• Christian Friedrich Tieck to August Wilhelm von Schlegel

  • Place of Dispatch: München · Place of Destination: Unknown · Date: 24.04.1809
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
    Metadata Concerning Header
  • Sender: Christian Friedrich Tieck
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel
  • Place of Dispatch: München
  • Place of Destination: Unknown
  • Date: 24.04.1809
    Printed Text
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: 335973167
  • Bibliography: Krisenjahre der Frühromantik. Briefe aus dem Schlegelkreis. Hg. v. Josef Körner. Bd. 2. Der Texte zweite Hälfte. 1809‒1844. Bern u.a. ²1969, S. 31‒33.
  • Incipit: „[1] München den 24t Aprill 1809.
    Ich schreibe Dir erst heut geliebter Freund weil gleich nach meiner Ankunft hier die Communikazion nach [...]“
    Manuscript
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: APP2712-Bd-5
  • Classification Number: Mscr.Dresd.App.2712,B,20,26
  • Number of Pages: 4 S. auf Doppelbl., hs. m. U.
  • Format: 20,4 x 12,8 cm
[1] München den 24t Aprill 1809.
Ich schreibe Dir erst heut geliebter Freund weil gleich nach meiner Ankunft hier die Communikazion nach der Schweitz hier unterbrochen war, und erst seit heut wieder offen ist, und nun die gegen Wien hin unterbrochen ist. Wäre ich zwei Tage eher hier gewesen hätte ich den Kronprinzen noch getroffen ich habe ihm Tags nach meiner Ankunft noch den Brief der Fr[au] v. St[ael] zugeschikt, weis aber noch nicht ob er ihn erhalten hatt. Den andern Brief an Frau v. Montgelas werde ich wahrscheinlich Morgen selbst abgeben. Meine Schwester habe ich noch hier angetroffen, sie ist sehr krank gewesen, und noch nicht ganz hergestellt. Der Bruder kann nicht gehen, sonst würde er ziemlich wohl sein, das er gehörig mürrisch ist läßt sich denken. – Meine Schwester läßt sich sehr entschuldigen daß sie Dir heut nicht schreibt, aber ihre Augen und Gesundheit vertragen nicht viel zu schreiben, und sie schreibt den beiliegenden Brief nach Rom, den ich Dich sehr bitten muß weiter zu schikken, denn auf andern Weege möchte es vor jezt nicht angehen ihn hin zu bekommen von hier aus. Leider sind wir hier in einem sonderbaren Zustande der Abgeschiedenheit, da wir von Knorring seit 14 Tagen keine Nachricht haben, und aus sehr vieler Rücksicht der Auffenthalt hier sehr unangenehm ist, denn unter andern nur nimmt die Theuerung hier sehr zu, und der Geldcours von Rußland, hatt immer eher noch sich verschlimmert, was allso vieles unmöglich macht, was man sonst hätte unternehmen können. Noch habe ich hier nichts angefangen zu Arbeiten, doch werde ich wahrscheinlich morgen Schellings Büste anfangen, die ich ja doch auf jeden Fall muß machen. – An Deiner Büste ist trotz aller Vorsicht doch ein Theil des untern Klotzes zerbrochen, welches ich hier wieder herstellen muß, aber um hier eine Form davon zu bekommen ist durchaus kein anderes Mittel als solche selbst zu machen, von Formern weis man hier nichts. Auch ist die Sculptur etwas ganz neu eingeimp[f]tes, denn auch Bildhauer sind nicht einmahl hier. [2] Einen ganz alten ausgenommen der am Tode liegt, und einen jungen aber sehr elenden, den ich schon in Rom gekannt habe. Die Sammlung von Marmorbüsten des Prinzen habe ich noch nicht gesehen, die von Schadow sollen aber besonders Elend sein, und nur die von Keppler, welche der verstorbene Schiffhauer in Stuttgard gemacht hatt, gut. Noch wenige Tage vor der Abreise des Königs, hatt ein Turineser Bildhauer, für die Büste Napoleons, die des Prinzen Eugen, und seiner Gemahlin, und die des Königs von Baiern, auf einer Säule stehend, an welcher ein Genius etwas anschreibt, alle vier, mittelmäßig und Elend, die Summe von 2400, Carolin von hier