• Friedrich von Schlegel an August Wilhelm von Schlegel

  • Absendeort: Wien · Empfangsort: Unbekannt · Datum: 29.04.1811
Editionsstatus: Einmal kollationierter Druckvolltext mit Registerauszeichnung
    Briefkopfdaten
  • Absender: Friedrich von Schlegel
  • Empfänger: August Wilhelm von Schlegel
  • Absendeort: Wien
  • Empfangsort: Unbekannt
  • Datum: 29.04.1811
    Druck
  • Datengeber: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: 335973167
  • Bibliographische Angabe: Krisenjahre der Frühromantik. Briefe aus dem Schlegelkreis. Hg. v. Josef Körner. Bd. 2. Der Texte zweite Hälfte. 1809‒1844. Bern u.a. ²1969, S. 199‒200.
  • Incipit: „[1] Wien den 29ten April 1811.
    Geliebter Bruder, ich benutze die Gefälligkeit des HE Hartmann, um Dir meine so eben fertig gewordenen [...]“
    Handschrift
  • Datengeber: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: APP2712-Bd-8
  • Signatur: Mscr.Dresd.App.2712,B,II,23
  • Blatt-/Seitenzahl: 4 S. auf Doppelbl., hs. m. U.
  • Format: 18,7 x 11,5 cm
[1] Wien den 29ten April 1811.
Geliebter Bruder, ich benutze die Gefälligkeit des HE Hartmann, um Dir meine so eben fertig gewordenen Vorlesungen zu schicken. Da alle übrigen Exemplare noch beym Buchbinder sind, so wirst Du verzeihn, daß von den 2 Exemplaren das eine ein schlechtes von Aushängebogen ist, da Hartmann ohnehin eines bey sich im Wagen zum Lesen unterwegs zu haben wünschte.
Deine beyden Briefe vom 3ten und vom 26ten März habe ich richtig erhalten. Ich beschränke mich aber heute nur auf das allerwesentlichste, da es mir rathsamer scheint, manches auf einen Brief durch die Post zu versparen. – Sey versichert, daß ich alle Deine Aufträge und Wünsche sowohl wegen der Familiensache, als über die Niebelungen pünktlichst erfüllen werde. – Die Familiensache kannst Du selbst am besten befördern, wenn Du sie Charlotten recht ans Herz legst; denn ihre Mitwirkung werde ich doch bedürfen, um die nöthigen Taufscheine aus Sachsen herbey zu bringen, vielleicht wird man auch dem damit beauftragten Notar einen Geldvorschuß für die Auslagen machen müssen. [2] Ich überlege und behandle indessen die Sache gemeinschaftlich mit einem Manne (eben dem Besitzer der neulich erwähnten archivalischen Nachrichten) der sich derselben sehr freundschaftlich annimmt.
Die Schrift, wovon ich Dir neulich ein Stückchen Recension schickte, war ein historisches Taschenbuch von Hormayr, was aber für Deinen Zweck weiter nichts Bedeutendes enthält; so wie ich auch zweifle, daß Du noch besondre Nachweisungen von ihm erhalten wirst. Das beste was ich von ihm erfahre ist, daß höchst wahrscheinlich zwar keine ganze aber doch ein Stück von einer Handschrift der Niebelungen auf hiesiger Bibliothek vorhanden. Ob es demungeachtet möglich seyn wird, diese Spur bis zur Entdeckung und Hebung des Schatzes zu verfolgen, das ist noch zweifelhaft; Du kennst die Unwissenheit und Ungeselligkeit, die bey jenen Lokalen herscht. – Darüber jedoch so wie über alles übrige was Du nahmhaft machst, erwarte nun unverzüglich einen ausführlichen Bericht von mir. Ich [3] werde zu diesem Behuf eine Zeitlang tagtäglich auf die Bibliothek gehn. – Daß Du nun auch die Deutung auf Klingsor verlassen hast, und auf Ofterdingen stimmst, freut mich sehr; aber bloß Ausschmücker ist er gewiß nicht. Es ist zu sehr ein Guß in dem Ganzen, auch steht es zu weit abgesondert zu allen übrigen Deutschen Dichtungen der Zeit. Auf die hie und da vorkommenden sehr alten Reime solltest Du nicht zu viel geben; Du weißt ja wie jung die meisten Handschriften sind, und wie in jeder sehr alten Handschrift auch von Gedichten des 13ten Jahrh. dergleichen vorkommen und welch gar alterthümliches Ansehn das Ganze hat. – Buda heißt nicht bloß in einer ungarischen Chronik Etzelenburg, sondern es wird in sehr vielen, ja fast allgemein dasselbe angeführt; das Gran in den Niebelungen ist dann eine historische Variante, dergleichen sich unstreitig noch mehrere finden. Der Anonymus Belae enthält nichts für Deinen Zweck besonders wichtiges, da er erst mit Almus und den 7 Heerführern [4] der Madyaren beginnt; nur das ist immer wichtig daß damals als jene Chronik abgefaßt ward, die ungarische Sage sich doch noch so ganz auf den Attila als ersten Stifter bezog, dessen Ruhm und Andenken noch so lebhaft war. – So viel für heute. – Mehr, und so viel als das gute Glück bescheert, darfst Du mit nächstem erwarten. – Die Vorlesungen müssen heute mit für einen Brief gelten. Ich hoffe, auch Frau v. Staël wird sie aufmerksam lesen; empfiehl mich ihr. Gern hätte ich gleich noch 1 Exemplar beygelegt, aber heute ists unmöglich.
