• Henriette Ernst to August Wilhelm von Schlegel

  • Place of Dispatch: Hannover · Place of Destination: Amsterdam · Date: 04.10.1793
Edition Status: Newly transcribed and labelled; single collated
    Metadata Concerning Header
  • Sender: Henriette Ernst
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel
  • Place of Dispatch: Hannover
  • Place of Destination: Amsterdam
  • Date: 04.10.1793
  • Notations: Absende- und Empfangsort erschlossen.
    Manuscript
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: DE-1a-33449
  • Classification Number: Mscr.Dresd.e.90,XIX,Bd.7,Nr.74
  • Number of Pages: 4S. auf Doppelbl., hs. m. U.
  • Format: 18,1 x 12,6 cm
  • Incipit: „[1] 1793 den 4ten Okto.
    Liebster Wilhelm,
    Ich muß doch der Mutter ihren Briefe noch einige Zeilen beyfügen; es ist itzt die [...]“
  • Editors: Bamberg, Claudia
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[1] 1793 den 4ten Okto.
Liebster Wilhelm,
Ich muß doch der Mutter ihren Briefe noch einige Zeilen beyfügen; es ist itzt die traurigste Epoche meines Lebens, das härteste daran ist zwar überstanden, aber das Gefühl unsers großen Verlusts wird sich nie abstumpfen. Es ist mir itzt noch oft als wenn es nicht so seyn könnte! Und daß ist ein tiefer Kummer für mich – und lag besonders während meiner Krankheit schwer auf meinem Herzen, daß ich in der ganzen Krankheit, nichts zur Pflege und Wartung, nichts zur Erleichterung meiner Mutter beytragen konnte; da es doch schon von lange her, mein fester Vorsatz gewesen, bey ihm zu bleiben, bey dem besten Vater bis zu seiner letzten Stunde. Es zerriß mir oft das Herz mich so nahe bey ihm zu wißen und doch so getrennt. Keins von seinen Kindern ist so glücklich [2] gewesen um ihn zu seyn; aber er hat uns gewis im Geiste noch alle geseegnet, und hat inbrünstig für uns gebetet, denn er hat uns auch in den letzten Tagen alle mit Namen genant. Sein Gebet sein Seegen wird gewiß wirksam seyn! Dieß stärkt mein Vertrauen, und ist mir Trost. Gottlob, daß wir nun alle so weit wieder besser sind! und daß meiner Mutter Gesundheit, doch nicht zu sehr darunter gelitten!
Mein Bruder Fritz hat eben geschrieben, ein sehr guter Brief, so wie ich es von einem Bruder wünschte; er setzt sich nun in der größten Thätigkeit um, meiner Mutter nicht mehr beschwerlich zu fallen, er hofft sich diesen Winter durch übersetzen zu helfen; aber freilich wird daß wohl mehr beym Willen bleiben als bey der That, wenn er sich nur in diesen halben Jahre etwas zu verdient, daß es der Mutter nicht gar zu schwer [3] wird, und alsdann zu Ostern gewiß, eine Hofmeisterstelle hat. Er hat auf meiner Mutter verlangen, angehalten Majorenn erklärt zu werden, um die Weitläuftigkeiten mit einem Vormunde zu vermeiden.
Durch ihm haben wir auch erfahren daß Ernst in Dresden, es noch aufgeschoben Charlotten die traurige Nachricht zu geben, weil er sich davor gefürchtet, nun bin ich besorgt daß sie es auf eine andere schreckhaftere Art erfährt; wie der gute Cruse der es vorher aus den hiesigen Anzeigen gesehen. Ich habe Crusen, durch seine Theilnahme, denn es ist ihm als wenn er seinen eigenen Vatter verlohren (er war es ja auch für ihm) noch lieber gewonnen. Ich weis nicht mehr recht was man dir alles von des seeligen Vatters Krankheit und letzten Tagen geschrieben hat; Da aber Fritz darum bittet, ihm alles recht weitläuflig zu schreiben, so werde ich daß thun, und Fritzen schreiben daß er es dir dann zuschickt. Man[4]teufel in Dresden soll auf den Tod liegen, die arme Frau, ob es gleich in der Folge vielleicht ihr Glück ist.
Hier ist durch den betrübten Schlachten beynahe die ganze Stadt in Trauer versetzt worden, ob gleich das Gerücht die Sache aus wärts wohl noch viel verschlimmert hat, so ist es doch noch immer schlimm genug Marschall, Schlütter Bothmer, und noch viele andere mehr sind Tod, sehr viele blessirt und gefangen. Es ist itzt in allen Betracht eine betrübte Zeit, es ist auch wohl noch nie so stille in der Stadt gewesen als itzt.
Rehbergs ziehen itzt gerade um, in ein ander Logis, daher können wir die auch selten sehen; auch ist der kleine Kayser itzt gerade hier; eine traurige Aufmunterung für die alte. Pape besucht Carle fleißig, und sie auch mich. Ernsten entschuldigst du ja wohl daß er dir nicht schr[eibt] meine Mutter hat dir ja schon von seinen itzt so gehäuften Geschäfte geschrieben: Der Himmel erhöre seine und unsere Wünsche daß er bald, und nicht jar zu schlecht befördert werde [3] die Consistorialräthe, so wie auch Arnswaldt, und insbesondere Leis haben sich nicht ungünstig für ihn erklärt. Die Tante Caroline ist Gestern [2] wieder nach Ohsen gereist, dieses letzte fürchte ich hat ihrer ohnehin schwachen Gesundheit, den letzten Stoß gegeben. Sie läßt dich noch herzlich grüßen [1] so wie wir alle. Bleib ja hübsch Gesund, und schreibe bald wieder
Deine dich zärtlich liebende Schwester
Henriette Schlegel
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[1] 1793 den 4ten Okto.
