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Die Bischöfe mißbilligten einstimmig seine Abhand[2]lung; indessen mochten die, welche aus römischen Familien abstammten, aus Scheu vor seiner Würde und Macht sich mit einiger Mäßigung äußern; der Bischof Bertram aber, ein Franke von Geburt, der in seinem geistlichen Stande sein angeerbtes Kriegergeblüt nicht ganz verleugnen konnte, riß dem Könige das Manuskript aus der Hand und warf es in den brennenden Kamin. <br>Ob eine Versammlung von gelehrten, besonnenen und gläubig bei den Lehren ihrer Kirche verharrenden katholischen Geistlichen, wenn sie zu einer Entscheidung berufen wäre, mit diesen fünf Heften ,zur Philosophie und Theologieʻ [von Friedrich Schlegel], die ja auch großentheils Materialien zu einer Abhandlung über die Dreieinigkeit enthalten, so verfahren würde, das laße ich dahin gestellt sein. Nach meiner Denkart kann ich überhaupt keine vorgängige Censur billigen, geschweige denn eine so fränkisch-bischöflich ausgeübte. 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Wann sie erst getroffen sein wird, dann möchte es rathsam sein, diese Hefte zu vernichten, damit nicht irgend einmal, wenn der Zufall sie in feindselige Hände brächte, ein Mißbrauch davon zum Aergerniß und zum Spott gemacht werde. Dieß wäre leicht; es ließe sich eine stattliche Blumenlese der Art aufstellen. Es wird nicht nöthig sein, daß ich Beispiele abschreibe; ich habe mir nicht einmal erlaubt, Stellen anzuzeichnen. <lb/>Ich war in einem Mißverständnisse befangen, welches sich erst neulich durch unser Gespräch aufklärte. [6] Ich glaubte, die Absicht sei, eine Ergänzung der sämmtlichen Werke zu liefern, deren Herausgabe ja durch zufällige Umstände unterbrochen worden war. Und hiezu wurde ich durch den Brief meiner Schwägerin veranlaßt, indem sie schreibt: ,Was sonst noch zerstreut bei verschiedenen Anläßen oder Zeitblätblättern bereits in früherer Zeit gedruckt ist, was sich eignen möchte, wieder aufgenommen zu werden, das weiß Niemand so gut, als Sie, da Sie ja früher mit allen seinen Arbeiten bekannt waren.ʻ Von diesen seit vielen Jahren aus dem Umlauf gekommenen, und also für die jüngeren Zeitgenossen so gut wie neuen Schriften habe ich nun ein, soviel möglich, vollständiges Verzeichniß mit Anmerkungen aufgesetzt, wovon ich Ihnen, so wie meiner Schwägerin, eine Abschrift einhändigen werde.<lb/>Die Ergänzung der sämmtlichen Werke [7] schien mir deswegen das Dringendste, weil bis jetzt das Eigenthum des Schriftstellers, und besonders eines verstorbenen, in Deutschland durch eine allgemeine Gesetzgebung noch gar nicht gesichert ist. Es könnte also ein Nachdruck der in der Sammlung noch fehlenden Schriften veranstaltet werden, ohne eine solche Auswahl, wie Friedrichs Freunde sie wünschen mögen. Dieser Gefahr wäre einigermaßen vorgebeugt, wenn die Sammlung vervollständigt und ausdrücklich für geschloßen erklärt wäre: denn alsdann sind die Werke ein Bibliotheksbuch. Das deutsche Publikum scheint dergleichen Sammlungen zu lieben; wir haben viele Beispiele von sehr bändereichen, worin Schriften mit aufgenommen sind, welche bei ihrer ersten Erscheinung schon wenig Käufer fanden, und bei einem neuen besonderen Abdruck deren noch weniger gefunden hätten. <lb/>Freilich das einmal Gedruckte hat man immer unwiderruflich aus der Hand gelaßen, man kann es nicht wieder zurückholen. Vielleicht haben [8] wir es nur der Vergeßlichkeit des deutschen Publikums zu verdanken, daß kein Nachdruck der Lucinde anʼs Licht getreten ist. Ein sehr wohlwollender Mann, Herr Golbéry, Rath des königlichen Gerichtshofes in Kolmar, hat Artikel über Friedrich und mich in der <hi rend="weight:bold">Biographie universelle</hi> geschrieben; ferner eine ausführliche Nachricht von meiner litterarischen Laufbahn in der <hi rend="weight:bold">Revue germanique</hi>. Dasselbe wollte er nun auch in Bezug auf Friedrich thun, und schrieb mir, er habe sich dessen Schriften, auch die hier und da zerstreuten, so vollständig wie möglich verschafft, nur die Lucinde habe er nicht auftreiben können. Ich beschwor ihn, sie entweder ganz mit Stillschweigen zu übergehen, oder sie nur flüchtig zu erwähnen, und er versprach, es so damit zu halten. Wie ernst ich den Druck dieser thörichten Rhapsodie abgerathen, wiewohl ich noch ziemlich jung und tollkühn genug war, erhellet aus seinen Briefen, worin er mich den Antiroman nennt. <lb/>In Bezug auf die Hefte zur Philosophie und Theo[9]logie, deren ja nach Ihrer Angabe aus den späteren Jahren noch viele vorhanden sein müßen, bemerke ich noch Folgendes: Bei der durchgängig entgegengesetzten Richtung ist doch die Manier genau dieselbe, wie in den Fragmenten im Athenäum. Das Fragment war ihm schon früh ein hypostasterter Lieblingsbegriff geworden und ist es immer geblieben. Eine Jagd auf den Schein des Paradoxen ist unverkennbar. Auch in den mitgetheilten Heften habe ich hier und da meine eignen, längst gehegten Ueberzeugungen wieder gefunden, die jedoch unter der seltsamen Verkleidung mit selbst beinahe widerwärtig wurden. Wenn er aber zusammenhängend und ausführlich schrieb, dann verfuhr er ganz anders schon in der frühesten Periode. Vollends aber in der letzten versäumte er niemals, ehe er vor dem Publikum auftrat, conciliatorische Filzschuhe anzulegen. Mich konnte er freilich damit nicht täuschen; aber arglose Zuhörer und Leser haben wohl manche Sätze vorbeischlüpfen laßen, ohne zu merken, wohin sie führten. Diese Bemühung hatte sogar auf seine [10] Schreibart einen sichtbaren, sehr nachtheiligen Einfluß: sie wurde durch alle die Bevorwortungen, Limitationen und Kautelen schwerfällig und verworren. <lb/>Wiewohl er in die ,Sämmtlichen Werleʻ so manche Jugendschriften aufgenommen hat, unverändert, nur mit dem Korrektiv einer Einleitung oder Schlußbemerkung, so ist doch die Reihe an die Fragmente aus dem Lyceum und Athenäum nicht gekommen. Und hier hatte er ja nichts weiter zu thun, als das ihm anstößig Gewordene auszustreichen, und ihm wäre noch eine reiche Auswahl witziger Einfälle, treffender Urtheile und sinnreicher Gedanken übrig geblieben. <lb/>Aus allem Obigen schließe ich, daß er nur sehr Weniges aus diesen Heften in der Form oder Unform der ersten abgerißnen Aufzeichnung öffentlich ausgesprochen haben wurde. <lb/>Da mir nun Frau Dorothee von Schlegel schreibt, die Hefte historischen, litterarischen und philologischen Inhalts hätten die Professoren Steingaß und [11] Bock (mir ziemlich unbekannte Namen) übernommen, so bin ich eigentlich mit keinem Theil des ungedruckten Nachlaßes beauftragt. Selbst die neueren Studien über Indien, die Sie erwähnen, gehören ja zu dem philologischen Fach. <lb/>Was die bereits gedruckten Schriften betrifft, so kann nur bei einigen der frühesten ein Zweifel eintreten, ob er sie in die Sammlung seiner Werke aufgenommen oder davon ausgeschloßen haben würde. Denn das mußte er doch einsehen, daß es unmöglich sei, die mannichfaltigen Verwandlungen seiner Denkart der Welt zu verheimlichen. Die Bahn seines Geistes war von jeher mehr als kometenhaft. Die höchst excentrische Ellipse wechselte plötzlich ihre Neigung gegen die Himmelsgegenden, ihre Neigung gegen die Ekliptik und ihren positiven und negativen Brennpunkt. <lb/>Aus der späteren Zeit sind, ohne noch die zerstreuten Aufsätze zu rechnen, vier starke Bände vorhanden. Die sämmtlichen Werke würden folglich auf 16 bis 18 Bände anwachsen, und diese Ver[12]vollständigung scheint mir für seinen Ruhm das Ersprießlichste. <lb/>Friedrichs Briefe an mich habe ich nur eben angefangen durchzugehen und kann Ihnen meine Resultate und Bedenklichkeiten erst später vorlegen. </p>', '36_xml_standoff' => '[1] <hi rend="weight:bold">d. d</hi>. 