• Johann Ferdinand Koreff to August Wilhelm von Schlegel

  • Place of Dispatch: Berlin · Place of Destination: Unknown · Date: 05.02.1820
Edition Status: Single collated printed full text without registry labelling not including a registry
    Metadata Concerning Header
  • Sender: Johann Ferdinand Koreff
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel
  • Place of Dispatch: Berlin
  • Place of Destination: Unknown
  • Date: 05.02.1820
    Printed Text
  • Bibliography: Oppeln-Bronikowski, Friedrich von: David Ferdinand Koreff. Berlin u.a. 1928, S. 342‒346.
  • Verlag: Gebrüder Paetel
  • Incipit: „[1] Berlin, 5. Februar 1820.
    Geliebter, hochgeehrter Freund! Nur Krankheit hat mich abhalten können, Ihren liebevollen Brief auf der Stelle zu [...]“
    Manuscript
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: DE-1a-33958
  • Classification Number: Mscr.Dresd.e.90,XIX,Bd.13,Nr.46
  • Number of Pages: 6S. auf Doppelbl., hs. m. U.
  • Format: 25,2 x 20,5 cm
[1] Berlin, 5. Februar 1820.
Geliebter, hochgeehrter Freund! Nur Krankheit hat mich abhalten können, Ihren liebevollen Brief auf der Stelle zu beantworten. Wenn von Dank und Verpflichtung die Rede ist, so kann ich nur als der tief Verschuldete erscheinen, der nie die Schuld abzutragen vermag. Ihnen verdanke ich ja die besten, die fruchtbarsten Anregungen, und Ihr Name lebt stets hochgefeiert in meiner Brust. Deutsche Vaterlandsliebe und innige Freundschaft zu Ihnen, wahrhafte kindliche Anhänglichkeit machen mir die Idee der Trennung unerträglich. Herz und Geist wurden dadurch verwundet. Soviel ist auf Ihre Kraft, Ihre Einsicht, Ihre echt europäische Bildung, Ihr Mitwirken, Ihren Takt, Ihren Rat und Ihr Eingreifen von uns allen gerechnet worden. Sie sollten dem Studium der Philologie und der Kunst hier in diesen Landen eine andere, eine produktivere Richtung geben; Sie sollten neue Lebensquellen graben helfen und neue Wurzeln mit den alten Felsenadern fest und traut zusammenflechten, auf daß der Baum neuen Lebens Blüten und Zweige [2] triebe. Das war der Lieblingstraum des Ministers von Altenstein. Das war der Wunsch des edlen Fürsten, den ich Sie ja bitte, nicht zu verkennen, dessen Bestrebungen bald mitzuteilende Aktenstücke in das hellste Sonnenlicht setzen werden, der nur nach voller Überzeugung handelt und der auch dann, wenn er streng zu handeln scheint, als ein großer Staatsmann ein ganzes Volk, die folgenden Geschlechter bedenkt und die Wolke nur im voraus entwaffnet, die wirklich zündende Blitze trägt, welche in Pulvertürme fallen sollten, die Schuldige und Unschuldige mit ihren Trümmern bedeckt hätten. Könnten Sie sich nur entschließen, auf einige Wochen nach Berlin zu kommen, Sie würden dann am besten mit eigenen Augen sehen, mit eigenem Sinne urteilen und würden dann wohl gestehen müssen, daß so manche Erscheinung isoliert, aus dem Zusammenhang herausgerissen, hart und zu rätselhaft erscheint, aber in [3] ihrer Verkettung studiert, in die Reihe der Notwendigkeit zurücktritt. Das politische Leben des Fürsten ist wahrlich in zu großem Stile gebaut, als daß es ihm nötig wäre, seine Rechtfertigung im Geheimnis zu suchen. Der Fürst wird Ihnen, den er so ungemein schätzt, gewiß gern alles mitteilen, und Sie, der Sie gewohnt sind, ex ungue leonem zu erkennen, Sie hochbegabter Kritiker und Forscher, Sie werden es gewiß klar erkennen, daß nur unausweichbare Notwendigkeit diesen geprüften Staatsmann und Menschenfreund zu diesen Schritten, die mit Unrecht als Rückschritte erscheinen, hingedrängt haben. Werfen Sie doch nur, geliebter Freund, einen einzigen ernsten Blick auf das Leben des Fürsten und gestehen Sie, daß es in Europa keinen Staatsmann gibt, unter dessen Schild echte Liberalität so fröhlich emporgekeimt hat als unter seinem. Denken Sie an Franken und die dortigen Kämpfe mit den eingewurzelten Vorurteilen des verjährten Feudalismus. Erinnern Sie sich doch, [4] wer den Bauer in preußischen Staaten wirklich frei gemacht und dadurch ein ganzes neues Leben, ein neues Element in den europäischen Staatenbund friedlich eingeführt hat. Wem verdankt man die Landwehr, die Volksbewaffnung, den Aufruf an das Volk vor der Lützener Schlacht? Wer erkannte Scharnhorst und die anderen Helden des Volkes? Wem verdankt Bonn seine Existenz? Nur seinem Schutz, seinem Willen und seiner wahren Begeisterung für das Göttliche, Hohe und wahrhaft Beseligende in der Menschheit. Wollte ich alle die einzelnen Punkte anführen, wo dieser Mann, dem aller Kastengeist fremd ist, mit dem Vorurteil für die heiligen Rechte der Menschheit gekämpft hat und noch jetzt stündlich kämpft, um dem Volk eine Verfassung, die einzig und allein von seinem Vorschlag herrührt und nur seiner Autorität bewilligt worden ist und nur seiner Arbeit die Ausführung verdanken wird, zu sichern, wollte ich dies alles durchgehen und mit Beweisen unterstützen, so müßte ich eine Biographie schreiben, die freilich not täte, um falsche Ansichten zu berichtigen und Neid und Undank siegreich zu entwaffnen.
