• Barthold Georg Niebuhr to August Wilhelm von Schlegel

  • Place of Dispatch: Berlin · Place of Destination: Bonn · Date: 27.03.1825
Edition Status: Single collated printed full text without registry labelling not including a registry
    Metadata Concerning Header
  • Sender: Barthold Georg Niebuhr
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel
  • Place of Dispatch: Berlin
  • Place of Destination: Bonn
  • Date: 27.03.1825
  • Notations: Empfangsort erschlossen.
    Printed Text
  • Bibliography: Klette, Anton: Verzeichnis der von A. W. v. Schlegel nachgelassenen Briefsammlung. Nebst Mittheilung ausgewählter Proben des Briefwechsels mit den Gebrüdern von Humboldt, F. Schleiermacher, B. G. Niebuhr und J. Grimm. Bonn 1868, S. IX‒XI.
  • Verlag: ‒
  • Incipit: „[1] Ich hatte mich nicht getäuscht als ich von dem Entschluss, die Vergünstigung zu suchen auf der Universität unsers Wohnorts Vorlesungen [...]“
    Manuscript
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: DE-611-35010
  • Classification Number: Mscr.Dresd.e.90,XIX,Bd.17,Nr.17
  • Number of Pages: 3 S. auf Doppelbl., hs. m. U.
  • Format: 25,4 x 21 cm
[1] Ich hatte mich nicht getäuscht als ich von dem Entschluss, die Vergünstigung zu suchen auf der Universität unsers Wohnorts Vorlesungen zu halten, Annehmlichkeiten erwartete: Ew. Hochwohlgebohren sehr freundliche Zuschrift ist die erste: und schwerlich könnte eine andre für mich höheren Werth haben.
Es sind zwölf Jahre dass ich, in einem Aufsaz, der Ew. Hochwohlgebohren vielleicht nie zu Gesicht gekommen ist, den Werth aussprach den ich darauf legen würde mich Ihres Beyfalls zu erfreuen: und von der Unveränderlichkeit meiner Bewunderung für ein einziges Talent und eine einzige Kunst habe ich so viele Zeugen als nähere Bekannte.
Was meine Absicht, mich an den Lehrstand der Universität zu Bonn anzuschliessen, betrifft, so will ich nicht läugnen – wiewohl dergleichen auch nicht zu den Dingen gehört die man allgemein erzählen würde – dass das Bedürfnis einen Ausweg zu finden um einer wohlwollenden Quälerey zu entgehen die mich in eine verdrehte Lage bannen möchte, erste Veranlassung dazu gewesen ist. Mit einer bestehenden Verpflichtung gebunden, und in ihrer Erfüllung beschäftigt, kann ich der Aufforderung an Verhandlungen, wo sich nichts ausrichten lässt, Theil zu nehmen, ein materielles Hinderniss entgegenstellen, was im Augenblick nicht von der eigenen Willkühr abhängt. Ein ähnlicher Grund entschied mich, schon für das Sommersemester eine Vorlesung anzukündigen. [2] Ohne die Nothwendigkeit einen Termin zu gewinnen, über den hinaus man meine Abreise doch nicht aufhalten könnte, würde ich den Bedenken Raum gegeben haben, dass meine Bücher noch nicht ausgepackt sind, und dass ich nur einen Theil des Semesters lesen kann, um meiner Frau eine ihrer Gesundheit hoffentlich sehr heilsame Reise nicht zu entziehen.
Diese Vorlesung wird mithin sehr unvorbereitet Statt finden, und nur eben dazu dienen können einigen philologischen Studierenden jenes Schauspiel zu zeigen welches unsre fragmentarische Philologie gewöhnlich beseitigt: das alternde und absterbende Griechenland. Ein Gegenstand auf dessen Erforschung mich eine, vielleicht wunderliche, Richtung von Pietät geführt, dessen Darstellung ich aber auch nicht einmal bisher entworfen habe.
