• August Wilhelm von Schlegel to Johann Wolfgang von Goethe

  • Place of Dispatch: Berlin · Place of Destination: Weimar · Date: 11.09.1802
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
    Metadata Concerning Header
  • Sender: August Wilhelm von Schlegel
  • Recipient: Johann Wolfgang von Goethe
  • Place of Dispatch: Berlin
  • Place of Destination: Weimar
  • Date: 11.09.1802
  • Notations: Empfangsort erschlossen.
    Printed Text
  • Bibliography: August Wilhelm und Friedrich Schlegel im Briefwechsel mit Schiller und Goethe. Hg. v. Josef Körner u. Ernst Wieneke. Leipzig 1926, S. 135‒136.
  • Verlag: Insel Verlag
  • Incipit: „[1] Berlin d. 11 Sept 1802
    Es ist recht lange her, daß ich auf Ihren letzten gütigen Brief, den ich in [...]“
    Manuscript
  • Provider: Klassik Stiftung Weimar, Goethe- und Schiller-Archiv
  • Classification Number: GSA 28/805 St. 40
  • Provenance: Klassik Stiftung Weimar
[1] Berlin d. 11 Sept 1802
Es ist recht lange her, daß ich auf Ihren letzten gütigen Brief, den ich in Dresden erhielt, die Antwort schuldig geblieben bin. Allein ich wußte, daß Sie zum Theil verreist und in zerstreuenden Geschäften waren, und wollte deswegen, da ich nichts besonders interessantes zu melden hatte, nicht stören. Jetzt giebt mir ein Spanisches Schauspiel, mit dessen Bearbeitung ich vor kurzem fertig geworden, und das Ihnen Tieck mit diesem Briefe einhändigen wird, Veranlassung zu schreiben.
Sie haben sich meines Jon so väterlich angenommen, daß ich Ihnen gern diesen Herbst wieder eine originale Arbeit für das Theater zugeschickt hätte, aber ich bin noch nicht wieder so weit gediehen. Die beykommende Übersetzung, die so treu als möglich ist, mit Beybehaltung der ursprünglichen Formen, so weit es die verschiedne Natur der Sprachen gestattet, sende ich Ihnen, theils in der Hoffnung, daß die Lectüre sie interessiren wird, theils um sie Ihnen für Ihr Theater anzubieten, falls Sie davon Gebrauch machen wollen und können. Sie werden es sich vielleicht nicht mehr erinnern, daß ich Sie vor mehr als zwey Jahren einmal fragte: ob Sie wohl Wunder auf das Theater zu bringen wagten? Worauf Sie erwiederten: Wunder hätten an sich nichts bedenkliches, wenn sie nur sonst theatralisch eingerichtet wären. Ich zielte damals eben auf dieß Stück, das ich aber [2] nur flüchtig gelesen hatte, und nicht gehörig verstand, so daß ich den Gedanken zu einer freyeren Bearbeitung fassen konnte. Seitdem habe ich wohl eingesehen, daß die ganze Ausführung bis in die Feinheiten der Form mit der bestimmtesten Nothwendigkeit dasteht, und kann eben so wenig daran denken etwas von Calderon zu bearbeiten als von Shakspeare.
Über das Stück füge ich nichts weiter hinzu um Ihrem Urtheile nicht vorzugreifen. Nur will ich bemerken, daß Sie den Dichter keinesweges vollständig daraus kennen lernen, nicht einmal seine eigenthümlichste Seite. Ich habe den Calderon seit etwa einem Jahre viel studirt, jedoch lange noch nicht genug, um ihn ganz zu kennen und zu verstehen. Auf Ostern werde ich anfangen ein Spanisches Theater herauszugeben, worin ich aber die Stücke des Calderon, von denen der übrigen Spanischen Dichter absondern werde.