29. Decemb. 1834. <lb/>Der König Chilperich besaß für einen Franken des sechsten Jahrhunderts eine bedeutende litterarische Bildung. Er machte lateinische Verse, und war ein Liebhaber der Theologie. Er hatte einen lateinischen Traktat über die Dreieinigkeit geschrieben, und schmeichelte sich, dieses Dogma wißenschaftlicher, als bisher geschehen war, behandelt zu haben. Er lud einige Bischöfe ein, denen er es vorlas; aber es gerieth ihm übel damit. Die Bischöfe mißbilligten einstimmig seine Abhand[2]lung; indessen mochten die, welche aus römischen Familien abstammten, aus Scheu vor seiner Würde und Macht sich mit einiger Mäßigung äußern; der Bischof Bertram aber, ein Franke von Geburt, der in seinem geistlichen Stande sein angeerbtes Kriegergeblüt nicht ganz verleugnen konnte, riß dem Könige das Manuskript aus der Hand und warf es in den brennenden Kamin. <lb/>Ob eine Versammlung von gelehrten, besonnenen und gläubig bei den Lehren ihrer Kirche verharrenden katholischen Geistlichen, wenn sie zu einer Entscheidung berufen wäre, mit diesen fünf Heften ,zur Philosophie und Theologieʻ [von Friedrich Schlegel], die ja auch großentheils Materialien zu einer Abhandlung über die Dreieinigkeit enthalten, so verfahren würde, das laße ich dahin gestellt sein. Nach meiner Denkart kann ich überhaupt keine vorgängige Censur billigen, geschweige denn eine so fränkisch-bischöflich ausgeübte. Ich meine, man müße jeden ungehindert reden und ausreden laßen, wie auch seine Bejahungen oder Verneinungen beschaffen sein mögen: [3] ihm fällt ja die gesetzliche und sittliche Verantwortlichkeit anheim. Auch versteht es sich, daß die andern das Recht haben, nicht zuzuhören. Bei gedruckten Schriften ergiebt sich dieß glücklicher Weise schon aus der Sache selbst: Bücher wären ein bedenkliches Ding, wenn sie Leser erzwingen könnten. <lb/>Aus eignem Antriebe hätte ich gewiß diese Hefte nicht gelesen; denn ich sah voraus, daß ich weder in wißenschaftlicher, noch in psychologisch-biographischer Hinsicht etwas Neues daraus erfahren würde; ich sah voraus, daß die Lesung nur schmerzliche Empfindungen bei mir aufregen würde, die ich gern von meiner Erinnerung entfernt halte. Der in Ihrer Mittheilung liegenden Aufforderung gemäß habe ich sie jedoch gelesen, sofern sie für mich in der ziemlich verworrenen und mit Abbreviaturen und Chiffern überladenen Handschrift lesbar waren. Es sei mir erlaubt, Ihnen meine Ansicht vorzulegen, wobei ich nicht die Anmaßung habe, Ihre Vollmacht im mindesten zu beschränken. Sie haben in Ihrer Ankündigung am Schluße der [4] ersten Seite den bei der Herausgabe eines handschriftlichen Nachlaßes zu befolgenden Grundsatz aufgestellt, womit ich ganz einverstanden bin. <lb/>Vieles von dem, was den Inhalt dieser Hefte ausmacht, hat mein Bruder in der langen Reihe von Jahren, die er seitdem in fast ununterbrochener Muße der Forschung und Betrachtung widmen konnte, auf andre Weise verarbeitet, bereits öffentlich vorgetragen. Das Uebrige besteht großentheils offenbar in kombinatorischen Versuchen. Dahin rechne ich auch die Tabellen am Rande: es ist ein Würfelspiel, ein Kartenlegen mit hypostasierten Begriffen, die in allen möglichen Anordnungen wiederkehren; und gesetzt es läge ein tiefer Sinn darin, was ich bezweifle, so sind sie doch für Jeden ohne einen Schlüßel zu der abstrusen und willkürlichen Terminologie unverständlich. <lb/>Ferner erhellt aus den unzählig oft wieder kommenden Vielleicht, Wohl, Etwa, Es scheint, Oder, Sollte nicht, Könnte, Möchte, Dürfteʼ und den Fragezeichen, daß viele der aufgestellten Behauptungen [5] bei ihm noch gar nicht zu einer festen Ueberzeugung gediehen waren. Aber auch solchen Sätzen, die er scheinbar entschieden ausspricht, wird an andern Stellen auffallend widersprochen. <lb/>Demnach bleibt nur Weniges übrig, wovon mit Sicherheit angenommen werden kann, daß er es selbst, und zwar in der grellen barocken Form, wie es hier steht, zur Bekanntmachung geeignet gefunden haben würde. <lb/>Die Auswahl steht Ihnen zu. Wann sie erst getroffen sein wird, dann möchte es rathsam sein, diese Hefte zu vernichten, damit nicht irgend einmal, wenn der Zufall sie in feindselige Hände brächte, ein Mißbrauch davon zum Aergerniß und zum Spott gemacht werde. Dieß wäre leicht; es ließe sich eine stattliche Blumenlese der Art aufstellen. Es wird nicht nöthig sein, daß ich Beispiele abschreibe; ich habe mir nicht einmal erlaubt, Stellen anzuzeichnen. <lb/>Ich war in einem Mißverständnisse befangen, welches sich erst neulich durch unser Gespräch aufklärte. [6] Ich glaubte, die Absicht sei, eine Ergänzung der sämmtlichen Werke zu liefern, deren Herausgabe ja durch zufällige Umstände unterbrochen worden war. Und hiezu wurde ich durch den Brief meiner Schwägerin veranlaßt, indem sie schreibt: ,Was sonst noch zerstreut bei verschiedenen Anläßen oder Zeitblätblättern bereits in früherer Zeit gedruckt ist, was sich eignen möchte, wieder aufgenommen zu werden, das weiß Niemand so gut, als Sie, da Sie ja früher mit allen seinen Arbeiten bekannt waren.ʻ Von diesen seit vielen Jahren aus dem Umlauf gekommenen, und also für die jüngeren Zeitgenossen so gut wie neuen Schriften habe ich nun ein, soviel möglich, vollständiges Verzeichniß mit Anmerkungen aufgesetzt, wovon ich Ihnen, so wie meiner Schwägerin, eine Abschrift einhändigen werde.