• Sophie Bernhardi to August Wilhelm von Schlegel

  • Place of Dispatch: München · Place of Destination: Unknown · Date: 01.07.1810
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
    Metadata Concerning Header
  • Sender: Sophie Bernhardi
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel
  • Place of Dispatch: München
  • Place of Destination: Unknown
  • Date: 01.07.1810
    Printed Text
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: 335973167
  • Bibliography: Krisenjahre der Frühromantik. Briefe aus dem Schlegelkreis. Hg. v. Josef Körner. Bd. 2. Der Texte zweite Hälfte. 1809‒1844. Bern u.a. ²1969, S. 140‒143.
  • Incipit: „[1] München den 1ten Juli 1810
    Ich schreibe Ihnen noch aus München theuerster Freund weil es sich noch nicht hat einrichten können [...]“
    Manuscript
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: APP2712-Bd-5
  • Classification Number: Mscr.Dresd.App.2712,B,20,11
  • Number of Pages: 7 S. auf Doppelbl., hs. m. Paraphe
  • Format: 24,5 x 19,5 cm
[1] München den 1ten Juli 1810
Ich schreibe Ihnen noch aus München theuerster Freund weil es sich noch nicht hat einrichten können daß ich in ein Bad gehe, ob mich gleich jeder Tag mehr von der dringenden Nothwendigkeit überzeugt. Durch eine schlechte Einrichtung die Knorrings Vater mit der Versendung des Geldes getroffen hat werde ich auch wohl biß zu ende dieses Monaths hier bleiben müßen. Ich habe Ihnen mein geliebter Freund über so Mancherlei so vieles zu schreiben, daß eben dies eine Zögerung veranlaßt hat, weil mir das viele Schreiben jezt immer so heftige Brustschmerzen veranlaßt, zu denen sich noch ein anderes Übel geselt, ich bin nemlich aus Schwäche so sehr aufgeschwollen daß sich mir dadurch bei einem Spaziergang die Füße so entzündet haben, wodurch Wunden hinein gekommen sind, welche mich sehr schmerzen. Ich hoffe sehnsüchtig auf den Gebrauch eines Baades dan wird es sich entscheiden ob ich noch auf ein längeres Leben rechnen darf. Ein schlimmes Zeichen ist es immer daß selbst Glücksfälle auf die ich gar nicht hoffen durfte meinem Leben keinen neuen Schwung geben, und die Heiterkeit auch nicht auf Stunden zu mir zurückführen können. Da es also möglich ist daß ich nicht lange mehr lebe so lassen Sie uns alles daß in Richtigkeit bringen waß mir bei meinem Scheiden das Wichtigste sein würde, dies ist mein einzig noch übriges Kind unser geliebter Felix. Nach der Meinung der Rechtsverständigen ist es nicht möglich so wie die Sachen jezt stehen, daß einer von Ihnen so bald ich sterbe die Zurückgabe des Kindes an Bernhardi weigern könte, und es giebt nur ein Mittel ihn Ihrer aller Liebe zu erhalten welches zugleich Knorrings Wünsche in sich [2] schließt. Ich und Knorring wir werden uns gesezlich mit einander verheurathen, wenn auch meine Gesundheit nie die würckliche Volziehung der Ehe erlauben solte. Dadurch erhalte ich ein Recht ihm gesezmäßig meinen Vortheil welchen mir Bernhardi durch die förmliche Abtretung des Kindes gegeben hat zu vermachen, Sie kann ich als dan zum ersten Vormund gerichtlich ernennen, und ausdrücklich für Sie eine eigne Vollmacht hinterlassen kraft welcher Sie Knorring in dem von mir hinterlassenen Besizt