• Friedrich von Schlegel to August Wilhelm von Schlegel

  • Place of Dispatch: Köln · Place of Destination: Coppet · Date: 02.06.1804
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
    Metadata Concerning Header
  • Sender: Friedrich von Schlegel
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel
  • Place of Dispatch: Köln
  • Place of Destination: Coppet
  • Date: 02.06.1804
  • Notations: Empfangsort erschlossen.
    Printed Text
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: 335976727
  • Bibliography: Krisenjahre der Frühromantik. Briefe aus dem Schlegelkreis. Hg. v. Josef Körner. Bd. 1. Der Texte erste Hälfte. 1791‒1808. Bern u.a. ²1969, S. 100‒103.
  • Weitere Drucke: Kritische Friedrich-Schlegel-Ausgabe. Bd. 26. Dritte Abteilung: Briefe von und an Friedrich und Dorothea Schlegel. Pariser und Kölner Lebensjahre (1802‒1808). Erster Teil Juni 1802 ‒ Dezember 1805). Mit Einleitung und Kommentar hg. v. Hans Dierkes. Paderborn 2018, S. 203‒205.
  • Incipit: „[1] Kölln den 2ten Junius 1804
    Herzlich geliebter Bruder, Deinen Brief aus Berlin nebst der Einlage von Deiner Freundin erhielt ich noch [...]“
    Manuscript
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: APP2712-Bd-8
  • Classification Number: Mscr.Dresd.App.2712,B,I,14
  • Number of Pages: 8 S. auf Doppelbl., hs. m. U.
  • Format: 20 x 11,8 cm
[1] Kölln den 2ten Junius 1804
Herzlich geliebter Bruder, Deinen Brief aus Berlin nebst der Einlage von Deiner Freundin erhielt ich noch in Paris am Abend vor meiner Abreise; wenn es mir auch möglich gewesen wäre, gleich einen Entschluß zu fassen und zu antworten, so hätte es doch zu nichts fruchten können, da ich Neckers Tod schon wußte, und also voraussehen konnte, was geschehen ist, daß Euer Reiseplan manche Aenderung finden würde.
Sehr schade ists, daß Ihr nicht über Frankfurt gegangen seid. Freilich würde ich gleich dahin geeilt sein, da mich eben so herzlich verlangt Dich wiederzusehen. Wir hätten dann dort einige Zeit zusammen zugebracht, und hätten für die Folge Abrede genommen. – Wie sehr mich der Ausdruck freundschaftlicher Gesinnungen in Deinem Briefe gerührt und erfreut hat, kann ich Dir nicht sagen; von ganzem Herzen sehne ich mich danach, Dich wiederzusehen, und mit Dir so lange als möglich vereint zu leben. – Diesen Sommer werdʼ ich wohl [2] kaum zur Erfüllung unsres Wunsches gelangen. Die Weite des Weges, obgleich auch diese besonders für einen kürzern Besuch in Anschlag kommt, ist das kleinste Hinderniß. Aber meine Freunde hier, die mich hieher eingeladen haben, haben in der That zuviel dafür gethan und aufgeopfert, als daß ich sie sogleich wieder verlassen dürfte. Auch hatte ich gleich anfangs mein Wort gegeben, noch diesen Sommer hier eine Vorlesung zu halten. Ist aber diese vollendet, so bin ich dann freier und es lassen sich diese Plane ausführen. Auf jeden Fall muß ich Dich bei dieser Gelegenheit sehen; reisest Du schneller zurück nach Deutschland, wenigstens dann; bleibst Du aber den Winter, oder gar noch länger in Genf, so müssen wir auch dort eine Zeitlang zusammen leben. In Genf wärʼ es vielleicht angenehmer, für Paris aber wär ich sehr wegen des Lehrreichen. Ich möchte gar gerne dort eine Zeitlang mit Dir zubringen. Wenn Du Dich ganz in der [3] Schweiz ansiedelst, so käme ich im Frühjahr etwa hin; wir lebten zusammen einen Monat in der schönen Gegend, und gingen dann auf 3 oder 4 Monate zusammen nach Paris.
Schreib mir nur ja recht oft, recht viel und recht ausführlich über Deine Verhältnisse und Absichten. Ich werde das gleiche thun, ich wünsche nichts mehr, als recht lange und recht vereinigt mit Dir zu leben.