<lb/>Die Ergänzung der sämmtlichen Werke [7] schien mir deswegen das Dringendste, weil bis jetzt das Eigenthum des Schriftstellers, und besonders eines verstorbenen, in Deutschland durch eine allgemeine Gesetzgebung noch gar nicht gesichert ist. Es könnte also ein Nachdruck der in der Sammlung noch fehlenden Schriften veranstaltet werden, ohne eine solche Auswahl, wie Friedrichs Freunde sie wünschen mögen. Dieser Gefahr wäre einigermaßen vorgebeugt, wenn die Sammlung vervollständigt und ausdrücklich für geschloßen erklärt wäre: denn alsdann sind die Werke ein Bibliotheksbuch. Das deutsche Publikum scheint dergleichen Sammlungen zu lieben; wir haben viele Beispiele von sehr bändereichen, worin Schriften mit aufgenommen sind, welche bei ihrer ersten Erscheinung schon wenig Käufer fanden, und bei einem neuen besonderen Abdruck deren noch weniger gefunden hätten. <lb/>Freilich das einmal Gedruckte hat man immer unwiderruflich aus der Hand gelaßen, man kann es nicht wieder zurückholen. Vielleicht haben [8] wir es nur der Vergeßlichkeit des deutschen Publikums zu verdanken, daß kein Nachdruck der Lucinde anʼs Licht getreten ist. Ein sehr wohlwollender Mann, Herr Golbéry, Rath des königlichen Gerichtshofes in Kolmar, hat Artikel über Friedrich und mich in der <hi rend="weight:bold">Biographie universelle</hi> geschrieben; ferner eine ausführliche Nachricht von meiner litterarischen Laufbahn in der <hi rend="weight:bold">Revue germanique</hi>. Dasselbe wollte er nun auch in Bezug auf Friedrich thun, und schrieb mir, er habe sich dessen Schriften, auch die hier und da zerstreuten, so vollständig wie möglich verschafft, nur die Lucinde habe er nicht auftreiben können. Ich beschwor ihn, sie entweder ganz mit Stillschweigen zu übergehen, oder sie nur flüchtig zu erwähnen, und er versprach, es so damit zu halten. Wie ernst ich den Druck dieser thörichten Rhapsodie abgerathen, wiewohl ich noch ziemlich jung und tollkühn genug war, erhellet aus seinen Briefen, worin er mich den Antiroman nennt. <lb/>In Bezug auf die Hefte zur Philosophie und Theo[9]logie, deren ja nach Ihrer Angabe aus den späteren Jahren noch viele vorhanden sein müßen, bemerke ich noch Folgendes: Bei der durchgängig entgegengesetzten Richtung ist doch die Manier genau dieselbe, wie in den Fragmenten im Athenäum. Das Fragment war ihm schon früh ein hypostasterter Lieblingsbegriff geworden und ist es immer geblieben. Eine Jagd auf den Schein des Paradoxen ist unverkennbar. Auch in den mitgetheilten Heften habe ich hier und da meine eignen, längst gehegten Ueberzeugungen wieder gefunden, die jedoch unter der seltsamen Verkleidung mit selbst beinahe widerwärtig wurden. Wenn er aber zusammenhängend und ausführlich schrieb, dann verfuhr er ganz anders schon in der frühesten Periode. Vollends aber in der letzten versäumte er niemals, ehe er vor dem Publikum auftrat, conciliatorische Filzschuhe anzulegen. Mich konnte er freilich damit nicht täuschen; aber arglose Zuhörer und Leser haben wohl manche Sätze vorbeischlüpfen laßen, ohne zu merken, wohin sie führten. Diese Bemühung hatte sogar auf seine [10] Schreibart einen sichtbaren, sehr nachtheiligen Einfluß: sie wurde durch alle die Bevorwortungen, Limitationen und Kautelen schwerfällig und verworren. <lb/>Wiewohl er in die ,Sämmtlichen Werleʻ so manche Jugendschriften aufgenommen hat, unverändert, nur mit dem Korrektiv einer Einleitung oder Schlußbemerkung, so ist doch die Reihe an die Fragmente aus dem Lyceum und Athenäum nicht gekommen. Und hier hatte er ja nichts weiter zu thun, als das ihm anstößig Gewordene auszustreichen, und ihm wäre noch eine reiche Auswahl witziger Einfälle, treffender Urtheile und sinnreicher Gedanken übrig geblieben. <lb/>Aus allem Obigen schließe ich, daß er nur sehr Weniges aus diesen Heften in der Form oder Unform der ersten abgerißnen Aufzeichnung öffentlich ausgesprochen haben wurde. <lb/>Da mir nun Frau Dorothee von Schlegel schreibt, die Hefte historischen, litterarischen und philologischen Inhalts hätten die Professoren Steingaß und [11] Bock (mir ziemlich unbekannte Namen) übernommen, so bin ich eigentlich mit keinem Theil des ungedruckten Nachlaßes beauftragt. Selbst die neueren Studien über Indien, die Sie erwähnen, gehören ja zu dem philologischen Fach. <lb/>Was die bereits gedruckten Schriften betrifft, so kann nur bei einigen der frühesten ein Zweifel eintreten, ob er sie in die Sammlung seiner Werke aufgenommen oder davon ausgeschloßen haben würde. Denn das mußte er doch einsehen, daß es unmöglich sei, die mannichfaltigen Verwandlungen seiner Denkart der Welt zu verheimlichen. Die Bahn seines Geistes war von jeher mehr als kometenhaft. Die höchst excentrische Ellipse wechselte plötzlich ihre Neigung gegen die Himmelsgegenden, ihre Neigung gegen die Ekliptik und ihren positiven und negativen Brennpunkt. <lb/>Aus der späteren Zeit sind, ohne noch die zerstreuten Aufsätze zu rechnen, vier starke Bände vorhanden. Die sämmtlichen Werke würden folglich auf 16 bis 18 Bände anwachsen, und diese Ver[12]vollständigung scheint mir für seinen Ruhm das Ersprießlichste. <lb/>Friedrichs Briefe an mich habe ich nur eben angefangen durchzugehen und kann Ihnen meine Resultate und Bedenklichkeiten erst später vorlegen. 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Decemb. 1834. <br>Der König Chilperich besaß für einen Franken des sechsten Jahrhunderts eine bedeutende litterarische Bildung. Er machte lateinische Verse, und war ein Liebhaber der Theologie. Er hatte einen lateinischen Traktat über die Dreieinigkeit geschrieben, und schmeichelte sich, dieses Dogma wißenschaftlicher, als bisher geschehen war, behandelt zu haben. Er lud einige Bischöfe ein, denen er es vorlas; aber es gerieth ihm übel damit. Die Bischöfe mißbilligten einstimmig seine Abhand[2]lung; indessen mochten die, welche aus römischen Familien abstammten, aus Scheu vor seiner Würde und Macht sich mit einiger Mäßigung äußern; der Bischof Bertram aber, ein Franke von Geburt, der in seinem geistlichen Stande sein angeerbtes Kriegergeblüt nicht ganz verleugnen konnte, riß dem Könige das Manuskript aus der Hand und warf es in den brennenden Kamin. <br>Ob eine Versammlung von gelehrten, besonnenen und gläubig bei den Lehren ihrer Kirche verharrenden katholischen Geistlichen, wenn sie zu einer Entscheidung berufen wäre, mit diesen fünf Heften ,zur Philosophie und Theologieʻ [von Friedrich Schlegel], die ja auch großentheils Materialien zu einer Abhandlung über die Dreieinigkeit enthalten, so verfahren würde, das laße ich dahin gestellt sein. Nach meiner Denkart kann ich überhaupt keine vorgängige Censur billigen, geschweige denn eine so fränkisch-bischöflich ausgeübte. Ich meine, man müße jeden ungehindert reden und ausreden laßen, wie auch seine Bejahungen oder Verneinungen beschaffen sein mögen: [3] ihm fällt ja die gesetzliche und sittliche Verantwortlichkeit anheim. Auch versteht es sich, daß die andern das Recht haben, nicht zuzuhören. Bei gedruckten Schriften ergiebt sich dieß glücklicher Weise schon aus der Sache