• Friedrich Wilhelm Joseph von Schelling to August Wilhelm von Schlegel

  • Place of Dispatch: München · Place of Destination: Unknown · Date: 23.11.1810
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
    Metadata Concerning Header
  • Sender: Friedrich Wilhelm Joseph von Schelling
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel
  • Place of Dispatch: München
  • Place of Destination: Unknown
  • Date: 23.11.1810
    Printed Text
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: 335973167
  • Bibliography: Krisenjahre der Frühromantik. Briefe aus dem Schlegelkreis. Hg. v. Josef Körner. Bd. 2. Der Texte zweite Hälfte. 1809‒1844. Bern u.a. ²1969, S. 182‒183.
  • Incipit: „[1] München d. 23. Nov. 1810.
    Ihren Brief, werthester Freund, vom August vorigen Jahrs bekam ich, weil er nach München gegangen und [...]“
    Manuscript
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: APP2712-Bd-7
  • Classification Number: Mscr.Dresd.App.2712,B,24,11
  • Number of Pages: 3 S. auf Doppelbl., hs. m. U. u. Adresse
  • Format: 24,9 x 20,5 cm
[1] München d. 23. Nov. 1810.
Ihren Brief, werthester Freund, vom August vorigen Jahrs bekam ich, weil er nach München gegangen und ich mehrere Wochen von Stuttgart verreist war, erst Mitte Septembers zur Hand; damals hatte ich schon Anstalten zur Rückreise zu treffen, und seit Anfang des vorigen Monats, daß ich hier bin, haben eigne und amtliche Geschäfte, die seit 9 Monaten auf mich gewartet, alle meine Zeit dergestalt hinweggenommen, daß ich in der That erst heute den ruhigen Augenblick finde, Ihnen zu schreiben.
Nun weiß ich zwar nicht, wohin ich mich mit diesem Briefe zu wenden habe: überʼs Meer sind Sie doch noch nicht gezogen; das wüßte ich wenigstens aus öffentlichen Blättern; ob Sie noch in Paris sind zweifle ich und halte für das sicherste, dieses Schreiben an Cotta zu empfelen, der vielleicht gewissere Nachricht von Ihrem Aufenthalt hat, den ich jedoch in Coppet vermuthe.
Von Tieck habe ich seit meinem lezten Briefe an Sie nichts weiter gehört noch gelesen: nur Reisende versicherten mir seitdem, daß er noch gegen Ende Septembers in Zürich gewesen, ob er gleich Mitte Julys geschrieben hatte, daß er binnen 8. Tagen abgehe und daher einen Wechselbrief nach Mayland, den ich aber an Füßly in Zürich addressiren solle, begehrte. Dieser Umstand rechtfertigt meine damalige Vorsicht, ihm den Wechsel auf gute Art abzuschlagen, der unstreitig in Zürich versilbert und dort verzehrt worden wäre, ohne daß auch [2] nur das Material zu dem Monument gekauft wäre. Es ist aber höchst sonderbar von Tieck, daß er seitdem durchaus nicht geschrieben, ob er über die Alpen gegangen oder noch dießeits ist. Die 10. höchstens 15. Louisdʼors die ihm für Ankauf des Marmors zugesagt waren, hätten ihm, da er sich in Zürich schon wieder so festgegessen und gesessen hatte, doch nicht hinüber geholfen. Sey er aber, wo er wolle, so kann ich mein Verfahren nicht bereuen noch auch in der Folge ändern, indem ich schlechterdings keinen Grund habe, mich freywillig in das Verhältniß mit ihm zu begeben, in welchem Sie bereits wegen der nämlichen Sache sich mit ihm befinden. Ich habe auf die beyden Fälle, daß er sich in Florenz oder in Rom befinden sollte, an beyden Orten Commissionäre ausgemacht, die ihm die Bezalung im Verhältniß des Vorrückens der Arbeit machen sollen: auf einen andern Fuß kann ich mich einmal mit ihm nicht setzen und habe ihm dieß auch in einem Brief gemeldet, den ich unter seiner früheren Addresse nach Zürich habe gehen lassen. Sollte er sich aber noch in Zürich befinden und gar keine Aussicht seyn, daß er so bald nach Italien käme, so bin ich denn freylich genöthigt, mich wegen der Arbeit an einen andern Künstler zu wenden. Ich würde zu dieser Maßregel nur höchst ungern schreiten; aber mein Mißtrauen in die Zuverläßigkeit seiner Versprechungen und Plane, das schon immer groß war, hat seit seinem Hierseyn den höchsten Grad erreicht.
