• Dorothea von Schlegel to August Wilhelm von Schlegel

  • Place of Dispatch: Jena · Place of Destination: Braunschweig · Date: 28.10.1800
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
    Metadata Concerning Header
  • Sender: Dorothea von Schlegel
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel
  • Place of Dispatch: Jena
  • Place of Destination: Braunschweig
  • Date: 28.10.1800
    Printed Text
  • Bibliography: Kritische Friedrich-Schlegel-Ausgabe. Bd. 25. Dritte Abteilung: Briefe von und an Friedrich und Dorothea Schlegel. Höhepunkt und Zerfall der romantischen Schule (1799 ‒ 1802). Mit Einleitung und Kommentar hg. v. Hermann Patsch. Paderborn 2009, S. 194‒195.
  • Incipit: „[1] Jena den 28ten October 1800
    Ich habe von Friedrich den Auftrag bekommen Ihnen auf alles zu antworten. Sie können denken, wie [...]“
    Manuscript
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: DE-1a-34097
  • Classification Number: Mscr.Dresd.e.90,XIX,Bd.23,Nr.32
  • Number of Pages: 4S. auf Doppelbl., hs. m. U.
  • Format: 19 x 11,4 cm
[1] Jena den 28ten October 1800
Ich habe von Friedrich den Auftrag bekommen Ihnen auf alles zu antworten. Sie können denken, wie der tiefe Freund sich immer mehr in die Tiefe versenkt bey seinem tiefsinnigen Geschäft, und wie es ihm Zeit und Gedanken hinnimt. Die Publika waren beträchtlich voll, nach der geringen Anzahl der Studenten; gestern haben seine Vorlesungen angefangen, so eben ist er zur zweyten gegangen[,] wir haben beyde mal zwischen 60 und 80 gezählt. Gesetzt, es fallen auch noch zehne zurück und einige Freybeuter, so bekömt er es dennoch gut genug bezahlt; es melden sich doch auch jeden Tag einige Herren mit Laubthälerchen. Es wäre vielleicht zu wünschen er arbeitete seine Vorlesungen gleich ordentlich aus, so könnte er sie alsdann ohne Zeitkosten drucken lassen. Das kann er aber nicht; er improvisirt sie dur[ch]aus, und nimmt nichts mit auf’s Kateder als ein Quartblättchen mit + = φ ∩ und solcherley Krakelfüße, wie Sie sie schon aus seinen Heften kennen. Der Beyfall ist übrigens getheilt; viele klagen, sie verständen ihn nicht, diese aber sind grade die weitläuftigsten Beurtheiler wie natürlich. Kommen Sie nur recht bald, damit Sie ihn hören, er wünscht es herzlich. Was befremdend ist: seine Persönliche [2] Erscheinung, Stimme, Sprache und Anstand wird gerühmt. Man denke! – Friedrich schickt Ihnen alles verlangte; auch die Briefe von Fichte; Fried[rich] glaubt nicht, daß dieser Schuld sey an Schellings zurück treten, sondern er meynt dieser müßte noch andre Ursachen haben. – Lassen Sie es mich gestehen daß ich eben nicht sehr trauern würde, wenn die Annalen ungebohren blieben. Tristan, Lucinde, Shakespear, das sind andre Dinge als Annalen! – Friedrich hat Fromman[n] noch nicht gesprochen seit er von Leipzig ist, aber nach dem wie er sich vor der Messe geäußert, wird ihm allerdings daran liegen, daß die Charakteristiken etc: gedruckt werden. U[nger] hat keinen 7ten Shakespear her geschickt; von Kotzebue wissen wir nichts besonders, es steht in den Zeitungen nichts anders als was in jeder Theecotterie von ihm erzählt wird und so umgekehrt. Rücken Sie nur heraus mit ihrer Teufeley, er kann sich gratuliren daß er zu einer solchen Anlaß gegeben, das ist das beste was er je veranlaßt hat, wir freuen uns recht darauf.