schützen, und dem Kinde zugleich den Vortheil welchen ich ihm dadurch verschaffe sichern können. Sie können in dieser Stelle alles thun Felix zu erhalten, und es ist keiner Misdeutung unterworfen, meinen Bruder Friedrich werde ich zum Mitvormund ernennen, damit er wenn Sie nicht zugegen sind in Ihre Stelle trit, doch wäre mir der Gedanke peinlich wenn Sie nicht in Europa wären wenn ich stürbe, da ich meinem Bruder nicht Geschäftssinn genug zutraue um diese Sache mit gehöriger Kraft zu führen. Doch fügt es der Himmel vieleicht noch anders, und wir sehen uns gesund und glücklich wieder. Als Felix Vormund würde ich Ihnen auch die wichtige Verpflichtung auferlegen für seine Erziehung zu sorgen da Knorring sich sehr gerne der unterziehen werde einen Auffenthalt zu wählen der sich mit Ihren übrigen Verbindungen vertrüge, und Sie müßten sich dan beide darüber vereinigen wer den Knaben bei sich behielte wenn Knorring einmal eine Zeit in seiner Heimath zubringen müßte. Ich muß mir gestehen daß ich nicht allein in Wilhelm einen Sohn verlohren habe, sondern daß auch Felix sein Bruder entrißen ist, sie wachsen sich fremd auf und werden nach verschiedenen Richtungen hin erzogen, ich kann nichts mehr für Wilhelm thun, [3] ich kann nicht wissen wie sich sein Charackter bildet, kurz er ist jezt Bernhardis Sohn, und ich kann nicht wünschen daß Felix die zärtliche Liebe für ihn behält, die ihm sein Herz biß jezt mit bewundernswürdiger Treue bewahrt. Ich selbst habe erfahren wie unglücklich uns ein geliebter Bruder machen kann, und wünsche nicht daß er ein gleiches Schicksall erprüfen mag, daher ist in dieser Rücksicht mein Wille, daß er Wilhelm erst in Erwachsenen Jahren, erst dan wiedersieht wenn er ganz mit allen meinen Schicksalen bekant ist und den Charackter eines Menschen beurtheilen kann. Ferner wünsche ich da ich dies nicht gerichtlich verordnen kann, daß Felix sobald er Majoren ist gerichtlich und förmlich auf seinen Antheil an Bernhardis Vermögen verzicht thut zu gunsten Wilhelms. Sie können am besten meine Gründe beurtheilen die mich zu diesem Wunsch bestimmen, und auch Felix wird sie einsehen. Auch bringt er damit kein schmerzliches Opfer, denn Knorring der dies mit mir wünscht wird ihn auf jeden Fall reichlich schadloß halten. Solte es der Himmel aber so fügen daß Wilhelm früher stürbe dan will ich es Ihrem Gefühl und Ihrer Klugheit überlassen wie er handlen soll, mich dünckt dan könte er wohl sein Erbrecht geltend machen, da B[ernhardi] nicht einmal nahe Verwandte hat. Ich glaube nicht theurer geliebter Freund daß Sie in diesen Entschlüßen etwas tadeln werden, oder sie minder liebevoll für Sich ansehen weil ich so trokene Worte wähle sie Ihnen mitzutheilen. Ihre zärtliche Freundschaft fühlt wohl daß ich gewaltsam strebe jede Rührung zu vermeiden, die nur dazu beitragen würde mich noch mehr zu zerstöhren. Onehin hat mich seit [4] kurzen manches angegriffen Glück und Unglück, ich habe die Liebe Gottes bewundert die so oft das Böse zum Guten lenkt so daß uns zur Wohlthat wird waß zu unsern Verderben gemeint war. Warhaft kleinlich haben Humbolds gestrebt meine Verbindung mit Knorring zu zerreißen, es ist kein Liefländer in ihr Hauß gekommen, dem sie nicht