selbst: Bücher wären ein bedenkliches Ding, wenn sie Leser erzwingen könnten. <br>Aus eignem Antriebe hätte ich gewiß diese Hefte nicht gelesen; denn ich sah voraus, daß ich weder in wißenschaftlicher, noch in psychologisch-biographischer Hinsicht etwas Neues daraus erfahren würde; ich sah voraus, daß die Lesung nur schmerzliche Empfindungen bei mir aufregen würde, die ich gern von meiner Erinnerung entfernt halte. Der in Ihrer Mittheilung liegenden Aufforderung gemäß habe ich sie jedoch gelesen, sofern sie für mich in der ziemlich verworrenen und mit Abbreviaturen und Chiffern überladenen Handschrift lesbar waren. Es sei mir erlaubt, Ihnen meine Ansicht vorzulegen, wobei ich nicht die Anmaßung habe, Ihre Vollmacht im mindesten zu beschränken. Sie haben in Ihrer Ankündigung am Schluße der [4] ersten Seite den bei der Herausgabe eines handschriftlichen Nachlaßes zu befolgenden Grundsatz aufgestellt, womit ich ganz einverstanden bin. <br>Vieles von dem, was den Inhalt dieser Hefte ausmacht, hat mein Bruder in der langen Reihe von Jahren, die er seitdem in fast ununterbrochener Muße der Forschung und Betrachtung widmen konnte, auf andre Weise verarbeitet, bereits öffentlich vorgetragen. Das Uebrige besteht großentheils offenbar in kombinatorischen Versuchen. Dahin rechne ich auch die Tabellen am Rande: es ist ein Würfelspiel, ein Kartenlegen mit hypostasierten Begriffen, die in allen möglichen Anordnungen wiederkehren; und gesetzt es läge ein tiefer Sinn darin, was ich bezweifle, so sind sie doch für Jeden ohne einen Schlüßel zu der abstrusen und willkürlichen Terminologie unverständlich. <br>Ferner erhellt aus den unzählig oft wieder kommenden Vielleicht, Wohl, Etwa, Es scheint, Oder, Sollte nicht, Könnte, Möchte, Dürfteʼ und den Fragezeichen, daß viele der aufgestellten Behauptungen [5] bei ihm noch gar nicht zu einer festen Ueberzeugung gediehen waren. Aber auch solchen Sätzen, die er scheinbar entschieden ausspricht, wird an andern Stellen auffallend widersprochen. <br>Demnach bleibt nur Weniges übrig, wovon mit Sicherheit angenommen werden kann, daß er es selbst, und zwar in der grellen barocken Form, wie es hier steht, zur Bekanntmachung geeignet gefunden haben würde. <br>Die Auswahl steht Ihnen zu. Wann sie erst getroffen sein wird, dann möchte es rathsam sein, diese Hefte zu vernichten, damit nicht irgend einmal, wenn der Zufall sie in feindselige Hände brächte, ein Mißbrauch davon zum Aergerniß und zum Spott gemacht werde. Dieß wäre leicht; es ließe sich eine stattliche Blumenlese der Art aufstellen. Es wird nicht nöthig sein, daß ich Beispiele abschreibe; ich habe mir nicht einmal erlaubt, Stellen anzuzeichnen. <br>Ich war in einem Mißverständnisse befangen, welches sich erst neulich durch unser Gespräch aufklärte. [6] Ich glaubte, die Absicht sei, eine Ergänzung der sämmtlichen Werke zu liefern, deren Herausgabe ja durch zufällige Umstände unterbrochen worden war. Und hiezu wurde ich durch den Brief meiner Schwägerin veranlaßt, indem sie schreibt: ,Was sonst noch zerstreut bei verschiedenen Anläßen oder Zeitblätblättern bereits in früherer Zeit gedruckt ist, was sich eignen möchte, wieder aufgenommen zu werden, das weiß Niemand so gut, als Sie, da Sie ja früher mit allen seinen Arbeiten bekannt waren.ʻ Von diesen seit vielen Jahren aus dem Umlauf gekommenen, und also für die jüngeren Zeitgenossen so gut wie neuen Schriften habe ich nun ein, soviel möglich, vollständiges Verzeichniß mit Anmerkungen aufgesetzt, wovon ich Ihnen, so wie meiner Schwägerin, eine Abschrift einhändigen werde.<br>Die Ergänzung der sämmtlichen Werke [7] schien mir deswegen das Dringendste, weil bis jetzt das Eigenthum des Schriftstellers, und besonders eines verstorbenen, in Deutschland durch eine allgemeine Gesetzgebung noch gar nicht gesichert ist. Es könnte also ein Nachdruck der in der Sammlung noch fehlenden Schriften veranstaltet werden, ohne eine solche Auswahl, wie Friedrichs Freunde sie wünschen mögen. Dieser Gefahr wäre einigermaßen vorgebeugt, wenn die Sammlung vervollständigt und ausdrücklich für geschloßen erklärt wäre: denn alsdann sind die Werke ein Bibliotheksbuch. Das deutsche Publikum scheint dergleichen Sammlungen zu lieben; wir haben viele Beispiele von sehr bändereichen, worin Schriften mit aufgenommen sind, welche bei ihrer ersten Erscheinung schon wenig Käufer fanden, und bei einem neuen besonderen Abdruck deren noch weniger gefunden hätten. <br>Freilich das einmal Gedruckte hat man immer unwiderruflich aus der Hand gelaßen, man kann es nicht wieder zurückholen. Vielleicht haben [8] wir es nur der Vergeßlichkeit des deutschen Publikums zu verdanken, daß kein Nachdruck der Lucinde anʼs Licht getreten ist. Ein sehr wohlwollender Mann, Herr Golbéry, Rath des königlichen Gerichtshofes in Kolmar, hat Artikel über Friedrich und mich in der <span class="weight-bold ">Biographie universelle</span> geschrieben; ferner eine ausführliche Nachricht von meiner litterarischen Laufbahn in der <span class="weight-bold ">Revue germanique</span>. Dasselbe wollte er nun auch in Bezug auf Friedrich thun, und schrieb mir, er habe sich dessen Schriften, auch die hier und da zerstreuten, so vollständig wie möglich verschafft, nur die Lucinde habe er nicht auftreiben können. Ich beschwor ihn, sie entweder ganz mit Stillschweigen zu übergehen, oder sie nur flüchtig zu erwähnen, und er versprach, es so damit zu halten. Wie ernst ich den Druck dieser thörichten Rhapsodie abgerathen, wiewohl ich noch ziemlich jung und tollkühn genug war, erhellet aus seinen Briefen, worin er mich den Antiroman nennt. <br>In Bezug auf die Hefte zur Philosophie und Theo[9]logie, deren ja nach Ihrer Angabe aus den späteren Jahren noch viele vorhanden sein müßen, bemerke ich noch Folgendes: Bei der durchgängig entgegengesetzten Richtung ist doch die Manier genau dieselbe, wie in den Fragmenten im Athenäum. Das Fragment war ihm schon früh ein hypostasterter Lieblingsbegriff geworden und ist es immer geblieben. Eine Jagd auf den Schein des Paradoxen ist unverkennbar. Auch in den mitgetheilten Heften habe ich hier und da meine eignen, längst gehegten Ueberzeugungen wieder gefunden, die jedoch unter der seltsamen Verkleidung mit selbst beinahe widerwärtig wurden. Wenn er aber zusammenhängend und ausführlich schrieb, dann verfuhr er ganz anders schon in der frühesten Periode. Vollends aber in der letzten versäumte er niemals, ehe er vor dem Publikum auftrat, conciliatorische Filzschuhe anzulegen. Mich konnte er freilich damit nicht täuschen; aber arglose Zuhörer und Leser haben wohl manche Sätze vorbeischlüpfen laßen, ohne zu merken, wohin sie führten. Diese Bemühung hatte sogar auf seine [10] Schreibart