hinweggenommen. Der Prinz soll besonders gewünscht haben mich zu sprechen, um weitläuftige Arbeiten zu verabreden, welche erst in ein paar Jahren sollten gemacht werden, dies tröstet mich einigermassen, obgleich es so sehr gut gewesen wäre, zur rechten Zeit hier anzukommen. – Meine Schwester läßt Dir sehr danken für die Abschrift von Flore und Blancheflur, nur fehlt die Canzone dabei, welche die Zueignung machte, sei doch so gut solche zu schiken, und dann glaube ich wird sie genöthigt sein das ganze Gedicht noch einmahl umzuarbeiten denn schon im andern [Manuscript] hatte Hardenberg manches ganz unrichtig corrigirt, und diese Abschrift ist nun vollends noch so fehlerhaft, daß häufig gar nicht der Sinn herauszubringen ist, viele Worte sind ausgelassen, auch fehlen ganze Stanzen welche am andern Manuscript hie und da angeheftet waren. Ich fürchte sehr es wird zwischen Dir und der Schwester gar keine Correspondenz über die verbesserungen welche Du wolltest möglich sein, da die beiden Manuscripte auf die Art nicht miteinander gehn. Die Kanzone, muß ich Dich wirklich ersuchen zu schikken da wir sie nicht weiter haben. – Die Reise bis hieher habe ich gerade mit so viel Geld gemacht als ich glaubte und also doch 18 Louisdor hieher gebracht. Von den Freunden hier sind Schellings von sehr schlechten Grundsätzen, immer noch die alten Fratzen im Kopf, und was wir zu wünschen Ursach haben würde wenig ihren [3] Beifall haben. Langer ist sehr höflich und sehr höfisch, ich traute ihm nicht, mit ungemeiner Freundlichkeit hatt mich aber Jacobi und die Tanten aufgenommen, so daß ich an ihm irre werde und gar mich nicht zu finden weiß. Baader hatt sich noch nicht sehen lassen, obgleich das überbringen der Bücher doch Dank verdient hätte, mehrere andre Leute habe ich noch nicht angetroffen, Aretin habe ich Deinen Brief übergeben, und er sprach mir von dem Manuscript welches Du so lange über die vorgeschriebene Zeit hättest und welches er nun zurückfodern müste, da er schon verschiedentlich verdruß deshalb gehabt, und nun ein Gesetz gemacht ist nichts mehr, von der hiesigen Bibliothek ausserhalb Landes zu verleihen. Auch sagte er bekämen sie jezt den Codex aus Hohenembs, und brauchten also um beide zu vergleichen um so nöthiger den den Du hast, er wollte mir einen Brief für Dich geben, aber wie gesagt ich habe ihn noch nicht wieder gesehn. – Ich werde schnell abbrechen müssen, um noch zur rechten Zeit den Brief auf die Post zu bekommen, denn erst vor einer Stunde haben wir erfahren das man schreiben kann. Dies ist auch der eigentliche Grund warum die Schwester Dir nicht schreibt, und Felix Dir nicht antwortet, weil sein Schreiben denn doch noch etwas zu langsam geth. Er ist sehr gewachsen, und ungemein liebenswürdig geworden, auch hatt er sehr viel von der Schwester gelernt. Er war so kranck das sein Leben nur noch an einem Faden hing, und dies war besonders das was meine Schwester in den lezten zwei Monathen so angegriffen, und gemacht das sie uns nicht nach Coppet schrieb – und war kaum 8 Tage vor meiner Ankunft hier wieder aus dem Bette. Besonders gelehrt ist er in der Altdeutschen Poesie geworden, und ließt das Heldenbuch so gut wie neues Deutsch, und kennt die Helden und ihre Thaten trotz einem. Der Bruder und die Schwester lassen Dich recht herzlich grüssen, ersterer ist noch lahm an der rechten Hand, und kann also nicht schreiben,
Meine besten empfehlungen an Frau von Stael, wenn heut [4] mehr Zeit wäre würde ich mir die Freiheit nehmen ihr selbst zu schreiben, ich verspare es auf einen andern Postag, der mir vieleicht die möglichkeit schafft, gänzlich andere wichtigere Dinge zu melden. Bis jezt geth hier sehr vieler höchst unwahrscheinlicher Klatsch im Schwange.
