• Amalie Wolper to August Wilhelm von Schlegel

  • Place of Dispatch: Lingen (Ems) · Place of Destination: Bonn · Date: 11.01.1840 bis 12.01.1840
Edition Status: Newly transcribed and labelled; double collated
    Metadata Concerning Header
  • Sender: Amalie Wolper
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel
  • Place of Dispatch: Lingen (Ems)
  • Place of Destination: Bonn
  • Date: 11.01.1840 bis 12.01.1840
  • Notations: Empfangsort erschlossen.
    Manuscript
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: DE-1a-34336
  • Classification Number: Mscr.Dresd.e.90,XIX,Bd.29,Nr.56
  • Number of Pages: 7S. auf Doppelbl., hs. m. U.
  • Format: 22,5 x 13,9 cm
  • Incipit: „[1] Lingen d. 11ten Januar
    1840.
    Theuerster Oheim!
    Kaum einige Stunden, nachdem ich meinen letzten Brief an Sie zur Post geschickt hatte, erhielt [...]“
  • Editors: Bamberg, Claudia · Varwig, Olivia
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[1] Lingen d. 11ten Januar
1840.
Theuerster Oheim!
Kaum einige Stunden, nachdem ich meinen letzten Brief an Sie zur Post geschickt hatte, erhielt ich Ihre liebevollen Zeilen. Es thut mir nun leid, nicht noch etwas gezögert zu haben, um gleich darauf erwiedern zu können, doch thue ich es schon heute.
Ihre Ansichten und Rathschläge hinsichtlich meines Bruders sind gewiß die aller vernünftigsten und zweckdienlichsten, wer könnte daran zweifeln und möchte Ihnen nicht beipflichten. Dennoch glaube ich, ist meine gute Mutter eher zu beklagen, als zu tadeln, daß sie in dieser für uns so wichtigen und traurigen Angelegenheit nicht unablässig thätig handeln konnte. Bei den Schwächen und Beschwerden ihres hohen Alters war schon seit lange, Ruhe, ein stiller Frieden um sie her, ihr größter Wunsch, ihr fast noch einziges Bedürfniß. Wie schrecklich ist dieser gestört worden! Unmögliches läßt sich nicht von der menschlichen Natur erwarten, Andre in ihrem Alter sind oft schon kindisch. Dazu fehlt es [2] ihr in Harburg an einem vernünftigen männlichen Rath und Beistand. Wir Frauen bedürfen dessen aber sehr bei solchen wichtigen Dingen, wissen uns allein nicht zu rathen und zu helfen, das kenne ich aus eigner Erfahrung. Deßhalb, als sich meine erste Bestürzung gelegt hatte, bat ich H. Sup. Jüngst, für uns zu wirken, was er könne. Dieser ging auch gern auf meinen Wunsch ein, meinte sogar, da er genau mit Kohlrausch bekannt und als Dritter einst unmittelbar bei der Sache betheiligt sei, vielleicht mehr ausrichten zu können, als ein Gesuch meiner Mutter. Er stellte ihm nun unsre Verhältnisse kurz und deutlich dar und trug in unserm Namen darauf an: „ob meinem Bruder zur Wiederherstellung seiner Gesundheit nicht auf ein Jahr Urlaub mit Beibehaltung seines Gehaltes, bewilligt, oder, im Fall sich diese nicht bessere, eine anständige Pension ausgewirkt werden könne.“ Dieser Brief ging d. 4ten Decbr. nach Hannover ab und ich benachrichtigte meine Mutter sogleich davon. Ich glaube also nicht, daß in dieser Hinsicht so viel versäumt ist. Ist nun unsern Wünschen auch nicht ganz entsprochen, so müssen wir doch fürerst mit dem, was bewilligt ist und der Fürsprache, die Kohlrausch zugesagt hat, uns zufrieden stellen. Nun meint. H. Sup. Jüngst, daß es rathsam sei, im Fall das Ober-Schul-Collegium auf August’s Entlassung antragen müsse, gleichzeitig ein Gesuch meiner Mutter an das Ministerium einzuschi[3]cken. Er will es ihr aufsetzen, so daß sie es nur abzuschreiben, oder zu unterschreiben braucht.
