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Der Arzt besucht sie fast täglich und ist zugleich ein theilnehmender Freund unseres Hauses. <span class="index-5132 tp-34850 ">Ihre Tochter Pauline</span> wird im Februar 22 Jahre alt und ist seit einiger Zeit Gott sei Dank! gesund und kräftig. Als Kind hat sie viel gekränkelt und die blasse Gesichtsfarbe, als Folge der Bleichsucht, wird ihr wohl stets eigen bleiben. Sie ist von mitteler Größe, nicht grade schön, aber ihre Gesichtszüge sind angenehm und interessant, nur ungewöhnlich ernst für ein so junges Mädchen. <span class="index-5391 tp-34851 ">Der Sohn Adolph</span>, im Mai 20 Jahre alt, studirt seit Ostern in <span class="index-6154 tp-68808 index-2 tp-34852 ">Göttingen</span> und widmet sich vorzugsweise der Mathematik, wozu er die meiste Lust und Anlage hat. Er ist von blühendem, hübschen Äußern und von jeher kräftig und gesund gewesen. 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Wir hoffen, daß er den Erwartungen der Lehrer, die ihn hier zu ihren besten Schülern zählten, entsprechen wird.<lb/>Recht sehr beklage ich es, daß Sie, mein theuerster Oheim, mit <anchor type="b" n="5130" ana="11" xml:id="NidB34853"/>Hermann’s<anchor type="e" n="5130" ana="11" xml:id="NidE34853"/> früherem Betragen und mit mei<milestone unit="start" n="5403"/>[3]<note type="Notiz_zur_Transkription"><title>Paginierung des Editors</title></note><milestone unit="end" n="5403"/>ner scheinbar zu großen Nachgiebigkeit unzufrieden sind, da mir an Ihrer Billigung und Achtung so unendlich viel liegt. Ich verarge es Ihnen jedoch nicht, da in der Entfernung Manches anders erscheint und der Schein allerdings gegen uns war. Erst nachdem ich mich <hi rend="underline:1">selbst</hi> überzeugt hatte, daß <anchor type="b" n="5472" ana="15" xml:id="NidB68810"/><anchor type="b" n="10549" ana="11" xml:id="NidB68811"/>Hermann’s damaliger Prinzipal<anchor type="e" n="10549" ana="11" xml:id="NidE68811"/><anchor type="e" n="5472" ana="15" xml:id="NidE68810"/> ein boshafter und hämischer Mensch war, unter dessen täglich sich wiederholenden geistigen Mißhandlungen Herm’s. Character leiden mußte, entschloß ich mich, ihn weg zu nehmen. Gott allein, der mir die schwere Pflicht auferlegte, ohne männliche Stütze und Rath die Erzieherinn <anchor type="b" n="5130" ana="11" xml:id="NidB34854"/>meines Sohnes<anchor type="e" n="5130" ana="11" xml:id="NidE34854"/> zu sein, weiß, was ich gelitten und wie ich gekämpft habe. Ich muß mich mit dem Gedanken beruhigen, daß ich wenigstens das Gute gewollt und nach meiner Überzeugung mein einziges Kind nicht verweichlicht, sondern, wo es sein mußte, streng und consequent behandelt habe. Es wird mir nun auch die große Freude zu Theil, daß er seit 2 Jahren in <anchor type="b" n="5474" ana="15" xml:id="NidB68815"/><anchor type="b" n="10557" ana="11" xml:id="NidB68812"/><anchor type="b" n="10558" ana="11" xml:id="NidB68813"/><anchor type="b" n="10559" ana="11" xml:id="NidB68814"/>einer geachteten und wohldenkenden Familie<anchor type="e" n="10559" ana="11" xml:id="NidE68814"/><anchor type="e" n="10558" ana="11" xml:id="NidE68813"/><anchor type="e" n="10557" ana="11" xml:id="NidE68812"/><anchor type="e" n="5474" ana="15" xml:id="NidE68815"/> lebt, wo man mit seinem Betragen und seinen Leistungen sehr zufrieden ist. Ich nahm meinen Rückweg über <anchor type="b" n="5125" ana="10" xml:id="NidB34855"/>Lüneburg<anchor type="e" n="5125" ana="10" xml:id="NidE34855"/>, brachte 1 <hi rend="offset:4">1</hi>/<hi rend="offset:-4">2</hi> Tag dort zu und bin sehr befriedigt durch die persönliche Bekanntschaft dieser braven und gebildeten Leute. <anchor type="b" n="10557" ana="11" xml:id="NidB68809"/>Der alte, würdige H. Wahlstab<anchor type="e" n="10557" ana="11" xml:id="NidE68809"/> sagte mir selbst unaufgefordert, daß er <anchor type="b" n="5130" ana="11" xml:id="NidB34856"/>H.