gesagt hatten ich sei mit Knorring heimlich verheurathet, jeder hat diese Nachricht wie sie wolten Knorrings Vater hinterbracht, und so sollte endlich die Trenung nothwendig werden. Knorrings Vater hat eine lange Zeit darüber geschwiegen; endlich hat er jezt vor kurzen seinem Sohn geschrieben, und macht ihm nur liebevolle Vorwürfe daß er ihm verschweigt waß die ganze Welt weiß; schreibt daß er mit seiner Verheiratung zufrieden ist, weil man ihm versichert hat ich hätte vielen Ruhm, biethet mir auf eine liebevolle Art sein Hauß an, und trägt Knorring die freundlichsten Grüße an mich auf. Mich hat diese Begebenheit ausserorndlich gerührt, und ist mir ein neuer Sporn gewesen Flore und Blantscheflur zu verbessern daß es gedruckt werden kann, und ich bitte Sie und Ihren Bruder dazu beizutragen daß mein Nahme wieder mehr genant wird, denn ist es wohl sündlich daß ich dies lebhaft wünsche, da es einem alten 75jährigen Mann einziger Ersaz ist wofür er alles hin giebt waß er biß in sein so hohes Alter als das Höchste betrachtet hat Adel, große Verbindungen, Reichthum, ja selbst Jugend und Schönheit. Ich betrachte diesen Vorfall als ein Unterpfand des Himmels das Felix Schicksall glücklich soll begründet werden. Sie werden nun geliebter Freund die Klugheit nicht tadeln welche mich zwingt [5] zu wünschen, daß die Volziehung unserer gesetzmässigen Verbindung im Geheim geschehen könte, nicht damit sie verschwiegen bliebe, sondern nur damit Knorrings Vater in der Meinung bleibt sie sei schon lange volzogen, und nicht auf den Gedanken komt als habe er sie durch seine vorschnelle Einwilligung nur veranlaßt, dies könte viele nachtheilige Folgen für uns haben. Doch Ihrer erprüften Freundschaft brauche ich das tiefste Stilschweigen nicht erst zu empfehlen. Unglücklich ist es daß sich Knorring diesen Herbst von mir trennen muß, der Ökonomischen Einrichtungen wegen, vorzüglich mit Hardenberg, und ich weiß nun nicht recht waß ich thun soll, da auch Sie vieleicht abreisen, bleiben Sie in Europa so werde ich ohnfehlbar Felix bei mir behalten, weil auf den Fall daß ich sehr kranck würde Sie gewiß zu mir eilen würden ihn in Empfang zu nehmen mit meinem lezten Willen. Sind Sie aber nicht hier so weiß ich nicht ob ich nicht besser thue wenn ich ihn Knorring mitgebe, wo er auf jeden Fall geborgen wäre, und doch kann ich mich nicht entschliessen ihn von mir zu geben, und in der grausamsten Einsamkeit zu bleiben, und doch ängstigt es mich wenn ich sterbe waß dan aus ihm wird, und daß man ihn B[ernhardi] giebt. Knorring muß nach Hause reisen um sich mit Hardenberg zu arrangieren, ich kann nicht mit reisen, denn ein Winter in Rußland wäre jezt wohl gewiß mein Tod, kurz ich weiß nicht waß ich thun soll, und hoffe auf Ihre Antwort, vieleicht verschiebt sich Ihre Reise. Von Felix lege ich Ihnen einen Brief bei mit welchen er aber gar nicht zufrieden ist. Er hat sonst jeden kleinen Brief an Sie 3 biß 4 mal geschrie[6]ben biß er ihm gut genug dünkte, und so einen ganzen Tag dazu gebraucht, daß habe ich nicht mehr leiden wollen und verlangt er solle in der ersten Abschrift bleiben, dann hat er das Linienblat verlohren, und ist nun sehr bekümmert daß Sie die Linien sehen werden.
