• Karl von Hardenberg to August Wilhelm von Schlegel

  • Place of Dispatch: Unterzell (Zell, Main) · Place of Destination: Unknown · Date: 11.10.1808
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
    Metadata Concerning Header
  • Sender: Karl von Hardenberg
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel
  • Place of Dispatch: Unterzell (Zell, Main)
  • Place of Destination: Unknown
  • Date: 11.10.1808
    Printed Text
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: 335976727
  • Bibliography: Krisenjahre der Frühromantik. Briefe aus dem Schlegelkreis. Hg. v. Josef Körner. Bd. 1. Der Texte erste Hälfte. 1791‒1808. Bern u.a. ²1969, S. 632‒634.
  • Incipit: „Unterzell d. 11ten October 1808
    Daß ich Ihnen, mein theurer Freund, so spät antworte, liegt allein in der namenlosen Saumseeligkeit unseres Advokaten [...]“
    Manuscript
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: APP2712-Bd-7
  • Classification Number: Mscr.Dresd.App.2712,B,28,6
  • Number of Pages: 4 S. auf Doppelbl., hs. m. U.
  • Format: 23 x 19 cm
Unterzell d. 11ten October 1808
Daß ich Ihnen, mein theurer Freund, so spät antworte, liegt allein in der namenlosen Saumseeligkeit unseres Advokaten in Berlin; – Ihren lieben Brief mit dem Wechsel habe richtig erhalten; aber ehe ich das Geld weiter sandte schrieb ich erst an den Justiz C[ommissarius] Bode, der mir schon auf 2 Briefe durchaus keine Antwort gegeben; in dem Briefe erbot ich mich nun zu allen baaren Bezahlungen die auf eine oder die andere Art könnten gefordert werden; aber HE. Bode hat mir auch darauf keine Zeile geantwortet, und ich weiß nun kein anderes Mittel als mit der nächsten Post an Troschel und Bode zu schreiben, und die Briefe in die Ungersche Buchhandlung zur Beförderung zu senden; erhalte ich dann keine Antwort, so bleibt uns nur noch übrig an den Magistrat zu schreiben; daß ich auf diese Weise kein Geld habe hinsenden können, werden Sie gewiß erkennen und gern sehen; – sobald ich nur die mindeste Nachricht erhalte, so bekommen Sie sogleich einen Brief. – Nehmen Sie, mein geliebter Freund, im Uebrigen den herzlichsten Dank für Ihren freundlichen, liebevollen Brief; Ihre innige, treue Freundschaft ist mir von unendlichen Werth; auch ist es so, und kann nicht anders seyn daß wir auf ewig zusammen gehören; ich kann mir es nicht anders denken, und weiß, daß es noch geschieht; – Wie mögten wir getrennt seyn? Die Beruhigung von Ihrer Mutter über Friedrich war mir überaus lieb; Gott erleuchte doch alle unsere Lieben, daß sie wenigstens ohne Haß an uns denken; – für Ihre Mutter flößt mir das bey ihren Jahren die tiefste Achtung ein; – der Verlust des Canonicats ist ihm eine rechte Ehre. – Bedeutende Angriffe sind noch nicht geschehen, wenigstens höre ich hier in meiner Einsamkeit Nichts davon; – Vor einiger Zeit sprach eine Zeitung nur wieder von seinen Freunden die ihm nachgefolgt wären, und ich erwartete, daß man auch mich zur Publicität bringen würde; doch ist Alles wieder still. – Die Recension, die mir ganz vortrefflich dünkt, hat auch Stollbergs ganzen Beyfall gehabt. – Im Julius war ich einige Tage in Münster; verfehlte aber leider Stollberg selbst, und habe nur die Frau und Familie kennen gelernt; Ganz bezaubert kam ich zurük; Wie auf einer seeligen Insel wohnt man dort, fern von allen Unfrieden, und Gewirre der Welt; – Treue und frommer Sinn sind dort mit ächter Hochherzigkeit vereint, und man glaubt in den herrlichsten Zeiten unseres