• Henriette Mendelssohn to August Wilhelm von Schlegel

  • Place of Dispatch: Berlin · Place of Destination: Jena · Date: 18.12.1798
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
    Metadata Concerning Header
  • Sender: Henriette Mendelssohn
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel
  • Place of Dispatch: Berlin
  • Place of Destination: Jena
  • Date: 18.12.1798
    Printed Text
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: 362832862
  • Bibliography: Dreihundert Briefe aus zwei Jahrhunderten. Hg. v. Karl von Holtei. Bd. 1. Hannover 1872, S. 171‒172.
  • Incipit: „Ohne Datum.
    Es geht mir schlecht, recht schlecht, mein theurer Freund! Ich bin in der traurigsten Stimmung von der Welt, und ich [...]“
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Ohne Datum.
Es geht mir schlecht, recht schlecht, mein theurer Freund! Ich bin in der traurigsten Stimmung von der Welt, und ich glaube gar es ist ein potenzirter Kummer der mich drückt, denn ich bin über meinen eignen Verdruß verdrüßlich. ‒
Die Veit hat schon gestern ihr Haus verlassen und den lezten großen Schritt zu ihrem Glück gethan. Sie sieht mit Heiterkeit, über alles was sie jezt drückt hinweg, einer schönen Zukunft entgegen. Jeder der sie liebt freut sich mit ihr und theilt ihre Hoffnungen. Ich liebe sie gewiß auch recht sehr, und war doch gestern als sie uns verließ recht unglücklich. Ich bin aber ein muthloses Geschöpf, das dem Glücke nicht gern vis à vis sein mag, aus Furcht ein ordentliches ‒ Nein ‒ zu erblicken. In meinen eigenen Angelegenheiten ist es nun auch schon so an diese Eigenheit gewöhnt, daß es immer in ehrerbietiger Ferne bleibt, und mir kaum einen Seitenblick erlaubt. ‒
Da liegt nun Ihr und Augustens freundlicher Brief vor mir und sieht mich so lächelnd an, daß ich vor Ungeduld vergehn möchte, nicht schon jezt, ‒ vielleicht diesen Winter gar nicht zu Ihnen kommen zu können. Ich kann keine Reisegesellschaft auch nur bis Leipzig finden; alle meine Bekannte scheuen die unbequeme Fahrt. Und so habe ich nur noch eine Hoffnung: ich höre daß Zelter den Plan hat nach Jena zu reisen, ich werde ihn heute sprechen, und wenn es irgend möglich völlig dazu bestimmen. Wenn mir das gelingt so will ich meinem Schicksal, meinem eigenen, ein Versöhnungsfest feiern, und Sie sollen auch nicht eine Spur von Verdruß an mir gewahren. Werden Sie es nur nicht müde lieber, lieber Freund, von meinem Kommen so unaufhörlich reden zu hören, und verwahren Sie mir gern einen Platz an Ihrem Theetische, dessen ich mit wahrer Andacht alle Abend gedenke. ‒ Sie sollen nun kein unbestimmtes Wort weiter darüber hören. Nachdem ich mit Zelter gesprochen werde ich Ihnen ein fröhliches Ja sagen ‒ oder auf lange lange Zeit Abschied von Ihnen nehmen.
Ich rechne auf Ihre Freundschaft als auf mein höchstes Gut. Ich will alles alles thun um mir die Liebe Ihrer verehrten geliebten Frau zu erwerben.
Tausend herzliche Grüße für mein Schwesterchen; (Auguste B.?) ich bin zu zerstreut um ihr heute selbst zu schreiben. Ich kann im traurigsten Ernst mit Merkutio sagen: „Wie mir ist, sage ich nicht.“ ‒ Leben Sie wohl! Ihre
Henriette M.
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Ohne Datum.
Es geht mir schlecht, recht schlecht, mein theurer Freund! Ich bin in der traurigsten Stimmung von der Welt, und ich glaube gar es ist ein potenzirter Kummer der mich drückt, denn ich bin über meinen eignen Verdruß verdrüßlich. ‒
Die Veit hat schon gestern ihr Haus verlassen und den lezten großen Schritt zu ihrem Glück gethan. Sie sieht mit Heiterkeit, über alles was sie jezt drückt hinweg, einer schönen Zukunft entgegen. Jeder der sie liebt freut sich mit ihr und theilt ihre Hoffnungen. Ich liebe sie gewiß auch recht sehr, und war doch gestern als sie uns verließ recht unglücklich. Ich bin aber ein muthloses Geschöpf, das dem Glücke nicht gern vis à vis sein mag, aus Furcht ein ordentliches ‒ Nein ‒ zu erblicken. In meinen eigenen Angelegenheiten ist es nun auch schon so an diese Eigenheit gewöhnt, daß es immer in ehrerbietiger Ferne bleibt, und mir kaum einen Seitenblick erlaubt. ‒
Da liegt nun Ihr und Augustens freundlicher Brief vor mir und sieht mich so lächelnd an, daß ich vor Ungeduld vergehn möchte, nicht schon jezt, ‒ vielleicht diesen Winter gar nicht zu Ihnen kommen zu können. Ich kann keine Reisegesellschaft auch nur bis Leipzig finden; alle meine Bekannte scheuen die unbequeme Fahrt. Und so habe ich nur noch eine Hoffnung: ich höre daß Zelter den Plan hat nach Jena zu reisen, ich werde ihn heute sprechen, und wenn es irgend möglich völlig dazu bestimmen. Wenn mir das gelingt so will ich meinem Schicksal, meinem eigenen, ein Versöhnungsfest feiern, und Sie sollen auch nicht eine Spur von Verdruß an mir gewahren. Werden Sie es nur nicht müde lieber, lieber Freund, von meinem Kommen so unaufhörlich reden zu hören, und verwahren Sie mir gern einen Platz an Ihrem Theetische, dessen ich mit wahrer Andacht alle Abend gedenke. ‒ Sie sollen nun kein unbestimmtes Wort weiter darüber hören. Nachdem ich mit Zelter gesprochen werde ich Ihnen ein fröhliches Ja sagen ‒ oder auf lange lange Zeit Abschied von Ihnen nehmen.
Ich rechne auf Ihre Freundschaft als auf mein höchstes Gut. Ich will alles alles thun um mir die Liebe Ihrer verehrten geliebten Frau zu erwerben.
Tausend herzliche Grüße für mein Schwesterchen; (Auguste B.?) ich bin zu zerstreut um ihr heute selbst zu schreiben. Ich kann im traurigsten Ernst mit Merkutio sagen: „Wie mir ist, sage ich nicht.“ ‒ Leben Sie wohl! Ihre
Henriette M.
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