Ich wünsche, dass Ew. Hochwohlgebohren mich jemals genug kennen mögen, um zu glauben dass, wie wohl jeder sich leicht über sich täuscht, ich sehr wohl in den Productionen meines Gemüths, zu unterscheiden weiss was nur trivialen Werth und relative Brauchbarkeit hat. Es wäre ein arger Misbrauch der Zeit wenn irgend jemand, der über jener Stufe des Jünglingsalters steht aus einer – wie ich zu glauben wünsche – in andern Fällen verdienten Werthschätzung, jenen Vorlesungen beywohnen wollte. Zum mündlichen freyen Vortrag macht Distraction mich sehr ungeschickt, und doch finde ich nicht Zeit niederzuschreiben und zu verlesen. Jenes schadet für den Lernenden nichts, oder doch wenig. Ich bitte Ew. Hochwohlgebohren ganz dringend, – und werde in Ihrer Gewährung eine wahre Güte von Ihrer Seite erkennen, – wenn irgend Jemand ausser Studierenden die Absicht haben sollte jenen Vorlesungen zuzuhören, geltend zu machen dass ich angelegentlich bitte es nicht zu thun.
[2] Wenn ich künftig einmal über die Chorographie Italiens, und die Topographie Roms, lesen sollte, würde ich im Gegentheil durch Einladungen beweisen dass ich weder aus Scheu, noch aus zu strenger Selbstbeurtheilung, so handle.
Möge die Universität in mir einen Freywilligen sehen, der sich geehrt findet einzutreten wo eine Lücke zufällig seyn mag: wenn der bleibend Verpflichteten einer sich einmal dispensirt wünscht, oder in ähnlichen Fällen. Von Ew. Hochwohlgebohren, wie von Andern, überzeugt dass Sie meine Wünsche über den Antheil den ich nehmen könnte, mit Wohlwollen berücksichtigen werden: bitte ich Sie nur zu glauben dass ich unwandelbar an jenem Hauptgesichtspunkt festhalten werde.
Ein seltsames Geschick hat mir Bonn als Tibur oder Tarent meines herannahenden Alters gezeigt: ungestörtes Verweilen und ein heiteres stilles kleines Leben sind nun alle meine Wünsche. Ich zähle die Tage bis zur Rückkehr; und zu den Gegenständen, ausser dem Wiedersehen meiner Familie, die mir ausgezeichnet erfreulich sind, gehört, Ew. Hochwohlgebohren persönlich die Gesinnungen meiner Bewunderung und ausgezeichneten Hochachtung äussern zu können.
Niebuhr
Berlin, den 27sten März 1825.
[1] Ich hatte mich nicht getäuscht als ich von dem Entschluss, die Vergünstigung zu suchen auf der Universität unsers Wohnorts Vorlesungen zu halten, Annehmlichkeiten erwartete: Ew. Hochwohlgebohren sehr freundliche Zuschrift ist die erste: und schwerlich könnte eine andre für mich höheren Werth haben.
Es sind zwölf Jahre dass ich, in einem Aufsaz, der Ew. Hochwohlgebohren vielleicht nie zu Gesicht gekommen ist, den Werth aussprach den ich darauf legen würde mich Ihres Beyfalls zu erfreuen: und von der Unveränderlichkeit meiner Bewunderung für ein einziges Talent und eine einzige Kunst habe ich so viele Zeugen als nähere Bekannte.
