• Friedrich von Schlegel to August Wilhelm von Schlegel

  • Place of Dispatch: Buda (Ofen) · Place of Destination: Unknown · Date: 18.11.1809
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
    Metadata Concerning Header
  • Sender: Friedrich von Schlegel
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel
  • Place of Dispatch: Buda (Ofen)
  • Place of Destination: Unknown
  • Date: 18.11.1809
    Printed Text
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: 335973167
  • Bibliography: Krisenjahre der Frühromantik. Briefe aus dem Schlegelkreis. Hg. v. Josef Körner. Bd. 2. Der Texte zweite Hälfte. 1809‒1844. Bern u.a. ²1969, S. 84‒88.
  • Incipit: „Ofen, den 18ten November 1809
    Geliebter Freund, wie sehr mich Deine liebevolle Theilnahme gefreut, erquickt und gestärkt hat, kann ich Dir mit [...]“
    Manuscript
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: APP2712-Bd-8
  • Classification Number: Mscr.Dresd.App.2712,B,II,17
  • Number of Pages: 11 S. auf Doppelbl., hs. m. U.
  • Format: 18,8 x 11,5 cm
Ofen, den 18ten November 1809
Geliebter Freund, wie sehr mich Deine liebevolle Theilnahme gefreut, erquickt und gestärkt hat, kann ich Dir mit Worten unmöglich beschreiben. So ist also in diesem sonst eisernen Zeitalter wenigstens Deine Treue und Freundschaft noch golden! – Die zweite Erquickung für mich war, Dein Werk zu lesen, welches ich vor einigen Wochen durch unsern Regulus erhielt. Es wirkte grade so auf mich, wie ein erfrischendes wohlthätiges Bad auf den von Staub bedeckten ermatteten Wanderer. So reinigte es mich von dem politischen Wust, in dem ich so lange vergraben war.
Lange war ich in der Unmöglichkeit, Dir Nachricht von mir zu geben; daß ich in der letzten Zeit nicht eher wenigstens einen Versuch dazu gemacht, mußt Du entschuldigen wie Du kannst. Du weißt aber nicht, wie einem in solcher Unentschiedenheit, stets zwischen Ja und Nein schwankend, und nach einer solchen Erfahrung zu Muthe ist. Dabei war ich meistens sehr mit Arbeiten überhäuft. – So schreibst Du auch sehr eindringlich, von allen Werken die ich fertigen soll, und die freilich auch alle die rechten sind. Wenn ich aber dagegen erwiederte, daß ich doch noch nicht weiß, wie bald ich nach alle dem was um mich und mit mir vorgegangen, die Laune zum Dichten wiederfinden werde; so würdest Du billigerweise diese Antwort doch ganz natürlich finden müssen. Indessen gearbeitet soll werden, und das zwar stark; ist es doch das beste und das einzige Mittel sich in jetziger Zeit zu erheitern. Nur muß dasjenige, was keine besonders glückliche Stimmung, sondern nur eben Arbeit erheischt, den Anfang machen, also die Fortsetzung meiner Werke. – Du hast mit Deinem Vorschlage in Betreff der Gemähldebeschreibungen in der Europa, der Briefe über gothische Kunst ganz meinen Plan getroffen, alles das als Briefe über die Kunst in ein Ganzes zu verschmelzen und mit einigem Neuen zu vermehren, wo es dann den nächsten Theil ausmachen soll. Außerdem habe ich schon lange im Sinne unter dem Titel philosophische Lehrjahre, mein Spekuliren, wie ich seit 1796 Tagebuch darüber geführt, genetisch zu schildern, wozu ich alle meine Papiere grösstentheils noch in Kölln in die gehörige Verfassung gebracht. Endlich haben meine frühern Versuche über Griechen und Römer doch so viel Erfolg gehabt, daß ich mit Benutzung manches noch Ungedruckten, das beste daraus unter dem Titel