Ewig Dein treuer Bruder
Friedrich T.[ieck]
[1] München den 24t Aprill 1809.
Ich schreibe Dir erst heut geliebter Freund weil gleich nach meiner Ankunft hier die Communikazion nach der Schweitz hier unterbrochen war, und erst seit heut wieder offen ist, und nun die gegen Wien hin unterbrochen ist. Wäre ich zwei Tage eher hier gewesen hätte ich den Kronprinzen noch getroffen ich habe ihm Tags nach meiner Ankunft noch den Brief der Fr[au] v. St[ael] zugeschikt, weis aber noch nicht ob er ihn erhalten hatt. Den andern Brief an Frau v. Montgelas werde ich wahrscheinlich Morgen selbst abgeben. Meine Schwester habe ich noch hier angetroffen, sie ist sehr krank gewesen, und noch nicht ganz hergestellt. Der Bruder kann nicht gehen, sonst würde er ziemlich wohl sein, das er gehörig mürrisch ist läßt sich denken. – Meine Schwester läßt sich sehr entschuldigen daß sie Dir heut nicht schreibt, aber ihre Augen und Gesundheit vertragen nicht viel zu schreiben, und sie schreibt den beiliegenden Brief nach Rom, den ich Dich sehr bitten muß weiter zu schikken, denn auf andern Weege möchte es vor jezt nicht angehen ihn hin zu bekommen von hier aus. Leider sind wir hier in einem sonderbaren Zustande der Abgeschiedenheit, da wir von Knorring seit 14 Tagen keine Nachricht haben, und aus sehr vieler Rücksicht der Auffenthalt hier sehr unangenehm ist, denn unter andern nur nimmt die Theuerung hier sehr zu, und der Geldcours von Rußland, hatt immer eher noch sich verschlimmert, was allso vieles unmöglich macht, was man sonst hätte unternehmen können. Noch habe ich hier nichts angefangen zu Arbeiten, doch werde ich wahrscheinlich morgen Schellings Büste anfangen, die ich ja doch auf jeden Fall muß machen. – An Deiner Büste ist trotz aller Vorsicht doch ein Theil des untern Klotzes zerbrochen, welches ich hier wieder herstellen muß, aber um hier eine Form davon zu bekommen ist durchaus kein anderes Mittel als solche selbst zu machen, von Formern weis man hier nichts. Auch ist die Sculptur etwas ganz neu eingeimp[f]tes, denn auch Bildhauer sind nicht einmahl hier. [2] Einen ganz alten ausgenommen der am Tode liegt, und einen jungen aber sehr elenden, den ich schon in Rom gekannt habe. Die Sammlung von Marmorbüsten des Prinzen habe ich noch nicht gesehen, die von Schadow sollen aber besonders Elend sein, und nur die von Keppler, welche der verstorbene Schiffhauer in Stuttgard gemacht hatt, gut. Noch wenige Tage vor der Abreise des Königs, hatt ein Turineser Bildhauer, für die Büste Napoleons, die des Prinzen Eugen, und seiner Gemahlin, und die des Königs von Baiern, auf einer Säule stehend, an welcher ein Genius etwas anschreibt, alle vier, mittelmäßig und Elend, die Summe von 2400, Carolin von hier hinweggenommen. Der Prinz soll besonders gewünscht haben mich zu sprechen, um weitläuftige Arbeiten zu verabreden, welche erst in ein paar Jahren sollten gemacht werden, dies tröstet mich einigermassen, obgleich es so sehr gut gewesen wäre, zur rechten Zeit hier anzukommen. – Meine Schwester läßt Dir sehr danken für die Abschrift von Flore und Blancheflur, nur fehlt die Canzone dabei, welche die Zueignung machte, sei doch so gut solche zu schiken, und dann glaube ich wird sie genöthigt sein das ganze Gedicht noch einmahl umzuarbeiten denn