<anchor type="e" n="5130" ana="11" xml:id="NidE34856"/> recht lieb gewonnen habe wegen seines <milestone unit="start" n="5404"/>[4]<note type="Notiz_zur_Transkription"><title>Paginierung des Editors</title></note><milestone unit="end" n="5404"/> großen Eifers, seiner Pünktlichkeit und sonstigen guten Eigenschaften, ich dürfe die besten Erwartungen von ihm hegen. Er lebt und webt aber auch in seinem Beruf und es machte mir wahres Vergnügen, ihn einmal in seinem Elemente sich bewegen zu sehen. Er ist nur klein, wächs’t aber hoffentlich noch etwas, nicht eigentlich hübsch und sein schwacher Theil sind und bleiben die Augen. Doch nun genug hiervon.<lb/>Leben Sie recht wohl, theurer Oheim, Gott erhalte Sie noch lange und gebe Ihnen eine feste und dauerhafte Gesundheit!<lb/>Wenn Sie es erlauben, werde ich Ihnen von Zeit zu Zeit schreiben, es versteht sich jedoch, daß ich nur selten von Ihnen Nachricht erwarte.<lb/>Mit aufrichtiger Liebe und Verehrung<lb/>Ihre<lb/>dankbare Nichte<lb/>Amalie Wolper.', '36_absender' => array( (int) 0 => array( [maximum depth reached] ) ), '36_adressat' => array( (int) 0 => array( [maximum depth reached] ) ), '36_datumvon' => '1844-01-05', '36_absenderort' => array( (int) 0 => array( [maximum depth reached] ) ), '36_datengeberhand' => 'Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden', '36_purlhand' => 'DE-1a-34336', '36_signaturhand' => 'Mscr.Dresd.e.90,XIX,Bd.29,Nr.75', '36_h1zahl' => '4S. auf Doppelbl., hs. m. 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Sie kamen mir jedoch mit Ihrer großen Güte zuvor und innigst gerührt empfing ich diesen Morgen Ihren Brief und die Cassen-Anweisung von fünfzig Thaler. Ihnen <span class="index-3671 tp-34849 ">meiner Schwester</span> und meine Dankbarkeit und Gefühle genügend mit Worten auszüdrücken, vermag ich nicht. Möge Gott Ihnen alle Segnungen im reichsten Maaße zu Theil werden lassen, die Sie verdienen und die wir von ihm für Sie erflehen!<br>Meine Abreise von hier verzögerte sich bis Mitte November und da ich nichts Wesentliches damit zu versäumen hatte, so ließ ich mich von meinen Freunden bereden, das neue Jahr in ihrer Mitte zu beginnen. Gestärkt und erheitert bin ich zurück gekehrt und nun mehr <span class="notice-5402 ">[2]</span> geeignet, <span class="index-3671 tp-68807 ">meiner armen Schwester</span> Stütze und Trost zu sein. Zu ihren bisherigen Übeln gesellen sich jetzt mitunter Zufälle, die mir bedenklich scheinen und bei deren öfterer Wiederkehr ich für ihr Leben fürchte. Es geschieht Alles zu ihrer Pflege und Erheiterung, was in unsern Kräften steht. Der Arzt besucht sie fast täglich und ist zugleich ein theilnehmender Freund unseres Hauses. <span class="index-5132 tp-34850 ">Ihre Tochter Pauline</span> wird im Februar 22 Jahre alt und ist seit einiger Zeit Gott sei Dank! gesund und kräftig. Als Kind hat sie viel gekränkelt und die blasse