Studien des Alterthums zu geben gesonnen bin, kein Werk, sondern nur größere und kürzere Bruchstücke. Diese drei Massen und wohl eben so viele Bände sind mit Hitzig verabredet. Ganz neue Schriften oder Gedichte ist bis jetzt noch nicht bestimmt, in die Sammlung aufzunehmen. In dem erwähnten wird nun wohl manches entweder mit demselben oder mit verändertem Ausdruck vorkommen, was im Athenäum stand. Ganz aber, so wie es ist, lasse ich auch das Gespräch über Poesie nicht abdrucken, da es mir im Ganzen nicht mehr Genüge leistet. – Vom Aufsatz über Boccaz ist auch keine Aufnahme nöthig, da die Charakteristiken ohnehin in jedermanns Händen sind. – Daß Du mit den Aenderungen in den Gedichten einigermaßen zufrieden bist, freut mich sehr. Hätte ich nur Deinen Rath dabei benutzen können! So traf es aber in die letzte unruhige Zeit. – Was das Sonett Sinnbild betrift, so weiß ich in der That jetzt nicht mehr, ob es aus Rücksicht oder aus Versehn weggeblieben ist. – Hast Du denn ein unverstümmeltes Exemplar der Gedichte erhalten? Denn Du weißt es doch wohl, daß man zu Berlin das letzte Gedicht Gelübde nachdem das Ganze schon gedruckt war, hat herausschneiden lassen? – Ich schreibe Dir von dem womit ich mich am liebsten beschäftige oder doch beschäftigen möchte. Uebrigens ist es sehr wahrscheinlich, daß die übernommenen Verpflichtungen einen großen Theil meiner Zeit in Anspruch nehmen werden, daß sie aber auch mit meiner litterarischen Wirksamkeit in Verbindung stehn werden. In diesem Falle rechne ich mit Zuversicht auf Deine herzhafte Teilnahme. – Von der Zeit, die mir übrig bleibt, hängt es denn auch zum Theil ab, wie bald ich mich mit Schelling einlassen kann; denn wenn sein Angriff wie ich fast schliessen muß, einigermassen ernsthaft und würdig ist, so habe ich wohl Lust, mich einzulassen. Wahrscheinlich sind aber noch mehre Schriften gegen mich der katholischen Religion wegen erschienen; und dann nehme ich vielleicht alle diese Gegner zusammen. – Nur lasse ich bei dieser Gelegenheit die Bitte an Euch besonders an Deine Freundin ergehn, daß sie in Rücksicht des anvertrauten Guts meiner Philosophie, wovon August eine Abschrift entworfen, ja behutsam verfahre. (Wenn dieses anvertraute Gut eigentlich auch keinen so gar großen Werth hat, so kann diese Bitte um so leichter erfüllt werden. Der beste Werth aber den es noch haben kann, besteht vielleicht grade darin daß es für den allgemeinen öffentlichen Gebrauch der Menschenkinder nicht taugt. Dieß betrift aber nur die Principien, was Moral und Kunst betrift, kann gar nicht öffentlich genug gemacht werden.) Es ist diese Vorsicht um so nöthiger, da außer meiner Unbeholfenheit in der französischen Sprache auch meine Philosophie damals noch in einem gährenden Zustande und in der Form unvollendet war. NB. Das Eingeklammerte ist bloß für Dich.
– Aber wie vieles ungleich wichtigere und wesentlichere hätte ich Dir nicht zu sagen, wenn es auf diesem Wege nur thunlich wäre! Gelernt habe ich viel, und ich halte es für ein Glück, daß ich an beiden großen Entscheidungstagen bei Aspern und Wagram ganz in der Nähe des Kampfs und mitten im Gewühle war. Ich könnte Dir viel erzählen und den wahren Zusammenhang der Begebenheiten Dir gewiß in manchem aufhellen.
Das vom alten Einsiedler erfuhr ich*) zuerst aus Deinem Brief; nachher bestätigte sichs freilich von allen Seiten und ich besitze selbst eine der wichtigsten Urkunden.
