• Friedrich Wilhelm Joseph von Schelling to August Wilhelm von Schlegel

  • Place of Dispatch: München · Place of Destination: Unknown · Date: 15.05.1811
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
    Metadata Concerning Header
  • Sender: Friedrich Wilhelm Joseph von Schelling
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel
  • Place of Dispatch: München
  • Place of Destination: Unknown
  • Date: 15.05.1811
    Printed Text
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: 335973167
  • Bibliography: Krisenjahre der Frühromantik. Briefe aus dem Schlegelkreis. Hg. v. Josef Körner. Bd. 2. Der Texte zweite Hälfte. 1809‒1844. Bern u.a. ²1969, S. 204‒207.
  • Incipit: „München den 15 May [18]11.
    Der beyliegende Brief des Herrn Docen und das vielleicht noch früher Ihnen zugekommene Paket von ihm wird [...]“
    Manuscript
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: APP2712-Bd-7
  • Classification Number: Mscr.Dresd.App.2712,B,24,12
  • Number of Pages: 4 S. auf Doppelbl. u. 1 S., hs. m. U. u. Adresse
  • Format: 25 x 20,9 cm
München den 15 May [18]11.
Der beyliegende Brief des Herrn Docen und das vielleicht noch früher Ihnen zugekommene Paket von ihm wird Ihnen zeigen, Werthester Freund, daß ich nicht gesäumt habe, Ihren Auftrag im letzten Schreiben vom 15. des vorigen Monats so gut ich wußte auszuführen. Ich konnte mich an niemand anders als Docen wenden, den einzigen der hier von altdeutscher Litteratur gründlichere Kenntnisse hat. Er nahm den Auftrag sogleich an wie ich glaube vorzüglich weil er sich freute, Ihnen etwas Angenehmes erzeugen zu können. Die nämliche Arbeit hatte er schon für HE. v. der Hagen übernommen und angefangen; er will aber, wie er mir versprach, Ihnen das Original-Exemplar seiner Randanmerkungen und jenem nur die Copie davon schicken. Er selbst wird Ihnen das Nähere geschrieben haben. Beyliegendes gab er mir offen; ich hatte ihm, da ich nicht annehmen konnte, daß er selber das Geschäfft übernehmen würde und ihn nur ersuchte, die Aufsicht darüber zu führen, von Ihrem Anerbieten einer Remuneration gesagt; es scheint aber nach dem Ende des beyliegenden Briefs, daß auch er sich seine Arbeit bezahlen zu lassen wünscht, was Ihnen unstreitig angenehmer ist. Seine Umstände sind in der That nicht die besten; bey der Bibliothek einst durch Herrn v. Aretin placirt, wird er von der Partei, die jetzt am Brot ist, mehr als billig hintangesetzt; überhaupt hat unsre Bibliothek seit Aretinʼs Entfernung vielleicht in Ansehung der formellen Ordnung gewonnen, in Ansehung der Liberalität und des literarischen Geistes eher verloren. Sollten Sie mir nun in Ansehung dieses Geschäffts noch etwas aufzutragen haben, so bedienen Sie sich ja meiner Vermittlung; Sie können sich übrigens auf Docens Genauigkeit wie mir scheint verlassen und bey seinem guten Willen sich auch unmittelbar an ihn wenden.