Was mich betrifft, so wünsche ich jezt nichts mehr, als einen bleibenden Aufenthalt für mich und meine Frau, in einer der Städte zwischen Paris und Deutschland zu finden. Nach Deutschland mag ich nicht zurück, und sehr weit mag ich mich auch nicht von Paris entfernen wegen der Indischen Manuscripte. Für immer dort leben mit meiner Frau, das kann ich aber nicht, weil es allzu theuer dazu ist. – Meine Freunde hier, wünschten wohl daß ich recht lange hier bleiben möchte. Sehe ich nun daß dieß ausführbar ist, so richte ich mich hier ein; und ist dieß einmal bestimmt, so kann ich auch [4] meine Frau auf einige Monate hier allein lassen um mit Dir zu leben. Sehe ich aber, daß ich meine Rechnung hier nicht so finden kann als man mich hoffen macht, so muß ich freilich vor allen Dingen einen andern Wohnort für die meinigen suchen, und könnte dann also nur mit meiner Frau an einen andern Ort ziehen. Ich sehne mich herzlich nach einem ruhigen und festen Wohnort, wo mir die Subsistenz wenigstens etwas erleichtert wäre; denn der Aufenthalt in Paris hat mich an Geld und Credit sehr erschöpft. Es wäre sehr heilsam für meine Arbeiten, und ist auch um so nöthiger, da die Gesundheit meiner Frau äusserst schwach ist.
Schreibe mir auch recht viel von der Stael. Ich bin sehr begierig, Sie zu sehen, besonders mit Dir zusammen; und freue mich herzlich daß Du eine Verbindung gefunden hast die Dir so werth ist.
[5] Ist es der Staël ihr Ernst, ein französisches Buch über die Deutsche Litteratur zu schreiben, so rathe ich ihr ja recht ernst und strenge; obgleich das Buch gewiß allgemein angegriffen werden wird, so kann es doch wenn es gründlich ausfällt für die Folge nützlich sein, denn wirken wird es gewiß.
Daß aber Deine Feinde sagen dürfen Du seist als Hofmeister bei ihren Kindern, das verdrießt mich im höchsten Grade. Du mußt in der That alles mögliche thun, um ein so nachtheiliges Gerücht durch die That zu widerlegen; und wenn Du auch den Plan des Unterrichts für die jungen Leute entwerfen willst, doch auf keine Weise Dich selbst mit einem Geschäft befassen, wodurch Du Deiner Würde wenigstens bei Fremden, ja auch bei Deinen entfernten Freunden so viel vergeben würdest, da Deine Zeit ohnehin so kostbar ist.
Ueberhaupt wünschtʼ ich daß Dein Verhältniß mit der Staël, wenn es von Dauer ist, so anerkannt und so bestimmt wäre [6] als möglich. Stimmt diese Aeußerung nicht zu Deinen Absichten, so halte sie der Wärme meiner Theilnahme zu Gute. Vor allen Dingen aber, ich mag nun Recht oder Unrecht haben, schreibe mir recht viel von Deiner Freundin.
Sie hat schon seit mehr als einem Jahr einen Hofmeister für ihre Söhne gesucht. Zufälligerweise kenne ich einige der Subjekte, mit denen sie darüber in Verhandlung stand. Das erste war ein gewisser Schweighäuser aus dem Elsaß, der jezt auch sogar kleine Schriftstellerei en detail treibt. Ich habe ihn sehr oft in Paris gesehn; es ist ein completer Narr aber von der stupiden Art. Es ist gut, daß sie mit ihm abgebrochen hat. Der andre aber ein junger Schweizer namens Müralt, ist ein sehr braver Junge; von vielen Kenntnissen, ein vorgezogner Schüler Wolfs. [7] Kömmt er Dir in der Schweiz irgend einmal vor, so behandle ihn als meinen Freund. Wie ich höre ist es mit diesem nur rückgängig geworden, weil die Staël die ungeachtet ihres beträchtlichen Vermögens, doch vor dem Tode ihres Vaters sich in einigen Ausgaben vielleicht mit Recht zu beschränkt erschien, ihm nicht reichliche Bedingungen genug gemacht hatte; da er nun arm ist, so hat er, obwohl er sonst grosse Lust hatte, vorziehen müssen zu Pestalozzi zu gehen.