Dem Andenken Deiner Freundin empfiehl mich auf das beste. Ich habe oft in dieser Zeit an sie gedacht. Schreib mir doch auch was Albert und was August machen. – Aengstlich macht es mich, daß Du immer noch von der Reise sprichst. Ich habe hier Gelegenheit gehabt, viele von dorther zu sehen. Ich habe erfahren, daß die feindliche Spannung zwischen N[ord] A[merika] und E.[ngland] doch wirklich unheilbar sein mag; wie unangenehm müßte schon das für den Aufenthalt in dem ersten Lande sein. Aber auch in E.[ngland] scheint die Spannung sehr hoch gestiegen, so daß es nichts weniger als ein Aufenthalt der Ruhe sein mag.
Meine Gesundheit hat sich so ziemlich gut gehalten, wenigstens erst gegen Ende schlecht, indem ich fast zwei Monath an Diarrhoe litt. Doch ist es nie Ruhr geworden und hat auch sonst keine Folgen gehabt; nur muß ich mich wohl allmählig darein ergeben, daß meine Gesundheit überhaupt anfängt, nicht mehr die stärkste zu sein. Welchen Einfluß das Ganze auf meine äußere und ökonomische Lage haben wird, das kann ich noch nicht ganz beurtheilen. Ich hoffe einen guten. Gerechtigkeit hat man mir durchaus widerfahren lassen und Freunde habe ich mir auch viele erworben. – Uebrigens ist das Geld was ich erhielt, auch drauf gegangen; das Papiergeld geht einem jetzt durch die Hände man weiß nicht wie. Besonders der Aufenthalt hier, wo ich nun drei Monathe bin, war kostbar; so daß die Hoffnung, etwas beträchtliches mehr als die gemachte Erfahrung mit zu Hause zu bringen, doch nicht in Erfüllung geht. – Uebrigens ist die Lage dieser alten Etzlenburg (so hieß es sonst) so wunderschön, daß es vielleicht in Europa außer Neapel und Konstantinopel nicht desgleichen giebt. Wäre nur – aber freilich – kurz es könnte ein Neudeutschland hier entstehen, schöner als das alte, aber es wird schwerlich. Daß ich mir ferner ungrische Geschichte, Sprache und Poesie hier zu Gemüthe gezogen, so viel es thunlich war, kannst Du Dir nach meiner Gewohnheit leicht denken.
Die Exemplare Deines Werks sind, wie ich weiß, richtig in Wien angekommen; in meinen Händen sind sie aber noch nicht. – Den Brief von Baader wünschte ich sehr zu sehen, auch wenn Du mir von seinem Verhältniß zu Schelling Tieck und Jakobi sagen wolltest, was Du kannst. Man muß doch seine Leute kennen! – Daß die Tiecks mit Jakobi gut sind, ist doch wohl schwerlich so ganz ernst und fest und mag nur mehr äußerlich sein. Uebrigens ist der Ludwig Tieck einmal etwas treulos gebohren. Wenn Kn.[orring] Sophien verläßt, so beklage ich sie von Herzen, und finde ihn elend. Friedrich kann Dir gewiß am besten Auskunft über die ganze Tieckerei in München geben. Ich weiß von gar nichts. Denn was ich in Landshut hörte, von Processen, großem Elend, entsetzlichen Schulden ist nun schon alt, war auch vielleicht entstellt und übertrieben.
Mit Werners Pension, das nimmst Du ein wenig gar zu unbefangen; glaube mir, der illuminatische und freimaurische Zusammenhang hat daran den meisten Antheil. – Darüber wäre viel zu sagen. – Die Richtung des Feindes wird nun zunächst gegen den alten Einsiedler gehn, doch nicht eigentlich gegen ihn, vielleicht sucht er sich sogar zu versöhnen oder schont wenigstens, aber wohl nach dieser Seite hin; dem Volke des Einsiedlers wird er nicht viel schaden, denn das vermag er nicht; aber in der äußern Verfassung und Einrichtung wird er herumpfuschern, und alles Schlechte thun was er vermag; gegen seinen Willen aber wird er, oder vielmehr eine höhere Macht durch ihn ein noch viel Größeres stiften, was ohne Zweifel auch gut ist oder sein wird, wenn es auch von ihm nicht gut gemeint war; eine Wiedervereinigung – nicht jene kleine, die einige kurzsichtige Deutsche fürchten, und die für jetzt noch ganz unmöglich ist, sondern eine umfassendre nach Osten. Die Gründe des Ehrgeitzes und der Weltklugheit die ihm diese wichtig machen, kannst Du leicht errathen. – Dürfte ich nur einmal mit Dir mich ausreden; wir wissen es schon, wie es an der Zeit steht. – Der Himmel behüte Dich, mein geliebter Freund. Tausend Grüße an Deine Freundin.