Waß meinen Bruder Ludwig anbetrift so sehe ich mein geliebter Freund daß Sie mein Verhältniß zu ihm sehr falsch beurtheilen wenn Sie meinen daß ich den mindesten Einfluß auf ihn habe, im Gegentheil hat er mich so bitterlich gequält daß Knorring dessen unbegränzte Nachsicht Sie kennen entlich so erzürnt worden ist, daß er geschworen hat der Bruder solle nie wieder in unser Hauß kommen, er ist jezt nach Baaden gereißt, um das Bad gegen sein Übel zu brauchen. Auch beurtheilen Sie ihn ganz falsch wenn Sie meinen er sei fähig irgend wem als der Eitelkeit seines Herzens Opfer zu bringen, auch thun Sie Jakobi Unrecht wenn Sie meinen daß es dem ein Bedürfniß wäre Ihren Ruhm zu schmälern, im Gegentheil habe ich ihn immer Ihr Verdienst weit mehr anerkennen hören als es dem Bruder mag angenehm gewesen, ja noch jezt ist seine liebste Beschäftigung Ihre Vorlesungen zu lesen, und sie da wo er mit Ihnen einig ist aufrichtig zu bewundern. Mit allen diesem will ich nicht sagen daß ich so große Bewunderung für Jakobi empfände daß ich seine Schwächen nicht einsehe, nur wünschte [7] ich Sie zu überzeugen daß er in der Tath eine große Hochachtung für Sie hat, und auch für Ihren Bruder ob er gleich nach seiner Ansicht das Chatolisch werden nicht billigt.
Sie sehen daß ich auch für meinen Bruder nicht eingenommen bin, und ob ich gleich eingestehen muß daß er sich in Gesprächen nicht immer so über Sie äussert daß ich damit zufrieden wäre, so ist es doch durchaus ungegründet daß er sich schriftlich gegen Sie erklären wollte, und am wenigsten Satirisch. Dies Gerede mag entstanden sein weil er in der neuen Bearbeitung des Zerbino Schütze, Schierstätt, Brentano, Arnim usw anbringen will, und diese häufig unter dem Wort die neue Schule begreift.
Sie haben einige Male erwähnt theurer Freund daß Sie mir das Spanische Theater und Ihre Vorlesungen geschickt hätten ich habe aber biß jezt nichts empfangen, so viele Freude es mir auch würde gemacht haben. Wenn es Sie irgend interressirt so wünsche ich daß Sie Flore und Blanscheflur behalten, ich mache so große Veränderungen darin daß ich diese Abschrift nicht brauche. Ich hätte noch vieles zu schreiben aber die unerträglichen Schmerzen machen es unmöglich. Leben Sie wohl mein theurer Freund und erfreuen Sie mich bald mit einer Antwort, nächstens schreibe ich mehr. Daß Felix sehnlich auf die Erfüllung seiner Bitte hoft brauche ich wohl nicht zu sagen.
S.[ophie] T.[ieck]
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[1] München den 1ten Juli 1810
Ich schreibe Ihnen noch aus München theuerster Freund weil es sich noch nicht hat einrichten können daß ich in ein Bad gehe, ob mich gleich jeder Tag mehr von der dringenden Nothwendigkeit überzeugt. Durch eine schlechte Einrichtung die Knorrings Vater mit der Versendung des Geldes getroffen hat werde ich auch wohl biß zu ende dieses Monaths hier bleiben müßen. Ich habe Ihnen mein geliebter Freund über so Mancherlei so vieles zu schreiben, daß eben dies eine Zögerung veranlaßt hat, weil mir das viele Schreiben jezt immer so heftige Brustschmerzen veranlaßt, zu denen sich noch ein anderes Übel geselt, ich bin nemlich aus Schwäche so sehr aufgeschwollen daß sich mir dadurch bei einem Spaziergang die Füße so entzündet haben, wodurch Wunden hinein gekommen sind, welche mich sehr schmerzen. Ich hoffe sehnsüchtig auf den Gebrauch eines Baades dan wird es sich entscheiden ob ich noch auf ein längeres Leben rechnen darf. Ein schlimmes Zeichen ist es immer daß selbst Glücksfälle auf die ich gar nicht hoffen durfte meinem Leben keinen neuen Schwung geben, und die Heiterkeit auch nicht auf Stunden zu mir zurückführen können. Da es also möglich ist daß ich nicht lange