Wer ist der Constant? und in welchem Verhältnisse lebt er zu Genf? Nächstens schreibʼ ich Dir wieder und zwar von litterarischen Dingen, und ich hoffe auch Du wirst das gleiche thun. Du hast mir auch noch nichts von der Reise erzählt, von Weimar, Würzburg usw. Du bist ja auch wohl durch einen Theil der Deutschen Schweiz gekommen. Das beneid ich Dir sehr. – Noch habʼ ich gar nichts Neues aus Deutschland erhalten, ich [8] hoffe aber doch, Du hast Dich meiner christlich erinnert vor der Abreise. Ist vom Calderon, vom Shakespeare etwas fertig geworden? Und was ist das mit dem Peregrino der von Dir angekündigt ist ? – Wie werd ich Dir nun den Lessing zukommen lassen? Wir sind doch schrecklich weit von einander. Wärʼ ich diesen Sommer noch in Paris geblieben, so hätte ich nun gleich zu Dir kommen können. Doch ich hoffe es soll auch so bald geschehen. – Lebe recht wohl und vergnügt, und schreibe mir ja bald wieder.
Meine Frau kömmt in zwei oder drei Tagen; in zwei oder drei Wochen denke ich auch schon eher zu wissen, wie ich mit meiner Zeit auf das nächste Jahr daran sein werde.
Friedrich
[1] Kölln den 2ten Junius 1804
Herzlich geliebter Bruder, Deinen Brief aus Berlin nebst der Einlage von Deiner Freundin erhielt ich noch in Paris am Abend vor meiner Abreise; wenn es mir auch möglich gewesen wäre, gleich einen Entschluß zu fassen und zu antworten, so hätte es doch zu nichts fruchten können, da ich Neckers Tod schon wußte, und also voraussehen konnte, was geschehen ist, daß Euer Reiseplan manche Aenderung finden würde.
Sehr schade ists, daß Ihr nicht über Frankfurt gegangen seid. Freilich würde ich gleich dahin geeilt sein, da mich eben so herzlich verlangt Dich wiederzusehen. Wir hätten dann dort einige Zeit zusammen zugebracht, und hätten für die Folge Abrede genommen. – Wie sehr mich der Ausdruck freundschaftlicher Gesinnungen in Deinem Briefe gerührt und erfreut hat, kann ich Dir nicht sagen; von ganzem Herzen sehne ich mich danach, Dich wiederzusehen, und mit Dir so lange als möglich vereint zu leben. – Diesen Sommer werdʼ ich wohl [2] kaum zur Erfüllung unsres Wunsches gelangen. Die Weite des Weges, obgleich auch diese besonders für einen kürzern Besuch in Anschlag kommt, ist das kleinste Hinderniß. Aber meine Freunde hier, die mich hieher eingeladen haben, haben in der That zuviel dafür gethan und aufgeopfert, als daß ich sie sogleich wieder verlassen dürfte. Auch hatte ich gleich anfangs mein Wort gegeben, noch diesen Sommer hier eine Vorlesung zu halten. Ist aber diese vollendet, so bin ich dann freier und es lassen sich diese Plane ausführen. Auf jeden Fall muß ich Dich bei dieser Gelegenheit sehen; reisest Du schneller zurück nach Deutschland, wenigstens dann; bleibst Du aber den Winter, oder gar noch länger in Genf, so müssen wir auch dort eine Zeitlang zusammen leben. In Genf wärʼ es vielleicht angenehmer, für Paris aber wär ich sehr wegen des Lehrreichen. Ich möchte gar gerne dort eine Zeitlang mit Dir zubringen. Wenn Du Dich ganz in der [3] Schweiz ansiedelst, so käme ich im Frühjahr etwa hin; wir lebten zusammen einen Monat in der schönen Gegend, und gingen dann auf 3 oder 4 Monate zusammen nach Paris.
Schreib mir nur ja recht oft, recht viel und recht ausführlich über Deine Verhältnisse und Absichten. Ich werde das gleiche thun, ich wünsche nichts mehr, als recht lange und recht vereinigt mit Dir zu leben.
Was mich betrifft, so wünsche ich jezt nichts mehr, als einen bleibenden Aufenthalt für mich und meine Frau, in einer der Städte zwischen Paris und Deutschland zu finden. Nach Deutschland mag ich nicht zurück, und sehr weit mag ich mich auch nicht von Paris entfernen wegen der Indischen Manuscripte. Für immer dort leben mit meiner Frau, das kann ich aber nicht, weil es allzu theuer dazu ist. – Meine Freunde hier, wünschten wohl daß ich recht lange hier bleiben möchte. Sehe ich nun daß dieß ausführbar ist, so richte ich mich hier ein; und ist dieß einmal bestimmt, so kann ich auch [4] meine Frau auf einige Monate hier allein lassen um mit Dir zu leben. Sehe ich aber, daß ich meine Rechnung hier nicht so finden kann als man mich hoffen macht, so muß ich freilich vor allen Dingen einen andern Wohnort für die meinigen suchen, und könnte dann also nur mit meiner Frau an einen andern Ort ziehen. Ich sehne mich herzlich nach einem ruhigen und festen Wohnort, wo mir die Subsistenz wenigstens etwas erleichtert wäre; denn der Aufenthalt in Paris hat mich an Geld und Credit sehr erschöpft. Es wäre sehr heilsam für meine Arbeiten, und ist auch um so nöthiger, da die Gesundheit meiner Frau äusserst schwach ist.