Gesichtsfarbe, als Folge der Bleichsucht, wird ihr wohl stets eigen bleiben. Sie ist von mitteler Größe, nicht grade schön, aber ihre Gesichtszüge sind angenehm und interessant, nur ungewöhnlich ernst für ein so junges Mädchen. <span class="index-5391 tp-34851 ">Der Sohn Adolph</span>, im Mai 20 Jahre alt, studirt seit Ostern in <span class="index-6154 tp-68808 index-2 tp-34852 ">Göttingen</span> und widmet sich vorzugsweise der Mathematik, wozu er die meiste Lust und Anlage hat. Er ist von blühendem, hübschen Äußern und von jeher kräftig und gesund gewesen. Wir hoffen, daß er den Erwartungen der Lehrer, die ihn hier zu ihren besten Schülern zählten, entsprechen wird.<br>Recht sehr beklage ich es, daß Sie, mein theuerster Oheim, mit <span class="index-5130 tp-34853 ">Hermann’s</span> früherem Betragen und mit mei<span class="notice-5403 ">[3]</span>ner scheinbar zu großen Nachgiebigkeit unzufrieden sind, da mir an Ihrer Billigung und Achtung so unendlich viel liegt. Ich verarge es Ihnen jedoch nicht, da in der Entfernung Manches anders erscheint und der Schein allerdings gegen uns war. Erst nachdem ich mich <span class="underline-1 ">selbst</span> überzeugt hatte, daß <span class="index-5472 tp-68810 index-10549 tp-68811 ">Hermann’s damaliger Prinzipal</span> ein boshafter und hämischer Mensch war, unter dessen täglich sich wiederholenden geistigen Mißhandlungen Herm’s. Character leiden mußte, entschloß ich mich, ihn weg zu nehmen. Gott allein, der mir die schwere Pflicht auferlegte, ohne männliche Stütze und Rath die Erzieherinn <span class="index-5130 tp-34854 ">meines Sohnes</span> zu sein, weiß, was ich gelitten und wie ich gekämpft habe. Ich muß mich mit dem Gedanken beruhigen, daß ich wenigstens das Gute gewollt und nach meiner Überzeugung mein einziges Kind nicht verweichlicht, sondern, wo es sein mußte, streng und consequent behandelt habe. Es wird mir nun auch die große Freude zu Theil, daß er seit 2 Jahren in <span class="index-5474 tp-68815 index-10557 tp-68812 index-10558 tp-68813 index-10559 tp-68814 ">einer geachteten und wohldenkenden Familie</span> lebt, wo man mit seinem Betragen und seinen Leistungen sehr zufrieden ist. Ich nahm meinen Rückweg über <span class="index-5125 tp-34855 ">Lüneburg</span>, brachte 1 <span class="offset-4 ">1</span>/<span class="offset--4 ">2</span> Tag dort zu und bin sehr befriedigt durch die persönliche Bekanntschaft dieser braven und gebildeten Leute. <span class="index-10557 tp-68809 ">Der alte, würdige H. Wahlstab</span> sagte mir selbst unaufgefordert, daß er <span class="index-5130 tp-34856 ">H.</span> recht lieb gewonnen habe wegen seines <span class="notice-5404 ">[4]</span> großen Eifers, seiner Pünktlichkeit und sonstigen guten Eigenschaften, ich dürfe die besten Erwartungen von ihm hegen. Er lebt und webt aber auch in seinem Beruf und es machte mir wahres Vergnügen, ihn einmal in seinem Elemente sich bewegen zu sehen. Er ist nur klein, wächs’t aber hoffentlich noch etwas, nicht eigentlich hübsch und sein schwacher Theil sind und bleiben die Augen. Doch nun genug hiervon.<br>Leben Sie recht wohl, theurer Oheim, Gott erhalte Sie noch lange und gebe Ihnen eine feste und dauerhafte Gesundheit!<br>Wenn Sie es erlauben, werde ich Ihnen von Zeit zu Zeit schreiben, es versteht sich jedoch, daß ich nur selten von Ihnen Nachricht erwarte.