Vaterlands zu leben; – dorthin zieht mich jezt eine mächtige Sehnsucht, und nur die beschränkten irdischen Verhältnisse hindern mich jezt daran; – Verborgen werde ich so nicht lange mehr bleiben können, besonders da seit dem St. Bartholomäus Tage, auch meine geliebte Frau ein Glied der Kirche ist; – ich erlebe der Wunder jezt ohne Zahl, selbst in den kleinsten Begebenheiten, und man spürt es deutlich, daß man im Lande der Geister wohnt! – Könnt ich Ihnen, mein geliebter Freund, doch nur einen Augenblik mein Herz ganz so zeigen, wie ich es mögte; Sie würden sich an meiner Sicherheit erfreuen. – Im Irdischen bin ich übrigens sehr gedrükt gewesen; desto freudiger wächst der Muth zum Himmel; den lezten Theil des Sommers, und jezt noch [war ich] in den unangenehmsten Geschäften die am Ende nur das Resultat beträchtlicher Verluste, und zulezt einer gänzlichen Theilung mit meinem Schwager, mit dem ich das Gut bisher vereint besessen, brachten; Nun habe ich meinem Theil des Gutes selbst übernehmen müssen, und baue das Feld nach Weise der Väter; Auch nöthigt mich das den Winter hier zu bleiben, und meine Frau aber, ihrer größern Bequemlichkeit wegen, in Meiningen niederkommen zu lassen; – Alles dies bringt mir aber gewiß reiche Frucht; Geduld und Ergebung in Gottes Willen mit gänzlicher Resignation des eignen, sind kostbare Kleinodien, die zu erringen man nicht laufen genug mag. – Wann eher geht es nun mit Ihnen nach Wien? – ich mögte Sie gern beneiden, wenn ich es vermögte; Gott seegne Ihren Aufenthalt mit seinem reichsten Seegen! – Wir sind an der Schwelle der wundervollsten Ereignisse; das Meteor in Süden könnte uns aufmerksam machen, auch wird es gewiß die glühenden Strahlen bis in den entferntesten Norden senden; – Ist es aber nicht drollig?, daß während dem ein Erdbeben das wild erbaute Haus in Trümmern stürzt, die Bewohner es noch in der Mitte mit schlechten Kalk und Mörtel zusammenhalten wollen? – Leben Sie wohl, mein theurer lieber Freund; – Vielleicht sende ich Ihnen bald ein Lied für uns; – Hat Zimmer den Florio genommen? – Empfelen Sie mich Frau von Stael recht angelegentlich; – Was hält sie denn von Chateaubriand? – Meine Frau grüßt Sie herzlich; Gott mit uns Allen!
Ihr treuer Freund
Carl Hardenberg
Unterzell d. 11ten October 1808
Daß ich Ihnen, mein theurer Freund, so spät antworte, liegt allein in der namenlosen Saumseeligkeit unseres Advokaten in Berlin; – Ihren lieben Brief mit dem Wechsel habe richtig erhalten; aber ehe ich das Geld weiter sandte schrieb ich erst an den Justiz C[ommissarius] Bode, der mir schon auf 2 Briefe durchaus keine Antwort gegeben; in dem Briefe erbot ich mich nun zu allen baaren Bezahlungen die auf eine oder die andere Art könnten gefordert werden; aber HE. Bode hat mir auch darauf keine Zeile geantwortet, und ich weiß nun kein anderes Mittel als mit der nächsten Post an Troschel und Bode zu schreiben, und die Briefe in die Ungersche Buchhandlung zur Beförderung zu senden; erhalte ich dann keine Antwort, so bleibt uns nur noch übrig an den Magistrat zu schreiben; daß ich auf diese Weise kein Geld habe hinsenden können, werden Sie gewiß erkennen und gern sehen; – sobald ich nur die mindeste Nachricht erhalte, so bekommen Sie sogleich einen Brief. – Nehmen Sie, mein geliebter Freund, im Uebrigen den herzlichsten Dank für Ihren freundlichen, liebevollen Brief; Ihre innige, treue Freundschaft ist mir von unendlichen Werth; auch ist es so, und kann nicht anders seyn daß wir auf ewig