• Sophie Bernhardi to August Wilhelm von Schlegel

  • Place of Dispatch: München · Place of Destination: Unknown · Date: 27.05.1809
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
    Metadata Concerning Header
  • Sender: Sophie Bernhardi
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel
  • Place of Dispatch: München
  • Place of Destination: Unknown
  • Date: 27.05.1809
    Printed Text
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: 335973167
  • Bibliography: Krisenjahre der Frühromantik. Briefe aus dem Schlegelkreis. Hg. v. Josef Körner. Bd. 2. Der Texte zweite Hälfte. 1809‒1844. Bern u.a. ²1969, S. 44‒45.
  • Incipit: „[1] München den 27ten Mai 1809
    Verzeihen Sie mir theuerster Freund daß ich Ihnen nicht schon längst geschrieben habe. Seit ich Wilhelm [...]“
    Manuscript
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: APP2712-Bd-5
  • Classification Number: Mscr.Dresd.App.2712,B,20,8
  • Number of Pages: 4 S. auf Doppelbl., hs. m. U.
  • Format: 18,1 x 11,4 cm
[1] München den 27ten Mai 1809
Verzeihen Sie mir theuerster Freund daß ich Ihnen nicht schon längst geschrieben habe. Seit ich Wilhelm verlohren habe hat sich eine so unmässige Schwermuth meiner Seele bemeistert, daß ich meine Thränen nicht habe zurückhalten können, und durch dies Weinen, welches ich Tage und Nächte nicht unterdrüken konte, habe ich mir die Gicht nach den Augen gezogen, so daß ich nun fast gänzlich erblindet bin, und jede kleine Anstrengung mit den entsezlichsten Schmerzen büße. Mein Bruder Friedrich ist warhaft zu meinem Troste hier angekommen, sonst weiß ich nicht, wie ich eine, in so manchen Betracht schlimme Zeit würde überstanden [2] haben. Knorring ist biß jezt noch immer in Wien, und es erregte mir eine große Angst, einen so theuren Freund, in einer Stadt zu wissen welche beschossen wurde. Waß wir von Friedrich wissen wird Ihnen mein Bruder sagen es ist aber in der That so wenig befriedigendes daß man es gar nicht eine Nachricht nennen kann.
Mit Ihren Büchern glaube ich werden Sie gar nichts weiter zu thun haben, als daß Sie jemand den Auftrag geben, sie von Bernhardi in empfang zu nehmen. Hardenberg hat mir vor kurzen geschrieben daß Sie den Prozeß durchaus gewonnen und nichts zu bezahlen hätten. In dem Schein [3] an Bernhardi habe ich mich bloß verpflichtet, er kann also von Ihnen nichts fodern, und wird auch nicht so schamloß sein, es von mir zu fodern, da die Gerichte die Foderung des Schneiders für nichtig erklärt haben. mich wundert nur daß Ihnen Ihr Advokat diese Nachrichten nicht gegeben hat.
Felix ist jezt sehr fleißig, er freut sich sehr auf einen weitläuftigen Brief welchen er Ihnen nächstens schreiben wird. Ich gestehe daß nur meine traurige Stimmung mich abgehalten hat, ihn schon früher dazu anzuhalten, ich bin aber in der That so niedergeschlagen, durch eigne Schmerzen, manche Sorgen, und durch die Kranckheit meines Bruders Ludwig der nun schon [4] seit fünf Monathen, völlig gelähmt ist, daß ich gar nichts mehr mit dem sonst gewohnten Interesse ergreiffen kann.
Wenn Sie sich entschliessen solten eine so weite Reise zu machen, wie es scheint daß Sie wollen, so würde es mich mit tiefster Betrübniß erfüllen, und ich würde es schmerzlich bedauren gar keinen Einfluß auf Ihre Entschliessungen zu haben.
Es ist traurig daß der heftigste Schmerz der Augen mich zwingt diesen Brief zu schliessen. Leben Sie so wohl und glücklich wie es meine heissesten Wünsche für Sie erflehen, und die Freundschaft welche Sie gewiß in keiner Brust so treu gefunden haben als in der Meinigen.
S[ophie] Tieck
[1] München den 27ten Mai 1809
Verzeihen Sie mir theuerster Freund daß ich Ihnen nicht schon längst geschrieben habe. Seit ich Wilhelm verlohren habe hat sich eine so unmässige Schwermuth meiner Seele bemeistert, daß ich meine Thränen nicht habe zurückhalten können, und durch dies Weinen, welches ich Tage und Nächte nicht unterdrüken konte, habe ich mir die Gicht nach den Augen gezogen, so daß ich nun fast gänzlich erblindet bin, und jede kleine Anstrengung mit den entsezlichsten Schmerzen büße. Mein Bruder Friedrich ist warhaft zu meinem Troste hier angekommen, sonst weiß ich nicht, wie ich eine, in so manchen Betracht schlimme Zeit würde überstanden [2] haben. Knorring ist biß jezt noch immer in Wien, und es erregte mir eine große Angst, einen so theuren Freund, in einer Stadt zu wissen welche beschossen wurde. Waß wir von Friedrich wissen wird Ihnen mein Bruder sagen es ist aber in der That so wenig befriedigendes daß man es gar nicht eine Nachricht nennen kann.
Mit Ihren Büchern glaube ich werden Sie gar nichts weiter zu thun haben, als daß Sie jemand den Auftrag geben, sie von Bernhardi in empfang zu nehmen. Hardenberg hat mir vor kurzen geschrieben daß Sie den Prozeß durchaus gewonnen und nichts zu bezahlen hätten. In dem Schein [3] an Bernhardi habe ich mich bloß verpflichtet, er kann also von Ihnen nichts fodern, und wird auch nicht so schamloß sein, es von mir zu fodern, da die Gerichte die Foderung des Schneiders für nichtig erklärt haben. mich wundert nur daß Ihnen Ihr Advokat diese Nachrichten nicht gegeben hat.
Felix ist jezt sehr fleißig, er freut sich sehr auf einen weitläuftigen Brief welchen er Ihnen nächstens schreiben wird. Ich gestehe daß nur meine traurige Stimmung mich abgehalten hat, ihn schon früher dazu anzuhalten, ich bin aber in der That so niedergeschlagen, durch eigne Schmerzen, manche Sorgen, und durch die Kranckheit meines Bruders Ludwig der nun schon [4] seit fünf Monathen, völlig gelähmt ist, daß ich gar nichts mehr mit dem sonst gewohnten Interesse ergreiffen kann.
Wenn Sie sich entschliessen solten eine so weite Reise zu machen, wie es scheint daß Sie wollen, so würde es mich mit tiefster Betrübniß erfüllen, und ich würde es schmerzlich bedauren gar keinen Einfluß auf Ihre Entschliessungen zu haben.
Es ist traurig daß der heftigste Schmerz der Augen mich zwingt diesen Brief zu schliessen. Leben Sie so wohl und glücklich wie es meine heissesten Wünsche für Sie erflehen, und die Freundschaft welche Sie gewiß in keiner Brust so treu gefunden haben als in der Meinigen.
S[ophie] Tieck
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