einen sichtbaren, sehr nachtheiligen Einfluß: sie wurde durch alle die Bevorwortungen, Limitationen und Kautelen schwerfällig und verworren. <br>Wiewohl er in die ,Sämmtlichen Werleʻ so manche Jugendschriften aufgenommen hat, unverändert, nur mit dem Korrektiv einer Einleitung oder Schlußbemerkung, so ist doch die Reihe an die Fragmente aus dem Lyceum und Athenäum nicht gekommen. Und hier hatte er ja nichts weiter zu thun, als das ihm anstößig Gewordene auszustreichen, und ihm wäre noch eine reiche Auswahl witziger Einfälle, treffender Urtheile und sinnreicher Gedanken übrig geblieben. <br>Aus allem Obigen schließe ich, daß er nur sehr Weniges aus diesen Heften in der Form oder Unform der ersten abgerißnen Aufzeichnung öffentlich ausgesprochen haben wurde. <br>Da mir nun Frau Dorothee von Schlegel schreibt, die Hefte historischen, litterarischen und philologischen Inhalts hätten die Professoren Steingaß und [11] Bock (mir ziemlich unbekannte Namen) übernommen, so bin ich eigentlich mit keinem Theil des ungedruckten Nachlaßes beauftragt. Selbst die neueren Studien über Indien, die Sie erwähnen, gehören ja zu dem philologischen Fach. <br>Was die bereits gedruckten Schriften betrifft, so kann nur bei einigen der frühesten ein Zweifel eintreten, ob er sie in die Sammlung seiner Werke aufgenommen oder davon ausgeschloßen haben würde. Denn das mußte er doch einsehen, daß es unmöglich sei, die mannichfaltigen Verwandlungen seiner Denkart der Welt zu verheimlichen. Die Bahn seines Geistes war von jeher mehr als kometenhaft. Die höchst excentrische Ellipse wechselte plötzlich ihre Neigung gegen die Himmelsgegenden, ihre Neigung gegen die Ekliptik und ihren positiven und negativen Brennpunkt. <br>Aus der späteren Zeit sind, ohne noch die zerstreuten Aufsätze zu rechnen, vier starke Bände vorhanden. Die sämmtlichen Werke würden folglich auf 16 bis 18 Bände anwachsen, und diese Ver[12]vollständigung scheint mir für seinen Ruhm das Ersprießlichste. <br>Friedrichs Briefe an mich habe ich nur eben angefangen durchzugehen und kann Ihnen meine Resultate und Bedenklichkeiten erst später vorlegen.' $isaprint = true $isnewtranslation = false $statemsg = 'betamsg15' $cittitle = '' $description = 'August Wilhelm von Schlegel an Karl Josef Hieronymus Windischmann am 29.12.1834, Bonn' $adressatort = 'Unknown' $absendeort = 'Bonn <a class="gndmetadata" target="_blank" href="http://d-nb.info/gnd/1001909-1">GND</a>' $date = '29.12.1834' $adressat = array( (int) 7093 => array( 'ID' => '7093', 'project' => '1', 'timecreate' => '2014-05-15 14:44:43', 'timelastchg' => '2017-10-04 15:01:11', 'key' => 'AWS-ap-00jm', 'docTyp' => array( 'name' => 'Person', 'id' => '39' ), '39_name' => 'Windischmann, Karl Josef Hieronymus', '39_geschlecht' => 'm', '39_gebdatum' => '1775-08-24', '39_toddatum' => '1839-04-23', '39_lebenwirken' => 'Arzt, Philologe Karl Josef Hieronymus Windischmann studierte Medizin in Würzburg und Wien. 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Nach meiner Denkart kann ich überhaupt keine vorgängige Censur billigen, geschweige denn eine so fränkisch-bischöflich ausgeübte. Ich meine, man müße jeden ungehindert reden und ausreden laßen, wie auch seine Bejahungen oder Verneinungen beschaffen sein mögen: [3] ihm fällt ja die gesetzliche und sittliche Verantwortlichkeit anheim. Auch versteht es sich, daß die andern das Recht haben, nicht zuzuhören. Bei gedruckten Schriften ergiebt sich dieß glücklicher Weise schon aus der Sache selbst: Bücher wären ein bedenkliches Ding, wenn sie Leser erzwingen könnten. <br>Aus eignem Antriebe hätte ich gewiß diese Hefte nicht gelesen; denn ich sah voraus, daß ich weder in wißenschaftlicher, noch in psychologisch-biographischer Hinsicht etwas Neues daraus erfahren würde; ich sah voraus, daß die Lesung nur schmerzliche Empfindungen bei mir aufregen würde, die ich gern von meiner Erinnerung entfernt halte. Der in Ihrer Mittheilung liegenden Aufforderung gemäß habe ich sie jedoch gelesen, sofern sie für mich in der ziemlich verworrenen und mit Abbreviaturen und Chiffern überladenen Handschrift lesbar waren. Es sei mir erlaubt, Ihnen meine Ansicht vorzulegen, wobei ich nicht die Anmaßung habe, Ihre Vollmacht im mindesten zu beschränken. Sie haben in Ihrer Ankündigung am Schluße der [4] ersten Seite den bei der Herausgabe eines handschriftlichen Nachlaßes zu befolgenden Grundsatz aufgestellt, womit ich ganz einverstanden bin. <br>Vieles von dem, was den Inhalt dieser Hefte ausmacht, hat mein Bruder in der langen Reihe von Jahren, die er seitdem in fast ununterbrochener Muße der Forschung und Betrachtung widmen konnte, auf andre Weise verarbeitet, bereits öffentlich vorgetragen. Das Uebrige besteht großentheils offenbar in kombinatorischen Versuchen. Dahin rechne ich auch die Tabellen am Rande: es ist ein Würfelspiel, ein Kartenlegen mit hypostasierten Begriffen, die in allen möglichen Anordnungen wiederkehren; und gesetzt es läge ein tiefer Sinn darin, was ich bezweifle, so sind sie doch für Jeden ohne einen Schlüßel zu der abstrusen und willkürlichen Terminologie unverständlich. <br>Ferner erhellt aus den unzählig oft wieder kommenden Vielleicht, Wohl, Etwa, Es scheint, Oder, Sollte nicht, Könnte, Möchte, Dürfteʼ und den Fragezeichen, daß viele der aufgestellten Behauptungen [5] bei ihm noch gar nicht zu einer festen Ueberzeugung gediehen waren. Aber auch solchen Sätzen, die er scheinbar entschieden ausspricht, wird an andern Stellen auffallend widersprochen. <br>Demnach bleibt nur Weniges übrig, wovon mit Sicherheit angenommen werden kann, daß er es selbst, und zwar in der grellen barocken Form, wie es hier steht, zur Bekanntmachung geeignet gefunden haben würde. <br>Die Auswahl steht Ihnen zu. 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Es könnte also ein Nachdruck der in der Sammlung noch fehlenden Schriften veranstaltet werden, ohne eine solche Auswahl, wie Friedrichs Freunde sie wünschen mögen. Dieser Gefahr wäre einigermaßen vorgebeugt, wenn die Sammlung vervollständigt und ausdrücklich für geschloßen erklärt wäre: denn alsdann sind die Werke ein Bibliotheksbuch. Das deutsche Publikum scheint dergleichen Sammlungen zu lieben; wir haben viele Beispiele von sehr bändereichen, worin Schriften mit aufgenommen sind, welche bei ihrer ersten Erscheinung schon wenig Käufer fanden, und bei einem neuen besonderen Abdruck deren noch weniger gefunden hätten. <br>Freilich das einmal Gedruckte hat man immer unwiderruflich aus der Hand gelaßen, man kann es nicht wieder zurückholen. Vielleicht haben [8] wir es nur der Vergeßlichkeit des deutschen Publikums zu verdanken, daß kein Nachdruck der Lucinde anʼs Licht getreten ist. 