• August Wilhelm von Schlegel to Johann Wolfgang von Goethe

  • Place of Dispatch: Bonn · Place of Destination: Unknown · Date: 29.08.1829
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
    Metadata Concerning Header
  • Sender: August Wilhelm von Schlegel
  • Recipient: Johann Wolfgang von Goethe
  • Place of Dispatch: Bonn
  • Place of Destination: Unknown
  • Date: 29.08.1829
    Printed Text
  • Bibliography: August Wilhelm und Friedrich Schlegel im Briefwechsel mit Schiller und Goethe. Hg. v. Josef Körner u. Ernst Wieneke. Leipzig 1926, S. 164.
  • Verlag: Insel Verlag
  • Incipit: „[1] Zu
    Goethe’s Geburtsfeier
    am
    28sten August 1829
    Et Sophocle à cent ans charmait encore Athèues,
    Et sentait son vieux sang bouillonner dans ses [...]“
    Manuscript
  • Provider: Klassik Stiftung Weimar, Goethe- und Schiller-Archiv
  • Classification Number: GSA 28/139 Bl. 588f.
  • Provenance: Klassik Stiftung Weimar
  • Number of Pages: 2 Bl.
  • Particularities: Druck mit eigh. Nachschrift
[1] Zu
Goethe’s Geburtsfeier
am
28sten August 1829

Et Sophocle à cent ans charmait encore Athèues,
Et sentait son vieux sang bouillonner dans ses veines.
Corneille.
Die Vorzeit hat von einem Duell gesungen,
Deß Zauberkraft die Jugend brachte wieder.
Der matte Greis, ganz von der Zeit bezwungen,
Er tauchte kaum in dieses Bad die Glieder,
So war zum Herzen frisches Blut gedrungen,
So regte Lebenslust ihr neu Gefieder.
Selbst Tithon fänd’ in solchen Wunderfluten
Sein blondes Haupthaar, und der Liebe Gluten.

[2] Die Sage, nicht aus eitlem Wahn ersonnen,
kann heut wie vormals wahrhaft sich bewähren.
Die Poesie ist jener Lebensbronnen.
Sie weiß die Welt im Spiegel zu verklären,
hervorzurufen längst entschwundne Wonnen,
Den süßen Glauben jeder Brust zu nähren;
Und wer sich labt an ihren Göttergaben,
Wird im Gemüth die ew’ge Jugend haben.

Dein denk’ ich hier, Verkündiger des Schönen!
Der Musen Bot’ an das Jahrhundert! Goethe!
Du lehrtest Harmonie in allen Tönen,
Der Harfe, der Posaun’ und sanften Flöte.
Wo giebt es Lorbeern, die dein Haupt nicht krönen?
Du kamest im Geleit der Morgenröthe:
Sey Tithon denn, stets geistig neu geboren,
Geliebt und nie betrauert von Auroren!

Gleich jenem Baum, dem Liebling der Pomone,
Der Nektar-Aepfel trägt mit goldnen Schalen,
Dem weiße Blüthen aus der dunkeln Krone
Zugleich mit Früchten jedes Alters strahlen,
Ausathmend Balsamduft der sonn’gen Zone,
In der glücksel’gen Inseln stillen Thalen:
So ward, ein Sprößling aus den Hesperiden,
Der Dichter unserm Vaterland beschieden.

[3] Er überwölbt es mit den schatt’gen Aesten
Weit von den Alpen zu des Belt’s Gestaden.
Wie wir am Rhein, ist manche Schaar von Gästen
Zu gleicher Feier, nah und fern, geladen;
Viel Stimmen schallen heut in Ost und Westen,
Erwünschend ihm des Himmels reiche Gnaden.
Der Deutschland so viel herrliches gegeben,
Soll in der Deutschen Brust unsterblich leben.

Bonn am Rhein.
A. W. von Schlegel.

[Das Folgende handschriftlich:] Nach fröhlicher Feier des gestrigen Tages in dem Gartensaal einer Villa zu Godesberg, wo das verehrte Bildniß einer der schönsten Aussichten auf die Rheinufer gegenüber stand, sendet diese Zeilen mit den Herzlichsten Wünschen seinem bewunderten Meister und hochverehrten Freunde
d. 29sten Aug 1829
AWvSchlegel
[4] [leer]
[1] Zu
Goethe’s Geburtsfeier
am
28sten August 1829

Et Sophocle à cent ans charmait encore Athèues,
Et sentait son vieux sang bouillonner dans ses veines.
Corneille.
Die Vorzeit hat von einem Duell gesungen,
Deß Zauberkraft die Jugend brachte wieder.
Der matte Greis, ganz von der Zeit bezwungen,
Er tauchte kaum in dieses Bad die Glieder,
So war zum Herzen frisches Blut gedrungen,
So regte Lebenslust ihr neu Gefieder.
Selbst Tithon fänd’ in solchen Wunderfluten
Sein blondes Haupthaar, und der Liebe Gluten.

[2] Die Sage, nicht aus eitlem Wahn ersonnen,
kann heut wie vormals wahrhaft sich bewähren.
Die Poesie ist jener Lebensbronnen.
Sie weiß die Welt im Spiegel zu verklären,
hervorzurufen längst entschwundne Wonnen,
Den süßen Glauben jeder Brust zu nähren;
Und wer sich labt an ihren Göttergaben,
Wird im Gemüth die ew’ge Jugend haben.

Dein denk’ ich hier, Verkündiger des Schönen!
Der Musen Bot’ an das Jahrhundert! Goethe!
Du lehrtest Harmonie in allen Tönen,
Der Harfe, der Posaun’ und sanften Flöte.
Wo giebt es Lorbeern, die dein Haupt nicht krönen?
Du kamest im Geleit der Morgenröthe:
Sey Tithon denn, stets geistig neu geboren,
Geliebt und nie betrauert von Auroren!

Gleich jenem Baum, dem Liebling der Pomone,
Der Nektar-Aepfel trägt mit goldnen Schalen,
Dem weiße Blüthen aus der dunkeln Krone
Zugleich mit Früchten jedes Alters strahlen,
Ausathmend Balsamduft der sonn’gen Zone,
In der glücksel’gen Inseln stillen Thalen:
So ward, ein Sprößling aus den Hesperiden,
Der Dichter unserm Vaterland beschieden.

[3] Er überwölbt es mit den schatt’gen Aesten
Weit von den Alpen zu des Belt’s Gestaden.
Wie wir am Rhein, ist manche Schaar von Gästen
Zu gleicher Feier, nah und fern, geladen;
Viel Stimmen schallen heut in Ost und Westen,
Erwünschend ihm des Himmels reiche Gnaden.
Der Deutschland so viel herrliches gegeben,
Soll in der Deutschen Brust unsterblich leben.

Bonn am Rhein.
A. W. von Schlegel.

[Das Folgende handschriftlich:] Nach fröhlicher Feier des gestrigen Tages in dem Gartensaal einer Villa zu Godesberg, wo das verehrte Bildniß einer der schönsten Aussichten auf die Rheinufer gegenüber stand, sendet diese Zeilen mit den Herzlichsten Wünschen seinem bewunderten Meister und hochverehrten Freunde
d. 29sten Aug 1829
AWvSchlegel
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