Was meine Absicht, mich an den Lehrstand der Universität zu Bonn anzuschliessen, betrifft, so will ich nicht läugnen – wiewohl dergleichen auch nicht zu den Dingen gehört die man allgemein erzählen würde – dass das Bedürfnis einen Ausweg zu finden um einer wohlwollenden Quälerey zu entgehen die mich in eine verdrehte Lage bannen möchte, erste Veranlassung dazu gewesen ist. Mit einer bestehenden Verpflichtung gebunden, und in ihrer Erfüllung beschäftigt, kann ich der Aufforderung an Verhandlungen, wo sich nichts ausrichten lässt, Theil zu nehmen, ein materielles Hinderniss entgegenstellen, was im Augenblick nicht von der eigenen Willkühr abhängt. Ein ähnlicher Grund entschied mich, schon für das Sommersemester eine Vorlesung anzukündigen. [2] Ohne die Nothwendigkeit einen Termin zu gewinnen, über den hinaus man meine Abreise doch nicht aufhalten könnte, würde ich den Bedenken Raum gegeben haben, dass meine Bücher noch nicht ausgepackt sind, und dass ich nur einen Theil des Semesters lesen kann, um meiner Frau eine ihrer Gesundheit hoffentlich sehr heilsame Reise nicht zu entziehen.
Diese Vorlesung wird mithin sehr unvorbereitet Statt finden, und nur eben dazu dienen können einigen philologischen Studierenden jenes Schauspiel zu zeigen welches unsre fragmentarische Philologie gewöhnlich beseitigt: das alternde und absterbende Griechenland. Ein Gegenstand auf dessen Erforschung mich eine, vielleicht wunderliche, Richtung von Pietät geführt, dessen Darstellung ich aber auch nicht einmal bisher entworfen habe.
Ich wünsche, dass Ew. Hochwohlgebohren mich jemals genug kennen mögen, um zu glauben dass, wie wohl jeder sich leicht über sich täuscht, ich sehr wohl in den Productionen meines Gemüths, zu unterscheiden weiss was nur trivialen Werth und relative Brauchbarkeit hat. Es wäre ein arger Misbrauch der Zeit wenn irgend jemand, der über jener Stufe des Jünglingsalters steht aus einer – wie ich zu glauben wünsche – in andern Fällen verdienten Werthschätzung, jenen Vorlesungen beywohnen wollte. Zum mündlichen freyen Vortrag macht Distraction mich sehr ungeschickt, und doch finde ich nicht Zeit niederzuschreiben und zu verlesen. Jenes schadet für den Lernenden nichts, oder doch wenig. Ich bitte Ew. Hochwohlgebohren ganz dringend, – und werde in Ihrer Gewährung eine wahre Güte von Ihrer Seite erkennen, – wenn irgend Jemand ausser Studierenden die Absicht haben sollte jenen Vorlesungen zuzuhören, geltend zu machen dass ich angelegentlich bitte es nicht zu thun.
[2] Wenn ich künftig einmal über die Chorographie Italiens, und die Topographie Roms, lesen sollte, würde ich im Gegentheil durch Einladungen beweisen dass ich weder aus Scheu, noch aus zu strenger Selbstbeurtheilung, so handle.
Möge die Universität in mir einen Freywilligen sehen, der sich geehrt findet einzutreten wo eine Lücke zufällig seyn mag: wenn der bleibend Verpflichteten einer sich einmal dispensirt wünscht, oder in ähnlichen Fällen. Von Ew. Hochwohlgebohren, wie von Andern, überzeugt dass Sie meine Wünsche über den Antheil den ich nehmen könnte, mit Wohlwollen berücksichtigen werden: bitte ich Sie nur zu glauben dass ich unwandelbar an jenem Hauptgesichtspunkt festhalten werde.
Ein seltsames Geschick hat mir Bonn als Tibur oder Tarent meines herannahenden Alters gezeigt: ungestörtes Verweilen und ein heiteres stilles kleines Leben sind nun alle meine Wünsche. Ich zähle die Tage bis zur Rückkehr; und zu den Gegenständen, ausser dem Wiedersehen meiner Familie, die mir ausgezeichnet erfreulich sind, gehört, Ew. Hochwohlgebohren persönlich die Gesinnungen meiner Bewunderung und ausgezeichneten Hochachtung äussern zu können.
Niebuhr
Berlin, den 27sten März 1825.
×
×