• August Wilhelm von Schlegel to Friedrich von Schlegel

  • Place of Dispatch: Bonn · Place of Destination: Unknown · Date: 19.09.1828
Edition Status: Single collated printed full text without registry labelling not including a registry
    Metadata Concerning Header
  • Sender: August Wilhelm von Schlegel
  • Recipient: Friedrich von Schlegel
  • Place of Dispatch: Bonn
  • Place of Destination: Unknown
  • Date: 19.09.1828
    Printed Text
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: 362613826
  • Bibliography: Friedrich Schlegels Briefe an seinen Bruder August Wilhelm. Hg. v. Oskar Walzel. Berlin 1890, S. 660‒661.
  • Incipit: „[1] Bonn, den 19ten September 1828.
    Theuerster Bruder! Seit dem Empfange Deines Briefes vom 5ten Juli habe ich geduldig den ganzen Monat [...]“
    Manuscript
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: DE-1a-34288
  • Classification Number: Mscr.Dresd.e.90,XIX,Bd.24.d,Nr.241
  • Number of Pages: 4S. auf Doppelbl., hs. m. U.
  • Format: 21,3 x 12,8 cm
[1] Bonn, den 19ten September 1828.
Theuerster Bruder! Seit dem Empfange Deines Briefes vom 5ten Juli habe ich geduldig den ganzen Monat August und noch reichlich so lange darüber hinaus gewartet, als ein am Schlusse des vorigen Monats von Wien abgegangener Brief unterwegs seyn könnte. Ich habe aber weder Brief noch Anweisung oder Wechsel empfangen. Ich hoffe, Deine Absicht war nicht, mich mit vergeblichen Erwartungen hinzuhalten, noch Deine Worte auf Schrauben zu stellen, wenn Du schriebst, ,die Zahlung könne in keinem Falle vor dem nächsten Monate geschehenʻ; daß dieß heißen sollte: die Zahlung werde weder vor dem Monat August, noch während, noch nach demselben erfolgen. Dein letzter Brief enthält eine Aeußerung, worin ein Vorwurf gegen mich zu liegen scheint, den ich als ganz ungegründet zurückweisen muß. Du sagst nämlich: ,nachdem Du jene Rückzahlung jetzt mit einemmale so dringend verlangstʻ. etc. ‒ Ich bemerke zuvörderst, daß jetzt gerade zehn Jahre verflossen sind, seit ich Dir dieses freie Darlehn gemacht. Da Du es ganz vergessen zu haben schienest, so habe ich einmal daran erinnert, worauf Du eine [2] Frist begehrtest. Dieß wird nun drei bis vier Jahre her seyn: ich kann es in Deinen Briefen noch auffinden. Vorigen Sommer, sogleich nach meiner Zurückkunft aus Berlin, habe ich Dich wieder um die Zahlung gebeten; alsdann am 26ten December, und endlich am 15ten Juni. Es sind also wieder zwei halbjährige Fristen verflossen. Nun pflegt aber bei jedem Darlehn, selbst wenn große Summen auf sichre Hypothek stehn, die Rückzahlung nach dreimonatlicher Aufkündigung ausbedungen zu werden. Ich bin mir bewußt, die Billigkeit in keinem Stücke verletzt zu haben.
Ich wiederhole es, ich brauche das Geld sehr nothwendig. Du scheinst das, was ich in meinen früheren Briefen erinnert, noch nicht gehörig erwogen zu haben. Ich bin fest entschlossen, auf eine oder die andre Art wieder zu meinem Eigenthume zu gelangen.
So eben ist der Dichter Tieck wieder abgereist, der mich zu meiner großen Freude besucht und über zwei Wochen bei mir gewohnt hat. Er ist unendlich liebenswürdig: wir haben nach so vieljähriger Abwesenheit gewissermaßen einen neuen Freundschaftsbund mit einander geschlossen.
Vorher war Lady Malcolm einige Zeit lang in dem benachbarten Godesberg. Sie sowohl als [3] ihr Gemahl der jetzige Gouverneur in Bombay, hatten mich in England auf das freundschaftlichste empfangen. Billig mußte ich ihr also den Aufenthalt hier angenehm zu machen suchen. Auch ist mir die Verbindung mit Sir John Malcolm wichtig.