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Wie ernst ich den Druck dieser thörichten Rhapsodie abgerathen, wiewohl ich noch ziemlich jung und tollkühn genug war, erhellet aus seinen Briefen, worin er mich den Antiroman nennt. <br>In Bezug auf die Hefte zur Philosophie und Theo[9]logie, deren ja nach Ihrer Angabe aus den späteren Jahren noch viele vorhanden sein müßen, bemerke ich noch Folgendes: Bei der durchgängig entgegengesetzten Richtung ist doch die Manier genau dieselbe, wie in den Fragmenten im Athenäum. Das Fragment war ihm schon früh ein hypostasterter Lieblingsbegriff geworden und ist es immer geblieben. Eine Jagd auf den Schein des Paradoxen ist unverkennbar. Auch in den mitgetheilten Heften habe ich hier und da meine eignen, längst gehegten Ueberzeugungen wieder gefunden, die jedoch unter der seltsamen Verkleidung mit selbst beinahe widerwärtig wurden. Wenn er aber zusammenhängend und ausführlich schrieb, dann verfuhr er ganz anders schon in der frühesten Periode. Vollends aber in der letzten versäumte er niemals, ehe er vor dem Publikum auftrat, conciliatorische Filzschuhe anzulegen. Mich konnte er freilich damit nicht täuschen; aber arglose Zuhörer und Leser haben wohl manche Sätze vorbeischlüpfen laßen, ohne zu merken, wohin sie führten. Diese Bemühung hatte sogar auf seine [10] Schreibart einen sichtbaren, sehr nachtheiligen Einfluß: sie wurde durch alle die Bevorwortungen, Limitationen und Kautelen schwerfällig und verworren. <br>Wiewohl er in die ,Sämmtlichen Werleʻ so manche Jugendschriften aufgenommen hat, unverändert, nur mit dem Korrektiv einer Einleitung oder Schlußbemerkung, so ist doch die Reihe an die Fragmente aus dem Lyceum und Athenäum nicht gekommen. Und hier hatte er ja nichts weiter zu thun, als das ihm anstößig Gewordene auszustreichen, und ihm wäre noch eine reiche Auswahl witziger Einfälle, treffender Urtheile und sinnreicher Gedanken übrig geblieben. <br>Aus allem Obigen schließe ich, daß er nur sehr Weniges aus diesen Heften in der Form oder Unform der ersten abgerißnen Aufzeichnung öffentlich ausgesprochen haben wurde. <br>Da mir nun Frau Dorothee von Schlegel schreibt, die Hefte historischen, litterarischen und philologischen Inhalts hätten die Professoren Steingaß und [11] Bock (mir ziemlich unbekannte Namen) übernommen, so bin ich eigentlich mit keinem Theil des ungedruckten Nachlaßes beauftragt. Selbst die neueren Studien über Indien, die Sie erwähnen, gehören ja zu dem philologischen Fach. <br>Was die bereits gedruckten Schriften betrifft, so kann nur bei einigen der frühesten ein Zweifel eintreten, ob er sie in die Sammlung seiner Werke aufgenommen oder davon ausgeschloßen haben würde. Denn das mußte er doch einsehen, daß es unmöglich sei, die mannichfaltigen Verwandlungen seiner Denkart der Welt zu verheimlichen. Die Bahn seines Geistes war von jeher mehr als kometenhaft. Die höchst excentrische Ellipse wechselte plötzlich ihre Neigung gegen die Himmelsgegenden, ihre Neigung gegen die Ekliptik und ihren positiven und negativen Brennpunkt. <br>Aus der späteren Zeit sind, ohne noch die zerstreuten Aufsätze zu rechnen, vier starke Bände vorhanden. Die sämmtlichen Werke würden folglich auf 16 bis 18 Bände anwachsen, und diese Ver[12]vollständigung scheint mir für seinen Ruhm das Ersprießlichste. <br>Friedrichs Briefe an mich habe ich nur eben angefangen durchzugehen und kann Ihnen meine Resultate und Bedenklichkeiten erst später vorlegen.', '36_xml' => '<p>[1] <hi rend="weight:bold">d. d</hi>. 29. Decemb. 1834. <lb/>Der König Chilperich besaß für einen Franken des sechsten Jahrhunderts eine bedeutende litterarische Bildung. 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Und hiezu wurde ich durch den Brief meiner Schwägerin veranlaßt, indem sie schreibt: ,Was sonst noch zerstreut bei verschiedenen Anläßen oder Zeitblätblättern bereits in früherer Zeit gedruckt ist, was sich eignen möchte, wieder aufgenommen zu werden, das weiß Niemand so gut, als Sie, da Sie ja früher mit allen seinen Arbeiten bekannt waren.ʻ Von diesen seit vielen Jahren aus dem Umlauf gekommenen, und also für die jüngeren Zeitgenossen so gut wie neuen Schriften habe ich nun ein, soviel möglich, vollständiges Verzeichniß mit Anmerkungen aufgesetzt, wovon ich Ihnen, so wie meiner Schwägerin, eine Abschrift einhändigen werde.<lb/>Die Ergänzung der sämmtlichen Werke [7] schien mir deswegen das Dringendste, weil bis jetzt das Eigenthum des Schriftstellers, und besonders eines verstorbenen, in Deutschland durch eine allgemeine Gesetzgebung noch gar nicht gesichert ist. Es könnte also ein Nachdruck der in der Sammlung noch fehlenden Schriften veranstaltet werden, ohne eine solche Auswahl, wie Friedrichs Freunde sie wünschen mögen. Dieser Gefahr wäre einigermaßen vorgebeugt, wenn die Sammlung vervollständigt und ausdrücklich für geschloßen erklärt wäre: denn alsdann sind die Werke ein Bibliotheksbuch. Das deutsche Publikum scheint dergleichen Sammlungen zu lieben; wir haben viele Beispiele von sehr bändereichen, worin Schriften mit aufgenommen sind, welche bei ihrer ersten Erscheinung schon wenig Käufer fanden, und bei einem neuen besonderen Abdruck deren noch weniger gefunden hätten. <lb/>Freilich das einmal Gedruckte hat man immer unwiderruflich aus der Hand gelaßen, man kann es nicht wieder zurückholen. Vielleicht haben [8] wir es nur der Vergeßlichkeit des deutschen Publikums zu verdanken, daß kein Nachdruck der Lucinde anʼs Licht getreten ist. Ein sehr wohlwollender Mann, Herr Golbéry, Rath des königlichen Gerichtshofes in Kolmar, hat Artikel über Friedrich und mich in der <hi rend="weight:bold">Biographie universelle</hi> geschrieben; ferner eine ausführliche Nachricht von meiner litterarischen Laufbahn in der <hi rend="weight:bold">Revue germanique</hi>. Dasselbe wollte er nun auch in Bezug auf Friedrich thun, und schrieb mir, er habe sich dessen Schriften, auch die hier und da zerstreuten, so vollständig wie möglich verschafft, nur die Lucinde habe er nicht auftreiben können. Ich beschwor ihn, sie entweder ganz mit Stillschweigen zu übergehen, oder sie nur flüchtig zu erwähnen, und er versprach, es so damit zu halten. Wie ernst ich den Druck dieser thörichten Rhapsodie abgerathen, wiewohl ich noch ziemlich jung und tollkühn genug war, erhellet aus seinen Briefen, worin er mich den Antiroman nennt. <lb/>In Bezug auf die Hefte zur Philosophie und Theo[9]logie, deren ja nach Ihrer Angabe aus den späteren Jahren noch viele vorhanden sein müßen, bemerke ich noch Folgendes: Bei der durchgängig entgegengesetzten Richtung ist doch die Manier genau dieselbe, wie in den Fragmenten im Athenäum. Das Fragment war ihm schon früh ein hypostasterter