Wenn Sie es unternehmen können, ein Stück worin der Katholicismus so ernstlich genommen, und doch wieder mit dem kecksten Scherze durchwebt ist, vor Ihr Publicum zu bringen, so bitte ich Sie, von meiner Handschrift eine Abschrift nehmen zu lassen, und sie mir wieder zurückzuschicken; lassen Sie es nicht aufführen, so haben Sie wohl die Güte, es nach gemachtem Gebrauche wieder hieher zu senden oder Tieck zu geben. Auch würden Sie mich verbinden, wenn Sie die Handschrift nicht weiter mittheilen wollten, um dieser Erscheinung, sey es nun dort für die Bühne oder überhaupt für die Lectüre ihre ganze Neuheit zu erhalten.Leben Sie recht wohl.
AWSchlegel
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[1] Berlin d. 11 Sept 1802
Es ist recht lange her, daß ich auf Ihren letzten gütigen Brief, den ich in Dresden erhielt, die Antwort schuldig geblieben bin. Allein ich wußte, daß Sie zum Theil verreist und in zerstreuenden Geschäften waren, und wollte deswegen, da ich nichts besonders interessantes zu melden hatte, nicht stören. Jetzt giebt mir ein Spanisches Schauspiel, mit dessen Bearbeitung ich vor kurzem fertig geworden, und das Ihnen Tieck mit diesem Briefe einhändigen wird, Veranlassung zu schreiben.
Sie haben sich meines Jon so väterlich angenommen, daß ich Ihnen gern diesen Herbst wieder eine originale Arbeit für das Theater zugeschickt hätte, aber ich bin noch nicht wieder so weit gediehen. Die beykommende Übersetzung, die so treu als möglich ist, mit Beybehaltung der ursprünglichen Formen, so weit es die verschiedne Natur der Sprachen gestattet, sende ich Ihnen, theils in der Hoffnung, daß die Lectüre sie interessiren wird, theils um sie Ihnen für Ihr Theater anzubieten, falls Sie davon Gebrauch machen wollen und können. Sie werden es sich vielleicht nicht mehr erinnern, daß ich Sie vor mehr als zwey Jahren einmal fragte: ob Sie wohl Wunder auf das Theater zu bringen wagten? Worauf Sie erwiederten: Wunder hätten an sich nichts bedenkliches, wenn sie nur sonst theatralisch eingerichtet wären. Ich zielte damals eben auf dieß Stück, das ich aber [2] nur flüchtig gelesen hatte, und nicht gehörig verstand, so daß ich den Gedanken zu einer freyeren Bearbeitung fassen konnte. Seitdem habe ich wohl eingesehen, daß die ganze Ausführung bis in die Feinheiten der Form mit der bestimmtesten Nothwendigkeit dasteht, und kann eben so wenig daran denken etwas von Calderon zu bearbeiten als von Shakspeare.
Über das Stück füge ich nichts weiter hinzu um Ihrem Urtheile nicht vorzugreifen. Nur will ich bemerken, daß Sie den Dichter keinesweges vollständig daraus kennen lernen, nicht einmal seine eigenthümlichste Seite. Ich habe den Calderon seit etwa einem Jahre viel studirt, jedoch lange noch nicht genug, um ihn ganz zu kennen und zu verstehen. Auf Ostern werde ich anfangen ein Spanisches Theater herauszugeben, worin ich aber die Stücke des Calderon, von denen der übrigen Spanischen Dichter absondern werde.
Wenn Sie es unternehmen können, ein Stück worin der Katholicismus so ernstlich genommen, und doch wieder mit dem kecksten Scherze durchwebt ist, vor Ihr Publicum zu bringen, so bitte ich Sie, von meiner Handschrift eine Abschrift nehmen zu lassen, und sie mir wieder zurückzuschicken; lassen Sie es nicht aufführen, so haben Sie wohl die Güte, es nach gemachtem Gebrauche wieder hieher zu senden oder Tieck zu geben. Auch würden Sie mich verbinden, wenn Sie die Handschrift nicht weiter mittheilen wollten, um dieser Erscheinung, sey es nun dort für die Bühne oder überhaupt für die Lectüre ihre ganze Neuheit zu erhalten.Leben Sie recht wohl.
AWSchlegel
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