Schon seit ein paar Monathen hält sich die Nichte aus Hannover hier auf; ich weiß nicht so eigentlich, warum? Ihr Mann kam mit ihr aus England und ist vor kurzem wieder dahin abgereist. Des Bruders wegen, macht ihre Zukunft mir viele Sorgen. Er hätte die Reisen nach Dresden und Wien niemals zugeben sollen.
Bis diese gesellschaftlichen Störungen kamen, bin ich sehr fleißig gewesen. Seit der Herausgabe meiner kritischen Schriften schrieb ich eine französische Abhandlung über die neu entdeckten Baktrischen und Indo-Scythischen Münzen. Sie muß in dem Journal asiatique stehen. Nächstens erscheint in einem Berliner Taschen-Kalender ein Aufsatz von mir: ,Ueber die Zunahme und den gegenwärtigen Stand unserer Kenntnisse von Indien. Erste Abtheilung bis auf Vasco de Gamaʻ. ‒ Der erste Band des Ramayana ist ganz fertig bis auf die Lateinische Vorrede. Ich arbeite auch an einer kritischen Ausgabe des Hitôpadêsa; ein paar Bogen Text sind schon wie der Ramayana mit äußerster Correctheit gedruckt. Du siehst also, daß ich die Indischen Arbeiten, auf die Du mich ausschließend verweisen wolltest, [4] keineswegs verabsäume. Indessen bleibt noch Raum für anderweitige Thätigkeit übrig. Eine Lieblingsergötzung sind mir Scherzgedichte, deren ich die Zeit her viel gemacht habe. Bis jetzt wurden sie nur im engsten Vertrauen mitgetheilt; es sind Pfeile, die in meinem Köcher ruhn.
Von meinen Freunden Sir James Mackintosh und Brougham, werde ich dringend eingeladen, in den Frühlings-Monaten an der neuen Londoner Universität außerordentliche Vorlesungen zu halten. Ich zweifle, ob es möglich zu machen seyn wird.
Meine kritischen Schriften werden an Deine Adresse besorgt, wiewohl ich immer denke, dergleichen Dinge interessiren Dich nicht mehr. ‒ Deine Vorlesungen habe ich beinahe bis zu Ende gelesen: ich verspare alles darüber auf die öffentliche Erörterung; diese möchte für Dich das Piquante verlieren, wenn ich hier vorgriffe.
Lebe recht wohl, und schreibe bald wieder. AWvS.
[1] Bonn, den 19ten September 1828.
Theuerster Bruder! Seit dem Empfange Deines Briefes vom 5ten Juli habe ich geduldig den ganzen Monat August und noch reichlich so lange darüber hinaus gewartet, als ein am Schlusse des vorigen Monats von Wien abgegangener Brief unterwegs seyn könnte. Ich habe aber weder Brief noch Anweisung oder Wechsel empfangen. Ich hoffe, Deine Absicht war nicht, mich mit vergeblichen Erwartungen hinzuhalten, noch Deine Worte auf Schrauben zu stellen, wenn Du schriebst, ,die Zahlung könne in keinem Falle vor dem nächsten Monate geschehenʻ; daß dieß heißen sollte: die Zahlung werde weder vor dem Monat August, noch während, noch nach demselben erfolgen. Dein letzter Brief enthält eine Aeußerung, worin ein Vorwurf gegen mich zu liegen scheint, den ich als ganz ungegründet zurückweisen muß. Du sagst nämlich: ,nachdem Du jene Rückzahlung jetzt mit einemmale so dringend verlangstʻ. etc. ‒ Ich bemerke zuvörderst, daß jetzt gerade zehn Jahre verflossen sind, seit ich Dir dieses freie Darlehn gemacht. Da Du es ganz vergessen zu haben schienest, so habe ich einmal daran erinnert, worauf Du eine [2] Frist begehrtest. Dieß wird nun drei bis vier Jahre her seyn: ich kann es in Deinen Briefen noch auffinden. Vorigen Sommer, sogleich nach meiner Zurückkunft aus Berlin, habe ich Dich wieder um die Zahlung gebeten; alsdann am 26ten December, und endlich am 15ten Juni. Es sind also wieder zwei halbjährige Fristen verflossen. Nun pflegt aber bei jedem Darlehn, selbst wenn große Summen auf sichre Hypothek stehn, die Rückzahlung nach dreimonatlicher Aufkündigung ausbedungen zu werden. Ich bin mir bewußt, die Billigkeit in keinem Stücke verletzt zu haben.