mehr lebe so lassen Sie uns alles daß in Richtigkeit bringen waß mir bei meinem Scheiden das Wichtigste sein würde, dies ist mein einzig noch übriges Kind unser geliebter Felix. Nach der Meinung der Rechtsverständigen ist es nicht möglich so wie die Sachen jezt stehen, daß einer von Ihnen so bald ich sterbe die Zurückgabe des Kindes an Bernhardi weigern könte, und es giebt nur ein Mittel ihn Ihrer aller Liebe zu erhalten welches zugleich Knorrings Wünsche in sich [2] schließt. Ich und Knorring wir werden uns gesezlich mit einander verheurathen, wenn auch meine Gesundheit nie die würckliche Volziehung der Ehe erlauben solte. Dadurch erhalte ich ein Recht ihm gesezmäßig meinen Vortheil welchen mir Bernhardi durch die förmliche Abtretung des Kindes gegeben hat zu vermachen, Sie kann ich als dan zum ersten Vormund gerichtlich ernennen, und ausdrücklich für Sie eine eigne Vollmacht hinterlassen kraft welcher Sie Knorring in dem von mir hinterlassenen Besizt schützen, und dem Kinde zugleich den Vortheil welchen ich ihm dadurch verschaffe sichern können. Sie können in dieser Stelle alles thun Felix zu erhalten, und es ist keiner Misdeutung unterworfen, meinen Bruder Friedrich werde ich zum Mitvormund ernennen, damit er wenn Sie nicht zugegen sind in Ihre Stelle trit, doch wäre mir der Gedanke peinlich wenn Sie nicht in Europa wären wenn ich stürbe, da ich meinem Bruder nicht Geschäftssinn genug zutraue um diese Sache mit gehöriger Kraft zu führen. Doch fügt es der Himmel vieleicht noch anders, und wir sehen uns gesund und glücklich wieder. Als Felix Vormund würde ich Ihnen auch die wichtige Verpflichtung auferlegen für seine Erziehung zu sorgen da Knorring sich sehr gerne der unterziehen werde einen Auffenthalt zu wählen der sich mit Ihren übrigen Verbindungen vertrüge, und Sie müßten sich dan beide darüber vereinigen wer den Knaben bei sich behielte wenn Knorring einmal eine Zeit in seiner Heimath zubringen müßte. Ich muß mir gestehen daß ich nicht allein in Wilhelm einen Sohn verlohren habe, sondern daß auch Felix sein Bruder entrißen ist, sie wachsen sich fremd auf und werden nach verschiedenen Richtungen hin erzogen, ich kann nichts mehr für Wilhelm thun, [3] ich kann nicht wissen wie sich sein Charackter bildet, kurz er ist jezt Bernhardis Sohn, und ich kann nicht wünschen daß Felix die zärtliche Liebe für ihn behält, die ihm sein Herz biß jezt mit bewundernswürdiger Treue bewahrt. Ich selbst habe erfahren wie unglücklich uns ein geliebter Bruder machen kann, und wünsche nicht daß er ein gleiches Schicksall erprüfen mag, daher ist in dieser Rücksicht mein Wille, daß er Wilhelm erst in Erwachsenen Jahren, erst dan wiedersieht wenn er ganz mit allen meinen Schicksalen bekant ist und den Charackter eines Menschen beurtheilen kann. Ferner wünsche ich da ich dies nicht gerichtlich verordnen kann, daß Felix sobald er Majoren ist gerichtlich und förmlich auf seinen Antheil an Bernhardis Vermögen verzicht thut zu gunsten Wilhelms. Sie können am besten meine Gründe beurtheilen die mich zu diesem Wunsch bestimmen, und auch Felix wird sie einsehen. Auch bringt er damit kein schmerzliches Opfer, denn Knorring der dies mit mir wünscht wird ihn auf jeden Fall reichlich schadloß halten. Solte es der Himmel aber so fügen daß Wilhelm früher stürbe dan will ich es Ihrem Gefühl und Ihrer Klugheit überlassen wie er handlen soll, mich dünckt dan könte er wohl sein Erbrecht geltend machen, da B[ernhardi] nicht einmal nahe Verwandte hat. Ich glaube nicht theurer geliebter Freund daß Sie in diesen Entschlüßen etwas tadeln werden, oder sie minder liebevoll für Sich ansehen weil ich so trokene Worte wähle sie Ihnen mitzutheilen. Ihre zärtliche