So viel von dieser Sache, bey der ich kein andres Interesse haben kann, als den mir heiligen Willen der Verstorbenen so schnell und so gut wie möglich erfüllt zu sehen.
[3] Bey der Rückkehr fand ich noch unter ihren Sachen eine jener Zeichnungen der unvergeßlichen Auguste, die ich Ihnen, sobald Sie mir eine Addresse und womöglich auch eine Gelegenheit angeben, sogleich zuschicken werde.
Von HE. Glökleʼs Unternehmungen habe ich viel Rühmliches gehört; unser Kronprinz ist uns jezt entzogen und lebt den Winter in Innsbruck; indeß getraute ich mir, troz der Lauigkeit für altdeutsche Literatur, die bey unserer Akademie der Wissenschaften noch immer herrscht, durch unmittelbare Empfelung entweder zu bewirken, daß ihm schon gefertigte Abschriften altdeutscher Gedichte abgekauft würden, oder daß er förmliche Aufträge für solche erhielte, wenn nur irgend jemand für seine Genauigkeit und Gewissenhaftigkeit in Fertigung derselben bürgen könnte.
Wir alle, besonders Jacobi, sind hier trostlos, daß wir die lettres sur lʼAllemagne, wie man versichert, nicht sehen werden. Können Sie, theurester Freund, uns irgend einen Trost hierüber geben, so bitte ich Sie darum.
Franz Baader reist in wenigen Tagen in Privatgeschäften nach Wien und Oestreich.
Bey meiner Rückkehr fand ich ein Paket von den Herrn Mohr und Zimmer mit dem 2ten Theil Ihrer dramaturgischen Vorlesungen: den lsten habe ich nie erhalten; doch danke ich herzlich für diesen.
Darf ich Sie bitten, Frau v. Stael meinen Respect zu bezeugen. Lassen Sie mich mein langes Stillschweigen nicht entgelten, und zugleich die angenehme Hoffnung fassen, daß Sie (vor der Hand wenigstens) für Europa und die lettres sur lʼAllemagne nicht für die Welt verloren sind.
Ihr
treu-ergebenster
Schelling.
N.S. Ihren Brief habe ich dem meinigen
an Tieck beygeschlossen.
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[1] München d. 23. Nov. 1810.
Ihren Brief, werthester Freund, vom August vorigen Jahrs bekam ich, weil er nach München gegangen und ich mehrere Wochen von Stuttgart verreist war, erst Mitte Septembers zur Hand; damals hatte ich schon Anstalten zur Rückreise zu treffen, und seit Anfang des vorigen Monats, daß ich hier bin, haben eigne und amtliche Geschäfte, die seit 9 Monaten auf mich gewartet, alle meine Zeit dergestalt hinweggenommen, daß ich in der That erst heute den ruhigen Augenblick finde, Ihnen zu schreiben.
Nun weiß ich zwar nicht, wohin ich mich mit diesem Briefe zu wenden habe: überʼs Meer sind Sie doch noch nicht gezogen; das wüßte ich wenigstens aus öffentlichen Blättern; ob Sie noch in Paris sind zweifle ich und halte für das sicherste, dieses Schreiben an Cotta zu empfelen, der vielleicht gewissere Nachricht von Ihrem Aufenthalt hat, den ich jedoch in Coppet vermuthe.