Ich schicke Ihnen hiebey 7 Stück Fried[richs]d’or für Kruse; es macht noch einen Thaler mehr, den sind Sie wohl so gefällig dazu zu [3] thun; die andern 10 Stück liegen zu Ihrer Disposition. Der Florentin wird wirklich gedrukt zu meiner großen Angst. Wollte doch Gott, wir könnten daßselbe von der Lucinde sagen. Doch hat der Freund das Dichten nicht verlernt trotz seinem jetzigen philosophiren; den Freytag war mein Geburtstag, da hat er mir drey Gedichte gemacht; zwey Sonnette die vor den Florentin gedruckt werden, und noch ein Gedicht, daß ich hier bey legen werde, wenn mir Zeit zum Abschreiben bleibt. Es ist nemlich auf einen welken Veilchen Kranz den Auguste einst für ihn gewunden, und den er mir überreichte. Es ist göttlich! und ist es nicht wieder der ganze Friedrich, der mir unter einer großen Menge der herrlichsten Blumen[,] Früchten, schönen Flammen, und Musik dieses rührende Andenken giebt? ein Todten Opfer im vollsten blühendsten Leben! Ja so ward mein Geburtstag begangen! Wären Sie doch zugegen gewesen, unser Entzücken, und der innige goldne Frieden hätte Sie gewiß herzlich mit den Familien Festen ausgesöhnt. Wenn Sie wieder bey uns sind will ich es Ihnen umständlich erzählen. Sie sollen sich schon freuen. So eben sehe ich in Ihren Brief daß Sie [4] darauf rechneten Ihr Brief würde den Montag ankommen, er ist aber erst heute früh gekommen, und heute geht ja keine reitende Post; wir können uns also zum antworten, noch alle künftige Tage, Zeit nehmen. Sie bekommen das Paket ja doch wohl noch zur rechten Zeit.
Die Schlüßel zum Hause haben wir hier. Die Faber giebt Acht.
Ich habe mir Ihr Clavier mit her genommen; wäre es Ihnen etwa ungelegen es mir noch auf einige Zeit zu lassen? Seyn Sie so gut mir Antwort darauf zu schreiben wenn es noch geht.
Wie aber der Friedrich ins philosophiren hinein gerathen ist, darüber muß ich Ihnen was poßierliches erzählen. Gestern Abend schlief er auf’s Sopha ein, und wie es spät ward und ich ihn weckte, sagte er noch halb träumend: „ja ja, ich werde mich gleich analisiren“ und wiederhohlte dies, da ich entsetzlich lachte wohl noch einigemal ganz ernsthaft. Kommen Sie bald und wohnen Sie bey uns, es ist recht artig und freundlich hier.
adieu lieber Freund.
Dorothea.
[1] Jena den 28ten October 1800
Ich habe von Friedrich den Auftrag bekommen Ihnen auf alles zu antworten. Sie können denken, wie der tiefe Freund sich immer mehr in die Tiefe versenkt bey seinem tiefsinnigen Geschäft, und wie es ihm Zeit und Gedanken hinnimt. Die Publika waren beträchtlich voll, nach der geringen Anzahl der Studenten; gestern haben seine Vorlesungen angefangen, so eben ist er zur zweyten gegangen[,] wir haben beyde mal zwischen 60 und 80 gezählt. Gesetzt, es fallen auch noch zehne zurück und einige Freybeuter, so bekömt er es dennoch gut genug bezahlt; es melden sich doch auch jeden Tag einige Herren mit Laubthälerchen. Es wäre vielleicht zu wünschen er arbeitete seine Vorlesungen gleich ordentlich aus, so könnte er sie alsdann ohne Zeitkosten drucken lassen. Das kann er aber nicht; er improvisirt sie dur[ch]aus, und nimmt nichts mit auf’s Kateder als ein Quartblättchen mit + = φ ∩ und solcherley Krakelfüße, wie Sie sie schon aus seinen Heften kennen. Der Beyfall ist übrigens getheilt; viele klagen, sie verständen ihn nicht, diese aber sind grade die weitläuftigsten Beurtheiler wie natürlich. Kommen Sie nur recht bald, damit