[5] Verzeihen Sie, geliebter Freund, diese Episode der Aufregung meines Gefühls für Wahrheit und Recht. Sie steht in natürlicher Verbindung mit dem Wunsch, Sie für uns zu erhalten. Jeder Weg, der dazu führt, ist wünschenswert, und daher wird auch, was Sie früher schon beabsichtigten und was nur durch Ihre Heirat gekreuzt wurde, Ihnen gern bewilligt werden. Der Fürst ist geneigt, Ihnen ein oder auch anderthalb Jahre Urlaub zu bewilligen, es auch nicht an Unterstützung fehlen zu lassen, um Sie instand zu setzen, nach London und Paris zu gehen, dort alles, was Ihnen nötig scheinen wird, behufs der Transponierung der Kenntnisse Indiens und seiner alten heiligen Sprache, auf preußischem Boden zu organisieren. Sind Sie damit zufrieden? Zeigt Ihnen dies deutlich genug, daß man keineswegs die Absicht hat, mit Omars Flamme gegen heilige Wissenschaft zu [6] wüten? Das Treffliche wird gewiß nirgends mehr erkannt und gewürdigt und geehrt als vom Fürsten-Staatskanzler. Schreiben Sie nur an ihn selbst. Kommen Sie selbst, das ist noch besser. Im Zentrum ist die Bewegung kleiner, die Umsicht leichter als an der Peripherie, wo die im Mittelpunkte kaum fühlbare Schwingung zum reißenden Strudel wird. Glauben Sie es mir, ich bin nicht befangen, ich bin nicht parteiisch, ich habe kein persönliches Interesse und beobachte kalt und ruhig wie ein Arzt. Sie und vielleicht alle machen sich falsche Vorstellungen von dem, was hier vorgeht, und die aufgeregte Einbildungskraft übersetzt einfache Erscheinungen in Gespensterriesen.
Leben Sie wohl, antworten Sie bald und behalten Sie mich lieb. Ich bleibe in allen Lagen des Lebens Ihr treuer Freund.
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[1] Berlin, 5. Februar 1820.
Geliebter, hochgeehrter Freund! Nur Krankheit hat mich abhalten können, Ihren liebevollen Brief auf der Stelle zu beantworten. Wenn von Dank und Verpflichtung die Rede ist, so kann ich nur als der tief Verschuldete erscheinen, der nie die Schuld abzutragen vermag. Ihnen verdanke ich ja die besten, die fruchtbarsten Anregungen, und Ihr Name lebt stets hochgefeiert in meiner Brust. Deutsche Vaterlandsliebe und innige Freundschaft zu Ihnen, wahrhafte kindliche Anhänglichkeit machen mir die Idee der Trennung unerträglich. Herz und Geist wurden dadurch verwundet. Soviel ist auf Ihre Kraft, Ihre Einsicht, Ihre echt europäische Bildung, Ihr Mitwirken, Ihren Takt, Ihren Rat und Ihr Eingreifen von uns allen gerechnet worden. Sie sollten dem Studium der Philologie und der Kunst hier in diesen Landen eine andere, eine produktivere Richtung geben; Sie sollten neue Lebensquellen graben helfen und neue Wurzeln mit den alten Felsenadern fest und traut zusammenflechten, auf daß der Baum neuen Lebens Blüten und Zweige [2] triebe. Das war der Lieblingstraum des Ministers von Altenstein. Das war der Wunsch des edlen Fürsten, den ich Sie ja bitte, nicht zu verkennen, dessen Bestrebungen bald mitzuteilende Aktenstücke in das hellste Sonnenlicht setzen werden, der nur nach voller Überzeugung handelt und der auch dann, wenn er streng zu handeln scheint, als ein großer Staatsmann ein ganzes Volk, die folgenden Geschlechter bedenkt und die Wolke nur im voraus entwaffnet, die wirklich zündende Blitze trägt, welche in Pulvertürme fallen sollten, die Schuldige und Unschuldige mit ihren Trümmern bedeckt hätten. Könnten Sie sich nur entschließen, auf einige Wochen nach Berlin zu kommen, Sie würden dann am besten mit eigenen Augen sehen, mit eigenem Sinne urteilen und würden dann wohl gestehen müssen, daß so manche Erscheinung isoliert, aus dem Zusammenhang herausgerissen, hart und zu rätselhaft erscheint, aber in [3] ihrer Verkettung studiert, in die Reihe der Notwendigkeit