Ich wiederhole es, ich brauche das Geld sehr nothwendig. Du scheinst das, was ich in meinen früheren Briefen erinnert, noch nicht gehörig erwogen zu haben. Ich bin fest entschlossen, auf eine oder die andre Art wieder zu meinem Eigenthume zu gelangen.
So eben ist der Dichter Tieck wieder abgereist, der mich zu meiner großen Freude besucht und über zwei Wochen bei mir gewohnt hat. Er ist unendlich liebenswürdig: wir haben nach so vieljähriger Abwesenheit gewissermaßen einen neuen Freundschaftsbund mit einander geschlossen.
Vorher war Lady Malcolm einige Zeit lang in dem benachbarten Godesberg. Sie sowohl als [3] ihr Gemahl der jetzige Gouverneur in Bombay, hatten mich in England auf das freundschaftlichste empfangen. Billig mußte ich ihr also den Aufenthalt hier angenehm zu machen suchen. Auch ist mir die Verbindung mit Sir John Malcolm wichtig.
Schon seit ein paar Monathen hält sich die Nichte aus Hannover hier auf; ich weiß nicht so eigentlich, warum? Ihr Mann kam mit ihr aus England und ist vor kurzem wieder dahin abgereist. Des Bruders wegen, macht ihre Zukunft mir viele Sorgen. Er hätte die Reisen nach Dresden und Wien niemals zugeben sollen.
Bis diese gesellschaftlichen Störungen kamen, bin ich sehr fleißig gewesen. Seit der Herausgabe meiner kritischen Schriften schrieb ich eine französische Abhandlung über die neu entdeckten Baktrischen und Indo-Scythischen Münzen. Sie muß in dem Journal asiatique stehen. Nächstens erscheint in einem Berliner Taschen-Kalender ein Aufsatz von mir: ,Ueber die Zunahme und den gegenwärtigen Stand unserer Kenntnisse von Indien. Erste Abtheilung bis auf Vasco de Gamaʻ. ‒ Der erste Band des Ramayana ist ganz fertig bis auf die Lateinische Vorrede. Ich arbeite auch an einer kritischen Ausgabe des Hitôpadêsa; ein paar Bogen Text sind schon wie der Ramayana mit äußerster Correctheit gedruckt. Du siehst also, daß ich die Indischen Arbeiten, auf die Du mich ausschließend verweisen wolltest, [4] keineswegs verabsäume. Indessen bleibt noch Raum für anderweitige Thätigkeit übrig. Eine Lieblingsergötzung sind mir Scherzgedichte, deren ich die Zeit her viel gemacht habe. Bis jetzt wurden sie nur im engsten Vertrauen mitgetheilt; es sind Pfeile, die in meinem Köcher ruhn.
Von meinen Freunden Sir James Mackintosh und Brougham, werde ich dringend eingeladen, in den Frühlings-Monaten an der neuen Londoner Universität außerordentliche Vorlesungen zu halten. Ich zweifle, ob es möglich zu machen seyn wird.
Meine kritischen Schriften werden an Deine Adresse besorgt, wiewohl ich immer denke, dergleichen Dinge interessiren Dich nicht mehr. ‒ Deine Vorlesungen habe ich beinahe bis zu Ende gelesen: ich verspare alles darüber auf die öffentliche Erörterung; diese möchte für Dich das Piquante verlieren, wenn ich hier vorgriffe.
Lebe recht wohl, und schreibe bald wieder. AWvS.
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