Es thut mir weh, geliebter Oheim, daß Sie meine gute Schwester verkennen. Doch will ich jetzt nichts weiter darüber sagen, da Sie einmal ein übles Vorurtheil gegen sie gefaßt haben. Zur Verständigung der Worte, die Sie als nicht schwesterlich bezeichnen, hätte ich freilich auch die ersten Blätter ihres Briefes mitschicken müssen, was ich deßhalb unterließ, um Ihnen die Ausgabe verdoppelten Porto’s nicht zu verursachen, da sie auch manche für Sie uninteressante Dinge enthielten. Sie theilte mir darin mit, sie und Mutter wären so sehr dadurch entmuthigt, daß der Arzt in Verden Aug: durchaus nichts verordnen wolle, obgleich letztere so sehr darum gebeten und er erklärt habe: es sei gänzlich unnütz, denn es könne doch nichts helfen. Dieses ließ sie und auch mich die Befürchtung fassen, daß seine Gemüthskrankheit unheilbar sei, da der Arzt auf unsre Vorschläge, ihm Fontenellen u. d. gl. an’s Bein zu legen, wie wir vermuthen, auch nicht eingegangen ist, denn uns ist nichts darauf erwiedert. Nun muß ich aber gestehen, lieber Oheim, daß wenn ein solcher Zustand hoffnungslos ist, auch ich Jeden, den ich wahrhaft liebe, eher einen sanften Tod, als lange Dauer einer solchen Existenz wünsche. Mein armer Bruder ist jetzt noch meistens zufrieden und heiter, wie leicht könnte sich das ändern, er wieder [4] in Raserei, oder doch in traurige und beängstigende Vorstellungen verfallen. Wir wollen nun hoffen, daß der Medicinal-Rath in Hildesheim anders urtheilt und uns wieder Muth auf völlige Genesung fassen läßt. Sobald ich weiß, daß Aug. dort angekommen ist, will H. Sup. Jüngst an den Arzt in unserm Namen schreiben, ihn seiner besondern Obhut empfehlen und ihn bitten, alle zweckdienlichen Mittel zu seiner Wiederherstellung anzuwenden, selbst wenn sie mit größeren Kosten verknüpft wären. Was nun die Anstalt betrifft, so versichert Jüngst, daß sie vortrefflich und auch eine wirkliche Heilungs-Anstalt sei. Er habe vor einigen Jahren zwei Mitglieder seiner Gemeinde dorthin schicken müssen, deßhalb vorher genaue Erkundigungen eingezogen, die alle genügend ausgefallen wären. Wenn ich nun auch glaube, daß vielleicht die Anstalt zu Siegburg noch vorzüglicher ist, so würde man dann in Hannover, wenn Sie meinen Bruder dahin hätten abholen lassen, keine Pension bewilligt und Ihnen die Kosten aufgebürdet haben. –
Nach meiner lieben Mutter dereinstigen Ableben bekommt Aug. natürlich den dritten Theil ihres baaren Vermögens und ihrer ganzen Nachlassenschaft. Dieses ist jedoch nicht so bedeutend, daß es hinreicht und kann ihm, sei es in gesunden oder kranken Tagen, [5] nur als Beihülfe dienen.
In Verden hat man sich, nach meiner Ansicht, manche Versehen und Vernachlässigungen zu Schulden kommen lassen. Erstens läßt man meinen Bruder, schon völlig geisteskrank, allein abreisen. Welches Unheil hätte daraus entstehen können! Dann benachrichtigt man meine Mutter von nichts, sie muß alles erst durch Fragen und Briefe von Mad. Engels zu erfahren suchen und diese Auskunft bleibt doch jedenfalls ungenügend. Deßhalb hat auf meinen Wunsch sich ehegestern H. Sup. Jüngst schriftlich an den Dr. jur. Matthäi zu Verden wegen folgender Punkte gewandt: „ob mein Bruder nun endlich nach Hildesheim abgereist sei, wenn nicht, welche Hindernisse dem im Wege ständen, ob diese nicht möglichst bald beseitigt und seine Abreise beschleunigt werden könne und dann, warum man ihn in Verden nicht ärztlich behandelt habe?“
Ich schreibe Ihnen so weitläuftig, theurer Oheim, und würde fürchten, Sie dadurch zu ermüden, wenn ich nicht wüßte, welchen aufrichtigen und thätigen Antheil Sie an dieser Angelegenheit nähmen. Haben Sie nun an den von uns getroffenen Anordnungen etwas auszusetzen, so schreiben Sie es grade zu, H. Superintendent wird gern Ihrer höheren und besseren Einsicht folgen.