schon im andern [Manuscript] hatte Hardenberg manches ganz unrichtig corrigirt, und diese Abschrift ist nun vollends noch so fehlerhaft, daß häufig gar nicht der Sinn herauszubringen ist, viele Worte sind ausgelassen, auch fehlen ganze Stanzen welche am andern Manuscript hie und da angeheftet waren. Ich fürchte sehr es wird zwischen Dir und der Schwester gar keine Correspondenz über die verbesserungen welche Du wolltest möglich sein, da die beiden Manuscripte auf die Art nicht miteinander gehn. Die Kanzone, muß ich Dich wirklich ersuchen zu schikken da wir sie nicht weiter haben. – Die Reise bis hieher habe ich gerade mit so viel Geld gemacht als ich glaubte und also doch 18 Louisdor hieher gebracht. Von den Freunden hier sind Schellings von sehr schlechten Grundsätzen, immer noch die alten Fratzen im Kopf, und was wir zu wünschen Ursach haben würde wenig ihren [3] Beifall haben. Langer ist sehr höflich und sehr höfisch, ich traute ihm nicht, mit ungemeiner Freundlichkeit hatt mich aber Jacobi und die Tanten aufgenommen, so daß ich an ihm irre werde und gar mich nicht zu finden weiß. Baader hatt sich noch nicht sehen lassen, obgleich das überbringen der Bücher doch Dank verdient hätte, mehrere andre Leute habe ich noch nicht angetroffen, Aretin habe ich Deinen Brief übergeben, und er sprach mir von dem Manuscript welches Du so lange über die vorgeschriebene Zeit hättest und welches er nun zurückfodern müste, da er schon verschiedentlich verdruß deshalb gehabt, und nun ein Gesetz gemacht ist nichts mehr, von der hiesigen Bibliothek ausserhalb Landes zu verleihen. Auch sagte er bekämen sie jezt den Codex aus Hohenembs, und brauchten also um beide zu vergleichen um so nöthiger den den Du hast, er wollte mir einen Brief für Dich geben, aber wie gesagt ich habe ihn noch nicht wieder gesehn. – Ich werde schnell abbrechen müssen, um noch zur rechten Zeit den Brief auf die Post zu bekommen, denn erst vor einer Stunde haben wir erfahren das man schreiben kann. Dies ist auch der eigentliche Grund warum die Schwester Dir nicht schreibt, und Felix Dir nicht antwortet, weil sein Schreiben denn doch noch etwas zu langsam geth. Er ist sehr gewachsen, und ungemein liebenswürdig geworden, auch hatt er sehr viel von der Schwester gelernt. Er war so kranck das sein Leben nur noch an einem Faden hing, und dies war besonders das was meine Schwester in den lezten zwei Monathen so angegriffen, und gemacht das sie uns nicht nach Coppet schrieb – und war kaum 8 Tage vor meiner Ankunft hier wieder aus dem Bette. Besonders gelehrt ist er in der Altdeutschen Poesie geworden, und ließt das Heldenbuch so gut wie neues Deutsch, und kennt die Helden und ihre Thaten trotz einem. Der Bruder und die Schwester lassen Dich recht herzlich grüssen, ersterer ist noch lahm an der rechten Hand, und kann also nicht schreiben,
Meine besten empfehlungen an Frau von Stael, wenn heut [4] mehr Zeit wäre würde ich mir die Freiheit nehmen ihr selbst zu schreiben, ich verspare es auf einen andern Postag, der mir vieleicht die möglichkeit schafft, gänzlich andere wichtigere Dinge zu melden. Bis jezt geth hier sehr vieler höchst unwahrscheinlicher Klatsch im Schwange.
Ewig Dein treuer Bruder
Friedrich T.[ieck]
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