Schreibe mir auch recht viel von der Stael. Ich bin sehr begierig, Sie zu sehen, besonders mit Dir zusammen; und freue mich herzlich daß Du eine Verbindung gefunden hast die Dir so werth ist.
[5] Ist es der Staël ihr Ernst, ein französisches Buch über die Deutsche Litteratur zu schreiben, so rathe ich ihr ja recht ernst und strenge; obgleich das Buch gewiß allgemein angegriffen werden wird, so kann es doch wenn es gründlich ausfällt für die Folge nützlich sein, denn wirken wird es gewiß.
Daß aber Deine Feinde sagen dürfen Du seist als Hofmeister bei ihren Kindern, das verdrießt mich im höchsten Grade. Du mußt in der That alles mögliche thun, um ein so nachtheiliges Gerücht durch die That zu widerlegen; und wenn Du auch den Plan des Unterrichts für die jungen Leute entwerfen willst, doch auf keine Weise Dich selbst mit einem Geschäft befassen, wodurch Du Deiner Würde wenigstens bei Fremden, ja auch bei Deinen entfernten Freunden so viel vergeben würdest, da Deine Zeit ohnehin so kostbar ist.
Ueberhaupt wünschtʼ ich daß Dein Verhältniß mit der Staël, wenn es von Dauer ist, so anerkannt und so bestimmt wäre [6] als möglich. Stimmt diese Aeußerung nicht zu Deinen Absichten, so halte sie der Wärme meiner Theilnahme zu Gute. Vor allen Dingen aber, ich mag nun Recht oder Unrecht haben, schreibe mir recht viel von Deiner Freundin.
Sie hat schon seit mehr als einem Jahr einen Hofmeister für ihre Söhne gesucht. Zufälligerweise kenne ich einige der Subjekte, mit denen sie darüber in Verhandlung stand. Das erste war ein gewisser Schweighäuser aus dem Elsaß, der jezt auch sogar kleine Schriftstellerei en detail treibt. Ich habe ihn sehr oft in Paris gesehn; es ist ein completer Narr aber von der stupiden Art. Es ist gut, daß sie mit ihm abgebrochen hat. Der andre aber ein junger Schweizer namens Müralt, ist ein sehr braver Junge; von vielen Kenntnissen, ein vorgezogner Schüler Wolfs. [7] Kömmt er Dir in der Schweiz irgend einmal vor, so behandle ihn als meinen Freund. Wie ich höre ist es mit diesem nur rückgängig geworden, weil die Staël die ungeachtet ihres beträchtlichen Vermögens, doch vor dem Tode ihres Vaters sich in einigen Ausgaben vielleicht mit Recht zu beschränkt erschien, ihm nicht reichliche Bedingungen genug gemacht hatte; da er nun arm ist, so hat er, obwohl er sonst grosse Lust hatte, vorziehen müssen zu Pestalozzi zu gehen.
Wer ist der Constant? und in welchem Verhältnisse lebt er zu Genf? Nächstens schreibʼ ich Dir wieder und zwar von litterarischen Dingen, und ich hoffe auch Du wirst das gleiche thun. Du hast mir auch noch nichts von der Reise erzählt, von Weimar, Würzburg usw. Du bist ja auch wohl durch einen Theil der Deutschen Schweiz gekommen. Das beneid ich Dir sehr. – Noch habʼ ich gar nichts Neues aus Deutschland erhalten, ich [8] hoffe aber doch, Du hast Dich meiner christlich erinnert vor der Abreise. Ist vom Calderon, vom Shakespeare etwas fertig geworden? Und was ist das mit dem Peregrino der von Dir angekündigt ist ? – Wie werd ich Dir nun den Lessing zukommen lassen? Wir sind doch schrecklich weit von einander. Wärʼ ich diesen Sommer noch in Paris geblieben, so hätte ich nun gleich zu Dir kommen können. Doch ich hoffe es soll auch so bald geschehen. – Lebe recht wohl und vergnügt, und schreibe mir ja bald wieder.
Meine Frau kömmt in zwei oder drei Tagen; in zwei oder drei Wochen denke ich auch schon eher zu wissen, wie ich mit meiner Zeit auf das nächste Jahr daran sein werde.
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