Eins muß ich Ihnen noch schreiben, doch bitte ich, daß es [6] unter uns bleibt. Mir ward neulich, aus sichrer Quelle, im Vertrauen mitgetheilt, daß meines Bruders Geistesverwirrung wohl nicht bloß Folge des schlimmen Beines sei. Er habe sich tief gekränkt gefühlt, weil ihm ein junger Lehrer vorgesetzt, sei von dieser Zeit an finster und verschlossen geworden und immer für sich allein gegangen. Sein Zustand habe sich, nach dem schlimmen Beine, nur dahin geändert, daß er übertrieben lustig geworden und mehrere fixe Ideen gefaßt habe. Dabei habe er nun seine Geschäfte nicht länger versehen können und als man ihm angekündigt, daß er suspendirt sei, wäre er ganz wüthend geworden und 3 Tage und Nächte hindurch in Raserei verfallen. Mir kommt das sehr glaublich vor, denn in seinem vorletzten Briefe schrieb er mir, daß er zwar schon seit einem Jahre in eine höhere Stelle eingerückt sei, noch immer aber nicht die damit verbundene freie Wohnung und bessere Einnahme habe, diese beziehe ein junger Mann, Lehrer der Mathematik. Ich bedauerte ihn deßhalb und fand es unbillig, da er sich übrigens jedoch recht zufrieden äußerte, so fiel mir nicht ein, so traurige Folgen zu ahnen.
Ich kann meinen Brief erst morgen zur Post schicken und will ihn so lange unversiegelt lassen, um vielleicht schon mittheilen zu können, daß August’s Abreise nach Hildesheim erfolgt ist. Ich denke morgen Antwort von Ma[d]. Engels auf meine Anfrage zu erhalten.
[7] Da Sie in Ihrem letzten Briefe nichts von Ihrem Befinden erwähnen, so gebe ich der frohen Hoffnung Raum, daß Sie und Ihre Umgebungen wieder völlig wohl sind.
Ich fühle mich, durch die stete Spannung und Unruhe des Gemüthes, ziemlich angegriffen und oft unwohl. Mein Arzt scheint zu fürchten, daß ich ernstlich erkranke, besonders da hier gastrisch-nervöse Fieber herrschen, denn er besucht mich oft. Seine Mittel und guten Rathschläge können jedoch nicht eher von Erfolg sein, bis mein Inneres etwas beruhigt ist.
Leben Sie wohl, geliebter Oheim, und sein Sie überzeugt von der aufrichtigen Liebe
Ihrer
Sie hochschätzenden Nichte
Amalie Wolper.
d. 12ten Jan.
Ich habe bis jetzt keinen Brief erhalten, glaube aber, nach Kohlrausch Äußerung, daß Aug. bereits nach Hildesheim abgereist ist.
[8] [leer]
[1] V.
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[1] Lingen d. 11ten Januar
1840.
Theuerster Oheim!
Kaum einige Stunden, nachdem ich meinen letzten Brief an Sie zur Post geschickt hatte, erhielt ich Ihre liebevollen Zeilen. Es thut mir nun leid, nicht noch etwas gezögert zu haben, um gleich darauf erwiedern zu können, doch thue ich es schon heute.