zusammen gehören; ich kann mir es nicht anders denken, und weiß, daß es noch geschieht; – Wie mögten wir getrennt seyn? Die Beruhigung von Ihrer Mutter über Friedrich war mir überaus lieb; Gott erleuchte doch alle unsere Lieben, daß sie wenigstens ohne Haß an uns denken; – für Ihre Mutter flößt mir das bey ihren Jahren die tiefste Achtung ein; – der Verlust des Canonicats ist ihm eine rechte Ehre. – Bedeutende Angriffe sind noch nicht geschehen, wenigstens höre ich hier in meiner Einsamkeit Nichts davon; – Vor einiger Zeit sprach eine Zeitung nur wieder von seinen Freunden die ihm nachgefolgt wären, und ich erwartete, daß man auch mich zur Publicität bringen würde; doch ist Alles wieder still. – Die Recension, die mir ganz vortrefflich dünkt, hat auch Stollbergs ganzen Beyfall gehabt. – Im Julius war ich einige Tage in Münster; verfehlte aber leider Stollberg selbst, und habe nur die Frau und Familie kennen gelernt; Ganz bezaubert kam ich zurük; Wie auf einer seeligen Insel wohnt man dort, fern von allen Unfrieden, und Gewirre der Welt; – Treue und frommer Sinn sind dort mit ächter Hochherzigkeit vereint, und man glaubt in den herrlichsten Zeiten unseres Vaterlands zu leben; – dorthin zieht mich jezt eine mächtige Sehnsucht, und nur die beschränkten irdischen Verhältnisse hindern mich jezt daran; – Verborgen werde ich so nicht lange mehr bleiben können, besonders da seit dem St. Bartholomäus Tage, auch meine geliebte Frau ein Glied der Kirche ist; – ich erlebe der Wunder jezt ohne Zahl, selbst in den kleinsten Begebenheiten, und man spürt es deutlich, daß man im Lande der Geister wohnt! – Könnt ich Ihnen, mein geliebter Freund, doch nur einen Augenblik mein Herz ganz so zeigen, wie ich es mögte; Sie würden sich an meiner Sicherheit erfreuen. – Im Irdischen bin ich übrigens sehr gedrükt gewesen; desto freudiger wächst der Muth zum Himmel; den lezten Theil des Sommers, und jezt noch [war ich] in den unangenehmsten Geschäften die am Ende nur das Resultat beträchtlicher Verluste, und zulezt einer gänzlichen Theilung mit meinem Schwager, mit dem ich das Gut bisher vereint besessen, brachten; Nun habe ich meinem Theil des Gutes selbst übernehmen müssen, und baue das Feld nach Weise der Väter; Auch nöthigt mich das den Winter hier zu bleiben, und meine Frau aber, ihrer größern Bequemlichkeit wegen, in Meiningen niederkommen zu lassen; – Alles dies bringt mir aber gewiß reiche Frucht; Geduld und Ergebung in Gottes Willen mit gänzlicher Resignation des eignen, sind kostbare Kleinodien, die zu erringen man nicht laufen genug mag. – Wann eher geht es nun mit Ihnen nach Wien? – ich mögte Sie gern beneiden, wenn ich es vermögte; Gott seegne Ihren Aufenthalt mit seinem reichsten Seegen! – Wir sind an der Schwelle der wundervollsten Ereignisse; das Meteor in Süden könnte uns aufmerksam machen, auch wird es gewiß die glühenden Strahlen bis in den entferntesten Norden senden; – Ist es aber nicht drollig?, daß während dem ein Erdbeben das wild erbaute Haus in Trümmern stürzt, die Bewohner es noch in der Mitte mit schlechten Kalk und Mörtel zusammenhalten wollen? – Leben Sie wohl, mein theurer lieber Freund; – Vielleicht sende ich Ihnen bald ein Lied für uns; – Hat Zimmer den Florio genommen? – Empfelen Sie mich Frau von Stael recht angelegentlich; – Was hält sie denn von Chateaubriand? – Meine Frau grüßt Sie herzlich; Gott mit uns Allen!
Ihr treuer Freund
Carl Hardenberg
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