<br>Mit aufrichtiger Liebe und Verehrung<br>Ihre<br>dankbare Nichte<br>Amalie Wolper.' $isaprint = false $isnewtranslation = true $statemsg = 'betamsg23' $cittitle = 'www.august-wilhelm-schlegel.de/briefedigital/briefid/1311' $description = 'Amalie Wolper an August Wilhelm von Schlegel am 05.01.1844, Harburg, Elbe, Bonn' $adressatort = 'Bonn <a class="gndmetadata" target="_blank" href="http://d-nb.info/gnd/1001909-1">GND</a>' $absendeort = 'Harburg, Elbe <a class="gndmetadata" target="_blank" href="http://d-nb.info/gnd/4094727-0">GND</a>' $date = '05.01.1844' $adressat = array() $adrCitation = 'August Wilhelm von Schlegel' $absender = array( (int) 7094 => array( 'ID' => '7094', 'project' => '1', 'timecreate' => '2014-05-15 15:44:15', 'timelastchg' => '2019-03-22 16:11:29', 'key' => 'AWS-ap-00jn', 'docTyp' => array( 'name' => 'Person', 'id' => '39' ), '39_fulltext' => '', '39_html' => '', '39_geschlecht' => 'w', '39_name' => 'Wolper, Amalie', '39_gebdatumfrei' => 'ca. 1798/1799', '39_toddatumfrei' => 'nach Juli 1845', '39_pdb' => 'GND', '39_namevar' => 'Wolper, Amalie Henriette Schlegel, Amalie Henriette (Geburtsname)', '39_status_person' => 'Vollständig', '39_lebenwirken' => 'Gattin von August Friedrich Wolper Amalie („Malchen“) Schlegel heiratete 1820 den Theologen und Philologen August Friedrich Wolper, den sie in Harburg kennenlernte. 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[1] Harburg d. 5ten Jan.
1844.
Geliebtester Oheim!
Erst gestern bin ich von meiner kleinen Reise, von der ich Ihnen in meinem letzten Briefe schrieb, zurück gekehrt und beabsichtigte, Ihnen in den nächsten Tagen Nachricht von uns zu geben. Sie kamen mir jedoch mit Ihrer großen Güte zuvor und innigst gerührt empfing ich diesen Morgen Ihren Brief und die Cassen-Anweisung von fünfzig Thaler. Ihnen meiner Schwester und meine Dankbarkeit und Gefühle genügend mit Worten auszüdrücken, vermag ich nicht. Möge Gott Ihnen alle Segnungen im reichsten Maaße zu Theil werden lassen, die Sie verdienen und die wir von ihm für Sie erflehen!
Meine Abreise von hier verzögerte sich bis Mitte November und da ich nichts Wesentliches damit zu versäumen hatte, so ließ ich mich von meinen Freunden bereden, das neue Jahr in ihrer Mitte zu beginnen. Gestärkt und erheitert bin ich zurück gekehrt und nun mehr [2] geeignet, meiner armen Schwester Stütze und Trost zu sein. Zu ihren bisherigen Übeln gesellen sich jetzt mitunter Zufälle, die mir bedenklich scheinen und bei deren öfterer Wiederkehr ich für ihr Leben fürchte. Es geschieht Alles zu ihrer Pflege und Erheiterung, was in unsern Kräften steht. Der Arzt besucht sie fast täglich und ist zugleich ein theilnehmender Freund unseres Hauses. Ihre Tochter Pauline wird im Februar 22 Jahre alt und ist seit einiger Zeit Gott sei Dank! gesund und kräftig. Als Kind hat sie viel gekränkelt und die blasse Gesichtsfarbe, als Folge der Bleichsucht, wird ihr wohl stets eigen bleiben. Sie ist von mitteler Größe, nicht grade schön, aber ihre Gesichtszüge sind angenehm und interessant, nur ungewöhnlich ernst für ein so junges Mädchen. Der Sohn Adolph, im Mai 20 Jahre alt, studirt seit Ostern in Göttingen und widmet sich vorzugsweise der Mathematik, wozu er die meiste Lust und Anlage hat. Er ist von blühendem, hübschen Äußern und von jeher kräftig und gesund gewesen. Wir hoffen, daß er den Erwartungen der Lehrer, die ihn hier zu ihren besten Schülern zählten, entsprechen wird.