Friedrich

*) Daraus kannst Du auf unsre Unwissenheit schließen.
Ofen, den 18ten November 1809
Geliebter Freund, wie sehr mich Deine liebevolle Theilnahme gefreut, erquickt und gestärkt hat, kann ich Dir mit Worten unmöglich beschreiben. So ist also in diesem sonst eisernen Zeitalter wenigstens Deine Treue und Freundschaft noch golden! – Die zweite Erquickung für mich war, Dein Werk zu lesen, welches ich vor einigen Wochen durch unsern Regulus erhielt. Es wirkte grade so auf mich, wie ein erfrischendes wohlthätiges Bad auf den von Staub bedeckten ermatteten Wanderer. So reinigte es mich von dem politischen Wust, in dem ich so lange vergraben war.
Lange war ich in der Unmöglichkeit, Dir Nachricht von mir zu geben; daß ich in der letzten Zeit nicht eher wenigstens einen Versuch dazu gemacht, mußt Du entschuldigen wie Du kannst. Du weißt aber nicht, wie einem in solcher Unentschiedenheit, stets zwischen Ja und Nein schwankend, und nach einer solchen Erfahrung zu Muthe ist. Dabei war ich meistens sehr mit Arbeiten überhäuft. – So schreibst Du auch sehr eindringlich, von allen Werken die ich fertigen soll, und die freilich auch alle die rechten sind. Wenn ich aber dagegen erwiederte, daß ich doch noch nicht weiß, wie bald ich nach alle dem was um mich und mit mir vorgegangen, die Laune zum Dichten wiederfinden werde; so würdest Du billigerweise diese Antwort doch ganz natürlich finden müssen. Indessen gearbeitet soll werden, und das zwar stark; ist es doch das beste und das einzige Mittel sich in jetziger Zeit zu erheitern. Nur muß dasjenige, was keine besonders glückliche Stimmung, sondern nur eben Arbeit erheischt, den Anfang machen, also die Fortsetzung meiner Werke. – Du hast mit Deinem Vorschlage in Betreff der Gemähldebeschreibungen in der Europa, der Briefe über gothische Kunst ganz meinen Plan getroffen, alles das als Briefe über die Kunst in ein Ganzes zu verschmelzen und mit einigem Neuen zu vermehren, wo es dann den nächsten Theil ausmachen soll. Außerdem habe ich schon lange im Sinne unter dem Titel philosophische Lehrjahre, mein Spekuliren, wie ich seit 1796 Tagebuch darüber geführt, genetisch zu schildern, wozu ich alle meine Papiere grösstentheils noch in Kölln in die gehörige Verfassung gebracht. Endlich haben meine frühern Versuche über Griechen und Römer doch so viel Erfolg gehabt, daß ich mit Benutzung manches noch Ungedruckten, das beste daraus unter dem Titel Studien des Alterthums zu geben gesonnen bin, kein Werk, sondern nur größere und kürzere Bruchstücke. Diese drei Massen und wohl eben so viele Bände sind mit Hitzig verabredet. Ganz neue Schriften oder Gedichte ist bis jetzt noch nicht bestimmt, in die Sammlung aufzunehmen. In dem erwähnten wird nun wohl manches entweder mit demselben oder mit verändertem Ausdruck vorkommen, was im Athenäum stand. Ganz aber, so wie es ist, lasse ich auch das Gespräch über Poesie nicht abdrucken, da es mir im Ganzen nicht mehr Genüge leistet. – Vom Aufsatz über Boccaz ist auch keine Aufnahme nöthig, da die Charakteristiken ohnehin in jedermanns Händen sind. – Daß Du mit den Aenderungen in den Gedichten einigermaßen zufrieden bist, freut mich sehr. Hätte ich nur Deinen Rath dabei benutzen können! So traf es