• Friedrich von Schlegel to August Wilhelm von Schlegel

  • Place of Dispatch: Dresden · Place of Destination: Amsterdam · Date: 17.04.1794
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
    Metadata Concerning Header
  • Sender: Friedrich von Schlegel
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel
  • Place of Dispatch: Dresden
  • Place of Destination: Amsterdam
  • Date: 17.04.1794
  • Notations: Empfangsort erschlossen.
    Printed Text
  • Bibliography: Kritische Friedrich-Schlegel-Ausgabe. Bd. 23. Dritte Abteilung: Briefe von und an Friedrich und Dorothea Schlegel. Bis zur Begründung der romantischen Schule (15. September 1788 ‒ 15. Juli 1797). Mit Einleitung und Kommentar hg. v. Ernst Behler u.a. Paderborn u.a. 1987, S. 189‒191.
  • Incipit: „[1] Dreßden. Den 17ten April 1794.
    Als ich Dir lezthin schrieb machte ich mir keine Hoffnung <mehr>, iezt habe ich neuen Muth [...]“
    Manuscript
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: DE-1a-34222
  • Classification Number: Mscr.Dresd.e.90,XIX,Bd.24.b,Nr.52
  • Number of Pages: 6S. auf Doppelbl., hs. m. U.
  • Format: 18,9 x 11,6 cm
[1] Dreßden. Den 17ten April 1794.
Als ich Dir lezthin schrieb machte ich mir keine Hoffnung <mehr>, iezt habe ich neuen Muth gefaßt. Deinen Brief vom 8ten erhielt ich am 14ten; auch er hat mich von neuem belebt und gestärkt; denn es wird gewiß nichts meinen Muth erschüttern, so lange meine Freunde mich nicht verlaßen. Deine zärtliche Theilnahme ist mit unvergänglicher Schrift in mein Herz geschrieben. Nicht nur Deine Handlungen, auch Dein Herz beschämt so oft, die raschen Zweifel zu denen meine Heftigkeit mich leicht hinreißt. Ist also noch eine Spur von Unmuth in meinem lezten Briefe, so verzeihe sie; Dein Stillschweigen hatte sehr lange gewährt, und dann war Dein lezter Brief vom 10ten März auch etwas kalt. – Ich habe gleich Deinen Brief an Carol.[ine] geschickt und ihr geschrieben. Ich bin voller Hoffnung; nach Allem, was Sie mir von der Sache gesagt ist es keinem Zweifel unterworfen, daß sie helfen kann: und von der Zeit der Hülfe, so wichtig sie immer noch bleibt, hängt wenigstens [2] meine Rettung iezt nicht mehr ab. – Als Charl.[otte] anfieng auch unruhig zu werden, besonders seit der Zeit, da sie die 34 Thl. gezahlt, schlug ich ihr vor, daß wenn den 14. April kein Brief von Dir käme, ich nach L.[eipzig] zurückreisen und dort warten wollte, <wobey ich freilich eine ganz andre Absicht hatte,> damit sie auf keinen Fall darunter litte. Sie hat sich aber bald erboten, noch 66 Thl., zusammen also 100 Thl. herzuschießen. Die Wirthin bekommt noch 17 Thl.; zu meiner großen Freude kann ich nun auch den Bedienten, wenigstens zum Theil bezahlen, und hoffe meine Sachen in einigen Tagen hier zu haben. Es versteht sich, daß ich nun gar nicht nach L.[eipzig] zurückkehre; und ich verspreche Euch auf alle Fälle zu dulden und zu thun, so viel ich vermag. Vor einiger Zeit sah ich nur einen gewaltsamen Ausweg vor mir; der aber doch für Andre nicht ohne Folgen war. Diesen muß ich nun gänzlich fahren laßen; allein ich hoffe Ihr werdet auch Alles Mögliche thun. Jene 100 Thl. müßen bezahlt werden, denn würden sie es nicht, so wären es die [3] welche Ernsts für Jettchen bestimmt haben. Du wirst vielleicht sagen, ich hätte mich selbst wiedersetzen sollen; allein dazu hatte ich nicht das Recht; und ich mußte mich ganz leidend dabey verhalten: denn so wie ich iezt bey E.[rnsts] bin, konnte ich nichts vornehmen, was nicht die ernstlichsten Folgen für sie hätte; und Aufschub war hier nicht möglich. Es ist iezt nichts zu thun, als was ich schon erwähnte, nicht den Knoten zerschneiden, sondern alle Kräfte anspannen, und so hoffe ich gewiß, es wird Alles gut gehen. – Ob die übrigen Creditoren noch etwas länger warten, das schadet vielleicht nicht sehr viel: denn an meinem Ruf wird iezt wohl in L.[eipzig] nicht viel zu verderben seyn. Ich muß die Wiederherstellung deßelben auf eine spätere Zeit aufschieben. –