Lieblingsbegriff geworden und ist es immer geblieben. Eine Jagd auf den Schein des Paradoxen ist unverkennbar. Auch in den mitgetheilten Heften habe ich hier und da meine eignen, längst gehegten Ueberzeugungen wieder gefunden, die jedoch unter der seltsamen Verkleidung mit selbst beinahe widerwärtig wurden. Wenn er aber zusammenhängend und ausführlich schrieb, dann verfuhr er ganz anders schon in der frühesten Periode. Vollends aber in der letzten versäumte er niemals, ehe er vor dem Publikum auftrat, conciliatorische Filzschuhe anzulegen. Mich konnte er freilich damit nicht täuschen; aber arglose Zuhörer und Leser haben wohl manche Sätze vorbeischlüpfen laßen, ohne zu merken, wohin sie führten. Diese Bemühung hatte sogar auf seine [10] Schreibart einen sichtbaren, sehr nachtheiligen Einfluß: sie wurde durch alle die Bevorwortungen, Limitationen und Kautelen schwerfällig und verworren. <lb/>Wiewohl er in die ,Sämmtlichen Werleʻ so manche Jugendschriften aufgenommen hat, unverändert, nur mit dem Korrektiv einer Einleitung oder Schlußbemerkung, so ist doch die Reihe an die Fragmente aus dem Lyceum und Athenäum nicht gekommen. Und hier hatte er ja nichts weiter zu thun, als das ihm anstößig Gewordene auszustreichen, und ihm wäre noch eine reiche Auswahl witziger Einfälle, treffender Urtheile und sinnreicher Gedanken übrig geblieben. <lb/>Aus allem Obigen schließe ich, daß er nur sehr Weniges aus diesen Heften in der Form oder Unform der ersten abgerißnen Aufzeichnung öffentlich ausgesprochen haben wurde. <lb/>Da mir nun Frau Dorothee von Schlegel schreibt, die Hefte historischen, litterarischen und philologischen Inhalts hätten die Professoren Steingaß und [11] Bock (mir ziemlich unbekannte Namen) übernommen, so bin ich eigentlich mit keinem Theil des ungedruckten Nachlaßes beauftragt. Selbst die neueren Studien über Indien, die Sie erwähnen, gehören ja zu dem philologischen Fach. <lb/>Was die bereits gedruckten Schriften betrifft, so kann nur bei einigen der frühesten ein Zweifel eintreten, ob er sie in die Sammlung seiner Werke aufgenommen oder davon ausgeschloßen haben würde. Denn das mußte er doch einsehen, daß es unmöglich sei, die mannichfaltigen Verwandlungen seiner Denkart der Welt zu verheimlichen. Die Bahn seines Geistes war von jeher mehr als kometenhaft. Die höchst excentrische Ellipse wechselte plötzlich ihre Neigung gegen die Himmelsgegenden, ihre Neigung gegen die Ekliptik und ihren positiven und negativen Brennpunkt. <lb/>Aus der späteren Zeit sind, ohne noch die zerstreuten Aufsätze zu rechnen, vier starke Bände vorhanden. Die sämmtlichen Werke würden folglich auf 16 bis 18 Bände anwachsen, und diese Ver[12]vollständigung scheint mir für seinen Ruhm das Ersprießlichste. <lb/>Friedrichs Briefe an mich habe ich nur eben angefangen durchzugehen und kann Ihnen meine Resultate und Bedenklichkeiten erst später vorlegen. 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[1] d. d. 29. Decemb. 1834.
Der König Chilperich besaß für einen Franken des sechsten Jahrhunderts eine bedeutende litterarische Bildung. Er machte lateinische Verse, und war ein Liebhaber der Theologie. Er hatte einen lateinischen Traktat über die Dreieinigkeit geschrieben, und schmeichelte sich, dieses Dogma wißenschaftlicher, als bisher geschehen war, behandelt zu haben. Er lud einige Bischöfe ein, denen er es vorlas; aber es gerieth ihm übel damit. Die Bischöfe mißbilligten einstimmig seine Abhand[2]lung; indessen mochten die, welche aus römischen Familien abstammten, aus Scheu vor seiner Würde und Macht sich mit einiger Mäßigung äußern; der Bischof Bertram aber, ein Franke von Geburt, der in seinem geistlichen Stande sein angeerbtes Kriegergeblüt nicht ganz verleugnen konnte, riß dem Könige das Manuskript aus der Hand und warf es in den brennenden Kamin.
Ob eine Versammlung von gelehrten, besonnenen und gläubig bei den Lehren ihrer Kirche verharrenden katholischen Geistlichen, wenn sie zu einer Entscheidung berufen wäre, mit diesen fünf Heften ,zur Philosophie und Theologieʻ [von Friedrich Schlegel], die ja auch großentheils Materialien zu einer Abhandlung über die Dreieinigkeit enthalten, so verfahren würde, das laße ich dahin gestellt sein. Nach meiner Denkart kann ich überhaupt keine vorgängige Censur billigen, geschweige denn eine so fränkisch-bischöflich ausgeübte. Ich meine, man müße jeden ungehindert reden und ausreden laßen, wie auch seine Bejahungen oder Verneinungen beschaffen sein mögen: [3] ihm fällt ja die gesetzliche und sittliche Verantwortlichkeit anheim. Auch versteht es sich, daß die andern das Recht haben, nicht zuzuhören. Bei gedruckten Schriften ergiebt sich dieß glücklicher Weise schon aus der Sache selbst: Bücher wären ein bedenkliches Ding, wenn sie Leser erzwingen könnten.
Aus eignem Antriebe hätte ich gewiß diese Hefte nicht gelesen; denn ich sah voraus, daß ich weder in wißenschaftlicher, noch in psychologisch-biographischer Hinsicht etwas Neues daraus erfahren würde; ich sah voraus, daß die Lesung nur schmerzliche Empfindungen bei mir aufregen würde, die ich gern von meiner Erinnerung entfernt halte. Der in Ihrer Mittheilung liegenden Aufforderung gemäß habe ich sie jedoch gelesen, sofern sie für mich in der ziemlich verworrenen und mit Abbreviaturen und Chiffern überladenen Handschrift lesbar waren. Es sei mir erlaubt, Ihnen meine Ansicht vorzulegen, wobei ich nicht die Anmaßung habe, Ihre Vollmacht im mindesten zu beschränken. Sie haben in Ihrer Ankündigung am Schluße der [4] ersten Seite den bei der Herausgabe eines handschriftlichen Nachlaßes zu befolgenden Grundsatz aufgestellt, womit ich ganz einverstanden bin.
Vieles von dem, was den Inhalt dieser Hefte ausmacht, hat mein Bruder in der langen Reihe von Jahren, die er seitdem in fast ununterbrochener Muße der Forschung und Betrachtung widmen konnte, auf andre Weise verarbeitet, bereits öffentlich vorgetragen. Das Uebrige besteht großentheils offenbar in kombinatorischen Versuchen. Dahin rechne ich auch die Tabellen am Rande: es ist ein Würfelspiel, ein Kartenlegen mit hypostasierten Begriffen, die in allen möglichen Anordnungen wiederkehren; und gesetzt es läge ein tiefer Sinn darin, was ich bezweifle, so sind sie doch für Jeden ohne einen Schlüßel zu der abstrusen und willkürlichen Terminologie unverständlich.
Ferner erhellt aus den unzählig oft wieder kommenden Vielleicht, Wohl, Etwa, Es scheint, Oder, Sollte nicht, Könnte, Möchte, Dürfteʼ und den Fragezeichen, daß viele der aufgestellten Behauptungen [5] bei ihm noch gar nicht zu einer festen Ueberzeugung gediehen waren. Aber auch solchen Sätzen, die er scheinbar entschieden ausspricht, wird an andern Stellen auffallend widersprochen.