aber in die letzte unruhige Zeit. – Was das Sonett Sinnbild betrift, so weiß ich in der That jetzt nicht mehr, ob es aus Rücksicht oder aus Versehn weggeblieben ist. – Hast Du denn ein unverstümmeltes Exemplar der Gedichte erhalten? Denn Du weißt es doch wohl, daß man zu Berlin das letzte Gedicht Gelübde nachdem das Ganze schon gedruckt war, hat herausschneiden lassen? – Ich schreibe Dir von dem womit ich mich am liebsten beschäftige oder doch beschäftigen möchte. Uebrigens ist es sehr wahrscheinlich, daß die übernommenen Verpflichtungen einen großen Theil meiner Zeit in Anspruch nehmen werden, daß sie aber auch mit meiner litterarischen Wirksamkeit in Verbindung stehn werden. In diesem Falle rechne ich mit Zuversicht auf Deine herzhafte Teilnahme. – Von der Zeit, die mir übrig bleibt, hängt es denn auch zum Theil ab, wie bald ich mich mit Schelling einlassen kann; denn wenn sein Angriff wie ich fast schliessen muß, einigermassen ernsthaft und würdig ist, so habe ich wohl Lust, mich einzulassen. Wahrscheinlich sind aber noch mehre Schriften gegen mich der katholischen Religion wegen erschienen; und dann nehme ich vielleicht alle diese Gegner zusammen. – Nur lasse ich bei dieser Gelegenheit die Bitte an Euch besonders an Deine Freundin ergehn, daß sie in Rücksicht des anvertrauten Guts meiner Philosophie, wovon August eine Abschrift entworfen, ja behutsam verfahre. (Wenn dieses anvertraute Gut eigentlich auch keinen so gar großen Werth hat, so kann diese Bitte um so leichter erfüllt werden. Der beste Werth aber den es noch haben kann, besteht vielleicht grade darin daß es für den allgemeinen öffentlichen Gebrauch der Menschenkinder nicht taugt. Dieß betrift aber nur die Principien, was Moral und Kunst betrift, kann gar nicht öffentlich genug gemacht werden.) Es ist diese Vorsicht um so nöthiger, da außer meiner Unbeholfenheit in der französischen Sprache auch meine Philosophie damals noch in einem gährenden Zustande und in der Form unvollendet war. NB. Das Eingeklammerte ist bloß für Dich.
– Aber wie vieles ungleich wichtigere und wesentlichere hätte ich Dir nicht zu sagen, wenn es auf diesem Wege nur thunlich wäre! Gelernt habe ich viel, und ich halte es für ein Glück, daß ich an beiden großen Entscheidungstagen bei Aspern und Wagram ganz in der Nähe des Kampfs und mitten im Gewühle war. Ich könnte Dir viel erzählen und den wahren Zusammenhang der Begebenheiten Dir gewiß in manchem aufhellen.
Das vom alten Einsiedler erfuhr ich*) zuerst aus Deinem Brief; nachher bestätigte sichs freilich von allen Seiten und ich besitze selbst eine der wichtigsten Urkunden.
Dem Andenken Deiner Freundin empfiehl mich auf das beste. Ich habe oft in dieser Zeit an sie gedacht. Schreib mir doch auch was Albert und was August machen. – Aengstlich macht es mich, daß Du immer noch von der Reise sprichst. Ich habe hier Gelegenheit gehabt, viele von dorther zu sehen. Ich habe erfahren, daß die feindliche Spannung zwischen N[ord] A[merika] und E.[ngland] doch wirklich unheilbar sein mag; wie unangenehm müßte schon das für den Aufenthalt in dem ersten Lande sein. Aber auch in E.[ngland] scheint die Spannung sehr hoch gestiegen, so daß es nichts weniger als ein Aufenthalt der Ruhe sein mag.