Es ist ganz unnöthig, daß Sie sich wegen der bisher aufgeschobnen Übersendung des noch übrigen Theils der für das Monumment bestimmten Summe, gegen mich entschuldigen. Leider habe ich ihn noch nicht gebraucht, und ich fürchte auch dieser Sommer vergeht, ohne daß es zu Stande gebracht ist. Tiecks Betragen ist hieran allein Schuld. Nennen Sie es Ehrlichkeit, daß er schon im August vorigen Jahrs aus Zürich um Geld schrieb unter dem Vorwande, in 14. Tagen von dort abzugehen, und ebendieß nachher wiederholte – und daß Sie ihn jetzt erst in Coppet erwarten, wo er unstreitig wieder eine Zeit sich aufhalten wird. Ich kann es nicht so nennen. Die 10–15. Carolin, die er begehrte, würden ihm wahrlich nicht aus Zürich und über die Alpen geholfen haben. Nur mit dem äußersten Widerstreben, weil er einmal nach dem Willen der Verstorbenen zur Ausführung bestimmt gewesen war, weil er schon Zeichnungen entworfen und die Büste gemacht hatte, entschloß ich mich endlich, mit einem anderen Künstler in Unterhandlungen zu treten: noch sind sie nicht zum Abschluß gediehen; aber aufrichtig gesprochen, können Sie mir rathen, mich noch ferner mit T.[ieck] wegen dieser Sache einzulassen? Es dient mir zur Beruhigung, wenn Sie mir in derselben Ihren Rath nicht entziehen. Wissen Sie ein Mittel sich Tiecks und der nahen Ausführung zu versichern? Meynen Sie, daß wir diese ihm noch überlassen wollen, so bin ich es unter Einer Bedingung recht gern zufrieden, daß ich Ihnen nämlich die schon erhaltne Summe wieder überschicke, und daß Sie es auf sich nehmen, die Fertigung des Monuments bis zum nächsten Frühjahr von ihm zu erhalten. Ich könnte schon an sich die Sache in keine bessern Hände übergeben als die Ihrigen; immer fürchte ich, etwas zu versehen: aber haben Sie mehr und sicherere Mittel in Händen, sich T.[ieck]ʼs zu versichern als ich? Melden Sie mir doch bald Ihre Gedanken hierüber. Glauben Sie es mit ihm durchzuführen, so sey die künstlerische Ausführung ganz in Ihre Hände gelegt; ich besorge das Nöthige wegen der Aufstellung und was sonst in Deutschland deßhalb zu thun ist.
Es schmerzt mich, aus einigen Worten Ihres Briefs abzunehmen, daß Sie den Winter in düstrer Stimmung zugebracht haben. Doch was bleibt anders übrig bey so vielem wirklichen Leid, gegen das der Mensch sich nicht verhärten kann. Auch mir geht es wie Ihnen, nur ernste Beschäfftigung mit höheren Dingen ist der Lethe, aus dem ich Vergessenheit trinke; aber auch dabey gibt nach gewissen Erfahrungen doch nur der Gedanke an ein höheres künftiges Leben, dessen Wunder wir, wenn wir sie erblicken, kaum zu fassen fähig seyn werden, die einzige Freudigkeit.
Ich kann Ihnen nicht ausdrücken, wie sehr ich mich über Ihren Vorsatz einer Sach- und Wortbearbeitung und historischen Erforschung des Nibelungenlieds erfreut habe. Seit ich dieses kenne, höre ich nicht auf, es zu lesen und zu bewundern. Es ist das Größte von dem, was wir in seiner Art unser nennen können. Möchten doch bald die Früchte Ihrer Untersuchungen uns andern zu gut kommen, die vor dem hohen Gebäu nur erstaunend stehen, ohne seine Genesis, seinen ersten Ursprung und allmälige Fortbildung zu begreifen. Sollte Ihnen irgend eine Notiz oder Excerpte der hiesigen Bibliothek auch in andrer als der kritischen Hinsicht zu der Ausführung nöthig seyn, so lassen Sie es mich doch wissen; ich werde mir die größte Angelegenheit daraus machen, sie Ihnen zu verschaffen.
Durch Ihre Güte habe ich auch Shakespeareʼs Richard erhalten. Ja, nur Sie können und sollen den Shakespeare übersetzen. Sie allein haben den Nerv, das Metall, die Kürze, die zusammenziehende Kraft, die dazu erfordert wird.
Der Auftrag, wegen Ihrer Gedichte mit einem Verleger zu unterhandeln, hat für mich einige Schwierigkeiten. Ich kenne außer Cotta (den Sie nicht wollen) und Perthes, (der für deutsche Unternehmungen jetzt verloren ist), nur noch einen Universitätsbuchhändler in Landshut, der aber sich zu poëtischem Verlag gar nicht erschwingt und etwa einen neuen Buchhändler in Nürnberg, den einige meiner Freunde rühmen und der sich auch mir schon empfolen hat. Dieß ist der einzige, bey dem ich einen Versuch machen kann; fehlt es ihm nicht am Nummus, so wird der wohl mit Freuden das Anerbieten ergreifen; noch ist er aber von der Messe nicht zurück, daher ich ihm noch nicht geschrieben habe. Sobald er Antwort ertheilt überschicke ich sie Ihnen.