Ich habe mir vorgenommen Mitford history of Greece zu übersetzen, vielleicht mit Abhandlungen zu begleiten, wenn ich einen Verleger bekommen [4] kann, weshalb ich mir keine Mühe sparen werde. Es sind zwey Bände in Quart, zusammen beynahe 1 700 Seiten. Bekomme ich also für den Bogen nur 3 Thl., so kann ich doch schon etwas beträchtliches damit verdienen. Ich habe es zwar noch nicht in der Rücksicht gelesen, indeßen schien es äusserst leicht geschrieben, und ich hoffe es wird mir nicht so gar viele Zeit kosten. – Mein Werk hat seit Anfang März nicht den Fortgang gehabt; ich konnte nur arbeiten, und selbst darin überwältigte mich oft der Schmerz. Indeßen ist es sehr gut, daß ich mich mit der Gr.[iechischen] Geschichte und den Alterthümern bekannt gemacht habe. Jezt aber fange ich mit frischer Kraft an; da schränke ich mich gänzlich auf Schreiben und Lesen der Dichter selbst ein. Ich habe angefangen alle zu lesen, die mir noch unbekannt waren. Den Quintus habe ich bald durchgepflügt, den Oppian lese ich doch mit einigem Vergnügen: allein ich kann mich nicht ent[5]schließen die 48 Bücher von Nonnus Dionys.[iaca] ganz zu lesen. Heute Morgen habe ich mich auch wieder erquickt an dem reizenden dritten Gesange der Argonautica des Apollonius, an welchem ihm die Grazie geholfen hat. –
Lieber Freund, es hängt immer noch sehr viel von der Schnelligkeit der Hülfe ab; da sich durchaus nicht voraussehen läßt was aus dem Verzuge folgen könnte. Auch wenn Du zu Anfang Mays einige Duc.[aten] entbehren kannst, wäre es sehr gut. Es ist doch unsicher bey so mißlicher Lage nichts in Händen zu haben: der Bediente ist noch lange nicht ganz bezahlt: und so manche Kleinigkeiten, die dem Credit oft am meisten schaden.
Ich habe meine Schwester nicht bewegen können, wegen der 100 Thl. vors erste gegen meine Mutter zu schweigen; ich bitte Dich also zugleich aufs inständigste, an diese sogleich zu schreiben, und sie so viel als möglich zu beruhigen. Auch wünschte ich daß Du Charl.[otten] nun gleich schriebest. Du mußt aber ihr eben so viel Gewißheit geben, [6] als Du mir giebst, und als auch wahr ist; denn sonst bringt das Mistrauen hervor. Ich habe mich streng an die Wahrheit gehalten; mit M[astiau]x ohngefahr gesagt wie es ist, wir hätten noch eine Quelle, wo die Hülfe zwar keinem Zweifel unterworfen sey, aber wohl die Zeit.
Lebe tausendmahl wohl, und gieb mir auch bald Nachricht von Dir, vom Dante, von Sophien. Du wirst gewiß nicht übel genommen haben, was ich lezthin von Car.[oline] schrieb; es war wenigstens freundschaftlich gedacht. – Ich habe einige Tage Fieber gehabt; doch iezt bin ich wieder beßer.
F. S.
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[1] Dreßden. Den 17ten April 1794.
Als ich Dir lezthin schrieb machte ich mir keine Hoffnung <mehr>, iezt habe ich neuen Muth gefaßt. Deinen Brief vom 8ten erhielt ich am 14ten; auch er hat mich von neuem belebt und gestärkt; denn es wird gewiß nichts meinen Muth erschüttern, so lange meine Freunde mich nicht verlaßen. Deine zärtliche Theilnahme ist mit unvergänglicher Schrift in mein Herz geschrieben. Nicht nur Deine Handlungen, auch Dein Herz beschämt so oft, die raschen Zweifel zu denen meine Heftigkeit mich leicht hinreißt. Ist also noch eine Spur von Unmuth in meinem lezten Briefe, so verzeihe sie; Dein Stillschweigen hatte sehr lange gewährt, und dann war Dein lezter Brief vom 10ten März auch etwas kalt. – Ich habe gleich Deinen Brief an Carol.[ine] geschickt und ihr geschrieben. Ich bin voller Hoffnung; nach Allem, was Sie mir von der Sache gesagt ist es keinem Zweifel unterworfen, daß sie helfen kann: und von der Zeit der Hülfe, so wichtig sie immer noch bleibt, hängt wenigstens [2] meine Rettung iezt nicht mehr ab. – Als Charl.[otte] anfieng auch unruhig zu werden, besonders seit der Zeit, da sie die 34 Thl. gezahlt, schlug ich ihr vor, daß wenn den 14. April kein Brief von Dir käme, ich nach L.[eipzig] zurückreisen und dort warten wollte, <wobey ich freilich eine ganz andre Absicht hatte,> damit sie auf keinen Fall darunter litte. Sie hat sich aber bald erboten, noch 66 Thl., zusammen also 100 Thl. herzuschießen. Die Wirthin bekommt noch 17 Thl.; zu meiner großen Freude kann ich nun auch den Bedienten, wenigstens zum Theil bezahlen, und hoffe meine Sachen in einigen Tagen hier zu haben. Es versteht sich, daß ich nun gar nicht nach L.