• Charlotte Schlegel to August Wilhelm von Schlegel

  • Place of Dispatch: Harburg, Elbe · Place of Destination: Bonn · Date: 07.10.1828
Edition Status: Newly transcribed and labelled; double collated
    Metadata Concerning Header
  • Sender: Charlotte Schlegel
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel
  • Place of Dispatch: Harburg, Elbe
  • Place of Destination: Bonn
  • Date: 07.10.1828
  • Notations: Empfangsort erschlossen.
    Manuscript
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: DE-1a-34097
  • Classification Number: Mscr.Dresd.e.90,XIX,Bd.23,Nr.5
  • Number of Pages: 4S. auf Doppelbl., hs. m. U.
  • Format: 22,4 x 13,6 cm
  • Incipit: „[1] Harburg den 7ten Octob.
    1828.
    Geliebter Bruder!
    Sie haben mich durch den übersandten Wechsel, und noch mehr durch Ihren lieben theilnehmenden Brief, [...]“
  • Editors: Funk, Gerald · Varwig, Olivia
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[1] Harburg den 7ten Octob.
1828.
Geliebter Bruder!
Sie haben mich durch den übersandten Wechsel, und noch mehr durch Ihren lieben theilnehmenden Brief, recht sehr erfreuet und angenehm überrascht; herzlich danke ich Ihnen dafür. Durch diesen unerwarteten Beytrag bin ich nun noch mehr in Stand gesetzt meinen Kindern Erleichtrung und Unterstützung zu verschaffen, welches Minchen besonders jetzt sehr zu statten kömmt da sie täglich ihre Niederkunft erwartet wobey immer viele Ausgaben sind. Minchen ihr Zustand ängstigt mich sehr, weil sie die ganze Zeit ihrer Schwangerschaft sehr übel gewäsen ist. Möchten doch die schweren Stunden der Niederkunft erst überstanden, und meine Angst gehoben seyn! Geht alles glüklich und wird ein Sohn gebohren, so sind Sie, bester Bruder, mit einer Gevatterschaft bedroht, den Minchen wünscht nichts angele[2]gentlicher als Ihnen den kleinen Ankömmling zu empfehlen, und bittet schon im voraus um Ihre Liebe und Ihr Wohlwollen für ihm.
Da Sie nach Ihrer Theilnahme mich auffordern Ihnen von unserm Ergehen und Befinden Nachricht zu geben, so muß ich Ihnen klagen daß meiner Malchen ihre Gesundheit mir viele Sorge macht, den schon seit 4 Monathen kränkelt sie, und mir ist dadurch die Freude vereitelt worden sie in diesen Sommer mit Mann und Kind bey mir zu sehn, welches ich so gewiß hofte und sie mir versprochen hatte; ihr Arzt giebt uns indeß die beste Hofnung zu ihrer baldigen Wiederherstellung, und so muß ich geduldig seyn. Das männliche Persohnal der Familie ist gesund und munter, auch die kleinen lieben Großkinder die an Geist und Körper herrlich gedeihen. Ueber mein eignes Befinden möchte ich gerne schweigen, denn was ich darüber sagen kann ist nur die selbe alte Litanney. Meine gichtischen Uebel bessern sich gar nicht, und mit Furcht sehe ich den Winter entgegen wo sie sich gewöhnlich noch verschlimmern, auch ist mein guter [3] Susemiehl todt der mir noch oft Erleichtrung verschafte. Wäre es mir möglich mich in Ihre himmlische Gegend zu versetzen, bester Bruder, so würde mir vielleicht noch einmahl geholffen, dann würden Sie mich aber sobald nicht wieder loßwerden, den Ihre Gesellschaft und das schöne milde Clima würde zu viele Reize für mich haben. Sie haben jetzt woll den Besuch von Minna und ihren Mann, so sagte man mir wenigsten in Hamburg wo ich kürzlich war, auch höhrte ich dort, daß Minna in ihren jetzigen ehelichen Verhältnissen wieder nicht glüklich wäre. Dieß wäre doch traurig! Vielleicht ist es aber nur Geschwätz und Sie werden sich durch ihre Anwesenheit vom er Gegentheil vielleicht überzeugen können. Von den Verwandten in Hannover höhre ich jetzt nichts mehr, der gute Carl kann seiner Augen wegen nicht schreiben, und mit der Schwiegerinn bin ich schon lange auf keinen guten Fus; es rührt dieß noch von der Sterbezeit der seelgen Mutter her, wo sie sich so eigenmächtig und habsüchtig benahm, und ihre geringen Verdienste um die Verstorbene so hoch anrechnete, daß es mich empörte und ich alle Gemeinschaft mit [4] ihr aufgab.
Vor einigen Tagen habe ich die Ruhestätte meines verklärten guten Mannes wieder besucht, und an seinen Grabe sein Gedächtniß gefeiert. Ein unau[s]sprechlich trauriges Gefühl hat ich dabey, sowohl über das was ich durch den Verewigten verlohren habe, als auch bey der Erinnrung daß ich in vorig[em] Jahr den Weg dahin mit Ihnen, geliebter Bruder, macht[e] und Sie tief gerührt an meiner Seite sassen und mit mir weinten; nun muste ich meinen Kummer allein tragen und keine theilnehmende Seele erleichterte ihn mir. – Für Heute muß ich schliessen, lieber Brud[er.] Ich wiederhohle Ihnen meinen Dank für Ihr gütiges Geschenk, und füge die Bitte hinzu, daß Sie mir und den Meinigen ferner Ihre Liebe und Ihr freundliches Andenken erhalten. Erlaubt es Ihre Zeit einmah[l] mir zu schreiben, so würden Sie mir dadurch die höchs[te] Freude machen. Spall empfiehlt sich Ihnen gehorsam[st] und ich bin mit innigster Werthschätzung,
Ihre
treu ergebene Schwester
Ch. Schlegel.