Recht sehr beklage ich es, daß Sie, mein theuerster Oheim, mit Hermann’s früherem Betragen und mit mei[3]ner scheinbar zu großen Nachgiebigkeit unzufrieden sind, da mir an Ihrer Billigung und Achtung so unendlich viel liegt. Ich verarge es Ihnen jedoch nicht, da in der Entfernung Manches anders erscheint und der Schein allerdings gegen uns war. Erst nachdem ich mich selbst überzeugt hatte, daß Hermann’s damaliger Prinzipal ein boshafter und hämischer Mensch war, unter dessen täglich sich wiederholenden geistigen Mißhandlungen Herm’s. Character leiden mußte, entschloß ich mich, ihn weg zu nehmen. Gott allein, der mir die schwere Pflicht auferlegte, ohne männliche Stütze und Rath die Erzieherinn meines Sohnes zu sein, weiß, was ich gelitten und wie ich gekämpft habe. Ich muß mich mit dem Gedanken beruhigen, daß ich wenigstens das Gute gewollt und nach meiner Überzeugung mein einziges Kind nicht verweichlicht, sondern, wo es sein mußte, streng und consequent behandelt habe. Es wird mir nun auch die große Freude zu Theil, daß er seit 2 Jahren in einer geachteten und wohldenkenden Familie lebt, wo man mit seinem Betragen und seinen Leistungen sehr zufrieden ist. Ich nahm meinen Rückweg über Lüneburg, brachte 1 1/2 Tag dort zu und bin sehr befriedigt durch die persönliche Bekanntschaft dieser braven und gebildeten Leute. Der alte, würdige H. Wahlstab sagte mir selbst unaufgefordert, daß er H. recht lieb gewonnen habe wegen seines [4] großen Eifers, seiner Pünktlichkeit und sonstigen guten Eigenschaften, ich dürfe die besten Erwartungen von ihm hegen. Er lebt und webt aber auch in seinem Beruf und es machte mir wahres Vergnügen, ihn einmal in seinem Elemente sich bewegen zu sehen. Er ist nur klein, wächs’t aber hoffentlich noch etwas, nicht eigentlich hübsch und sein schwacher Theil sind und bleiben die Augen. Doch nun genug hiervon.
Leben Sie recht wohl, theurer Oheim, Gott erhalte Sie noch lange und gebe Ihnen eine feste und dauerhafte Gesundheit!
Wenn Sie es erlauben, werde ich Ihnen von Zeit zu Zeit schreiben, es versteht sich jedoch, daß ich nur selten von Ihnen Nachricht erwarte.
Mit aufrichtiger Liebe und Verehrung
Ihre
dankbare Nichte
Amalie Wolper.
1844.
Geliebtester Oheim!
Erst gestern bin ich von meiner kleinen Reise, von der ich Ihnen in meinem letzten Briefe schrieb, zurück gekehrt und beabsichtigte, Ihnen in den nächsten Tagen Nachricht von uns zu geben. Sie kamen mir jedoch mit Ihrer großen Güte zuvor und innigst gerührt empfing ich diesen Morgen Ihren Brief und die Cassen-Anweisung von fünfzig Thaler. Ihnen meiner Schwester und meine Dankbarkeit und Gefühle genügend mit Worten auszüdrücken, vermag ich nicht. Möge Gott Ihnen alle Segnungen im reichsten Maaße zu Theil werden lassen, die Sie verdienen und die wir von ihm für Sie erflehen!
