich fragen; ist es leichter zu singen oder zu reden? zu reden oder zu lallen? oder zu schreyen? und ist nicht überall das Weichliche mehr vom Schönen entfernt, wie das Harte? – Wenn ich Dir auch zugestehe, daß die deutsche Sprache hart ist, so mußt Du doch beweisen, daß sie der Schönheit nicht fähig sey, wobey es wohl mehr auf ihren Rythmus ankömmt. Denn Deine Behauptung, daß sinnlicher Reiz das erste Erforderniß einer Sprache sey, daß ohne diesen Schönheit und Rythmus nicht wirken könne, hast Du nicht erwiesen.
Es war zwar zuerst die Neigung, welche mich antrieb, die Kunst da zu erforschen, wo sie einheimisch ist. Daß ich aber in dem Entwurfe meines Lebens mit der Kunst den Anfang mache, daß ist so tief in meiner Natur und in meinen Absichten gegründet, daß vielleicht nur ich selbst den Grund davon einsehen kann. [8] Auch vermag ich Dir dieß und mein ganzes Verhältniß zu derselben nicht mitzutheilen. Sie selbst ist mir nothwendig, und erst dann strebe ich sie mitzutheilen, in so weit die Natur und meine Kräfte es vergönnen. – Vielleicht irre ich nicht wenn ich zur Kunst auch diejenige Philosophie rechne, deren Zweck nicht Wißenschaft, sondern die Mittheilung des Schönen durch den Verstand ist, nehmlich die Philosophie des Socrates. Du erinnerst Dich einiger mitgetheilten Plane in G[öttingen]. Sie sind nicht vergeßen, und enthielten den Keim meiner ietzigen Absicht. – Ich habe diese Periode erst angefangen, und ich kann mich also vielleicht irren, wenn ich den Uebergang zu der nächsten schon deutlich vorauszusehen glaube. Darüber also iezt nicht weiter. –
Ueber meine Geldangelegenheiten hier kannst Du sehr ruhig seyn, und überzeugt, daß ich mit äußerst Wenigem zureichen kann. Zu Ostern muß ich von meiner Mutter noch etwas annehmen, und es wird hinreichen, bis Michaelis [9] zu leben. Bis dahin werde ich so viel zu verdienen wißen, daß ich den Winter leben kann; und für den Winter habe ich auch außerdem noch andre Plane. Weiter denke ich für iezt nicht. – Aber meine Geldangelegenheiten in L.[eipzig] machen mir noch große Sorge. Carol.[ine] hat kein Geld von ihrem Capital bekommen können, und unterdeßen hält man dort meine Reise für eine Flucht, und wenn ich nicht entweder die Hauptsumme gleich mit dem Anfang des März habe, oder doch 100 Thl., so ist es fast unmöglich, dem größten Verdruße zu entgehen; besonders da ich von Charl.[otte] nichts hoffen darf. Das Schlimmste ist meine Wirthin, und mein Bedienter. Ich bin überzeugt, daß Du alles mögliche thun wirst, um mir die Summe so früh zu verschaffen, oder wenn noch eine Möglichkeit dazu da ist, 100 Thl. im voraus, sogleich. Ich wünsche sehnlichst Nachricht darüber; ob Du wieder Briefe von M[astiau]x hast? ob ich ihm schreiben soll? [10] Ich bin äußerst besorgt deshalb. – Noch eins. Das Geld schickst Du mir hieher: und wenn es auch ein Wechsel ist; so mußt Du es doch auf dem Couv.[ert] bemerken; sonst kann es jedermann der den Brief etwa öffnet, herausnehmen. Du hattest dieß bey der Uebermachung der 60 Fl. vergeßen. Meine Addreße hier ist; in der Moritzstraße, bey Post-Secretär Neumanns, drey Treppen hoch. –
Ob Charlotte weiß, daß Du in L.[eipzig] gewesen bist, habe ich nicht von ihr herausbringen können; und es liegt auch wohl eigentlich nicht viel daran. Körners haben sich auf eine sehr unbescheidne Art neugierig bewiesen (es versteht sich, daß er nicht mit gemeynt ist) und ich that sehr unbefangen, und erzählte Ihnen, daß sie dem Gerüchte nach, nach Rußland gereißt sey. Aus ihren Reden schloß ich, daß man hier von Cranz nichts weiß (und dazu gehört Gotha u.s.w. wohl auch) und an der Verbindung mit F.[orster] nicht zwei[11]felt. –
Schreibe doch von Deinem Kommen, von Sophien und von allem.
Dreßden den 10ten Februar 1794.
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