Ihrem jungen, liebenswürdigen Meklenburger habe ich soviel Höflichkeit erzeigt, als in meinen Kräften stand. Er hat mir wieder einige Lust zu der Jugend und zum Professorleben gemacht. Es ist doch noch fast das einzige für den Gelehrten in Deutschland, ob es schon auch täglich mehr verkümmert wird. Es ist von literarischen Neuigkeiten nicht viel zu melden. Haben Sie denn Fichteʼs W.[issenschafts]lehre in nuce (42. Seiten stark) gesehen? Schicken Sie mir doch die Parabel; Sie werden mich dadurch äußerst erfreuen; in meinen Händen soll sie so sicher seyn, als es die Glosse gewesen ist, an die ich noch oft mit Lust denke. An Goetheʼs Farbenlehre bedaure ich nur das Eine, daß er sich zu sehr oder vielmehr ganz und gar auf das Äußere des Hergangs der Farbenerzeugung einschränkt, das Innere aber ganz bey Seite läßt und recht offenbar abweist. Wie Farbe wird, wissen wir daher auch jetzt nicht besser, als vorher. – Es fehlt jetzt in Deutschland ganz an jeder Art von Vereinigungspunkt. Seyn Sie versichert, wie ich die Sache in der Nähe sehe, würde gar vieles anders seyn, wenn sich nur erst ein solcher wieder bildete. Aber das böse Princip, das jetzt in allen Angelegenheiten waltet, läßt es auch dazu nicht kommen, und fast nicht 2 Menschen vereint leben, die im eigentlichen Verstand zusammenwirken könnten. – – Wären Sie denn abgeneigt, zu irgend einer Unternehmung, die einmal wieder aufʼs Ganze und Große ginge, mitzuwirken? Ich habe schon oft den Gedanken einer solchen gehabt; aber sie fodert einstimmige Kräfte, die jetzt kaum zu finden sind. Darüber aber daß die Einzelnen sich nicht verstehen oder gar misverstehen wollen geht am Ende die Wirkung aller wenigstens für ihre Zeit verloren.
Ich sehe, daß ich Ihnen schon gar zu viel geschrieben habe und will daher schließen. Nur noch, weil Sie mich um meine Arbeiten fragen, die Notiz, daß noch diesen Sommer der erste Band philosophischer Gespräche, worunter eine neue Auflage des Bruno, und eine Schrift unter dem Titel: Die Weltalter, in 3 Büchern, von mir erscheinen wird. Es ist bis jetzt nur das erste und ein Theil des 2ten Buchs gedruckt; sobald es ganz die Presse verläßt, werde ich es Ihnen zusenden.
Noch habe ich Ihnen für den 3ten Teil Ihrer dramaturgischen Vorlesungen zu danken, ob er gleich noch nicht in meinen Händen ist. Der Verleger hatte ihn nach Stuttgart geschickt, wo er nun auf Gelegenheit wartet hierher zukommen.
Leben Sie recht wohl, erfreuen Sie mich bald wieder mit Nachricht von Ihnen, und bleiben Sie mir gewogen.
Ihr
Schelling

N. S. Wenn Frau v. Staël sich meiner erinnern sollte, bitte ich ihr meinen Respekt zu bezeugen.
München den 15 May [18]11.
Der beyliegende Brief des Herrn Docen und das vielleicht noch früher Ihnen zugekommene Paket von ihm wird Ihnen zeigen, Werthester Freund, daß ich nicht gesäumt habe, Ihren Auftrag im letzten Schreiben vom 15. des vorigen Monats so gut ich wußte auszuführen. Ich konnte mich an niemand anders als Docen wenden, den einzigen der hier von altdeutscher Litteratur gründlichere Kenntnisse hat. Er nahm den Auftrag sogleich an wie ich glaube vorzüglich weil er sich freute, Ihnen etwas Angenehmes erzeugen zu können. Die nämliche Arbeit hatte er schon für HE. v. der Hagen übernommen und angefangen; er will aber, wie er mir versprach, Ihnen das Original-Exemplar seiner Randanmerkungen und jenem nur die Copie davon schicken. Er selbst wird Ihnen das Nähere geschrieben haben. Beyliegendes gab er mir offen; ich hatte ihm, da ich nicht annehmen konnte, daß er selber das Geschäfft übernehmen würde und ihn nur ersuchte, die Aufsicht darüber zu führen, von Ihrem Anerbieten einer Remuneration gesagt; es scheint aber nach dem Ende des beyliegenden Briefs, daß auch er sich seine Arbeit bezahlen zu lassen wünscht, was Ihnen unstreitig angenehmer ist. Seine Umstände sind in der That nicht die besten; bey der Bibliothek einst durch Herrn v. Aretin placirt, wird er von der Partei, die jetzt am Brot ist, mehr als billig hintangesetzt; überhaupt hat unsre Bibliothek seit Aretinʼs Entfernung vielleicht in Ansehung der formellen Ordnung gewonnen, in Ansehung der Liberalität und des literarischen Geistes eher verloren. Sollten Sie mir nun in Ansehung dieses Geschäffts noch etwas aufzutragen haben, so bedienen Sie sich ja meiner Vermittlung; Sie können sich übrigens auf Docens Genauigkeit wie mir scheint verlassen und bey seinem guten Willen sich auch unmittelbar an ihn wenden.