Ihre Ansichten und Rathschläge hinsichtlich meines Bruders sind gewiß die aller vernünftigsten und zweckdienlichsten, wer könnte daran zweifeln und möchte Ihnen nicht beipflichten. Dennoch glaube ich, ist meine gute Mutter eher zu beklagen, als zu tadeln, daß sie in dieser für uns so wichtigen und traurigen Angelegenheit nicht unablässig thätig handeln konnte. Bei den Schwächen und Beschwerden ihres hohen Alters war schon seit lange, Ruhe, ein stiller Frieden um sie her, ihr größter Wunsch, ihr fast noch einziges Bedürfniß. Wie schrecklich ist dieser gestört worden! Unmögliches läßt sich nicht von der menschlichen Natur erwarten, Andre in ihrem Alter sind oft schon kindisch. Dazu fehlt es [2] ihr in Harburg an einem vernünftigen männlichen Rath und Beistand. Wir Frauen bedürfen dessen aber sehr bei solchen wichtigen Dingen, wissen uns allein nicht zu rathen und zu helfen, das kenne ich aus eigner Erfahrung. Deßhalb, als sich meine erste Bestürzung gelegt hatte, bat ich H. Sup. Jüngst, für uns zu wirken, was er könne. Dieser ging auch gern auf meinen Wunsch ein, meinte sogar, da er genau mit Kohlrausch bekannt und als Dritter einst unmittelbar bei der Sache betheiligt sei, vielleicht mehr ausrichten zu können, als ein Gesuch meiner Mutter. Er stellte ihm nun unsre Verhältnisse kurz und deutlich dar und trug in unserm Namen darauf an: „ob meinem Bruder zur Wiederherstellung seiner Gesundheit nicht auf ein Jahr Urlaub mit Beibehaltung seines Gehaltes, bewilligt, oder, im Fall sich diese nicht bessere, eine anständige Pension ausgewirkt werden könne.“ Dieser Brief ging d. 4ten Decbr. nach Hannover ab und ich benachrichtigte meine Mutter sogleich davon. Ich glaube also nicht, daß in dieser Hinsicht so viel versäumt ist. Ist nun unsern Wünschen auch nicht ganz entsprochen, so müssen wir doch fürerst mit dem, was bewilligt ist und der Fürsprache, die Kohlrausch zugesagt hat, uns zufrieden stellen. Nun meint. H. Sup. Jüngst, daß es rathsam sei, im Fall das Ober-Schul-Collegium auf August’s Entlassung antragen müsse, gleichzeitig ein Gesuch meiner Mutter an das Ministerium einzuschi[3]cken. Er will es ihr aufsetzen, so daß sie es nur abzuschreiben, oder zu unterschreiben braucht.
Es thut mir weh, geliebter Oheim, daß Sie meine gute Schwester verkennen. Doch will ich jetzt nichts weiter darüber sagen, da Sie einmal ein übles Vorurtheil gegen sie gefaßt haben. Zur Verständigung der Worte, die Sie als nicht schwesterlich bezeichnen, hätte ich freilich auch die ersten Blätter ihres Briefes mitschicken müssen, was ich deßhalb unterließ, um Ihnen die Ausgabe verdoppelten Porto’s nicht zu verursachen, da sie auch manche für Sie uninteressante Dinge enthielten. Sie theilte mir darin mit, sie und Mutter wären so sehr dadurch entmuthigt, daß der Arzt in Verden Aug: durchaus nichts verordnen wolle, obgleich letztere so sehr darum gebeten und er erklärt habe: es sei gänzlich unnütz, denn es könne doch nichts helfen. Dieses ließ sie und auch mich die Befürchtung fassen, daß seine Gemüthskrankheit unheilbar sei, da der Arzt auf unsre Vorschläge, ihm Fontenellen u. d. gl. an’s Bein zu legen, wie wir vermuthen, auch nicht eingegangen ist, denn uns ist nichts darauf erwiedert. Nun muß ich aber gestehen, lieber Oheim, daß wenn ein solcher Zustand hoffnungslos ist, auch ich Jeden, den ich wahrhaft liebe, eher einen sanften Tod, als lange Dauer einer solchen Existenz wünsche. Mein armer Bruder ist jetzt noch meistens zufrieden und heiter, wie leicht könnte sich das ändern, er wieder [4] in Raserei, oder doch in traurige und beängstigende Vorstellungen verfallen. Wir wollen nun hoffen, daß der Medicinal-Rath in Hildesheim anders urtheilt und uns wieder Muth auf völlige Genesung fassen läßt. Sobald ich weiß, daß Aug. dort angekommen ist, will H. Sup. Jüngst an den Arzt in unserm Namen schreiben, ihn seiner besondern Obhut empfehlen und ihn bitten, alle zweckdienlichen Mittel zu seiner Wiederherstellung anzuwenden, selbst wenn sie mit größeren Kosten verknüpft wären. Was nun die Anstalt betrifft, so versichert Jüngst, daß sie vortrefflich und auch eine wirkliche Heilungs-Anstalt sei. Er habe vor einigen Jahren zwei Mitglieder seiner Gemeinde dorthin schicken müssen, deßhalb vorher genaue Erkundigungen eingezogen, die alle genügend ausgefallen wären. Wenn ich nun auch glaube, daß vielleicht die Anstalt zu Siegburg noch vorzüglicher ist, so würde man dann in Hannover, wenn Sie meinen Bruder dahin hätten abholen lassen, keine Pension bewilligt und Ihnen die Kosten aufgebürdet haben. –
Nach meiner lieben Mutter dereinstigen Ableben bekommt Aug. natürlich den dritten Theil ihres baaren Vermögens und ihrer ganzen Nachlassenschaft. Dieses ist jedoch nicht so bedeutend, daß es hinreicht und kann ihm, sei es in gesunden oder kranken Tagen, [5] nur als Beihülfe dienen.