Meine Gesundheit hat sich so ziemlich gut gehalten, wenigstens erst gegen Ende schlecht, indem ich fast zwei Monath an Diarrhoe litt. Doch ist es nie Ruhr geworden und hat auch sonst keine Folgen gehabt; nur muß ich mich wohl allmählig darein ergeben, daß meine Gesundheit überhaupt anfängt, nicht mehr die stärkste zu sein. Welchen Einfluß das Ganze auf meine äußere und ökonomische Lage haben wird, das kann ich noch nicht ganz beurtheilen. Ich hoffe einen guten. Gerechtigkeit hat man mir durchaus widerfahren lassen und Freunde habe ich mir auch viele erworben. – Uebrigens ist das Geld was ich erhielt, auch drauf gegangen; das Papiergeld geht einem jetzt durch die Hände man weiß nicht wie. Besonders der Aufenthalt hier, wo ich nun drei Monathe bin, war kostbar; so daß die Hoffnung, etwas beträchtliches mehr als die gemachte Erfahrung mit zu Hause zu bringen, doch nicht in Erfüllung geht. – Uebrigens ist die Lage dieser alten Etzlenburg (so hieß es sonst) so wunderschön, daß es vielleicht in Europa außer Neapel und Konstantinopel nicht desgleichen giebt. Wäre nur – aber freilich – kurz es könnte ein Neudeutschland hier entstehen, schöner als das alte, aber es wird schwerlich. Daß ich mir ferner ungrische Geschichte, Sprache und Poesie hier zu Gemüthe gezogen, so viel es thunlich war, kannst Du Dir nach meiner Gewohnheit leicht denken.
Die Exemplare Deines Werks sind, wie ich weiß, richtig in Wien angekommen; in meinen Händen sind sie aber noch nicht. – Den Brief von Baader wünschte ich sehr zu sehen, auch wenn Du mir von seinem Verhältniß zu Schelling Tieck und Jakobi sagen wolltest, was Du kannst. Man muß doch seine Leute kennen! – Daß die Tiecks mit Jakobi gut sind, ist doch wohl schwerlich so ganz ernst und fest und mag nur mehr äußerlich sein. Uebrigens ist der Ludwig Tieck einmal etwas treulos gebohren. Wenn Kn.[orring] Sophien verläßt, so beklage ich sie von Herzen, und finde ihn elend. Friedrich kann Dir gewiß am besten Auskunft über die ganze Tieckerei in München geben. Ich weiß von gar nichts. Denn was ich in Landshut hörte, von Processen, großem Elend, entsetzlichen Schulden ist nun schon alt, war auch vielleicht entstellt und übertrieben.
Mit Werners Pension, das nimmst Du ein wenig gar zu unbefangen; glaube mir, der illuminatische und freimaurische Zusammenhang hat daran den meisten Antheil. – Darüber wäre viel zu sagen. – Die Richtung des Feindes wird nun zunächst gegen den alten Einsiedler gehn, doch nicht eigentlich gegen ihn, vielleicht sucht er sich sogar zu versöhnen oder schont wenigstens, aber wohl nach dieser Seite hin; dem Volke des Einsiedlers wird er nicht viel schaden, denn das vermag er nicht; aber in der äußern Verfassung und Einrichtung wird er herumpfuschern, und alles Schlechte thun was er vermag; gegen seinen Willen aber wird er, oder vielmehr eine höhere Macht durch ihn ein noch viel Größeres stiften, was ohne Zweifel auch gut ist oder sein wird, wenn es auch von ihm nicht gut gemeint war; eine Wiedervereinigung – nicht jene kleine, die einige kurzsichtige Deutsche fürchten, und die für jetzt noch ganz unmöglich ist, sondern eine umfassendre nach Osten. Die Gründe des Ehrgeitzes und der Weltklugheit die ihm diese wichtig machen, kannst Du leicht errathen. – Dürfte ich nur einmal mit Dir mich ausreden; wir wissen es schon, wie es an der Zeit steht. – Der Himmel behüte Dich, mein geliebter Freund. Tausend Grüße an Deine Freundin.
Friedrich

*) Daraus kannst Du auf unsre Unwissenheit schließen.
×
×