Von Tieck habe ich seit meinem lezten Briefe an Sie nichts weiter gehört noch gelesen: nur Reisende versicherten mir seitdem, daß er noch gegen Ende Septembers in Zürich gewesen, ob er gleich Mitte Julys geschrieben hatte, daß er binnen 8. Tagen abgehe und daher einen Wechselbrief nach Mayland, den ich aber an Füßly in Zürich addressiren solle, begehrte. Dieser Umstand rechtfertigt meine damalige Vorsicht, ihm den Wechsel auf gute Art abzuschlagen, der unstreitig in Zürich versilbert und dort verzehrt worden wäre, ohne daß auch [2] nur das Material zu dem Monument gekauft wäre. Es ist aber höchst sonderbar von Tieck, daß er seitdem durchaus nicht geschrieben, ob er über die Alpen gegangen oder noch dießeits ist. Die 10. höchstens 15. Louisdʼors die ihm für Ankauf des Marmors zugesagt waren, hätten ihm, da er sich in Zürich schon wieder so festgegessen und gesessen hatte, doch nicht hinüber geholfen. Sey er aber, wo er wolle, so kann ich mein Verfahren nicht bereuen noch auch in der Folge ändern, indem ich schlechterdings keinen Grund habe, mich freywillig in das Verhältniß mit ihm zu begeben, in welchem Sie bereits wegen der nämlichen Sache sich mit ihm befinden. Ich habe auf die beyden Fälle, daß er sich in Florenz oder in Rom befinden sollte, an beyden Orten Commissionäre ausgemacht, die ihm die Bezalung im Verhältniß des Vorrückens der Arbeit machen sollen: auf einen andern Fuß kann ich mich einmal mit ihm nicht setzen und habe ihm dieß auch in einem Brief gemeldet, den ich unter seiner früheren Addresse nach Zürich habe gehen lassen. Sollte er sich aber noch in Zürich befinden und gar keine Aussicht seyn, daß er so bald nach Italien käme, so bin ich denn freylich genöthigt, mich wegen der Arbeit an einen andern Künstler zu wenden. Ich würde zu dieser Maßregel nur höchst ungern schreiten; aber mein Mißtrauen in die Zuverläßigkeit seiner Versprechungen und Plane, das schon immer groß war, hat seit seinem Hierseyn den höchsten Grad erreicht.
So viel von dieser Sache, bey der ich kein andres Interesse haben kann, als den mir heiligen Willen der Verstorbenen so schnell und so gut wie möglich erfüllt zu sehen.
[3] Bey der Rückkehr fand ich noch unter ihren Sachen eine jener Zeichnungen der unvergeßlichen Auguste, die ich Ihnen, sobald Sie mir eine Addresse und womöglich auch eine Gelegenheit angeben, sogleich zuschicken werde.
Von HE. Glökleʼs Unternehmungen habe ich viel Rühmliches gehört; unser Kronprinz ist uns jezt entzogen und lebt den Winter in Innsbruck; indeß getraute ich mir, troz der Lauigkeit für altdeutsche Literatur, die bey unserer Akademie der Wissenschaften noch immer herrscht, durch unmittelbare Empfelung entweder zu bewirken, daß ihm schon gefertigte Abschriften altdeutscher Gedichte abgekauft würden, oder daß er förmliche Aufträge für solche erhielte, wenn nur irgend jemand für seine Genauigkeit und Gewissenhaftigkeit in Fertigung derselben bürgen könnte.
Wir alle, besonders Jacobi, sind hier trostlos, daß wir die lettres sur lʼAllemagne, wie man versichert, nicht sehen werden. Können Sie, theurester Freund, uns irgend einen Trost hierüber geben, so bitte ich Sie darum.
Franz Baader reist in wenigen Tagen in Privatgeschäften nach Wien und Oestreich.
Bey meiner Rückkehr fand ich ein Paket von den Herrn Mohr und Zimmer mit dem 2ten Theil Ihrer dramaturgischen Vorlesungen: den lsten habe ich nie erhalten; doch danke ich herzlich für diesen.
Darf ich Sie bitten, Frau v. Stael meinen Respect zu bezeugen. Lassen Sie mich mein langes Stillschweigen nicht entgelten, und zugleich die angenehme Hoffnung fassen, daß Sie (vor der Hand wenigstens) für Europa und die lettres sur lʼAllemagne nicht für die Welt verloren sind.
Ihr
treu-ergebenster
Schelling.
N.S. Ihren Brief habe ich dem meinigen
an Tieck beygeschlossen.
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