Es ist ganz unnöthig, daß Sie sich wegen der bisher aufgeschobnen Übersendung des noch übrigen Theils der für das Monumment bestimmten Summe, gegen mich entschuldigen. Leider habe ich ihn noch nicht gebraucht, und ich fürchte auch dieser Sommer vergeht, ohne daß es zu Stande gebracht ist. Tiecks Betragen ist hieran allein Schuld. Nennen Sie es Ehrlichkeit, daß er schon im August vorigen Jahrs aus Zürich um Geld schrieb unter dem Vorwande, in 14. Tagen von dort abzugehen, und ebendieß nachher wiederholte – und daß Sie ihn jetzt erst in Coppet erwarten, wo er unstreitig wieder eine Zeit sich aufhalten wird. Ich kann es nicht so nennen. Die 10–15. Carolin, die er begehrte, würden ihm wahrlich nicht aus Zürich und über die Alpen geholfen haben. Nur mit dem äußersten Widerstreben, weil er einmal nach dem Willen der Verstorbenen zur Ausführung bestimmt gewesen war, weil er schon Zeichnungen entworfen und die Büste gemacht hatte, entschloß ich mich endlich, mit einem anderen Künstler in Unterhandlungen zu treten: noch sind sie nicht zum Abschluß gediehen; aber aufrichtig gesprochen, können Sie mir rathen, mich noch ferner mit T.[ieck] wegen dieser Sache einzulassen? Es dient mir zur Beruhigung, wenn Sie mir in derselben Ihren Rath nicht entziehen. Wissen Sie ein Mittel sich Tiecks und der nahen Ausführung zu versichern? Meynen Sie, daß wir diese ihm noch überlassen wollen, so bin ich es unter Einer Bedingung recht gern zufrieden, daß ich Ihnen nämlich die schon erhaltne Summe wieder überschicke, und daß Sie es auf sich nehmen, die Fertigung des Monuments bis zum nächsten Frühjahr von ihm zu erhalten. Ich könnte schon an sich die Sache in keine bessern Hände übergeben als die Ihrigen; immer fürchte ich, etwas zu versehen: aber haben Sie mehr und sicherere Mittel in Händen, sich T.[ieck]ʼs zu versichern als ich? Melden Sie mir doch bald Ihre Gedanken hierüber. Glauben Sie es mit ihm durchzuführen, so sey die künstlerische Ausführung ganz in Ihre Hände gelegt; ich besorge das Nöthige wegen der Aufstellung und was sonst in Deutschland deßhalb zu thun ist.
Es schmerzt mich, aus einigen Worten Ihres Briefs abzunehmen, daß Sie den Winter in düstrer Stimmung zugebracht haben. Doch was bleibt anders übrig bey so vielem wirklichen Leid, gegen das der Mensch sich nicht verhärten kann. Auch mir geht es wie Ihnen, nur ernste Beschäfftigung mit höheren Dingen ist der Lethe, aus dem ich Vergessenheit trinke; aber auch dabey gibt nach gewissen Erfahrungen doch nur der Gedanke an ein höheres künftiges Leben, dessen Wunder wir, wenn wir sie erblicken, kaum zu fassen fähig seyn werden, die einzige Freudigkeit.
Ich kann Ihnen nicht ausdrücken, wie sehr ich mich über Ihren Vorsatz einer Sach- und Wortbearbeitung und historischen Erforschung des Nibelungenlieds erfreut habe. Seit ich dieses kenne, höre ich nicht auf, es zu lesen und zu bewundern. Es ist das Größte von dem, was wir in seiner Art unser nennen können. Möchten doch bald die Früchte Ihrer Untersuchungen uns andern zu gut kommen, die vor dem hohen Gebäu nur erstaunend stehen, ohne seine Genesis, seinen ersten Ursprung und allmälige Fortbildung zu begreifen. Sollte Ihnen irgend eine Notiz oder Excerpte der hiesigen Bibliothek auch in andrer als der kritischen Hinsicht zu der Ausführung nöthig seyn, so lassen Sie es mich doch wissen; ich werde mir die größte Angelegenheit daraus machen, sie Ihnen zu verschaffen.
