• August Wilhelm von Schlegel to Sophie Bernhardi

  • Place of Dispatch: Coppet · Place of Destination: Unknown · Date: 19.06.1804
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
    Metadata Concerning Header
  • Sender: August Wilhelm von Schlegel
  • Recipient: Sophie Bernhardi
  • Place of Dispatch: Coppet
  • Place of Destination: Unknown
  • Date: 19.06.1804
    Printed Text
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: 335976727
  • Bibliography: Krisenjahre der Frühromantik. Briefe aus dem Schlegelkreis. Hg. v. Josef Körner. Bd. 1. Der Texte erste Hälfte. 1791‒1808. Bern u.a. ²1969, S. 109‒111.
  • Incipit: „Coppet d. 19 Jun [180]4.
    Sie haben es in Ihrer Gewalt, meine theuerste Freundin, mir alle Wochen einen Tag zum Festtage zu [...]“
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Coppet d. 19 Jun [180]4.
Sie haben es in Ihrer Gewalt, meine theuerste Freundin, mir alle Wochen einen Tag zum Festtage zu machen, aber wenn es Ihnen Überwindung kostet mir so oft zu schreiben, so muß ich Verzicht leisten. Ich bitte Sie daher die Erwähnung, daß ich gestern keinen Brief von Ihnen erhalten, nicht als eine Klage anzusehen. Meine Briefe werden hoffentlich richtig angekommen seyn, ich habe, seit ich hier bin, unausgesetzt alle Dienstage geschrieben, und werde auch damit fortfahren. Vielleicht sind Sie schon nach Liebenstein gegangen, aber dann sind Sie mir ja näher als in Weimar. Ich hoffe daß Ihnen das Bad bekömmt; was ich wegen Marcus gesagt, daß Sie sich den Umweg nicht möchten verdrießen lassen über Bamberg zurück oder hinzugehen, werden Sie wohl beherzigt haben. Auf jeden Fall habe ich Ihnen hier einige Zeilen an ihn beygelegt.
Mit der äußersten Ungeduld sehe ich Ihrem Entschlusse in Ansehung des Italiänischen Reiseplans entgegen, ich weiß es Ihnen nicht dringend genug ans Herz zu legen. Lassen Sie mich Ihnen wiederhohlen, daß es mit allen meinen Anerbietungen deßhalb der heiligste Ernst ist, und daß ich sehr gewiß bin, nichts versprochen zu haben was ich nicht halten könnte. Bringen Sie auch die Freude mit in Anschlag, daß wir uns unter günstigen Vorbedeutungen und entfernt von drückenden Verhältnissen wiedersehen werden, wenn Sie sich entschließen können; was mir sonst vielleicht auf eine bedeutende Zeit versagt bleiben muß, denn wenn Sie erst im Frühlinge gehen, so reisen wir uns wie ich fürchte aus dem Wege statt daß wir sonst hier einige Wochen, und in Rom zwey Monate zusammen seyn dürften.
Unser Reiseplan ist immer noch etwas schwankend, und ich stehe nicht dafür ein, daß nicht noch Veränderungen darin vorfallen sollten, für jetzt lautet er ungefähr so: über den Mont Cenis nach Turin, Mailand und Venedig, dann über Bologna und was man sonst unterwegs mitnehmen will und kann in die Romagna, und so nach Rom; hier etwa einen Monat geblieben, um sich zu orientiren, und mit Briefen, Empfehlungen u. s. w. für N[e]apel zu versehen, wohin Fr.[au] v. St.[aël] allerdings nicht unbedachtsamer Weise gehen darf. Dann nach Rom zurück um noch 2 Monate dort zu bleiben. Florenz bliebe dem Rückwege aufgespart, und so kehrten wir dann vermuthlich über den Simplon und das Walliserland hieher zurück.
Ich besorge, daß das Clima von Rom, vielleicht nicht ganz so wohlthätig für Ihren körperlichen Zustand seyn würde als das von Pisa, und daß Sie daher schon einen Theil des Winters über den schönen Aufenthalt werden aufopfern müssen. Doch hoffe ich, soll Ihre Gesundheit genugsam befestigt seyn, um mit Anfang Februars nach Rom gehen zu können, wo wir dann zu gleicher Zeit von Neapel her eintreffen und den Frühling zusammen erwachen sehen würden. Alles dieß wird Hufeland am besten wissen.
Erfreuen Sie mich bald mit der Gewißheit dieser schönen Aussichten. Mit beklommenem Herzen würde ich dem Süden entgegenreisen wenn ich Sie im Norden zurückgelassen wüßte.