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[1] Harburg den 7ten Octob.
1828.
Geliebter Bruder!
Sie haben mich durch den übersandten Wechsel, und noch mehr durch Ihren lieben theilnehmenden Brief, recht sehr erfreuet und angenehm überrascht; herzlich danke ich Ihnen dafür. Durch diesen unerwarteten Beytrag bin ich nun noch mehr in Stand gesetzt meinen Kindern Erleichtrung und Unterstützung zu verschaffen, welches Minchen besonders jetzt sehr zu statten kömmt da sie täglich ihre Niederkunft erwartet wobey immer viele Ausgaben sind. Minchen ihr Zustand ängstigt mich sehr, weil sie die ganze Zeit ihrer Schwangerschaft sehr übel gewäsen ist. Möchten doch die schweren Stunden der Niederkunft erst überstanden, und meine Angst gehoben seyn! Geht alles glüklich und wird ein Sohn gebohren, so sind Sie, bester Bruder, mit einer Gevatterschaft bedroht, den Minchen wünscht nichts angele[2]gentlicher als Ihnen den kleinen Ankömmling zu empfehlen, und bittet schon im voraus um Ihre Liebe und Ihr Wohlwollen für ihm.
Da Sie nach Ihrer Theilnahme mich auffordern Ihnen von unserm Ergehen und Befinden Nachricht zu geben, so muß ich Ihnen klagen daß meiner Malchen ihre Gesundheit mir viele Sorge macht, den schon seit 4 Monathen kränkelt sie, und mir ist dadurch die Freude vereitelt worden sie in diesen Sommer mit Mann und Kind bey mir zu sehn, welches ich so gewiß hofte und sie mir versprochen hatte; ihr Arzt giebt uns indeß die beste Hofnung zu ihrer baldigen Wiederherstellung, und so muß ich geduldig seyn. Das männliche Persohnal der Familie ist gesund und munter, auch die kleinen lieben Großkinder die an Geist und Körper herrlich gedeihen. Ueber mein eignes Befinden möchte ich gerne schweigen, denn was ich darüber sagen kann ist nur die selbe alte Litanney. Meine gichtischen Uebel bessern sich gar nicht, und mit Furcht sehe ich den Winter entgegen wo sie sich gewöhnlich noch verschlimmern, auch ist mein guter [3] Susemiehl todt der mir noch oft Erleichtrung verschafte. Wäre es mir möglich mich in Ihre himmlische Gegend zu versetzen, bester Bruder, so würde mir vielleicht noch einmahl geholffen, dann würden Sie mich aber sobald nicht wieder loßwerden, den Ihre Gesellschaft und das schöne milde Clima würde zu viele Reize für mich haben. Sie haben jetzt woll den Besuch von Minna und ihren Mann, so sagte man mir wenigsten in Hamburg wo ich kürzlich war, auch höhrte ich dort, daß Minna in ihren jetzigen ehelichen Verhältnissen wieder nicht glüklich wäre. Dieß wäre doch traurig! Vielleicht ist es aber nur Geschwätz und Sie werden sich durch ihre Anwesenheit vom er Gegentheil vielleicht überzeugen können. Von den Verwandten in Hannover höhre ich jetzt nichts mehr, der gute Carl kann seiner Augen wegen nicht schreiben, und mit der Schwiegerinn bin ich schon lange auf keinen guten Fus; es rührt dieß noch von der Sterbezeit der seelgen Mutter her, wo sie sich so eigenmächtig und habsüchtig benahm, und ihre geringen Verdienste um die Verstorbene so hoch anrechnete, daß es mich empörte und ich alle Gemeinschaft mit [4] ihr aufgab.
Vor einigen Tagen habe ich die Ruhestätte meines verklärten guten Mannes wieder besucht, und an seinen Grabe sein Gedächtniß gefeiert. Ein unau[s]sprechlich trauriges Gefühl hat ich dabey, sowohl über das was ich durch den Verewigten verlohren habe, als auch bey der Erinnrung daß ich in vorig[em] Jahr den Weg dahin mit Ihnen, geliebter Bruder, macht[e] und Sie tief gerührt an meiner Seite sassen und mit mir weinten; nun muste ich meinen Kummer allein tragen und keine theilnehmende Seele erleichterte ihn mir. – Für Heute muß ich schliessen, lieber Brud[er.] Ich wiederhohle Ihnen meinen Dank für Ihr gütiges Geschenk, und füge die Bitte hinzu, daß Sie mir und den Meinigen ferner Ihre Liebe und Ihr freundliches Andenken erhalten. Erlaubt es Ihre Zeit einmah[l] mir zu schreiben, so würden Sie mir dadurch die höchs[te] Freude machen. Spall empfiehlt sich Ihnen gehorsam[st] und ich bin mit innigster Werthschätzung,
Ihre
treu ergebene Schwester
Ch. Schlegel.
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