Freundschaft fühlt wohl daß ich gewaltsam strebe jede Rührung zu vermeiden, die nur dazu beitragen würde mich noch mehr zu zerstöhren. Onehin hat mich seit [4] kurzen manches angegriffen Glück und Unglück, ich habe die Liebe Gottes bewundert die so oft das Böse zum Guten lenkt so daß uns zur Wohlthat wird waß zu unsern Verderben gemeint war. Warhaft kleinlich haben Humbolds gestrebt meine Verbindung mit Knorring zu zerreißen, es ist kein Liefländer in ihr Hauß gekommen, dem sie nicht gesagt hatten ich sei mit Knorring heimlich verheurathet, jeder hat diese Nachricht wie sie wolten Knorrings Vater hinterbracht, und so sollte endlich die Trenung nothwendig werden. Knorrings Vater hat eine lange Zeit darüber geschwiegen; endlich hat er jezt vor kurzen seinem Sohn geschrieben, und macht ihm nur liebevolle Vorwürfe daß er ihm verschweigt waß die ganze Welt weiß; schreibt daß er mit seiner Verheiratung zufrieden ist, weil man ihm versichert hat ich hätte vielen Ruhm, biethet mir auf eine liebevolle Art sein Hauß an, und trägt Knorring die freundlichsten Grüße an mich auf. Mich hat diese Begebenheit ausserorndlich gerührt, und ist mir ein neuer Sporn gewesen Flore und Blantscheflur zu verbessern daß es gedruckt werden kann, und ich bitte Sie und Ihren Bruder dazu beizutragen daß mein Nahme wieder mehr genant wird, denn ist es wohl sündlich daß ich dies lebhaft wünsche, da es einem alten 75jährigen Mann einziger Ersaz ist wofür er alles hin giebt waß er biß in sein so hohes Alter als das Höchste betrachtet hat Adel, große Verbindungen, Reichthum, ja selbst Jugend und Schönheit. Ich betrachte diesen Vorfall als ein Unterpfand des Himmels das Felix Schicksall glücklich soll begründet werden. Sie werden nun geliebter Freund die Klugheit nicht tadeln welche mich zwingt [5] zu wünschen, daß die Volziehung unserer gesetzmässigen Verbindung im Geheim geschehen könte, nicht damit sie verschwiegen bliebe, sondern nur damit Knorrings Vater in der Meinung bleibt sie sei schon lange volzogen, und nicht auf den Gedanken komt als habe er sie durch seine vorschnelle Einwilligung nur veranlaßt, dies könte viele nachtheilige Folgen für uns haben. Doch Ihrer erprüften Freundschaft brauche ich das tiefste Stilschweigen nicht erst zu empfehlen. Unglücklich ist es daß sich Knorring diesen Herbst von mir trennen muß, der Ökonomischen Einrichtungen wegen, vorzüglich mit Hardenberg, und ich weiß nun nicht recht waß ich thun soll, da auch Sie vieleicht abreisen, bleiben Sie in Europa so werde ich ohnfehlbar Felix bei mir behalten, weil auf den Fall daß ich sehr kranck würde Sie gewiß zu mir eilen würden ihn in Empfang zu nehmen mit meinem lezten Willen. Sind Sie aber nicht hier so weiß ich nicht ob ich nicht besser thue wenn ich ihn Knorring mitgebe, wo er auf jeden Fall geborgen wäre, und doch kann ich mich nicht entschliessen ihn von mir zu geben, und in der grausamsten Einsamkeit zu bleiben, und doch ängstigt es mich wenn ich sterbe waß dan aus ihm wird, und daß man ihn B[ernhardi] giebt. Knorring muß nach Hause reisen um sich mit Hardenberg zu arrangieren, ich kann nicht mit reisen, denn ein Winter in Rußland wäre jezt wohl gewiß mein Tod, kurz ich weiß nicht waß ich thun soll, und hoffe auf Ihre Antwort, vieleicht verschiebt sich Ihre Reise. Von Felix lege ich Ihnen einen Brief bei mit welchen er aber gar nicht zufrieden ist. Er hat sonst jeden kleinen Brief an Sie 3 biß 4 mal geschrie[6]ben biß er ihm gut genug dünkte, und so einen ganzen Tag dazu gebraucht, daß habe ich nicht mehr leiden wollen und verlangt er solle in der ersten Abschrift bleiben, dann hat er das Linienblat verlohren, und ist nun sehr bekümmert daß Sie die Linien sehen werden.