In Verden hat man sich, nach meiner Ansicht, manche Versehen und Vernachlässigungen zu Schulden kommen lassen. Erstens läßt man meinen Bruder, schon völlig geisteskrank, allein abreisen. Welches Unheil hätte daraus entstehen können! Dann benachrichtigt man meine Mutter von nichts, sie muß alles erst durch Fragen und Briefe von Mad. Engels zu erfahren suchen und diese Auskunft bleibt doch jedenfalls ungenügend. Deßhalb hat auf meinen Wunsch sich ehegestern H. Sup. Jüngst schriftlich an den Dr. jur. Matthäi zu Verden wegen folgender Punkte gewandt: „ob mein Bruder nun endlich nach Hildesheim abgereist sei, wenn nicht, welche Hindernisse dem im Wege ständen, ob diese nicht möglichst bald beseitigt und seine Abreise beschleunigt werden könne und dann, warum man ihn in Verden nicht ärztlich behandelt habe?“
Ich schreibe Ihnen so weitläuftig, theurer Oheim, und würde fürchten, Sie dadurch zu ermüden, wenn ich nicht wüßte, welchen aufrichtigen und thätigen Antheil Sie an dieser Angelegenheit nähmen. Haben Sie nun an den von uns getroffenen Anordnungen etwas auszusetzen, so schreiben Sie es grade zu, H. Superintendent wird gern Ihrer höheren und besseren Einsicht folgen.
Eins muß ich Ihnen noch schreiben, doch bitte ich, daß es [6] unter uns bleibt. Mir ward neulich, aus sichrer Quelle, im Vertrauen mitgetheilt, daß meines Bruders Geistesverwirrung wohl nicht bloß Folge des schlimmen Beines sei. Er habe sich tief gekränkt gefühlt, weil ihm ein junger Lehrer vorgesetzt, sei von dieser Zeit an finster und verschlossen geworden und immer für sich allein gegangen. Sein Zustand habe sich, nach dem schlimmen Beine, nur dahin geändert, daß er übertrieben lustig geworden und mehrere fixe Ideen gefaßt habe. Dabei habe er nun seine Geschäfte nicht länger versehen können und als man ihm angekündigt, daß er suspendirt sei, wäre er ganz wüthend geworden und 3 Tage und Nächte hindurch in Raserei verfallen. Mir kommt das sehr glaublich vor, denn in seinem vorletzten Briefe schrieb er mir, daß er zwar schon seit einem Jahre in eine höhere Stelle eingerückt sei, noch immer aber nicht die damit verbundene freie Wohnung und bessere Einnahme habe, diese beziehe ein junger Mann, Lehrer der Mathematik. Ich bedauerte ihn deßhalb und fand es unbillig, da er sich übrigens jedoch recht zufrieden äußerte, so fiel mir nicht ein, so traurige Folgen zu ahnen.
Ich kann meinen Brief erst morgen zur Post schicken und will ihn so lange unversiegelt lassen, um vielleicht schon mittheilen zu können, daß August’s Abreise nach Hildesheim erfolgt ist. Ich denke morgen Antwort von Ma[d]. Engels auf meine Anfrage zu erhalten.
[7] Da Sie in Ihrem letzten Briefe nichts von Ihrem Befinden erwähnen, so gebe ich der frohen Hoffnung Raum, daß Sie und Ihre Umgebungen wieder völlig wohl sind.
Ich fühle mich, durch die stete Spannung und Unruhe des Gemüthes, ziemlich angegriffen und oft unwohl. Mein Arzt scheint zu fürchten, daß ich ernstlich erkranke, besonders da hier gastrisch-nervöse Fieber herrschen, denn er besucht mich oft. Seine Mittel und guten Rathschläge können jedoch nicht eher von Erfolg sein, bis mein Inneres etwas beruhigt ist.
Leben Sie wohl, geliebter Oheim, und sein Sie überzeugt von der aufrichtigen Liebe
Ihrer
Sie hochschätzenden Nichte
Amalie Wolper.
d. 12ten Jan.
Ich habe bis jetzt keinen Brief erhalten, glaube aber, nach Kohlrausch Äußerung, daß Aug. bereits nach Hildesheim abgereist ist.
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