Das Land und der Himmel ist hier gewiß sehr schön, und ich würde es mit verdoppeltem Interesse ansehen, wenn ich des gemeinschaftlichen Genusses mit Ihnen gewiß wäre. Nach einigen heißen Tagen, wo alle klagten außer ich, und wo ich auch das angenehme Bad im See genoß, war wieder frische Witterung eingetreten, und dann haben wir die sogenannte Bise gehabt, einen sehr heftigen Nordwind, jetzt ist aber wieder die angenehmste Temperatur. Am Freytage war ich mit Fr.[au] v. St.[aël] in Genf, und wir aßen auf dem Landsitze von Neckers älterem Bruder, Colognie, an der anderen Seite des See zu Mittage. Die Lage ist sehr hübsch, besonders die Aussicht auf Genf unvergleichlich, die uns hier fehlt, sonst überschauen wir den See hier besser, und das gegenüber liegende Amphitheater von Bergen ist mannichfaltiger, da der Jura, den wir hinter uns haben, mehr in einer einförmigen Kette fortgeht. Gestern war ich zu Fuß in Seligny, einem Dorf zwischen hier und Nyon, eine Stunde von hier, wo allerliebste Anlagen von Landsitzen sind. Ich sehe alles das darauf an, wie es Ihnen gefallen wird. Auf dem See des Abends zu fahren, würde Ihnen auch große Freude machen; es ist öfter vorgeschlagen worden, aber noch nicht dazu gekommen. – Da für die Knaben zum Behuf ihrer ersten Reitübungen ein Pferd angeschafft ist, so habe ich auch Gelegenheit zu reiten, was mir wohl thun wird, und am Sonntage habe ich den Anfang damit gemacht. Übermorgen denken wir, wenn das Wetter günstig ist, eine Fahrt nach der Dole, einem der höchsten Berge des Jura zu machen.
Joh. Müller kam vor 8 Tagen an, gerade als ich meinen Brief geschlossen hatte, er ist aber den größten Theil der Zeit in Genf gewesen bey Bonstetten und einem andern alten Freunde. Heute wird er zu Mittage erwartet, mit Bonstetten, und dem Präfect des Departemens. Sie können denken, daß es mir sehr erfreulich war, ihn wiederzusehen.
Überhaupt lebe ich hier sehr angenehme Tage, das einzige was mich ängstigt, sind die Arbeiten, die noch nicht recht rücken wollen. Indessen ist es noch nicht viel über 4 Wochen, daß ich hier bin, und einige Zeit muß man doch haben um sich einzuwohnen. Ich habe manches gethan und gelesen, nur nicht gerade das, was meinen Shakspeare und Calderon fördert.
Leben Sie recht wohl, ich muß schliessen, die herzlichsten Grüße an Tieck, ich küsse Ihnen die Hand und umarme die Kinder. Wenn Knorring da ist, so ermahnen Sie ihn, mir auch zu schreiben.
A W S[chlegel]
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Coppet d. 19 Jun [180]4.
Sie haben es in Ihrer Gewalt, meine theuerste Freundin, mir alle Wochen einen Tag zum Festtage zu machen, aber wenn es Ihnen Überwindung kostet mir so oft zu schreiben, so muß ich Verzicht leisten. Ich bitte Sie daher die Erwähnung, daß ich gestern keinen Brief von Ihnen erhalten, nicht als eine Klage anzusehen. Meine Briefe werden hoffentlich richtig angekommen seyn, ich habe, seit ich hier bin, unausgesetzt alle Dienstage geschrieben, und werde auch damit fortfahren. Vielleicht sind Sie schon nach Liebenstein gegangen, aber dann sind Sie mir ja näher als in Weimar. Ich hoffe daß Ihnen das Bad bekömmt; was ich wegen Marcus gesagt, daß Sie sich den Umweg nicht möchten verdrießen lassen über Bamberg zurück oder hinzugehen, werden Sie wohl beherzigt haben. Auf jeden Fall habe ich Ihnen hier einige Zeilen an ihn beygelegt.
Mit der äußersten Ungeduld sehe ich Ihrem Entschlusse in Ansehung des Italiänischen Reiseplans entgegen, ich weiß es Ihnen nicht dringend genug ans Herz zu legen. Lassen Sie mich Ihnen wiederhohlen, daß es mit allen meinen Anerbietungen deßhalb der heiligste Ernst ist, und daß ich sehr gewiß bin, nichts versprochen zu haben was ich nicht halten könnte. Bringen Sie auch die Freude mit in Anschlag, daß wir uns unter günstigen Vorbedeutungen und entfernt von drückenden Verhältnissen wiedersehen werden, wenn Sie sich entschließen können; was mir sonst vielleicht auf eine bedeutende Zeit versagt bleiben muß, denn wenn Sie erst im Frühlinge gehen, so reisen wir uns wie ich fürchte aus dem Wege statt daß wir sonst hier einige Wochen, und in Rom zwey Monate zusammen seyn dürften.