Meine Frau ist heute grade ziemlich unwohl; sie grüßt Dich von ganzem Herzen, wir schreiben mit nächstem zusammen. – Baader ist noch hier und ich sehe ihn oft, habe bey der Gelegenheit auch mehreres von St. Martin gelesen. Ueberhaupt hat er als Reizmittel zur Philosophie auf mich gewirkt. Unterdessen wird Dein Wunsch in Rücksicht Karl des Vten wohl in Erfüllung gehn. Ich umarme Dich brüderlich.
Friedrich
[1] Wien den 29ten April 1811.
Geliebter Bruder, ich benutze die Gefälligkeit des HE Hartmann, um Dir meine so eben fertig gewordenen Vorlesungen zu schicken. Da alle übrigen Exemplare noch beym Buchbinder sind, so wirst Du verzeihn, daß von den 2 Exemplaren das eine ein schlechtes von Aushängebogen ist, da Hartmann ohnehin eines bey sich im Wagen zum Lesen unterwegs zu haben wünschte.
Deine beyden Briefe vom 3ten und vom 26ten März habe ich richtig erhalten. Ich beschränke mich aber heute nur auf das allerwesentlichste, da es mir rathsamer scheint, manches auf einen Brief durch die Post zu versparen. – Sey versichert, daß ich alle Deine Aufträge und Wünsche sowohl wegen der Familiensache, als über die Niebelungen pünktlichst erfüllen werde. – Die Familiensache kannst Du selbst am besten befördern, wenn Du sie Charlotten recht ans Herz legst; denn ihre Mitwirkung werde ich doch bedürfen, um die nöthigen Taufscheine aus Sachsen herbey zu bringen, vielleicht wird man auch dem damit beauftragten Notar einen Geldvorschuß für die Auslagen machen müssen. [2] Ich überlege und behandle indessen die Sache gemeinschaftlich mit einem Manne (eben dem Besitzer der neulich erwähnten archivalischen Nachrichten) der sich derselben sehr freundschaftlich annimmt.
Die Schrift, wovon ich Dir neulich ein Stückchen Recension schickte, war ein historisches Taschenbuch von Hormayr, was aber für Deinen Zweck weiter nichts Bedeutendes enthält; so wie ich auch zweifle, daß Du noch besondre Nachweisungen von ihm erhalten wirst. Das beste was ich von ihm erfahre ist, daß höchst wahrscheinlich zwar keine ganze aber doch ein Stück von einer Handschrift der Niebelungen auf hiesiger Bibliothek vorhanden. Ob es demungeachtet möglich seyn wird, diese Spur bis zur Entdeckung und Hebung des Schatzes zu verfolgen, das ist noch zweifelhaft; Du kennst die Unwissenheit und Ungeselligkeit, die bey jenen Lokalen herscht. – Darüber jedoch so wie über alles übrige was Du nahmhaft machst, erwarte nun unverzüglich einen ausführlichen Bericht von mir. Ich [3] werde zu diesem Behuf eine Zeitlang tagtäglich auf die Bibliothek gehn. – Daß Du nun auch die Deutung auf Klingsor verlassen hast, und auf Ofterdingen stimmst, freut mich sehr; aber bloß Ausschmücker ist er gewiß nicht. Es ist zu sehr ein Guß in dem Ganzen, auch steht es zu weit abgesondert zu allen übrigen Deutschen Dichtungen der Zeit. Auf die hie und da vorkommenden sehr alten Reime solltest Du nicht zu viel geben; Du weißt ja wie jung die meisten Handschriften sind, und wie in jeder sehr alten Handschrift auch von Gedichten des 13ten Jahrh. dergleichen vorkommen und welch gar alterthümliches Ansehn das Ganze hat. – Buda heißt nicht bloß in einer ungarischen Chronik Etzelenburg, sondern es wird in sehr vielen, ja fast allgemein dasselbe angeführt; das Gran in den Niebelungen ist dann eine historische Variante, dergleichen sich unstreitig noch mehrere finden. Der Anonymus Belae enthält nichts für Deinen Zweck besonders wichtiges, da er erst mit Almus und den 7 Heerführern [4] der Madyaren beginnt; nur das ist immer wichtig daß damals als jene Chronik abgefaßt ward, die ungarische Sage sich doch noch so ganz auf den Attila als ersten Stifter bezog, dessen Ruhm und Andenken noch so lebhaft war. – So viel für heute. – Mehr, und so viel als das gute Glück bescheert, darfst Du mit nächstem erwarten. – Die Vorlesungen müssen heute mit für einen Brief gelten. Ich hoffe, auch Frau v. Staël wird sie aufmerksam lesen; empfiehl mich ihr. Gern hätte ich gleich noch 1 Exemplar beygelegt, aber heute ists unmöglich.
Meine Frau ist heute grade ziemlich unwohl; sie grüßt Dich von ganzem Herzen, wir schreiben mit nächstem zusammen. – Baader ist noch hier und ich sehe ihn oft, habe bey der Gelegenheit auch mehreres von St. Martin gelesen. Ueberhaupt hat er als Reizmittel zur Philosophie auf mich gewirkt. Unterdessen wird Dein Wunsch in Rücksicht Karl des Vten wohl in Erfüllung gehn. Ich umarme Dich brüderlich.
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