Meine Abreise von hier verzögerte sich bis Mitte November und da ich nichts Wesentliches damit zu versäumen hatte, so ließ ich mich von meinen Freunden bereden, das neue Jahr in ihrer Mitte zu beginnen. Gestärkt und erheitert bin ich zurück gekehrt und nun mehr [2] geeignet, meiner armen Schwester Stütze und Trost zu sein. Zu ihren bisherigen Übeln gesellen sich jetzt mitunter Zufälle, die mir bedenklich scheinen und bei deren öfterer Wiederkehr ich für ihr Leben fürchte. Es geschieht Alles zu ihrer Pflege und Erheiterung, was in unsern Kräften steht. Der Arzt besucht sie fast täglich und ist zugleich ein theilnehmender Freund unseres Hauses. Ihre Tochter Pauline wird im Februar 22 Jahre alt und ist seit einiger Zeit Gott sei Dank! gesund und kräftig. Als Kind hat sie viel gekränkelt und die blasse Gesichtsfarbe, als Folge der Bleichsucht, wird ihr wohl stets eigen bleiben. Sie ist von mitteler Größe, nicht grade schön, aber ihre Gesichtszüge sind angenehm und interessant, nur ungewöhnlich ernst für ein so junges Mädchen. Der Sohn Adolph, im Mai 20 Jahre alt, studirt seit Ostern in Göttingen und widmet sich vorzugsweise der Mathematik, wozu er die meiste Lust und Anlage hat. Er ist von blühendem, hübschen Äußern und von jeher kräftig und gesund gewesen. Wir hoffen, daß er den Erwartungen der Lehrer, die ihn hier zu ihren besten Schülern zählten, entsprechen wird.
Recht sehr beklage ich es, daß Sie, mein theuerster Oheim, mit Hermann’s früherem Betragen und mit mei[3]ner scheinbar zu großen Nachgiebigkeit unzufrieden sind, da mir an Ihrer Billigung und Achtung so unendlich viel liegt. Ich verarge es Ihnen jedoch nicht, da in der Entfernung Manches anders erscheint und der Schein allerdings gegen uns war. Erst nachdem ich mich selbst überzeugt hatte, daß Hermann’s damaliger Prinzipal ein boshafter und hämischer Mensch war, unter dessen täglich sich wiederholenden geistigen Mißhandlungen Herm’s. Character leiden mußte, entschloß ich mich, ihn weg zu nehmen. Gott allein, der mir die schwere Pflicht auferlegte, ohne männliche Stütze und Rath die Erzieherinn meines Sohnes zu sein, weiß, was ich gelitten und wie ich gekämpft habe. Ich muß mich mit dem Gedanken beruhigen, daß ich wenigstens das Gute gewollt und nach meiner Überzeugung mein einziges Kind nicht verweichlicht, sondern, wo es sein mußte, streng und consequent behandelt habe. Es wird mir nun auch die große Freude zu Theil, daß er seit 2 Jahren in einer geachteten und wohldenkenden Familie lebt, wo man mit seinem Betragen und seinen Leistungen sehr zufrieden ist. Ich nahm meinen Rückweg über Lüneburg, brachte 1 1/2 Tag dort zu und bin sehr befriedigt durch die persönliche Bekanntschaft dieser braven und gebildeten Leute. Der alte, würdige H. Wahlstab sagte mir selbst unaufgefordert, daß er H. recht lieb gewonnen habe wegen seines [4] großen Eifers, seiner Pünktlichkeit und sonstigen guten Eigenschaften, ich dürfe die besten Erwartungen von ihm hegen. Er lebt und webt aber auch in seinem Beruf und es machte mir wahres Vergnügen, ihn einmal in seinem Elemente sich bewegen zu sehen. Er ist nur klein, wächs’t aber hoffentlich noch etwas, nicht eigentlich hübsch und sein schwacher Theil sind und bleiben die Augen. Doch nun genug hiervon.
Leben Sie recht wohl, theurer Oheim, Gott erhalte Sie noch lange und gebe Ihnen eine feste und dauerhafte Gesundheit!
Wenn Sie es erlauben, werde ich Ihnen von Zeit zu Zeit schreiben, es versteht sich jedoch, daß ich nur selten von Ihnen Nachricht erwarte.
Mit aufrichtiger Liebe und Verehrung
Ihre
dankbare Nichte
Amalie Wolper.