Unser Reiseplan ist immer noch etwas schwankend, und ich stehe nicht dafür ein, daß nicht noch Veränderungen darin vorfallen sollten, für jetzt lautet er ungefähr so: über den Mont Cenis nach Turin, Mailand und Venedig, dann über Bologna und was man sonst unterwegs mitnehmen will und kann in die Romagna, und so nach Rom; hier etwa einen Monat geblieben, um sich zu orientiren, und mit Briefen, Empfehlungen u. s. w. für N[e]apel zu versehen, wohin Fr.[au] v. St.[aël] allerdings nicht unbedachtsamer Weise gehen darf. Dann nach Rom zurück um noch 2 Monate dort zu bleiben. Florenz bliebe dem Rückwege aufgespart, und so kehrten wir dann vermuthlich über den Simplon und das Walliserland hieher zurück.
Ich besorge, daß das Clima von Rom, vielleicht nicht ganz so wohlthätig für Ihren körperlichen Zustand seyn würde als das von Pisa, und daß Sie daher schon einen Theil des Winters über den schönen Aufenthalt werden aufopfern müssen. Doch hoffe ich, soll Ihre Gesundheit genugsam befestigt seyn, um mit Anfang Februars nach Rom gehen zu können, wo wir dann zu gleicher Zeit von Neapel her eintreffen und den Frühling zusammen erwachen sehen würden. Alles dieß wird Hufeland am besten wissen.
Erfreuen Sie mich bald mit der Gewißheit dieser schönen Aussichten. Mit beklommenem Herzen würde ich dem Süden entgegenreisen wenn ich Sie im Norden zurückgelassen wüßte.
Das Land und der Himmel ist hier gewiß sehr schön, und ich würde es mit verdoppeltem Interesse ansehen, wenn ich des gemeinschaftlichen Genusses mit Ihnen gewiß wäre. Nach einigen heißen Tagen, wo alle klagten außer ich, und wo ich auch das angenehme Bad im See genoß, war wieder frische Witterung eingetreten, und dann haben wir die sogenannte Bise gehabt, einen sehr heftigen Nordwind, jetzt ist aber wieder die angenehmste Temperatur. Am Freytage war ich mit Fr.[au] v. St.[aël] in Genf, und wir aßen auf dem Landsitze von Neckers älterem Bruder, Colognie, an der anderen Seite des See zu Mittage. Die Lage ist sehr hübsch, besonders die Aussicht auf Genf unvergleichlich, die uns hier fehlt, sonst überschauen wir den See hier besser, und das gegenüber liegende Amphitheater von Bergen ist mannichfaltiger, da der Jura, den wir hinter uns haben, mehr in einer einförmigen Kette fortgeht. Gestern war ich zu Fuß in Seligny, einem Dorf zwischen hier und Nyon, eine Stunde von hier, wo allerliebste Anlagen von Landsitzen sind. Ich sehe alles das darauf an, wie es Ihnen gefallen wird. Auf dem See des Abends zu fahren, würde Ihnen auch große Freude machen; es ist öfter vorgeschlagen worden, aber noch nicht dazu gekommen. – Da für die Knaben zum Behuf ihrer ersten Reitübungen ein Pferd angeschafft ist, so habe ich auch Gelegenheit zu reiten, was mir wohl thun wird, und am Sonntage habe ich den Anfang damit gemacht. Übermorgen denken wir, wenn das Wetter günstig ist, eine Fahrt nach der Dole, einem der höchsten Berge des Jura zu machen.
Joh. Müller kam vor 8 Tagen an, gerade als ich meinen Brief geschlossen hatte, er ist aber den größten Theil der Zeit in Genf gewesen bey Bonstetten und einem andern alten Freunde. Heute wird er zu Mittage erwartet, mit Bonstetten, und dem Präfect des Departemens. Sie können denken, daß es mir sehr erfreulich war, ihn wiederzusehen.
Überhaupt lebe ich hier sehr angenehme Tage, das einzige was mich ängstigt, sind die Arbeiten, die noch nicht recht rücken wollen. Indessen ist es noch nicht viel über 4 Wochen, daß ich hier bin, und einige Zeit muß man doch haben um sich einzuwohnen. Ich habe manches gethan und gelesen, nur nicht gerade das, was meinen Shakspeare und Calderon fördert.
Leben Sie recht wohl, ich muß schliessen, die herzlichsten Grüße an Tieck, ich küsse Ihnen die Hand und umarme die Kinder. Wenn Knorring da ist, so ermahnen Sie ihn, mir auch zu schreiben.
A W S[chlegel]
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