[eipzig] zurückkehre; und ich verspreche Euch auf alle Fälle zu dulden und zu thun, so viel ich vermag. Vor einiger Zeit sah ich nur einen gewaltsamen Ausweg vor mir; der aber doch für Andre nicht ohne Folgen war. Diesen muß ich nun gänzlich fahren laßen; allein ich hoffe Ihr werdet auch Alles Mögliche thun. Jene 100 Thl. müßen bezahlt werden, denn würden sie es nicht, so wären es die [3] welche Ernsts für Jettchen bestimmt haben. Du wirst vielleicht sagen, ich hätte mich selbst wiedersetzen sollen; allein dazu hatte ich nicht das Recht; und ich mußte mich ganz leidend dabey verhalten: denn so wie ich iezt bey E.[rnsts] bin, konnte ich nichts vornehmen, was nicht die ernstlichsten Folgen für sie hätte; und Aufschub war hier nicht möglich. Es ist iezt nichts zu thun, als was ich schon erwähnte, nicht den Knoten zerschneiden, sondern alle Kräfte anspannen, und so hoffe ich gewiß, es wird Alles gut gehen. – Ob die übrigen Creditoren noch etwas länger warten, das schadet vielleicht nicht sehr viel: denn an meinem Ruf wird iezt wohl in L.[eipzig] nicht viel zu verderben seyn. Ich muß die Wiederherstellung deßelben auf eine spätere Zeit aufschieben. –
Ich habe mir vorgenommen Mitford history of Greece zu übersetzen, vielleicht mit Abhandlungen zu begleiten, wenn ich einen Verleger bekommen [4] kann, weshalb ich mir keine Mühe sparen werde. Es sind zwey Bände in Quart, zusammen beynahe 1 700 Seiten. Bekomme ich also für den Bogen nur 3 Thl., so kann ich doch schon etwas beträchtliches damit verdienen. Ich habe es zwar noch nicht in der Rücksicht gelesen, indeßen schien es äusserst leicht geschrieben, und ich hoffe es wird mir nicht so gar viele Zeit kosten. – Mein Werk hat seit Anfang März nicht den Fortgang gehabt; ich konnte nur arbeiten, und selbst darin überwältigte mich oft der Schmerz. Indeßen ist es sehr gut, daß ich mich mit der Gr.[iechischen] Geschichte und den Alterthümern bekannt gemacht habe. Jezt aber fange ich mit frischer Kraft an; da schränke ich mich gänzlich auf Schreiben und Lesen der Dichter selbst ein. Ich habe angefangen alle zu lesen, die mir noch unbekannt waren. Den Quintus habe ich bald durchgepflügt, den Oppian lese ich doch mit einigem Vergnügen: allein ich kann mich nicht ent[5]schließen die 48 Bücher von Nonnus Dionys.[iaca] ganz zu lesen. Heute Morgen habe ich mich auch wieder erquickt an dem reizenden dritten Gesange der Argonautica des Apollonius, an welchem ihm die Grazie geholfen hat. –
Lieber Freund, es hängt immer noch sehr viel von der Schnelligkeit der Hülfe ab; da sich durchaus nicht voraussehen läßt was aus dem Verzuge folgen könnte. Auch wenn Du zu Anfang Mays einige Duc.[aten] entbehren kannst, wäre es sehr gut. Es ist doch unsicher bey so mißlicher Lage nichts in Händen zu haben: der Bediente ist noch lange nicht ganz bezahlt: und so manche Kleinigkeiten, die dem Credit oft am meisten schaden.
Ich habe meine Schwester nicht bewegen können, wegen der 100 Thl. vors erste gegen meine Mutter zu schweigen; ich bitte Dich also zugleich aufs inständigste, an diese sogleich zu schreiben, und sie so viel als möglich zu beruhigen. Auch wünschte ich daß Du Charl.[otten] nun gleich schriebest. Du mußt aber ihr eben so viel Gewißheit geben, [6] als Du mir giebst, und als auch wahr ist; denn sonst bringt das Mistrauen hervor. Ich habe mich streng an die Wahrheit gehalten; mit M[astiau]x ohngefahr gesagt wie es ist, wir hätten noch eine Quelle, wo die Hülfe zwar keinem Zweifel unterworfen sey, aber wohl die Zeit.
Lebe tausendmahl wohl, und gieb mir auch bald Nachricht von Dir, vom Dante, von Sophien. Du wirst gewiß nicht übel genommen haben, was ich lezthin von Car.[oline] schrieb; es war wenigstens freundschaftlich gedacht. – Ich habe einige Tage Fieber gehabt; doch iezt bin ich wieder beßer.
F. S.
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