Demnach bleibt nur Weniges übrig, wovon mit Sicherheit angenommen werden kann, daß er es selbst, und zwar in der grellen barocken Form, wie es hier steht, zur Bekanntmachung geeignet gefunden haben würde.
Die Auswahl steht Ihnen zu. Wann sie erst getroffen sein wird, dann möchte es rathsam sein, diese Hefte zu vernichten, damit nicht irgend einmal, wenn der Zufall sie in feindselige Hände brächte, ein Mißbrauch davon zum Aergerniß und zum Spott gemacht werde. Dieß wäre leicht; es ließe sich eine stattliche Blumenlese der Art aufstellen. Es wird nicht nöthig sein, daß ich Beispiele abschreibe; ich habe mir nicht einmal erlaubt, Stellen anzuzeichnen.
Ich war in einem Mißverständnisse befangen, welches sich erst neulich durch unser Gespräch aufklärte. [6] Ich glaubte, die Absicht sei, eine Ergänzung der sämmtlichen Werke zu liefern, deren Herausgabe ja durch zufällige Umstände unterbrochen worden war. Und hiezu wurde ich durch den Brief meiner Schwägerin veranlaßt, indem sie schreibt: ,Was sonst noch zerstreut bei verschiedenen Anläßen oder Zeitblätblättern bereits in früherer Zeit gedruckt ist, was sich eignen möchte, wieder aufgenommen zu werden, das weiß Niemand so gut, als Sie, da Sie ja früher mit allen seinen Arbeiten bekannt waren.ʻ Von diesen seit vielen Jahren aus dem Umlauf gekommenen, und also für die jüngeren Zeitgenossen so gut wie neuen Schriften habe ich nun ein, soviel möglich, vollständiges Verzeichniß mit Anmerkungen aufgesetzt, wovon ich Ihnen, so wie meiner Schwägerin, eine Abschrift einhändigen werde.
Die Ergänzung der sämmtlichen Werke [7] schien mir deswegen das Dringendste, weil bis jetzt das Eigenthum des Schriftstellers, und besonders eines verstorbenen, in Deutschland durch eine allgemeine Gesetzgebung noch gar nicht gesichert ist. Es könnte also ein Nachdruck der in der Sammlung noch fehlenden Schriften veranstaltet werden, ohne eine solche Auswahl, wie Friedrichs Freunde sie wünschen mögen. Dieser Gefahr wäre einigermaßen vorgebeugt, wenn die Sammlung vervollständigt und ausdrücklich für geschloßen erklärt wäre: denn alsdann sind die Werke ein Bibliotheksbuch. Das deutsche Publikum scheint dergleichen Sammlungen zu lieben; wir haben viele Beispiele von sehr bändereichen, worin Schriften mit aufgenommen sind, welche bei ihrer ersten Erscheinung schon wenig Käufer fanden, und bei einem neuen besonderen Abdruck deren noch weniger gefunden hätten.
Freilich das einmal Gedruckte hat man immer unwiderruflich aus der Hand gelaßen, man kann es nicht wieder zurückholen. Vielleicht haben [8] wir es nur der Vergeßlichkeit des deutschen Publikums zu verdanken, daß kein Nachdruck der Lucinde anʼs Licht getreten ist. Ein sehr wohlwollender Mann, Herr Golbéry, Rath des königlichen Gerichtshofes in Kolmar, hat Artikel über Friedrich und mich in der Biographie universelle geschrieben; ferner eine ausführliche Nachricht von meiner litterarischen Laufbahn in der Revue germanique. Dasselbe wollte er nun auch in Bezug auf Friedrich thun, und schrieb mir, er habe sich dessen Schriften, auch die hier und da zerstreuten, so vollständig wie möglich verschafft, nur die Lucinde habe er nicht auftreiben können. Ich beschwor ihn, sie entweder ganz mit Stillschweigen zu übergehen, oder sie nur flüchtig zu erwähnen, und er versprach, es so damit zu halten. Wie ernst ich den Druck dieser thörichten Rhapsodie abgerathen, wiewohl ich noch ziemlich jung und tollkühn genug war, erhellet aus seinen Briefen, worin er mich den Antiroman nennt.
In Bezug auf die Hefte zur Philosophie und Theo[9]logie, deren ja nach Ihrer Angabe aus den späteren Jahren noch viele vorhanden sein müßen, bemerke ich noch Folgendes: Bei der durchgängig entgegengesetzten Richtung ist doch die Manier genau dieselbe, wie in den Fragmenten im Athenäum. Das Fragment war ihm schon früh ein hypostasterter Lieblingsbegriff geworden und ist es immer geblieben. Eine Jagd auf den Schein des Paradoxen ist unverkennbar. Auch in den mitgetheilten Heften habe ich hier und da meine eignen, längst gehegten Ueberzeugungen wieder gefunden, die jedoch unter der seltsamen Verkleidung mit selbst beinahe widerwärtig wurden. Wenn er aber zusammenhängend und ausführlich schrieb, dann verfuhr er ganz anders schon in der frühesten Periode. Vollends aber in der letzten versäumte er niemals, ehe er vor dem Publikum auftrat, conciliatorische Filzschuhe anzulegen. Mich konnte er freilich damit nicht täuschen; aber arglose Zuhörer und Leser haben wohl manche Sätze vorbeischlüpfen laßen, ohne zu merken, wohin sie führten. Diese Bemühung hatte sogar auf seine [10] Schreibart einen sichtbaren, sehr nachtheiligen Einfluß: sie wurde durch alle die Bevorwortungen, Limitationen und Kautelen schwerfällig und verworren.
Wiewohl er in die ,Sämmtlichen Werleʻ so manche Jugendschriften aufgenommen hat, unverändert, nur mit dem Korrektiv einer Einleitung oder Schlußbemerkung, so ist doch die Reihe an die Fragmente aus dem Lyceum und Athenäum nicht gekommen. Und hier hatte er ja nichts weiter zu thun, als das ihm anstößig Gewordene auszustreichen, und ihm wäre noch eine reiche Auswahl witziger Einfälle, treffender Urtheile und sinnreicher Gedanken übrig geblieben.
Aus allem Obigen schließe ich, daß er nur sehr Weniges aus diesen Heften in der Form oder Unform der ersten abgerißnen Aufzeichnung öffentlich ausgesprochen haben wurde.
Da mir nun Frau Dorothee von Schlegel schreibt, die Hefte historischen, litterarischen und philologischen Inhalts hätten die Professoren Steingaß und [11] Bock (mir ziemlich unbekannte Namen) übernommen, so bin ich eigentlich mit keinem Theil des ungedruckten Nachlaßes beauftragt. Selbst die neueren Studien über Indien, die Sie erwähnen, gehören ja zu dem philologischen Fach.
Was die bereits gedruckten Schriften betrifft, so kann nur bei einigen der frühesten ein Zweifel eintreten, ob er sie in die Sammlung seiner Werke aufgenommen oder davon ausgeschloßen haben würde. Denn das mußte er doch einsehen, daß es unmöglich sei, die mannichfaltigen Verwandlungen seiner Denkart der Welt zu verheimlichen. Die Bahn seines Geistes war von jeher mehr als kometenhaft. Die höchst excentrische Ellipse wechselte plötzlich ihre Neigung gegen die Himmelsgegenden, ihre Neigung gegen die Ekliptik und ihren positiven und negativen Brennpunkt.
Aus der späteren Zeit sind, ohne noch die zerstreuten Aufsätze zu rechnen, vier starke Bände vorhanden. Die sämmtlichen Werke würden folglich auf 16 bis 18 Bände anwachsen, und diese Ver[12]vollständigung scheint mir für seinen Ruhm das Ersprießlichste.
Friedrichs Briefe an mich habe ich nur eben angefangen durchzugehen und kann Ihnen meine Resultate und Bedenklichkeiten erst später vorlegen.
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