Durch Ihre Güte habe ich auch Shakespeareʼs Richard erhalten. Ja, nur Sie können und sollen den Shakespeare übersetzen. Sie allein haben den Nerv, das Metall, die Kürze, die zusammenziehende Kraft, die dazu erfordert wird.
Der Auftrag, wegen Ihrer Gedichte mit einem Verleger zu unterhandeln, hat für mich einige Schwierigkeiten. Ich kenne außer Cotta (den Sie nicht wollen) und Perthes, (der für deutsche Unternehmungen jetzt verloren ist), nur noch einen Universitätsbuchhändler in Landshut, der aber sich zu poëtischem Verlag gar nicht erschwingt und etwa einen neuen Buchhändler in Nürnberg, den einige meiner Freunde rühmen und der sich auch mir schon empfolen hat. Dieß ist der einzige, bey dem ich einen Versuch machen kann; fehlt es ihm nicht am Nummus, so wird der wohl mit Freuden das Anerbieten ergreifen; noch ist er aber von der Messe nicht zurück, daher ich ihm noch nicht geschrieben habe. Sobald er Antwort ertheilt überschicke ich sie Ihnen.
Ihrem jungen, liebenswürdigen Meklenburger habe ich soviel Höflichkeit erzeigt, als in meinen Kräften stand. Er hat mir wieder einige Lust zu der Jugend und zum Professorleben gemacht. Es ist doch noch fast das einzige für den Gelehrten in Deutschland, ob es schon auch täglich mehr verkümmert wird. Es ist von literarischen Neuigkeiten nicht viel zu melden. Haben Sie denn Fichteʼs W.[issenschafts]lehre in nuce (42. Seiten stark) gesehen? Schicken Sie mir doch die Parabel; Sie werden mich dadurch äußerst erfreuen; in meinen Händen soll sie so sicher seyn, als es die Glosse gewesen ist, an die ich noch oft mit Lust denke. An Goetheʼs Farbenlehre bedaure ich nur das Eine, daß er sich zu sehr oder vielmehr ganz und gar auf das Äußere des Hergangs der Farbenerzeugung einschränkt, das Innere aber ganz bey Seite läßt und recht offenbar abweist. Wie Farbe wird, wissen wir daher auch jetzt nicht besser, als vorher. – Es fehlt jetzt in Deutschland ganz an jeder Art von Vereinigungspunkt. Seyn Sie versichert, wie ich die Sache in der Nähe sehe, würde gar vieles anders seyn, wenn sich nur erst ein solcher wieder bildete. Aber das böse Princip, das jetzt in allen Angelegenheiten waltet, läßt es auch dazu nicht kommen, und fast nicht 2 Menschen vereint leben, die im eigentlichen Verstand zusammenwirken könnten. – – Wären Sie denn abgeneigt, zu irgend einer Unternehmung, die einmal wieder aufʼs Ganze und Große ginge, mitzuwirken? Ich habe schon oft den Gedanken einer solchen gehabt; aber sie fodert einstimmige Kräfte, die jetzt kaum zu finden sind. Darüber aber daß die Einzelnen sich nicht verstehen oder gar misverstehen wollen geht am Ende die Wirkung aller wenigstens für ihre Zeit verloren.
Ich sehe, daß ich Ihnen schon gar zu viel geschrieben habe und will daher schließen. Nur noch, weil Sie mich um meine Arbeiten fragen, die Notiz, daß noch diesen Sommer der erste Band philosophischer Gespräche, worunter eine neue Auflage des Bruno, und eine Schrift unter dem Titel: Die Weltalter, in 3 Büchern, von mir erscheinen wird. Es ist bis jetzt nur das erste und ein Theil des 2ten Buchs gedruckt; sobald es ganz die Presse verläßt, werde ich es Ihnen zusenden.
Noch habe ich Ihnen für den 3ten Teil Ihrer dramaturgischen Vorlesungen zu danken, ob er gleich noch nicht in meinen Händen ist. Der Verleger hatte ihn nach Stuttgart geschickt, wo er nun auf Gelegenheit wartet hierher zukommen.
Leben Sie recht wohl, erfreuen Sie mich bald wieder mit Nachricht von Ihnen, und bleiben Sie mir gewogen.
Ihr
Schelling

N. S. Wenn Frau v. Staël sich meiner erinnern sollte, bitte ich ihr meinen Respekt zu bezeugen.
· Beiliegender Brief von/an A.W. Schlegel , 15. [Mai] 1811
· Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
· Mscr.Dresd.App.2712,B,21,13
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