zurücktritt. Das politische Leben des Fürsten ist wahrlich in zu großem Stile gebaut, als daß es ihm nötig wäre, seine Rechtfertigung im Geheimnis zu suchen. Der Fürst wird Ihnen, den er so ungemein schätzt, gewiß gern alles mitteilen, und Sie, der Sie gewohnt sind, ex ungue leonem zu erkennen, Sie hochbegabter Kritiker und Forscher, Sie werden es gewiß klar erkennen, daß nur unausweichbare Notwendigkeit diesen geprüften Staatsmann und Menschenfreund zu diesen Schritten, die mit Unrecht als Rückschritte erscheinen, hingedrängt haben. Werfen Sie doch nur, geliebter Freund, einen einzigen ernsten Blick auf das Leben des Fürsten und gestehen Sie, daß es in Europa keinen Staatsmann gibt, unter dessen Schild echte Liberalität so fröhlich emporgekeimt hat als unter seinem. Denken Sie an Franken und die dortigen Kämpfe mit den eingewurzelten Vorurteilen des verjährten Feudalismus. Erinnern Sie sich doch, [4] wer den Bauer in preußischen Staaten wirklich frei gemacht und dadurch ein ganzes neues Leben, ein neues Element in den europäischen Staatenbund friedlich eingeführt hat. Wem verdankt man die Landwehr, die Volksbewaffnung, den Aufruf an das Volk vor der Lützener Schlacht? Wer erkannte Scharnhorst und die anderen Helden des Volkes? Wem verdankt Bonn seine Existenz? Nur seinem Schutz, seinem Willen und seiner wahren Begeisterung für das Göttliche, Hohe und wahrhaft Beseligende in der Menschheit. Wollte ich alle die einzelnen Punkte anführen, wo dieser Mann, dem aller Kastengeist fremd ist, mit dem Vorurteil für die heiligen Rechte der Menschheit gekämpft hat und noch jetzt stündlich kämpft, um dem Volk eine Verfassung, die einzig und allein von seinem Vorschlag herrührt und nur seiner Autorität bewilligt worden ist und nur seiner Arbeit die Ausführung verdanken wird, zu sichern, wollte ich dies alles durchgehen und mit Beweisen unterstützen, so müßte ich eine Biographie schreiben, die freilich not täte, um falsche Ansichten zu berichtigen und Neid und Undank siegreich zu entwaffnen.
[5] Verzeihen Sie, geliebter Freund, diese Episode der Aufregung meines Gefühls für Wahrheit und Recht. Sie steht in natürlicher Verbindung mit dem Wunsch, Sie für uns zu erhalten. Jeder Weg, der dazu führt, ist wünschenswert, und daher wird auch, was Sie früher schon beabsichtigten und was nur durch Ihre Heirat gekreuzt wurde, Ihnen gern bewilligt werden. Der Fürst ist geneigt, Ihnen ein oder auch anderthalb Jahre Urlaub zu bewilligen, es auch nicht an Unterstützung fehlen zu lassen, um Sie instand zu setzen, nach London und Paris zu gehen, dort alles, was Ihnen nötig scheinen wird, behufs der Transponierung der Kenntnisse Indiens und seiner alten heiligen Sprache, auf preußischem Boden zu organisieren. Sind Sie damit zufrieden? Zeigt Ihnen dies deutlich genug, daß man keineswegs die Absicht hat, mit Omars Flamme gegen heilige Wissenschaft zu [6] wüten? Das Treffliche wird gewiß nirgends mehr erkannt und gewürdigt und geehrt als vom Fürsten-Staatskanzler. Schreiben Sie nur an ihn selbst. Kommen Sie selbst, das ist noch besser. Im Zentrum ist die Bewegung kleiner, die Umsicht leichter als an der Peripherie, wo die im Mittelpunkte kaum fühlbare Schwingung zum reißenden Strudel wird. Glauben Sie es mir, ich bin nicht befangen, ich bin nicht parteiisch, ich habe kein persönliches Interesse und beobachte kalt und ruhig wie ein Arzt. Sie und vielleicht alle machen sich falsche Vorstellungen von dem, was hier vorgeht, und die aufgeregte Einbildungskraft übersetzt einfache Erscheinungen in Gespensterriesen.
Leben Sie wohl, antworten Sie bald und behalten Sie mich lieb. Ich bleibe in allen Lagen des Lebens Ihr treuer Freund.
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