Sie ihn hören, er wünscht es herzlich. Was befremdend ist: seine Persönliche [2] Erscheinung, Stimme, Sprache und Anstand wird gerühmt. Man denke! – Friedrich schickt Ihnen alles verlangte; auch die Briefe von Fichte; Fried[rich] glaubt nicht, daß dieser Schuld sey an Schellings zurück treten, sondern er meynt dieser müßte noch andre Ursachen haben. – Lassen Sie es mich gestehen daß ich eben nicht sehr trauern würde, wenn die Annalen ungebohren blieben. Tristan, Lucinde, Shakespear, das sind andre Dinge als Annalen! – Friedrich hat Fromman[n] noch nicht gesprochen seit er von Leipzig ist, aber nach dem wie er sich vor der Messe geäußert, wird ihm allerdings daran liegen, daß die Charakteristiken etc: gedruckt werden. U[nger] hat keinen 7ten Shakespear her geschickt; von Kotzebue wissen wir nichts besonders, es steht in den Zeitungen nichts anders als was in jeder Theecotterie von ihm erzählt wird und so umgekehrt. Rücken Sie nur heraus mit ihrer Teufeley, er kann sich gratuliren daß er zu einer solchen Anlaß gegeben, das ist das beste was er je veranlaßt hat, wir freuen uns recht darauf.
Ich schicke Ihnen hiebey 7 Stück Fried[richs]d’or für Kruse; es macht noch einen Thaler mehr, den sind Sie wohl so gefällig dazu zu [3] thun; die andern 10 Stück liegen zu Ihrer Disposition. Der Florentin wird wirklich gedrukt zu meiner großen Angst. Wollte doch Gott, wir könnten daßselbe von der Lucinde sagen. Doch hat der Freund das Dichten nicht verlernt trotz seinem jetzigen philosophiren; den Freytag war mein Geburtstag, da hat er mir drey Gedichte gemacht; zwey Sonnette die vor den Florentin gedruckt werden, und noch ein Gedicht, daß ich hier bey legen werde, wenn mir Zeit zum Abschreiben bleibt. Es ist nemlich auf einen welken Veilchen Kranz den Auguste einst für ihn gewunden, und den er mir überreichte. Es ist göttlich! und ist es nicht wieder der ganze Friedrich, der mir unter einer großen Menge der herrlichsten Blumen[,] Früchten, schönen Flammen, und Musik dieses rührende Andenken giebt? ein Todten Opfer im vollsten blühendsten Leben! Ja so ward mein Geburtstag begangen! Wären Sie doch zugegen gewesen, unser Entzücken, und der innige goldne Frieden hätte Sie gewiß herzlich mit den Familien Festen ausgesöhnt. Wenn Sie wieder bey uns sind will ich es Ihnen umständlich erzählen. Sie sollen sich schon freuen. So eben sehe ich in Ihren Brief daß Sie [4] darauf rechneten Ihr Brief würde den Montag ankommen, er ist aber erst heute früh gekommen, und heute geht ja keine reitende Post; wir können uns also zum antworten, noch alle künftige Tage, Zeit nehmen. Sie bekommen das Paket ja doch wohl noch zur rechten Zeit.
Die Schlüßel zum Hause haben wir hier. Die Faber giebt Acht.
Ich habe mir Ihr Clavier mit her genommen; wäre es Ihnen etwa ungelegen es mir noch auf einige Zeit zu lassen? Seyn Sie so gut mir Antwort darauf zu schreiben wenn es noch geht.
Wie aber der Friedrich ins philosophiren hinein gerathen ist, darüber muß ich Ihnen was poßierliches erzählen. Gestern Abend schlief er auf’s Sopha ein, und wie es spät ward und ich ihn weckte, sagte er noch halb träumend: „ja ja, ich werde mich gleich analisiren“ und wiederhohlte dies, da ich entsetzlich lachte wohl noch einigemal ganz ernsthaft. Kommen Sie bald und wohnen Sie bey uns, es ist recht artig und freundlich hier.
adieu lieber Freund.
Dorothea.
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