Liebster Wilhelm,
Ich muß doch der Mutter ihren Briefe noch einige Zeilen beyfügen; es ist itzt die traurigste Epoche meines Lebens, das härteste daran ist zwar überstanden, aber das Gefühl unsers großen Verlusts wird sich nie abstumpfen. Es ist mir itzt noch oft als wenn es nicht so seyn könnte! Und daß ist ein tiefer Kummer für mich – und lag besonders während meiner Krankheit schwer auf meinem Herzen, daß ich in der ganzen Krankheit, nichts zur Pflege und Wartung, nichts zur Erleichterung meiner Mutter beytragen konnte; da es doch schon von lange her, mein fester Vorsatz gewesen, bey ihm zu bleiben, bey dem besten Vater bis zu seiner letzten Stunde. Es zerriß mir oft das Herz mich so nahe bey ihm zu wißen und doch so getrennt. Keins von seinen Kindern ist so glücklich [2] gewesen um ihn zu seyn; aber er hat uns gewis im Geiste noch alle geseegnet, und hat inbrünstig für uns gebetet, denn er hat uns auch in den letzten Tagen alle mit Namen genant. Sein Gebet sein Seegen wird gewiß wirksam seyn! Dieß stärkt mein Vertrauen, und ist mir Trost. Gottlob, daß wir nun alle so weit wieder besser sind! und daß meiner Mutter Gesundheit, doch nicht zu sehr darunter gelitten!
Mein Bruder Fritz hat eben geschrieben, ein sehr guter Brief, so wie ich es von einem Bruder wünschte; er setzt sich nun in der größten Thätigkeit um, meiner Mutter nicht mehr beschwerlich zu fallen, er hofft sich diesen Winter durch übersetzen zu helfen; aber freilich wird daß wohl mehr beym Willen bleiben als bey der That, wenn er sich nur in diesen halben Jahre etwas zu verdient, daß es der Mutter nicht gar zu schwer [3] wird, und alsdann zu Ostern gewiß, eine Hofmeisterstelle hat. Er hat auf meiner Mutter verlangen, angehalten Majorenn erklärt zu werden, um die Weitläuftigkeiten mit einem Vormunde zu vermeiden.
Durch ihm haben wir auch erfahren daß Ernst in Dresden, es noch aufgeschoben Charlotten die traurige Nachricht zu geben, weil er sich davor gefürchtet, nun bin ich besorgt daß sie es auf eine andere schreckhaftere Art erfährt; wie der gute Cruse der es vorher aus den hiesigen Anzeigen gesehen. Ich habe Crusen, durch seine Theilnahme, denn es ist ihm als wenn er seinen eigenen Vatter verlohren (er war es ja auch für ihm) noch lieber gewonnen. Ich weis nicht mehr recht was man dir alles von des seeligen Vatters Krankheit und letzten Tagen geschrieben hat; Da aber Fritz darum bittet, ihm alles recht weitläuflig zu schreiben, so werde ich daß thun, und Fritzen schreiben daß er es dir dann zuschickt. Man[4]teufel in Dresden soll auf den Tod liegen, die arme Frau, ob es gleich in der Folge vielleicht ihr Glück ist.
Hier ist durch den betrübten Schlachten beynahe die ganze Stadt in Trauer versetzt worden, ob gleich das Gerücht die Sache aus wärts wohl noch viel verschlimmert hat, so ist es doch noch immer schlimm genug Marschall, Schlütter Bothmer, und noch viele andere mehr sind Tod, sehr viele blessirt und gefangen. Es ist itzt in allen Betracht eine betrübte Zeit, es ist auch wohl noch nie so stille in der Stadt gewesen als itzt.
Rehbergs ziehen itzt gerade um, in ein ander Logis, daher können wir die auch selten sehen; auch ist der kleine Kayser itzt gerade hier; eine traurige Aufmunterung für die alte. Pape besucht Carle fleißig, und sie auch mich. Ernsten entschuldigst du ja wohl daß er dir nicht schr[eibt] meine Mutter hat dir ja schon von seinen itzt so gehäuften Geschäfte geschrieben: Der Himmel erhöre seine und unsere Wünsche daß er bald, und nicht jar zu schlecht befördert werde [3] die Consistorialräthe, so wie auch Arnswaldt, und insbesondere Leis haben sich nicht ungünstig für ihn erklärt. Die Tante Caroline ist Gestern [2] wieder nach Ohsen gereist, dieses letzte fürchte ich hat ihrer ohnehin schwachen Gesundheit, den letzten Stoß gegeben. Sie läßt dich noch herzlich grüßen [1] so wie wir alle. Bleib ja hübsch Gesund, und schreibe bald wieder
Deine dich zärtlich liebende Schwester
Henriette Schlegel
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