Waß meinen Bruder Ludwig anbetrift so sehe ich mein geliebter Freund daß Sie mein Verhältniß zu ihm sehr falsch beurtheilen wenn Sie meinen daß ich den mindesten Einfluß auf ihn habe, im Gegentheil hat er mich so bitterlich gequält daß Knorring dessen unbegränzte Nachsicht Sie kennen entlich so erzürnt worden ist, daß er geschworen hat der Bruder solle nie wieder in unser Hauß kommen, er ist jezt nach Baaden gereißt, um das Bad gegen sein Übel zu brauchen. Auch beurtheilen Sie ihn ganz falsch wenn Sie meinen er sei fähig irgend wem als der Eitelkeit seines Herzens Opfer zu bringen, auch thun Sie Jakobi Unrecht wenn Sie meinen daß es dem ein Bedürfniß wäre Ihren Ruhm zu schmälern, im Gegentheil habe ich ihn immer Ihr Verdienst weit mehr anerkennen hören als es dem Bruder mag angenehm gewesen, ja noch jezt ist seine liebste Beschäftigung Ihre Vorlesungen zu lesen, und sie da wo er mit Ihnen einig ist aufrichtig zu bewundern. Mit allen diesem will ich nicht sagen daß ich so große Bewunderung für Jakobi empfände daß ich seine Schwächen nicht einsehe, nur wünschte [7] ich Sie zu überzeugen daß er in der Tath eine große Hochachtung für Sie hat, und auch für Ihren Bruder ob er gleich nach seiner Ansicht das Chatolisch werden nicht billigt.
Sie sehen daß ich auch für meinen Bruder nicht eingenommen bin, und ob ich gleich eingestehen muß daß er sich in Gesprächen nicht immer so über Sie äussert daß ich damit zufrieden wäre, so ist es doch durchaus ungegründet daß er sich schriftlich gegen Sie erklären wollte, und am wenigsten Satirisch. Dies Gerede mag entstanden sein weil er in der neuen Bearbeitung des Zerbino Schütze, Schierstätt, Brentano, Arnim usw anbringen will, und diese häufig unter dem Wort die neue Schule begreift.
Sie haben einige Male erwähnt theurer Freund daß Sie mir das Spanische Theater und Ihre Vorlesungen geschickt hätten ich habe aber biß jezt nichts empfangen, so viele Freude es mir auch würde gemacht haben. Wenn es Sie irgend interressirt so wünsche ich daß Sie Flore und Blanscheflur behalten, ich mache so große Veränderungen darin daß ich diese Abschrift nicht brauche. Ich hätte noch vieles zu schreiben aber die unerträglichen Schmerzen machen es unmöglich. Leben Sie wohl mein theurer Freund und erfreuen Sie mich bald mit einer Antwort, nächstens schreibe ich mehr. Daß Felix sehnlich auf die Erfüllung seiner Bitte hoft brauche ich wohl nicht zu sagen.
S.[ophie] T.[ieck]
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